Urteil des LAG Hamm vom 25.06.2008

LArbG Hamm: arbeitsgericht, konzept, willenserklärung, muster, behinderung, abgabe, leistungsklage, erlass, arbeitskraft, eltern

Landesarbeitsgericht Hamm, 10 Sa 415/08
Datum:
25.06.2008
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 Sa 415/08
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Detmold, 2 Ca 1607/07
Nachinstanz:
Bundesarbeitsgericht, 9 AZN 879/08 Beschwerde verworfen 23.10.2008
Schlagworte:
Verringerung der Arbeitszeit; Arbeitszeitreduzierung und
Arbeitszeitverteilung; entgegenstehende betriebliche Gründe;
Berücksichtigung persönlicher Belange
Normen:
§ 8 TzBfG
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold
vom 05.02.2008 - 2 Ca 1607/07 - wird auf Kosten der Klägerin
zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten um die Reduzierung und Verteilung der Arbeitszeit der Klägerin.
2
Die am 23.07.1964 geborene Klägerin ist verheiratet und hat zwei unterhaltsberechtigte
Kinder, die inzwischen drei und fünf Jahre alt sind. Seit 1989 ist sie bei der Beklagten,
die ca. 200 Mitarbeiter beschäftigt, zunächst als gewerbliche Arbeitnehmerin, tätig. Seit
1995 wurde sie als technische Mitarbeiterin im Prüflabor eingesetzt. Ihr monatlicher
Bruttoverdienst betrug zuletzt 1.972,00 €.
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Nach der Geburt ihrer beiden Kinder befand sich die Klägerin, die mit einem Grad von
50 % behindert ist, bis zum 29.09.2007 in Elternzeit.
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Mit Schreiben vom 16.06.2007, bei der Beklagten eingegangen am 19.06.2007,
beantragte die Klägerin die Verringerung ihrer Arbeitszeit ab dem 04.10.2007 auf vier
Stunden pro Tag in dem Zeitraum von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr.
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In einem anschließend stattgefundenen persönlichen Gespräch zwischen den Parteien
bot die Beklagte der Klägerin an, im Prüflabor entweder als Teilzeitkraft montags bis
freitags von 6.00 Uhr bis 10.15 Uhr oder aber als Vollzeitkraft montags bis donnerstags
von 7.00 Uhr bis 15.15 Uhr sowie freitags von 7.00 Uhr bis 13.15 Uhr tätig zu werden.
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Dieses Arbeitsangebot wiederholte die Beklagte mit Schreiben vom 20.07.2007 (Bl. 4
d.A.) und mit Schreiben vom 22.08.2007 (Bl. 5 d.A.).
Im Prüflabor der Beklagten wird seit ca. zwei Jahren mit 1,5 Arbeitskräften gearbeitet,
wobei die Vollzeitkraft von montags bis donnerstags von 7.00 Uhr bis 15.15 Uhr sowie
freitags von 7.00 Uhr bis 13.15 Uhr tätig ist, die Teilzeitkraft montags bis freitags von
6.00 Uhr bis 10.15 Uhr. Bei kurzfristigen Ausfällen aufgrund Krankheit oder Urlaub im
Prüflabor wird eine Textilmeisterin aus der Warenschau im Prüflabor eingesetzt, sodass
das Prüflabor durchgehend mit 1,5 Arbeitskräften besetzt ist. Im Termin vor der
Berufungskammer vom 25.06.2008 stellte sich als unstreitig heraus, dass das Prüflabor
insbesondere morgens ab 6.00 Uhr und nachmittags bis 15.15 Uhr besetzt sein muss.
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Mit der am 09.10.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt die Klägerin
von der Beklagten, ab dem 04.10.2007 einer Verringerung der Arbeitszeit der Klägerin
auf vier Stunden täglich von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr zuzustimmen.
