Urteil des LAG Hamm vom 28.05.2009

LArbG Hamm: kündigung, treu und glauben, montage, eigenes verschulden, fehlerhaftigkeit, arbeitsgericht, kreis, arbeitsbedingungen, klagefrist, beschränkung

Landesarbeitsgericht Hamm, 8 Sa 113/09
Datum:
28.05.2009
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
8. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 Sa 113/09
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Paderborn, 4 Ca 656/08
Nachinstanz:
Bundesarbeitsgericht, 2 AZN 684/09
Schlagworte:
betriebsbedingte Kündigung / Interessenausgleich mit Namensliste /
grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl / Irrtum des Arbeitgebers über
den Inhalt des Arbeitsvertrages
Normen:
KSchG § 1 Abs. 5 Satz 2
Leitsätze:
Die Sozialauswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung ist als grob
fehlerhaft i.S.d. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG anzusehen, wenn der Kreis der
in die Auswahl einzubeziehenden Ar-beitnehmer irrtümlich zu eng
gezogen wird, weil die bei den Personalunterlagen befindliche
Ausfertigung des Arbeitsvertrages eine nicht vereinbarte, nachträglich
einseitig eingefügte Beschränkung der vertraglichen Aufgabenstellung
enthält und der Arbeitgeber diese gut-gläubig seiner
Auswahlentscheidung zugrunde gelegt hat. Maßgeblich ist die objektive
Rechtslage.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Paderborn vom 05.12.2008 – 4 Ca 656/08 – wird auf Kosten der
Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen, betriebsbedingten
Kündigung, welche die Beklagte auf der Grundlage eines Interessenausgleichs mit
Namensliste ausgesprochen und mit einem – vom Kläger nicht angenommenen –
Angebot zur Änderung des Arbeitsvertrages verbunden hat. Wesentliche Streitpunkte
sind zum einen die Einhaltung der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG, nachdem der
Kläger in der Klageschrift zunächst einen Änderungsschutzantrag formuliert hat. Zum
anderen beanstandet der Kläger die getroffene Sozialauswahl mit der Begründung, die
im vorgelegten Arbeitsvertrag enthaltene Beschränkung seiner Aufgabenstellung auf
eine bestimmte Abteilung sei einseitig erst nach Vertragsschluss in die Vertragsurkunde
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eingefügt worden und danach unmaßgeblich.
Der Kläger ist aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages, von welchem die Parteien
Ablichtungen mit teils abweichendem Inhalt vorgelegt haben (Bl. 84 f., 135, 165), seit
dem 27.11.1989 bei der Beklagten, welche mit Betrieben in W1 und H4/W2. die
Herstellung von Folienverpackungen betreibt, als Druckhelfer beschäftigt. Unter dem
11.12.2007 vereinbarte die Beklagte mit dem im Beschäftigungsbetrieb W1 gebildeten
Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste (Bl. 73 ff.). Hierin ist der Kläger
als zu entlassender Arbeitnehmer, und zwar als der Abteilung Klischee-Montage
zugeordneter Druckhelfer aufgeführt. Auf dieser Grundlage sprach die Beklagte
gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 25.02.2008 eine Kündigung des
Arbeitsverhältnisses zum 31.08.2008 aus und bot ihm zugleich eine geänderte Tätigkeit
im Betrieb H4 an. Bei Durchführung der Sozialauswahl unter den Druckhelfern ordnete
die Beklagte – der ihr vorliegenden Vertragskopie entsprechend – den Kläger als
"Druckhelfer/Klischee-Montage" ein und sah auf dieser Grundlage wegen der
Entlassung sämtlicher in der Klischee-Montage eingesetzten Druckhelfer von einer
Einbeziehung anderer Druckhelfer in die Sozialauswahl ab.
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Hierin sieht der Kläger, welcher im Übrigen die ordnungsgemäße Anhörung des
Betriebsrats sowie das Vorliegen von dringenden betrieblichen Erfordernissen
bestreitet, einen entscheidenden Mangel der Kündigung. Er behauptet, er sei bei
Abschluss des Arbeitsvertrages im Jahre 1989 allgemein als Druckhelfer eingestellt und
in den Folgejahren in verschiedenen Bereichen eingesetzt worden. Erst vor etwa zehn
Jahren sei er aus gesundheitlichen Gründen in die Klischee-Montage versetzt worden.
Ersichtlich handele es sich bei der Anfügung des Wortes "Klischee-Montage" in der
arbeitgeberseitig vorgelegten Vertragskopie um eine nachträgliche Ergänzung. Die
angebotene Änderung der Arbeitsbedingungen hat der Kläger als unzumutbar
bezeichnet. Nachdem er seinen Klageantrag zunächst im Sinne eines
Änderungsschutzantrages formuliert hat, hat er nachfolgend einen Antrag nach § 4 Satz
1 KSchG und zugleich vorsorglich einen Antrag auf nachträgliche Klagezulassung
gestellt.
