Urteil des LAG Hamm vom 21.10.2005

LArbG Hamm: betriebsrat, mitbestimmung, seminar, besuch, tarifvertrag, arbeitsgericht, zusammenarbeit, beschwerdekammer, wiese, vergütung

Landesarbeitsgericht Hamm, 10 TaBV 82/05
Datum:
21.10.2005
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 TaBV 82/05
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Iserlohn, 1 BV 28/04
Nachinstanz:
Bundesarbeitsgericht, 7 ABN 5/06 Beschwerde zurückgewiesen
26.04.2006
Schlagworte:
Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung; Schulungskosten
Erforderlichkeit der Schulung; aktueller betriebsbezogener
Schulungsbedarf;Wiederholungs-, Vertiefungsschulungen; Schulung
über aktuelle Rechtsprechung; teilweise Erforderlichkeit der Schulung
Normen:
§§ 37 Abs. 2, 6, 40 BetrVG
Leitsätze:
führende Parallelsache
Rechtskraft:
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen
Tenor:
Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des
Arbeitsgerichts Iserlohn vom 06.04.2005 - 1 BV 28/04 - abgeändert.
Der Antrag wird abgewiesen.
G r ü n d e:
1
A.
2
Die Beteiligten streiten über die Kosten für die Teilnahme an einer
Schulungsveranstaltung.
3
Der Arbeitgeber betreibt in W3xxxxxx zahlreiche Seniorenheime, in denen Betriebsräte
gebildet sind.
4
Die Antragstellerin, geboren am 01.02.12xx, verheiratet, ist seit dem 11.10.1980 in dem
vom Arbeitgeber betriebenen Seniorenzentrum H1xxx als Altenpflegehelferin zu einem
monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt ca. 2.800,00 € tätig. Seit etwa 1995 ist sie
Mitglied des im Seniorenzentrum H1xxx gebildeten siebenköpfigen Betriebsrats, des
Beteiligten zu 3., und nimmt seither das Amt der Betriebsratsvorsitzenden wahr.
5
Für die Arbeitsverhältnisse in den Betrieben und Einrichtungen des Arbeitgebers gelten
seit Jahrzehnten der Bundesmanteltarifvertrag BMT-AW II mit Zusatztarifvertrag sowie
Vergütungs- und Lohntarifverträge, Tarifverträge über die Gewährung von Zulagen,
Tarifverträge über Urlaubsgeld und Tarifverträge über Tätigkeitsmerkmale GTC.
6
Für das Seniorenzentrum P4xxxxxx H1xxx gilt ferner eine Betriebsvereinbarung über
Grundsätze der Urlaubsplanung vom 23.06.2003 (Bl. 47 ff.d.A.) sowie eine
Betriebsvereinbarung über die Lage der Arbeitszeit und eine Pausenregelung und eine
Betriebsvereinbarung zur Erstellung und Umsetzung von Dienstplänen (Bl. 22 f.d.A. 1
BVGa 5/04 Arbeitsgericht Iserlohn).
7
Ferner hat der beim Arbeitgeber gebildete Gesamtbetriebsrat mit dem Arbeitgeber eine
Gesamtbetriebsvereinbarung über die Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen (Bl. 51
ff.d.A.) sowie eine Gesamtbetriebsvereinbarung über die Einführung der ADV (Bl. 65
ff.d.A.) abgeschlossen.
8
In der Vergangenheit nahm die Antragstellerin, die Betriebsratsvorsitzende, an
folgenden Schulungsveranstaltungen teil:
9
"07.10.1996 bis 11.10.1996
10
Betriebsverfassungsgesetz 3
11
03.11.1997 bis 07.11.1997
12
Gewerkschaftsrechte in Betrieb und Verwaltung
13
27.03.2000 bis 31.03.2000
14
Betriebsvereinbarungen
15
23.10.2000 bis 27.10.2000
16
EDV-Kontrollsystem
17
13.09.2000 bis 15.09.2000
18
Pflegeplanungen-Dokumentation
19
18.11.2002 bis 22.11.2002
20
Verfahrensrecht
21
10.03.2002 bis 14.03.2002
22
Der Betriebsratsvorsitz und seine Herausforderung
23
18.08.2002 bis 23.08.2002
24
Einführung in das Betriebsverfassungsgesetz
25
20.10.2003 bis 24.10.2003
26
Änderung von arbeitsvertraglichen Verpflichtungen, Aktuelles aus
27
der Rechtsprechung
28
05.04.2004 bis 09.04.2004
29
Planung, Gestaltung und Durchsetzung von Mitbestimmung mit
30
und ohne Hilfe betriebsfremder Personen und Einrichtungen"
31
Die in den Einrichtungen des Arbeitgebers geltenden Tarifverträge waren zum
31.03.2004 bzw. zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt. Nach der Kündigung
verhandelten die Tarifvertragsparteien im Jahre 2004 über einen Neuabschluss auf
Bundes- und Landesebene. Dies war den einzelnen Betriebsräten, auch dem
Beteiligten zu 3., bekannt.