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Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe einen Anspruch auf Verringerung
ihrer Arbeitszeit auf vier Stunden täglich. Die Beklagte müsse einem Einsatz der
Klägerin von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr im Prüflabor zustimmen. Eine Arbeitszeit von 6.00
Uhr bis 10.15 Uhr kollidiere mit ihren elterlichen Pflichten. Es sei der Beklagten auch
möglich, die Arbeitszeit der Klägerin an den gewünschten Zeitraum anzupassen. Bevor
die Klägerin nach ihrer Elternzeit die Stelle in dem Prüflabor wieder angetreten habe,
sei dort eine Mitarbeiterin in Vollzeit von 7.00 Uhr bis 15.15 Uhr sowie eine Mitarbeiterin
in Teilzeit von 6.00 Uhr bis 10.00 Uhr tätig gewesen. Als die Klägerin ihre Tätigkeit von
8.00 Uhr bis 12.00 Uhr aufgenommen habe, sei die Teilzeitmitarbeiterin B6 lediglich
noch von 6.00 Uhr bis 8.00 Uhr im Prüflabor beschäftigt worden. Von 8.00 Uhr bis 10.00
Uhr habe sie eine Tätigkeit im Fachlabor aufgenommen. Die Mitarbeiterin B6 habe ihr,
der Klägerin, auch mitgeteilt, sie sei gerne bereit, nur von 6.00 Uhr bis 8.00 Uhr im
Prüflabor zu arbeiten. Der Hauptarbeitsanfall im Prüflabor falle erst ab ca. 7.30 Uhr an.
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Die Weigerung der Beklagten, sie zu der gewünschten Arbeitszeit einzusetzen, sei eine
reine Schikane. Soweit die Beklagte vortrage, ein anderweitiger Einsatz der Klägerin in
anderen Bereichen komme wegen der Behinderung der Klägerin nicht in Betracht, stelle
dies eine Diskriminierung von Behinderten dar.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte zu verpflichten, ab dem 04.10.2007 einer Verringerung der
Arbeitszeit auf vier Stunden täglich, von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr, zuzustimmen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat die Auffassung vertreten, im Hinblick auf den Teilzeitwunsch der Klägerin
bestünden seitens der Beklagten grundsätzlich keine Hinderungsgründe. Den Antrag
auf eine Verteilung der Arbeitszeit von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr täglich habe die Beklagte
jedoch aus entgegenstehenden betrieblichen Gründen ablehnen müssen.
15
Das Prüflabor sei von 7.00 Uhr bis 15.15 Uhr täglich mit einer Vollzeitkraft und von 6.00
Uhr bis 10.15 Uhr täglich mit einer Teilzeitkraft besetzt. Nur in dieser Besetzung sei die
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ausreichende Kapazität sowohl in personeller als auch in arbeitsorganisatorischer und
arbeitsablauftechnischer Hinsicht gegeben. Die Besetzung des Prüflabors morgens ab
6.00 Uhr und zumindest bis 15.15 Uhr sei unbedingt notwendig. Das Prüflabor der
Beklagten sei in den täglichen Produktionsablauf integriert. Besonders bei
Schichtbeginn in den frühen Morgenstunden sei ein Arbeitsanfall im Labor gegeben, da
Artikel zur Weiterverarbeitung in der Produktion geprüft und entsprechend freigegeben
werden müssten. Die Tätigkeit im Prüflabor gestalte sich dergestalt, dass um 6.00 Uhr
die Auftragstüten einschließlich der zu prüfenden Muster der fertigen Produktionspartien
aus der Spät- und Nachtschicht eingesammelt würden. Anschließend würden diese zur
Prüfung vorbereitet, Muster ausgestanzt und die entsprechenden Maschinen eingestellt.