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Durch Urteil vom 05.12.2008 (Bl. 172 – 190 d.A.), auf welches wegen des weiteren
Kündigungssachverhalts Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht antragsgemäß
festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die angegriffene Kündigung
nicht beendet worden ist. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, die
ausgesprochene Kündigung sei sozialwidrig. Entgegen der Auffassung der Beklagten
habe der Kläger mit seiner am 14.03.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage
die dreiwöchige Klagefrist gewahrt. Zwar habe der Kläger zunächst allein eine
Änderungsschutzklage gemäß § 4 Satz2 KSchG erhoben und erst mit Schriftsatz vom
22.07.2008 die Kündigung als Beendigungskündigung mit einem Antrag nach § 4 Satz
1 KSchG angegriffen. In entsprechender Anwendung des § 6 KSchG sei es dem Kläger
jedoch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung möglich, die Unwirksamkeit der
Änderungskündigung als Beendigungskündigung geltend zu machen. In der Sache
ergebe sich aus der Vorschrift des § 1 Abs. 5 KSchG zwar die vom Kläger nicht
widerlegte Vermutung, dass die ausgesprochene Kündigung durch betriebsbedingte
Gründe veranlasst sei. Jedoch müsse die getroffene Sozialauswahl als grob fehlerhaft
angesehen werden, da die Beklagte zu Unrecht ihre Auswahlentscheidung auf die
Beschäftigten im Bereich Druckhelfer/Klischee-Montage beschränkt und Angaben zu
den sozialen Verhältnissen der übrigen Druckhelfer nicht gemacht habe. Allein der
Umstand, dass sich auf dem Vertragsexemplar der Beklagten der Zusatz "Klischee-
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Montage" befinde, belege nicht, dass dieser Zusatz bereits zum Zeitpunkt des
Vertragsschlusses vorhanden gewesen sei. Soweit die Beklagte sich hierzu mit
Nichtwissen erkläre, müsse dies als prozessual unbeachtlich angesehen werden, da die
Beklagte eine entsprechende Erkundigung versäumt habe. Die Beschränkung der
Sozialauswahl auf eine Unterabteilung bzw. einen kleinen Arbeitsbereich ohne
entsprechende vertragliche Grundlage führe zur groben Fehlerhaftigkeit der
Sozialauswahl, ohne dass es darauf ankomme, ob die Beklagte möglicherweise ohne
eigenes Verschulden von unrichtigen Auswahlerwägungen ausgegangen sei.
Mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Beklagte unter
Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihr Begehren auf
Abweisung der Klage weiter und beantragt:
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1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn – 4 Ca 656/08 – vom
05.12.2008 wird abgeändert.
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2. Die Klage wird abgewiesen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben über die widerstreitenden Behauptungen
der Parteien zum Inhalt des Arbeitsvertrages durch uneidliche Vernehmung des Zeugen
P3. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift
vom 28.05.2009 (Bl. 246 ff. d.A.) Bezug genommen.
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Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG
abgesehen.
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Entscheidungsgründe
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Die Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg.
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I
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In Übereinstimmung mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil ist das zwischen den Parteien
bestehende Arbeitsverhältnis durch die angegriffene Kündigung nicht beendet worden.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat auch die Berufungskammer von einer
grob fehlerhaften Sozialauswahl auszugehen.
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1. Entgegen dem Standpunkt der Beklagten hat der Kläger die dreiwöchige Klagefrist
des § 4 KSchG nicht versäumt. Bereits die zutreffende Auslegung des Klagebegehrens
führt nämlich zu dem Ergebnis, dass der Kläger – trotz abweichend formulierten
Klageantrages – von Anfang an die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung geltend
gemacht hat.
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a) Seinem Wortlaut nach ist der Klageantrag zu Ziffer 1) allerdings auf die Feststellung
gerichtet, "dass die Änderung der Arbeitsbedingungen … sozial nicht gerechtfertigt und
damit unwirksam ist". Der Antrag zu 1) ist damit im Sinne eines
Änderungsschutzantrages formuliert. Der weitere Klageantrag zu 2) betrifft mögliche
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weitere Beendigungstatbestände, nicht hingegen wird hiervon auch die konkret mit dem
Antrag zu 1) angegriffene Änderungskündigung vom 25.02.2008 erfasst.