32
Im Zusammenhang mit der Neueinstellung von Mitarbeitern ab dem 01.04.2004 kam es
zwischen dem Betriebsrat, dem Beteiligten zu 3. und dem Arbeitgeber zu zahlreichen
Be-schlussverfahren nach § 99 BetrVG, nachdem der Betriebsrat die Zustimmung zur
Neueinstellung jeweils mit dem Hinweis verweigert hatte, dass der Arbeitgeber für die
neu eingestellten Mitarbeiter ein neues Vergütungssystem geschaffen habe.
33
Am 10.05.2004 und am 21.06.2004 nahm die Antragstellerin jeweils an einem von der
Gewerkschaft ver.di organisierten Tagesseminar mit dem Thema: "Tarifliche Situation
bei A7x" teil.
34
Mit Schreiben vom 02.07.2004 teilte der Betriebsrat dem Arbeitgeber mit, dass er am
01.07.2004 den Beschluss gefasst habe, die Antragstellerin zu einem von Herrn
Rechtsanwalt B1xxxx, der regelmäßig in Beschlussverfahren auch den Beteiligten zu 3.
vertritt, veranstalteten Seminar in N1xxxxxx/W5xxxxxxxx vom 18.10.2004 bis 22.10.2004
zu entsenden. Dem Schreiben vom 02.07.2004 war beigefügt die zweiseitige
Seminarausschreibung des "BR-Treff R3xxxx B1xxxx" (Bl. 4 d.A.), nach der folgende
Themengebiete behandelt werden sollten:
35
"
Mitbestimmung des Betriebsrates bei Regelungen
36
über Vergütung und bei übertariflichen Leistungen
37
Betriebe mit/ohne Tarifbindung
38
Tarifliche/außertarifliche Mitarbeiter
39
Vertrauensvolle Zusammenarbeit
40
wie verstehe ich als Betriebsrat meinen Arbeitgeber besser?
41
wie kann ich ihm helfen, wenn er mich nicht versteht?
42
Betriebsvereinbarungen zu den Themenbereichen
43
Datenschutz -- Bildschirmarbeit -- Urlaub
44
Aktuelles aus der Rechtsprechung"
45
Auf der Rückseite der Seminarausschreibung werden diese Themengebiete durch
folgende Gliederungspunkte wie folgt erläutert:
46
.
47
.
48
.
49
.
50
.
51
.
Betriebsrates
52
.
53
Tarifbindung nach Verbandsaustritt
54
.
55
und/oder -übergang
56
.
57
Betriebsvereinbarungen
58
Mitbestimmungsebene: Konzern (KBR) -- Unternehmen (GBR) -- Betrieb (BR)
59
Regelungssperre: Regelungen durch Tarifvertrag / Tarifüblichkeit
60
Bei Bedarf: Eckpunkte einer Betriebsvereinbarung mit Regelungen von
61
Arbeitsbedingungen
62
.
63
Behebung von Kommunikationsstörungen, Umgang mit verschiedenen
Rechtspositionen
64
.
65
(Bei Bedarf: Erarbeitung eines Grobkonzeptes einer Betriebsvereinbarung)
66
.
67
(Bei Bedarf: Erarbeitung eines Grobkonzeptes einer Betriebsvereinbarung)
68
.
69
(Bei Bedarf: Erarbeitung eines Grobkonzeptes einer Betriebsvereinbarung
70
.