Diese Tätigkeiten müssten bis 8.00 Uhr erledigt sein, da die größeren Prüfungen vier
Stunden laufen müssten, bis sie ausgewertet werden könnten. Von 8.00 Uhr bis 12.00
Uhr fänden dann nur kleinere Prüfungen und hausinterne Sonderprüfungen statt. Nach
12.00 Uhr fänden die Auswertungen der größeren Prüfungen statt, die von derjenigen
Person verantwortlich begleitet werden müssten, die morgens die Prüfungen mit
angesetzt habe; die Verantwortlichkeit liege insoweit bei der Vollzeitkraft, da diese als
Ansprechpartnerin für die anschließende Freigabe benötigt werde. Die Freigabe dieser
größeren Prüfungen und die Anmeldung für den Versand müssten zwingend bis 14.00
Uhr erfolgen. Nur dann sei gewährleistet, dass der Versand noch am gleichen Tag
erledigt werde.
Nach dem Arbeitsende in der Warenschau, also nach 14.15 Uhr, müssten im Prüflabor
noch bestimmte Dehnprüfungen für Artikel der Automobilindustrie durchgeführt werden.
Diese Prüfungen seien zwingend notwendig, damit diese Artikel noch am gleichen Tag
für den anschließenden Versand freigegeben werden könnten. Aus diesem Grunde
müsse das Prüflabor auf jeden Fall bis 15.15 Uhr besetzt sein.
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Insgesamt lasse die von der Klägerin gewünschte Arbeitszeit sich mit der
Arbeitsorganisation und dem Arbeitsablauf bei der Beklagten nicht vereinbaren. Eine
Verschiebung der Arbeitszeit der im Prüflabor beschäftigten Teilzeitkraft zeitlich nach
hinten sei nicht möglich.
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Ferner komme ein anderweitiger Einsatz der Klägerin in anderen Bereichen des
Betriebes der Beklagten wegen der Behinderung der Klägerin nicht in Betracht. Einen
Arbeitsplatz in der Warenschau habe die Klägerin selbst wegen ihrer Behinderung
abgelehnt.
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Durch Urteil vom 05.02.2008 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur
Begründung ausgeführt, der von der Klägerin gewünschten Verteilung der Arbeitszeit
auf 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr stünden betriebliche Gründe entgegen. Die Darlegungen der
Beklagten hätten ergeben, dass das Prüflabor morgens ab 6.00 Uhr bis 10.15 Uhr mit
einer Teilzeitkraft und von 7.00 Uhr bis 15.15 Uhr mit einer Vollzeitkraft besetzt sein
müsse. Dem stehe die von der Klägerin gewünschte Verteilung der Arbeitszeit
entgegen. Eine Doppelbesetzung von 10.00 Uhr bis 12.00 Uhr sei nicht erforderlich, das
Prüflabor müsse morgens ab 6.00 Uhr besetzt sein.
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Gegen das der Klägerin am 26.02.2008 zugestellte Urteil, auf dessen Gründe
ergänzend Bezug genommen wird, hat die Klägerin am 13.03.2008 Berufung zum
Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit dem am 02.04.2008 beim
Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
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Die Klägerin, die nach Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung der Beklagten
angeboten hat, morgens von 6.00 Uhr bis 10.15 Uhr als Teilzeitkraft eingesetzt zu
werden, begehrt mit ihrer Berufung nach wie vor, die Beklagte zu verpflichten, ab dem
04.10.2007 eine Verringerung der Arbeitszeit auf vier Stunden täglich von 8.00 Uhr bis
12.00 Uhr zuzustimmen.
22
Sie ist der Auffassung, dass das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich seines
Rechtsfolgenausspruchs unklar sei. Unklar sei insbesondere, ob nunmehr ein Teilzeit-
oder ein Vollzeitarbeitsverhältnis bestehe.