b) Für die Auslegung des Klagebegehrens kommt es indessen, wie allgemein anerkannt
ist, nicht allein auf den Antragswortlaut, sondern zugleich auf die Antragsbegründung an
(BAG, 13.12.2007, 2 AZR 818/06, DB 2009, 1248). Wie die – im Tatbestand des
arbeitsgerichtlichen Urteils zutreffend zitierte – Klagebegründung ausweist, hat der
Kläger von Beginn des Verfahrens an nicht allein zum Ausdruck gebracht, er halte das
mit der Kündigung unterbreitete Angebot einer Tätigkeit in der Betriebsstätte H4 für
unzumutbar – dies würde möglicherweise eine vorsorgliche Annahme des
Änderungsangebots trotz beanstandeter Unzumutbarkeit nicht ausschließen. Vielmehr
heißt es weiter, der Kläger sei aus den genannten Gründen "nicht in der Lage, von dem
Wahlrecht Gebrauch zu machen, die Änderungskündigung unter dem Vorbehalt der
Überprüfung durch das Arbeitsgericht anzunehmen (vgl. § 2 KSchG)." Materiell-rechtlich
kann diese Formulierung dem Zusammenhang nach nicht anders als eine endgültige
Ablehnung des unterbreiteten Vertragsangebots im Sinne des §146BGB verstanden
werden. Demgegenüber bietet die genannte Formulierung für ein Verständnis in dem
Sinne, der Kläger wolle sich möglicherweise doch noch eine abweichende Ausübung
des Wahlrechts vorbehalten, zunächst einmal – ohne gleichzeitige Vorbehaltserklärung
– seinen Angriff auf die Änderung der Arbeitsbedingungen beschränken und ggfls seine
abschließende Entscheidung über das Klageziel bis zum Ablauf der in § 2 KSchG
genannten Frist offenhalten, keinerlei vernünftige Anhaltspunkte. Aus diesen – der
Klageschrift selbst zu entnehmenden – Umständen ergibt sich aber ohne weiteres ein
für jeden verständigen Leser offensichtlicher Widerspruch zwischen Klageantrag,
Klagebegründung und erstrebter gerichtlicher Entscheidung. Auch ohne Rückgriff auf
die Vorschrift des § 6KSchG ergibt damit schon die korrigierende Auslegung des in der
Klageschrift enthaltenen Antrages, dass der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der
Kündigung gemäß § 1 KSchG geltend macht.
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2. In der Sache folgt die Kammer zunächst den Ausführungen des arbeitsgerichtlichen
Urteils zum Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse, dem Fehlen eines freien
Arbeitsplatzes und zur Verhältnismäßigkeit des unterbreiteten Änderungsangebots.
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Auch in der Frage der Sozialauswahl tritt die Kammer auf der Grundlage der im zweiten
Rechtszuge erforderlich gewordenen Beweisaufnahme dem Standpunkt des
arbeitsgerichtlichen Urteils bei. Danach ist die durchgeführte Sozialauswahl als "grob
fehlerhaft" im Sinne des § 1 Abs. 5 KSchG anzusehen, weil sie zu Unrecht auf den Kreis
der Druckhelfer beschränkt worden ist, welche in der Klischee-Montage eingesetzt
waren.
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a) Die Entscheidung der Beklagten, die Sozialauswahl in Bezug auf die Person des
Klägers auf den Kreis derjenigen Druckhelfer zu beschränken, welche nach dem Inhalt
des Arbeitsvertrages ausschließlich der Klischee-Montage zugeordnet sind, stützt sich
auf die bei der Personalakte befindliche Vertragsausfertigung, welche einen
entsprechenden einschränkenden Zusatz aufweist. Nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme ist die Kammer jedoch davon überzeugt, dass der entsprechende
Zusatz bei Abschluss des Arbeitsvertrages noch nicht vorhanden war, sondern
nachträglich hinzugefügt worden ist.
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Der als Zeuge vernommene vormalige technische Betriebsleiter P3, an dessen
persönlicher Glaubwürdigkeit die Kammer keinerlei Zweifel hat, hat ausdrücklich
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bestätigt, dass der entsprechende Zusatz nicht von ihm verfasst worden ist. Hierauf
gründet sich seine Einschätzung, dass das Wort "Klischee-Montage" im Zeitpunkt der
Vertragsunterzeichnung noch nicht vorhanden war. Auch wenn – wie der Zeuge
ausdrücklich eingeräumt hat – ihm eine konkrete Erinnerung an den Akt der
Unterzeichnung des Arbeitsvertrages fehlt, handelt es sich bei der Schlussfolgerung des
Zeugen, er schließe aus, dass die Ergänzung schon bei Vertragsschluss vorhanden
gewesen sei, nicht um eine bloß subjektive und für die Beweiswürdigung belanglose
persönliche Einschätzung des Zeugen. Vielmehr hält auch die Kammer es unter
Berücksichtigung der Gesamtumstände für vollkommen unrealistisch und damit
ausgeschlossen, dass es zu einer einvernehmlichen Einfügung des Wortes "Klischee-
Montage" mit Billigung des Zeugen gekommen sein könnte.