71
Ludwigshafen oder Mannheim oder einer auswärtigen Kammer des LAG
72
Baden-Württemberg in Mannheim"
73
Die Seminarausschreibung richtete sich im Wesentlichen an die Betriebsräte der
Arbeiterwohlfahrt. Neben der Antragstellerin sollte auch der stellvertretende
Betriebsratsvorsitzende
74
M3xxxx am Seminar vom 18. bis 22.10.2004 teilnehmen. Ob an dem Seminar vom 18.
bis 22.10.2004 auch Betriebsräte teilgenommen haben, die nicht Betriebsräte der A7x
waren, ist zwischen den Beteiligten streitig.
75
Auf die Mitteilung des Betriebsrats vom 02.07.2004 teilte der Arbeitgeber dem
Betriebsrat am 01.09.2004 mit, dass nicht ersichtlich sei, dass die Teilnahme der
Antragstellerin und des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden an dem streitigen
Seminar erforderlich sei. Der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats widersprach
dem mit Schreiben vom 03.09.2004 (Bl. 45 d.A.). Da der Arbeitgeber bei seiner
Auffassung verblieb, machte die Antragstellerin daraufhin im Wege der einstweiligen
Verfügung einen Auslagenvorschuss in Höhe von 460,00 € für die Seminarteilnahme
geltend - 1 BVGa 5/04 Arbeitsgericht Iserlohn -. Dieses Verfahren wurde mit folgendem
gerichtlichen Vergleich vom 05.10.2004 beendet:
76
" 1. Die Arbeitgeberin stellt die Antragstellerin für den Zeitraum der
Seminarteilnahme in N1xxxxxx vom 18.10.2004 bis zum 22.10.2004 unter
Vorbehalt von der Erbringung ihrer Arbeitsleistung frei.
77
Die Arbeitgeberin zahlt an die Antragstellerin die Hotelkosten in Höhe von 460,00
€, leistet Entgeltfortzahlung für den o. g. Zeitraum der Seminarteilnahme und
übernimmt die Reisekosten. Die Zahlung dieser Beträge erfolgt unter Vorbehalt.
78
Sollte rechtskräftig im Hauptsacheverfahren festgestellt werden, dass die
Seminarteilnahme für das o. g. Seminar nicht erforderlich i.S.d. § 37 Abs. 6 BetrVG
war, zahlt die Antragstellerin an die Arbeitgeberin die Hotelkosten in Höhe von
460,00 €, die Reisekosten in voller Höhe und die Hälfte des fortgezahlten
79
Entgeltes für den Zeitraum der Seminarteilnahme zurück.
80
2. Insofern sind sich die Parteien darüber einig, dass die Reisekosten und die
Hotelkosten seitens der Arbeitgeberin an die Antragstellerin im Rahmen einer
Vorschusszahlung erbracht werden".
81
Nach Zahlung des Vorschusses von 460,00 € durch den Arbeitgeber an die
Antragstellerin aufgrund des gerichtlichen Vergleichs vom 05.10.2004 nahm die
Antragstellerin daraufhin in der Zeit vom 18. bis 22.10.2004 an dem streitigen Seminar
in N1xxxxxx/W5xxxxxxxx teil.
82
Der Seminarablauf gliederte sich wie folgt:
83
"Montag, 18.10.2004, 15.00 Uhr:
84
A. Begrüßung/Einführung in den Seminarstoff/Organisatorisches
85
B. Aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
86
Dienstag, 19.10.2004, 9.00 Uhr - 12.30 Uhr und 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr:
87
B. Tarifvertrag und Arbeitsverhältnis
88
C. Mitbestimmung des Betriebsrats bei Vergütungsfragen
89
D. Regelung von Vergütung und anderen Arbeitsbedingungen
90
in Betriebsvereinbarungen
91
Mittwoch, 20.10.2004, 9.00 Uhr bis 11.30 Uhr
92
E. Zulagen, Mitbestimmung des Betriebsrates
93
ab 13.00 Uhr
94
F. Teilnahme am Sitzungstag des Arbeitsgerichts Ludwigshafen,
95
2. Kammer, Gerichtstag in Neustadt
96
G. Nachbesprechung der einzelnen Fälle aus dem Gerichtstermin
97
Donnerstag, 21.10.2004, 9.00 Uhr bis 12.30 Uhr und 14.00 Uhr bis 17.30 Uhr
98
I. Vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen BR und Arbeitgeber
99
J. Mitbestimmung des Betriebsrates bei Fragen des Datenschutzes
100
K. Mitbestimmung des Betriebsrates bei Fragen der Bildschirmarbeit
101
L. Mitbestimmung des Betriebsrates bei Fragen der Urlaubsplanung
102
Freitag, 22.10.2004, 9.00 Uhr bis 12.30 Uhr
103
M. Aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
104
N. Betriebsbezogene Fallbesprechung(en)
105
O. Seminarabschlussbesprechung"
106
107
Mit Schreiben vom 22.10.2004 (Bl. 5 d.A.) übersandte der Seminarveranstalter der
Antragstellerin eine Rechnung über Seminarkosten in Höhe von 1.120,00 € zuzüglich
Mehrwertsteuer, insgesamt 1.299,20 €.