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Im Übrigen stünden der Verteilung der Arbeitszeit der Klägerin in dem von ihr
gewünschten Sinne keine betrieblichen Gründe entgegen. Aus welchen Gründen das
Arbeitsgericht von der Richtigkeit des Organisationskonzepts der Beklagten
ausgegangen sei, sei nicht ersichtlich. Das Arbeitsgericht hätte auch der Frage
nachgehen müssen, ob durch eine zumutbare Änderung der betrieblichen Abläufe der
Arbeitszeitwunsch der Klägerin hätte erfüllt werden können. Es seien keine gewichtigen
Gründe ersichtlich, Arbeiten im Prüflabor an einen anderen Mitarbeiter zu übergeben.
Unzutreffend sei es, dass der Hauptarbeitsanfall im Prüflabor von 6.00 Uhr bis 8.00 Uhr
stattfinde. Ein erhöhtes Arbeitsaufkommen liege frühestens ab 7.15 Uhr vor.
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Das Arbeitsgericht habe auch überhaupt nicht berücksichtigt, dass die Klägerin Mutter
von zwei Kindern sei, die betreut werden müssten. Ihr Ehemann könne diese Aufgabe
nicht übernehmen, da er voll berufstätig sei. Würden die mütterlichen Verpflichtungen
der Klägerin unberücksichtigt bleiben, stellte dies einen nicht hinnehmbaren Verstoß
gegen Artikel 6 GG dar.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Detmold vom 05.02.2008 – 2
Ca 1607/07 – die Beklagte zu verpflichten, ab dem 04.10.2007 einer
Verringerung der Arbeitszeit der Klägerin auf vier Stunden täglich von 8.00 Uhr
bis 12.00 Uhr zuzustimmen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil und ist der Auffassung, dass das Urteil des
Arbeitsgerichts klar und in der Sache richtig sei. Die Klägerin mache im vorliegenden
Verfahren einen Verringerungsanspruch und einen Verteilungsanspruch geltend. Diese
Klage sei abgewiesen worden. Danach bestehe das Arbeitsverhältnis wie zuvor als
Vollzeitarbeitsverhältnis fort. Unsicherheiten seien aufgrund des Ausspruchs des
arbeitsgerichtlichen Urteils nicht vorhanden.
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Im Übrigen habe das Arbeitsgericht zu Recht entschieden, dass dem Arbeitszeitwunsch
der Klägerin betriebliche Gründe entgegenstünden. Unter Wiederholung ihres
erstinstanzlichen Sachvortrags ist die Beklagte weiter der Auffassung, dass das
betriebliche Organisationskonzept der Beklagten eine Besetzung des Prüflabors
morgens von ab 6.00 Uhr bis nachmittags 15.15 Uhr erfordere. Dies werde durch die
Besetzung mit einer Vollzeitkraft von 7.00 Uhr bis 15.15 Uhr und mit einer Teilzeitkraft
von 6.00 Uhr bis 10.15 Uhr gewährleistet. Gerade morgens ab 6.00 Uhr sowie
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nachmittags bis 15.15 Uhr sei eine Besetzung des Prüflabors notwendig. Der
Arbeitszeitwunsch der Klägerin würde zu einer Doppelbesetzung des Prüflabors von
8.00 Uhr bis 12.00 Uhr führen. Mindestens in der Zeit von 10.00 Uhr bis 12.00 Uhr sei
eine Besetzung des Prüflabors mit 2 Arbeitskräften nicht erforderlich, weil in dieser Zeit
nur kleinere Prüfungen und hausinterne Sonderprüfungen stattfänden.
Dieses Organisationskonzept der Beklagten sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Vom
Arbeitsgericht sei auch nicht die Zweckmäßigkeit dieses Konzeptes zu prüfen. Die
Notwendigkeit der Besetzung des Prüflabors morgens ab 06.00 Uhr und nachmittags bis
15.15 Uhr sei von der Klägerin auch nicht bestritten worden. Auch den konkret
vorgetragenen Arbeitsablauf im Prüflabor habe sie nicht bestritten. Dennoch verlange
sie einen Arbeitseinsatz von 08.00 Uhr bis 12.00 Uhr. Mit diesem Arbeitszeitwunsch
lasse sich die Notwendigkeit der Besetzung des Prüflabors morgens ab 06.00 Uhr und
nachmittags bis 15.00 Uhr nicht vereinbaren.