Die vom Beklagtenvertreter angestellte Überlegung, der möglicherweise am
Einstellungsgespräch beteiligte Abteilungsleiter habe vor Vertragsunterzeichnung durch
den Kläger – im Beisein und mit Einverständnis des ihm vorgesetzten Zeugen – eine
entsprechende einschränkende Aufgabenstellung eingefügt, erscheint als vollkommen
fernliegend. Nachdem der mit der Einstellung des Klägers persönlich befasste
technische Betriebsleiter mit sorgfältiger Schrift das Vertragsoriginal ausgefüllt hat, ist
keinerlei Grund ersichtlich, warum er anschließend den Abteilungsleiter als
Schreibgehilfen eingesetzt und diesem die Anweisung einer vertragsändernden
Einfügung erteilen haben soll. Berücksichtigt man des Weiteren die Tatsache, dass
seinerzeit die Arbeitnehmer nicht für eine bestimmte Tätigkeit, sondern für bestimmte
Bereiche – so z.B. für den Bereich Druck – eingestellt wurden, ferner der Kläger
tatsächlich auch u.a. im Kaschierbereich eingesetzt war, so hat die Kammer keinerlei
Zweifel an der Richtigkeit der Zeugenaussage und damit auch an der Richtigkeit der
Sachdarstellung des Klägers, er sei nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages nicht
ausschließlich für die Klischee-Montage eingestellt und beschäftigt worden.
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b) Hieraus folgt ohne weiteres, dass die Beklagte den Kreis der vergleichbaren
Arbeitnehmer für die durchzuführende Sozialauswahl unzutreffend bestimmt hat. Dies
schließt zwar im Prinzip nicht aus, dass die fehlerhaften Auswahlüberlegungen –
gleichsam zufällig – doch zu einer rechtlich nicht zu beanstandenden Sozialauswahl
geführt haben. Hierzu bietet der Sachvortrag der Beklagten indessen keine
Anhaltspunkte. In Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger eine Betriebszugehörigkeit
seit dem Jahre 1989 aufweist und aufgrund seines Lebensalters – im
Kündigungszeitpunkt 48 Jahre – und seiner sozialen Verhältnisse sowie der
anerkannten Schwerbehinderung einen gesteigerten sozialen Schutz beanspruchen
kann, könnte von einer Unerheblichkeit des festgestellten Auswahlfehlers nur
ausgegangen werden, wenn sich unter Berücksichtigung der sozialen Verhältnisse
sämtlicher mit dem Kläger vergleichbaren Druckhelfer die Feststellung treffen ließe, die
getroffene Auswahlentscheidung halte sich im Rahmen des nach § 1 Abs. 5 KSchG
erweiterten Spielraums der Betriebsparteien. Insoweit fehlt es indessen, wie bereits das
Arbeitsgericht ausgeführt hat, an einem entsprechenden Beklagtenvortrag.
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c) Soweit demgegenüber die Beklagte den Standpunkt einnimmt, eine "grobe
Fehlerhaftigkeit" der Sozialauswahl könne schon deswegen nicht angenommen
werden, weil die Betriebsparteien ihre Auswahlentscheidung keineswegs willkürlich,
sondern in vertretbarer Weise auf der Grundlage der vorhandenen Personalunterlagen
getroffen haben, kann dem nicht gefolgt werden. Der Maßstab der "groben
Fehlerhaftigkeit" ist objektiv zu bestimmen und lässt für einen "Gutglaubensschutz"
keinen Raum. Ob unter Berücksichtigung von Treu und Glauben anders gilt, wenn der
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Arbeitnehmer es versäumt hat, dem Arbeitgeber die für die Sozialauswahl
maßgeblichen Gesichtspunkte mitzuteilen, bedarf hier keiner Entscheidung, vielmehr
sind hier diejenigen Umstände, welche zur groben Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl
geführt haben, zweifelsfrei der Risikosphäre der Beklagten zuzuordnen. Da es für die
rechtliche Beurteilung der Sozialauswahl nicht auf die subjektiven
Auswahlerwägungen, sondern das Auswahlergebnis ankommt, kann bei der
gerichtlichen Entscheidung nicht darauf abgestellt werden, dass die handelnden
Personen – wie zu Gunsten der Beklagten unterstellt wird – ihre Auswahlentscheidung
"nach bestem Wissen und Gewissen" getroffen haben.
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Die Kosten der erfolglosen Berufung hat die Beklagte zu tragen.
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III
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 ArbGG liegen nicht
vor.
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