108
Nachdem die Tarifverhandlungen zwischen der Gewerkschaft ver.di und der A7x
inzwischen am 27.09.2004 zum Abschluss gekommen waren (Bl. 87 ff.d.A.), bestätigten
beide Seiten am 05.10.2004 die am 27.09.2004 getroffene Vereinbarung (Bl. 93 d.A.).
Die endgültige Fassung des abgeschlossenen Übergangstarifvertrages stammt vom
23.12.2004 (Bl. 95 d.A.).
109
Unter anderem unter Hinweis auf die inzwischen abgeschlossenen Tarifverhandlungen
verweigerte der Arbeitgeber die Übernahme der ihm für das Seminar vom 18. bis
22.10.2004 in Rechnung gestellten Kosten.
110
Die Antragstellerin machte daraufhin mit dem am 08.12.2004 beim Arbeitsgericht
eingeleiteten Beschlussverfahren ihre Freistellung von einer Zahlungsverpflichtung in
Höhe von 1.299,20 € gegenüber dem Seminarveranstalter R3xxxx B1xxxx geltend.
111
Der Arbeitgeber verlangt in einem weiteren Beschlussverfahren von der Antragstellerin
die Rückzahlung des gezahlten Kostenvorschusses in Höhe von 460,00 € - 5 BV 30/04
Arbeitsgericht Iserlohn -.
112
Die Antragstellerin sowie der beteiligte Betriebsrat haben die Auffassung vertreten, die
Teilnahme der Antragstellerin am Seminar vom 18. bis 22.10.2004 sei insgesamt
erforderlich gewesen. Seit dem 01.04.2004 habe in den Einrichtungen des Arbeitgebers
ein tarifloser Zustand bestanden. Hieraus hätten sich für die Vergütung, insbesondere
der neu eingestellten Mitarbeiter und deren Arbeitszeit offene Fragen ergeben, die den
Erwerb besonderer
113
Rechtskenntnisse erforderlich gemacht hätten. Die Erforderlichkeit der
Schulungsteilnahme ergebe sich insbesondere aus den vorgelegten
Seminarunterlagen. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Betriebsrat habe es
auch noch keinen neuen Tarifvertrag für die A7x gegeben.
114
Die Antragstellerin und der Betriebsrat haben beantragt,
115
der Antragsgegnerin (Beteiligte zu 2 und Arbeitgeberin) aufzugeben, die
Antragstellerin (Beteiligte zu 1) von einer Zahlungsverpflichtung in Höhe von €
1.299,20 gegenüber dem Seminarveranstalter R3xxxx B1xxxx, K3xxxxxxxx
D2xxxxx 22, 55xxx H4xxxxxx, freizustellen, und zwar durch Zahlung des
genannten Betrages (€ 1.299,20) an R3xxxx B1xxxx.
116
Der Arbeitgeber hat beantragt,
117
den Antrag zurückzuweisen.
118
Er hat die Auffassung vertreten, die Teilnahme der Antragstellerin an dem streitigen
Seminar sei nicht erforderlich gewesen. Der Antragstellerin und dem Betriebsrat sei
schon vor Fassung des Entsendungsbeschlusses bekannt gewesen, dass beabsichtigt
gewesen sei, nach Kündigung der A7x-Tarifverträge einen neuen Tarifvertrag
abzuschließen und diesen Tarifvertrag auch auf die Arbeitsverhältnisse anzuwenden,
die nach der Kündigung, aber vor Neuabschluss der Tarifverträge begründet worden
seien. Die Tarifverhandlungen seien bereits am 27.09.2004 - also vor Seminarbeginn -
zum Abschluss gekommen.