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Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze
ergänzend Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung der Klägerin gegen das arbeitsgerichtliche Urteil ist nicht
begründet. Das Arbeitsgericht hat die zulässige Klage der Klägerin mit zutreffender
Begründung zu Recht abgewiesen.
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I.
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Die Klage ist zulässig.
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Die Klägerin begehrt die Änderung ihres Arbeitsvertrages hinsichtlich des Umfanges der
ursprünglichen Arbeitszeit und hinsichtlich der Verteilung der Arbeitszeit für die Zukunft.
Mit ihrer Leistungsklage, die auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist, hat sie die
zutreffende Verfahrensart gewählt. Der Antrag eines Arbeitnehmers auf Verringerung
der Arbeitszeit nach § 8 TzBfG ist ein Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrages
im Sinne des § 145 BGB und somit ein Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung
(BAG, 16.10.2007 - AP TzBfG § 8 Nr. 23, Rn. 20).
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Auch soweit die Klägerin nicht nur eine Arbeitszeitreduzierung, sondern auch eine
bestimmte Arbeitszeitverteilung verlangt hat, ist die Klage als Leistungsklage zulässig.
Insoweit liegen zwei verschiedene Streitgegenstände vor, die der Arbeitnehmer
grundsätzlich nach § 260 ZPO kumulativ oder im Wege einer eventuellen Klagehäufung
verfolgen kann.
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Die Anträge der Klägerin sind nach § 253 Abs. 2 ZPO auch hinreichend konkret gefasst.
Sowohl hinsichtlich der Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit als auch der konkreten
Verteilung der Arbeitszeit ist die von der Beklagten abzugebende Willenserklärung
hinreichend bestimmt.
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Auch soweit die Klägerin die Verringerung ihrer Arbeitszeit ab dem 04.10.2007 verlangt,
ist die Klage nicht unzulässig. In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist
inzwischen anerkannt, dass mit Inkrafttreten des § 311 a Abs. 1 BGB in der Fassung des
Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts seit dem 01.01.2002 die Verurteilung zu
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einer rückwirkenden Verringerung der Arbeitszeit gemäß § 8 TzBfG zulässig ist (BAG,
27.04.2004 - AP TzBfG § 8 Nr. 12; BAG, 09.11.2006 - AP BGB § 311 a Nr. 1 m. w. N.).
II.
42
Die Klage ist jedoch unbegründet.
43
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch nach § 8 Abs. 4 TzBfG, ab
dem 04.10.2007 einer Verringerung ihrer Arbeitszeit auf 4 Stunden täglich von 8.00 Uhr
bis 12.00 Uhr zuzustimmen.
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1. Die allgemeinen Voraussetzungen des Anspruchs auf Zustimmung nach § 8 Abs. 4
TzBfG lagen zum Zeitpunkt des Änderungsverlangens der Klägerin im Juni 2007 vor.
45
Das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten, die regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmer
beschäftigt (§ 8 Abs. 7 TzBfG), bestand länger als 6 Monate (§ 8 Abs. 1 TzBfG).
46
Die Klägerin hat auch die dreimonatige Mindestankündigungsfrist des § 8 Abs. 2 Satz 1
TzBfG durch ihr Schreiben vom 16.06.2007 gewahrt. Die von ihr gewünschte
Verringerung der vertraglich vereinbarten Vollzeittätigkeit sollte erst zum 04.10.2007
wirksam werden.
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Die Beklagte hat den Antrag der Klägerin auch form- und fristgerecht mit ihren
Schreiben vom 20.07.2007 und 22.08.2007 und damit mehr als einen Monat vor dem
gewünschten Beginn der Verringerung abgelehnt. Die Arbeitszeit der Klägerin hat sich
danach nicht bereits Kraft Fiktion nach § 8 Abs. 5 Satz 2 TzBfG verringert.
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2. Zu Recht ist das Arbeitsgericht jedoch in dem angefochtenen Urteil davon
ausgegangen, dass dem Teilzeitbegehren der Klägerin betriebliche Gründe im Sinne
des § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG entgegenstehen.
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a) Nach § 8 Abs.4 Satz 1 und 2 TzBfG hat der Arbeitgeber der Verringerung der
Arbeitszeit zuzustimmen, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Ein
entgegenstehender betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die Umsetzung
des Arbeitszeitverlangens die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im
Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Insoweit
genügt es, wenn der Arbeitgeber rational nachvollziehbare Gründe hat. Diese Gründe
müssen hinreichend gewichtig sein. Der Arbeitgeber kann die Ablehnung des
Arbeitszeitwunsches des Arbeitnehmers nicht nur mit seiner abweichenden
unternehmerischen Vorstellung von der "richtigen" Arbeitszeitverteilung begründen (vgl.
zuletzt: BAG, 15.08.2006 - AP TzBfG § 8 Nr. 16; BAG, 08.05.2007 - AP TzBfG § 8 Nr. 21;
BAG, 13.11.2007 - NZA 2008, 314).
50
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erfolgt die Prüfung der
hinreichend gewichtigen Gründe des Arbeitgebers regelmäßig in drei Stufen:
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Zunächst ist festzustellen, ob der vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen
Arbeitszeitregelung überhaupt ein betriebliches Organisationskonzept zugrunde liegt
und - wenn das zutrifft - um welches Konzept es sich handelt (1. Stufe).
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In der Folge ist zu untersuchen, inwieweit die Arbeitszeitregelung dem
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Arbeitszeitverlangen tatsächlich entgegensteht (2. Stufe).
Schließlich ist in einer 3. Stufe das Gewicht der entgegenstehenden betrieblichen
Gründe zu prüfen. Dabei ist die Frage zu klären, ob das betriebliche
Organisationskonzept oder die zugrunde liegende unternehmerische Aufgabenstellung
durch die vom Arbeitnehmer gewünschte Abweichung wesentlich beeinträchtigt werden
(zuletzt: BAG, 15.08.2006 – AP TzBfG § 8 Nr. 16; BAG, 08.05.2007 – AP TzBfG § 8 Nr.
21; BAG, 16.10.2007 – AP TzBfG § 8 Nr. 23; BAG, 13.11.2007 – NZA 2008, 314
m.w.N.).
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Maßgeblich für das Vorliegen der betrieblichen Gründe ist der Zeitpunkt der Ablehnung
des Arbeitszeitwunsches durch den Arbeitgeber, die im vorliegenden Fall erstmals mit
Schreiben vom 20.07.2007 erfolgte (BAG, 21.06.2005 – AP TzBfG § 8 Nr. 14).
55
Diese Dreistufenprüfung gilt sowohl für die Verringerung der Arbeitszeit wie auch für die
Verteilung der Arbeitszeit. Dabei ist das Anliegen eines Arbeitnehmers, seine Kinder zu
betreuen, nach der gesetzlichen Konzeption des Verringerungsanspruches in § 8 TzBfG
unerheblich. Es kommt nicht auf die vom Arbeitnehmer für seinen Teilzeitwunsch
geltend gemachten Gründe an. Weder sind persönliche Belange in § 8 TzBfG erwähnt,
noch haben die in § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG definierten entgegenstehenden betrieblichen
Gründe einen Bezug zu der Lebenssituation des Arbeitnehmers. Demgegenüber trifft §
15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG für die Elternzeit eine andere gesetzgeberische Wertung.