119
Das Seminar habe sich darüber hinaus - wie der Arbeitgeber behauptet hat -
ausschließlich an Betriebsräte der A7x-Betriebe gerichtet und sei auch nur von diesen
besucht worden. Da die Antragstellerin häufig an arbeitsgerichtlichen Terminen
teilnehme, sei auch die Teilnahme an einem Sitzungstag des Arbeitsgerichts
Ludwigshafen, Gerichtstag Neustadt, nicht erforderlich gewesen. Allein der Umstand,
dass es zu Auseinandersetzungen zwischen ihm und dem Betriebsrat komme,
rechtfertige nicht den Besuch des streitigen Seminars. In keinem Fall sei es notwendig
gewesen, gleich zwei Betriebsratsmitglieder zu dem Seminar zu entsenden.
120
Durch Beschluss vom 06.04.2005 hat das Arbeitsgericht dem Antrag der Antragstellerin
und des Betriebsrats stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die
Seminarteilnahme der Antragstellerin sei erforderlich gewesen, weil durch die
Kündigung der Tarifverträge eine Situation vorhanden gewesen sei, die eine
Spezialschulung notwendig gemacht hätte. Nach dem unstreitigen Vorbringen
befassten sich mehr als 50 % der behandelten Themen mit Fragen der Vergütung,
Tarifbindung etc.. Entscheidend sei auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den
Betriebsrat abzustellen.
121
Gegen den dem Arbeitgeber am 19.04.2005 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts,
auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat der Arbeitgeber am
12.05.2005 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach
Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 20.07.2005 mit dem am
15.07.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
122
Der Arbeitgeber hält unter Hinweis auf den Ablauf des Seminars vom 18. bis 22.10.2004
die Teilnahme der Antragstellerin an dem streitigen Seminar nach wie vor nicht für
erforderlich. Die tarifliche Situation bei der A7x sei der Antragstellerin hinlänglich
bekannt gewesen. Dies ergebe sich bereits aus ihrer Teilnahme an mehreren
Tagesseminaren. Der Antragstellerin sei auch bekannt gewesen, dass die
Tarifvertragsparteien zum Zeitpunkt der Beschlussfassung und erst recht zum Zeitpunkt
der Seminarteilnahme über den Neuabschluss von Tarifverträgen verhandeln würden
und bereits am 27.09.2004 die Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen hätten. Die
Tatsache, dass der ausgehandelte Übergangstarifvertrag erst zu einem späteren
Zeitpunkt unterzeichnet worden sei, sei unerheblich.
123
Auch darüber hinaus sei es nicht erforderlich gewesen, sich zu einem Wochenseminar
anzumelden, um arbeitsrechtliche Fragen in einem Betrieb ohne Tarifbindung zu
erörtern. Der Seminarverlauf hätte sich lediglich über vier Arbeitstage -
Montagnachmittag bis Freitagmittag - erstreckt. Davon würden lediglich 1,5 Tage, also
weniger als die Hälfte, auf Themen entfallen, die sich mit den ersten neun
Gliederungspunkten der Seminarausschreibung befassen würden. Das Thema, das
Gegenstand der Beschlussverfahren nach § 99 BetrVG gewesen sei, nämlich
124
Eingruppierungsfragen ohne Tarifvertrag bzw. Vergütungssystem außerhalb eines
Tarifvertrags, komme lediglich am 19.10.2004 unter C. einmal vor; dies sei der einzige
konkrete Bezug zur Betriebsratsarbeit zwischen April 2004 und September 2004.
Hinsichtlich der übrigen Gliederungspunkte und dem sonstigen Seminarverlauf könne
überhaupt kein Bezug zur konkreten Betriebratsarbeit hergestellt werden. Außertarifliche
Mitarbeiter gebe es in der Einrichtung in H1xxx nicht. Auch leitende Angestellte gebe es
dort nicht. Zulagen würden lediglich nach Tarifvertrag gezahlt.
Ein Schulungsbedarf zu Betriebsvereinbarungen zu den Themenbereichen
Datenschutz, Bildschirmarbeit und Urlaub habe nicht bestanden, weil es hierzu
abgeschlossene Betriebsvereinbarungen gebe. Auch hinsichtlich des Themas
"Vertrauensvolle Zusammenarbeit" habe es im Betrieb im H1xxx keinen konkreten
Anlass gegeben, ein ganzes Wochenseminar zu besuchen.