Dort wird das besondere Interesse der Eltern an einer Verringerung ihrer Arbeitszeit
stärker berücksichtigt. Ein solcher Antrag kann nur aus dringenden betrieblichen
Gründen abgelehnt werden. Das erfordert Gründe, die zwingend oder unabweisbar sind
(BAG, 15.08.2006 – AP TzBfG § 8 Nr. 16). Derartige Gründe sind bei einem
Verringerungsanspruch nach § 8 Abs. 4 TzBfG nicht erforderlich (BAG, 13.11.2007 –
NZA 2008, 314).
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b) Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich
die erkennende Kammer anschließt, stehen dem Verringerungswunsch der Klägerin,
insbesondere der von ihr gewünschten Verteilung der verringerten Arbeitszeit,
betriebliche Gründe entgegen.
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Der von der Beklagten als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung in ihrem
Prüflabor liegt ein betriebliches Organisationskonzept zugrunde. Seit mehr als zwei
Jahren hat die Beklagte das Prüflabor mit 1,5 Arbeitskräften besetzt. Diese Besetzung
ist notwendig, aber auch ausreichend, um den Arbeitsanfall und den Arbeitsablauf im
Prüflabor rechtzeitig und umfassend zu erledigen. Dabei hat sich in der
Berufungsinstanz herausgestellt, dass die Besetzung des Prüflabors morgens ab 6.00
Uhr und nachmittags bis 15.15 Uhr erforderlich ist. Ab 6.00 Uhr müssen die
Auftragstüten der fertigen Produktionspartien aus der Spät- und Nachtschicht
eingesammelt, zur Prüfung vorbereitet, Muster ausgestanzt und die entsprechenden
Maschinen eingestellt werden. Diese Tätigkeiten müssen bis 8.00 Uhr erledigt sein, da
anschließend größere Prüfungen, die 4 Stunden dauern, erfolgen. Dies hat die Klägerin
in der ausführlichen Erörterung im Termin vor der Berufungskammer vom 25.06.2008
nicht bestritten. Die Klägerin hat auch nicht bestritten, dass das Prüflabor nachmittags
bis 15.15 Uhr besetzt sein muss, weil bis spätestens 14.00 Uhr die Auswertungen der
größeren Prüfungen stattfinden, damit der Versand noch am gleichen Tag bis 16.00 Uhr
erledigt werden kann. Bis 15.15 Uhr fallen darüber hinaus kleinere Prüfungen für die
Automobilindustrie, insbesondere den Prüfungen, statt, die bis 15.15 Uhr beendet sein
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müssen, damit noch am gleichen Tage die Freigabe erfolgen kann.
Diesem Organisationskonzept ist die Klägerin nicht mit substantiierten Einwendungen
entgegengetreten. Zwar hat sie erstinstanzlich wie auch in der Berufungsinstanz
behauptet, dass die Hauptarbeit im Prüflabor erst ab 7.30 Uhr bzw. ab 7.15 Uhr beginne.
Dass aber die Tätigkeit im Prüflabor morgens bereits um 6.00 Uhr zu beginnen hat,
damit ab 8.00 Uhr die größeren Prüfungen, die 4 Stunden bis zur Auswertung laufen,
beginnen können, ist von ihr nicht bestritten worden. Bezeichnenderweise hat die
Klägerin auch nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils der Beklagten angeboten, ab
6.00 Uhr morgens tätig zu sein.
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Das von der Klägerin im vorliegenden Verfahren Arbeitszeitverlangen, von 8.00 Uhr bis
12.00 Uhr eingesetzt zu werden, steht der Arbeitszeitregelung im Prüflabor entgegen.
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Zwar ist es grundsätzlich möglich, im Prüflabor eine Arbeitskraft in Teilzeit mit 4 Stunden
täglich zu beschäftigen.