125
Informationen über aktuelle BAG-Rechtsprechung seien sicherlich interessant, es fehle
allerdings jeder konkrete Bezug zur Arbeit des Betriebsrats zum Zeitpunkt des
Entsendungsbeschlusses.
126
Schließlich sei die Teilnahme der Antragstellerin an einer Sitzung des Arbeitsgerichts
Ludwigshafen, Gerichtstag Neustadt, überhaupt nicht erforderlich gewesen.
127
Der Arbeitgeber beantragt,
128
den Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 06.04.2005 - 1 BV 28/04 -
abzuändern und den Antrag abzuweisen.
129
Die Antragstellerin und der Betriebsrat beantragen,
130
die Beschwerde zurückzuweisen.
131
Sie halten die Teilnahme der Antragstellerin an dem streitigen Seminar nach wie vor für
erforderlich. Die Erforderlichkeit ergebe sich bereits daraus, dass zum Zeitpunkt der
Beschlussfassung durch den Betriebsrat sämtliche A7x-Tarifverträge gekündigt worden
seien. Seinerzeit habe ein tarifloser Zustand geherrscht. In der Vergangenheit habe der
Arbeitgeber immer lediglich bestritten, dass die Seminarteilnahme wegen des
Abschlusses der Tarifverhandlungen nicht mehr erforderlich gewesen sei. Zu keinem
Zeitpunkt habe der Arbeitgeber die Auffassung vertreten, dass es an der Erforderlichkeit
der Seminarteilnahme wegen entsprechender Vorkenntnisse der Antragstellerin fehle.
132
Die Antragstellerin sei allerdings nie darüber geschult worden, welche Probleme es im
Zusammenhang mit Betrieben ohne Tarifverträge gebe. Sie habe keine Kenntnisse
darüber gehabt, wie sich die Mitbestimmung des Betriebsrats bei Zulagen im tariffreien
Raum gestalte. Sie habe auch keine Kenntnisse über entsprechende Initiativrechte des
Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG gehabt. Vorkenntnisse über die
Anrechnung von Zulagen, über Tarifbindung nach Verbandsaustritt und über
Regelungssperre etc. seien nicht vorhanden gewesen.
133
Betriebsräte hätten auch einen Anspruch darauf, regelmäßig Seminarveranstaltungen
zu besuchen, auf denen über aktuelle Rechtsprechung der Arbeitsgerichte berichtet
werde.
134
Auch der Themenbereich "Vertrauensvolle Zusammenarbeit" sei erforderlich gewesen,
weil es Interesse des Betriebsrats sei, gerichtliche Auseinandersetzungen zu
vermeiden. Der Betriebsrat wolle keine Möglichkeit auslassen, mit der
Einrichtungsleitung in vernünftige Gespräche zu kommen und eine vertrauensvolle
Zusammenarbeit zu erreichen.
135
Auch der Besuch einer Sitzung des Arbeitsgerichts Ludwigshafen, Gerichtstag
Neustadt, sei erforderlich gewesen.
136
Auch die Schulung zu den Themenbereichen "Bildschirmarbeit", "Datenschutz" und
"Urlaub" sei erforderlich gewesen. Hierzu sei die Antragstellerin in der Vergangenheit
nicht geschult worden. Beispielsweise verhandele der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber
über den geplanten Einsatz einer neuen Telefonanlage. Insoweit tauchten Fragen des
Datenschutzes auf. Darüber hinaus werde in den Einrichtungen auch an Bildschirmen
gearbeitet, häufig stünden auch Fragen im Zusammenhang mit Urlaub und
Urlaubsgewährung an.
137
Die Beschwerdekammer hat die Akten 1 BVGa 5/04 sowie 1 BVGa 4/04 Arbeitsgericht
Iserlohn sowie die Akten 3 BV 237/04 Arbeitsgericht Dortmund = 10 TaBV 111/05
Landesarbeitsgericht Hamm informationshalber beigezogen. Auf den Inhalt dieser Akten
wird ebenso Bezug genommen wie auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten
gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen.
138
B.
139
Die zulässige Beschwerde des Arbeitgebers ist begründet.
140
I.
141
Der von der Antragstellerin und vom Betriebsrat gestellte Freistellungsantrag ist
zulässig.
142
1. Die Antragstellerin verfolgt ihr Begehren zutreffend im Beschlussverfahren nach den
§§ 2 a, 80 Abs. 1 ArbGG. Zwischen den Beteiligten ist eine
betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit streitig. Die Beteiligten streiten nämlich
um einen auf die §§ 40 Abs. 1, 37 Abs. 6 BetrVG gestützten Anspruch auf Freistellung
von Kosten, die durch die Schulung von Betriebsratsmitgliedern entstanden sind (BAG,
Beschluss vom 15.01.1992 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 41).
143
2. Neben der Antragstellerin und dem Arbeitgeber ist vom Arbeitsgericht auch zu Recht
der Betriebsrat beteiligt worden, § 10, 83 Abs. 3 ArbGG. Aus § 83 Abs. 3 ArbGG ergibt
sich, dass sich die Beteiligungsbefugnis nach materiellem Betriebsverfassungsrecht
bestimmt. Beteiligter in allen Beschlussverfahren ist daher, wer von der zu erwartenden
Entscheidung in einem betriebsverfassungsrechtlichen Recht oder Rechtsverhältnis
unmittelbar betroffen wird. Neben den einzelnen Betriebsratsmitgliedern, die an einer
Schulungsmaßnahme teilnehmen, ist auch der Betriebsrat an einem Verfahren auf
Erstattung von Schulungskosten zu beteiligen, da er den Entsendungsbeschluss gefasst
hat. Machen Betriebsratsmitglieder Ansprüche auf Kostenerstattung geltend, die ihnen
durch den Besuch von Schulungsveranstaltungen entstanden sind, so ist in derartigen
Verfahren auch der Betriebsrat zu beteiligen (BAG, Beschluss vom 03.04.1979 - AP
BetrVG 1972 § 40 Nr. 16; Germelmann/Matthes/Prütting/ Müller-Glöge, ArbGG, 6. Aufl., §
144
83 Rz. 52 m.w.N.).
II.
145
Der Anspruch auf Freistellung von den Kosten für die streitige Schulungsveranstaltung
ist jedoch nicht begründet.
146
Der Arbeitgeber ist zur Tragung der Schulungskosten für die Antragstellerin in Höhe von
1.299,20 € für deren Teilnahme an der streitigen Schulungsmaßnahme vom 18. bis
22.10.2004 nach § 40 Abs. 1 i.V.m. § 37 Abs. 6 BetrVG nicht verpflichtet.
147
1. Nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist grundsätzlich davon auszugehen,
dass die Teilnahme von Betriebsratsmitgliedern an einer Schulungsveranstaltung nach
§ 37 Abs. 6 BetrVG zur Tätigkeit des Betriebsrats im Sinne des § 40 Abs. 1 BetrVG
gehört und daher Schulungskosten als Kosten der Betriebsratstätigkeit anzusehen sind
(BAG, Beschluss vom 31.10.1972 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 2; BAG, Beschluss vom
15.01.1992 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 41; BAG, Beschluss vom 28.06.1995 - AP
BetrVG 1972 § 40 Nr. 48; Fit-ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 22.
Aufl., § 40 Rz. 66; ErfK/Eisemann, 5. Aufl., § 40 BetrVG Rz. 9 m.w.N.).
148
Kosten für eine Schulungsveranstaltung sind vom Arbeitgeber jedoch nur dann zu
erstatten, wenn auf der Schulungsveranstaltung Kenntnisse vermittelt worden sind, die
für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind.
149
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Vermittlung von
Kenntnissen und Fähigkeiten in Schulungsveranstaltungen dann für die
Betriebsratsarbeit erforderlich, wenn der Betriebsrat sie unter Berücksichtigung der
konkreten betrieblichen Situation benötigte, um seine derzeitigen oder demnächst
anfallenden Arbeiten sachgerecht wahrnehmen zu können. Hierzu bedarf es regelmäßig
der Darlegung eines aktuellen,
150
betriebsbezogenen Anlasses, um annehmen zu können, dass die auf der
Schulungsveranstaltung zu erwerbenden Kenntnisse derzeit oder in naher Zukunft von
dem zu schulenden Betriebsratsmitglied benötigt werden, damit der Betriebsrat seine
Beteiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben kann (BAG, Beschluss vom
09.10.1973 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 4 ; BAG, Beschluss vom 06.11.1973 - AP BetrVG
1972 § 37 Nr. 6 ; BAG, Beschluss vom 27.09.1974 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 18 ; BAG,
Beschluss vom 07.06.1989 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 67 ; BAG, Urteil vom 15.02.1995 -
AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 106; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 140, 141 f.; DKK/Wedde, a.a.O., §
37 Rz. 92 ff.; Wiese/Weber, GK-BetrVG, 7. Aufl., § 37 Rz. 156 f.; ErfK/Eisemann, a.a.O.,
§ 37 BetrVG Rz. 16 m.w.N). Für die Frage, ob eine sachgerechte Wahrnehmung der
Betriebsratsaufgaben die Schulung gerade des zu der Schulungsveranstaltung
entsandten Betriebsratsmitglieds erforderlich machte, ist darauf abzustellen, ob nach
den aktuellen Verhältnissen des einzelnen Betriebes Fragen anstehen oder in
absehbarer Zukunft anstehen werden, die der Beteiligung des Betriebsrates unterliegen
und für die im Hinblick auf den Wissensstand des Betriebsrates und unter
Berücksichtigung der Aufgabenverteilung im Betriebsrat eine Schulung gerade dieses
151
Betriebsratsmitglieds geboten erscheint.