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Dem Arbeitszeitverlangen der Klägerin, von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr im Prüflabor
eingesetzt zu werden, steht jedoch das Organisationskonzept der Beklagten tatsächlich
entgegen. Insbesondere ist eine Doppelbesetzung des Prüflabors von 10.00 Uhr bis
12.00 Uhr nach dem von der Beklagten verfolgten Konzept nicht erforderlich. Das
Konzept der Beklagten erfordert vielmehr eine Besetzung des Prüflabors morgens ab
6.00 Uhr und nachmittags bis 15.15 Uhr. Diesem Konzept wird es widersprechen, wenn
die Klägerin als Teilzeitkraft von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr eingesetzt würde. Soweit die
Klägerin nach wie vor darauf hinweist, dass eine Arbeitskollegin von 6.00 Uhr bis 8.00
Uhr im Prüflabor tätig sein könne und anschließend – bei einer Arbeitsaufnahme der
Klägerin im Prüflabor ab 8.00 Uhr – von 8.00 Uhr bis 10.00 Uhr im Farblabor, übersieht
sie, dass das Prüflabor zwar neben der Vollzeitkraft, die um 7.00 Uhr ihre Arbeit
aufnimmt, von 6.00 Uhr bis 10.00 Uhr besetzt wäre, es aber durch den weiteren Einsatz
der Klägerin von 10.00 Uhr bis 12.00 Uhr zu einer Doppelbesetzung im Prüflabor
kommen würde. Gerade diese Doppelbesetzung ab 10.00 Uhr oder nach 10.15 Uhr ist
nach dem Organisationskonzept der Arbeitgeberin im Prüflabor weder erforderlich noch
notwendig. Die Beklagte hat nämlich insoweit unwidersprochen vorgetragen, dass in
der Zeit nach 8.00 Uhr im Wesentlichen nur kleinere Prüfungen und hausinterne
Sonderprüfungen stattfinden, erst nach 12.00 Uhr finden die Auswertungen der
größeren Prüfungen durch die Vollzeitkraft statt. In der Zeit ab 10.15 Uhr ist das
Prüflabor durch die Vollzeitkraft in ausreichender Weise besetzt.
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Das Arbeitszeitverlangen der Klägerin beeinträchtigt auch die unternehmerische
Entscheidung der Beklagten wesentlich. Die Beklagte müsste nämlich bei dem
Arbeitszeitwunsch der Klägerin, von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr tätig zu werden, eine dritte
Kraft im Prüflabor für die Zeit morgens zwischen 6.00 Uhr und 8.00 Uhr einsetzen oder
aber, wenn die Vollzeitkraft ab 6.00 Uhr tätig würde, eine dritte Kraft nachmittags bis
15.15 Uhr. Gerade weil eine Doppelbesetzung des Prüflabors in der Zeit zwischen
10.00 Uhr und 12.00 Uhr nicht erforderlich ist, kann die Beklagte darauf nicht verwiesen
werden. Ein Arbeitgeber muss sich nur auf zumutbare Maßnahmen verweisen lassen,
um den Teilzeitwunsch eines Arbeitnehmers zu ermöglichen (BAG, 09.12.2003 – AP
TzBfG § 8 Nr. 8). Das Prüflabor in der Zeit von 10.00 Uhr bis 12.00 Uhr mit zwei
Arbeitskräften zu besetzen, obgleich Arbeiten nur für eine Person anfallen, ist der
Beklagten jedoch nicht zumutbar. Der Arbeitsanfall im Prüflabor rechtfertigt auch nicht
den Einsatz einer Vollzeitkraft und zwei Teilzeitkräften. Bei einem Arbeitseinsatz der
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Klägerin von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr wäre die Hälfte der Arbeitszeit der Klägerin
unproduktiv. Dies ist der Beklagten nicht zumutbar.
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin hat die Kosten des
erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.
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Der Streitwert hat sich im Berufungsverfahren nicht geändert, § 63 GKG.
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Für die Zulassung der Revision vom Bundesarbeitsgericht bestand keine Veranlassung,
§ 72 Abs. 2 ArbGG.
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