152
Einer konkreten Darlegung der Erforderlichkeit des aktuellen Schulungsbedarfs bedarf
153
es allerdings dann nicht, wenn es sich um die Vermittlung von Grundkenntnissen im
Betriebs-verfassungsrecht oder im allgemeinen Arbeitsrecht für ein erstmals gewähltes
Betriebsratsmitglied handelt. Kenntnisse des Betriebsverfassungsgesetzes als der
gesetzlichen Grundlage für die Tätigkeit des Betriebsrates sind unabdingbare
Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Betriebsratsarbeit (BAG, Beschluss vom
21.11.1978 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 35; BAG, Beschluss vom 16.10.1986 - AP
BetrVG 1972 § 37 Nr. 58; BAG, Beschluss vom 07.06.1989 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr.
67; BAG, Beschluss vom 20.12.1995 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 113; Fitting, a.a.O., § 37
Rz. 143 f.; Wiese/Weber, a.a.O., § 37 Rz. 164 ff.; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 95 f.;
ErfK/Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rz. 17 m.w.N.). Die Vermittlung von
Grundkenntnissen des allgemeinen Arbeitsrechts ist stets, ohne einen
aktualitätsbezogenen Anlass, als eine erforderliche Kenntnisvermittlung im Sinne des §
37 Abs. 6 BetrVG anzusehen (BAG, Beschluss vom 15.05.1986 - AP BetrVG 1972 § 37
Nr. 54; BAG, Beschluss vom 16.10.1986 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 58; Fitting, a.a.O., §
37 Rz. 144; Wiese/Weber, a.a.O., § 37 Rz. 166; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 96;
ErfK/Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rz. 17).
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Entsendung eines Betriebsratsmitglieds zu einer
Schulung erforderlich ist, handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten
Rechtsbegriffes, der dem Betriebsrat einen gewissen Beurteilungsspielraum offen lässt.
Dies gilt insbesondere für den Inhalt der Veranstaltung als auch für deren Dauer (BAG,
Beschluss vom 15.05.1986 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 54; BAG, Beschluss vom
16.10.1986 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 58; BAG, Beschluss vom 07.06.1989 - AP
BetrVG 1972 § 37 Nr. 67 unter I. 1. a) der Gründe; BAG, Beschluss vom 15.01.1997 - AP
BetrVG 1972 § 37 Nr. 118 unter B. 2. der Gründe; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 174;
Wiese/Weber, a.a.O., § 37 Rz. 195; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 127; ErfK/Eisemann,
a.a.O., § 37 BetrVG Rz. 16).
154
Die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung kann auch dann erforderlich sein,
wenn auf einer Schulungsveranstaltung in geringem Umfang auch nicht für die konkrete
Betriebsratsarbeit erforderliches Wissen vermittelt wird. Nimmt die Behandlung nicht
erforderlicher Themen aber einen größeren Umfang ein, ist der erforderliche und der
nicht erforderliche Teil der Schulungsveranstaltung sowohl in thematischer Hinsicht als
auch hinsichtlich der zeitlichen Behandlung der einzelnen Themen so klar voneinander
abgrenzbar, dass ein zeitweiser Besuch der Veranstaltungen möglich und sinnvoll ist,
so beschränkt sich die Erforderlichkeit auf den Teil, auf den für die Betriebsratsarbeit
erforderliche Kenntnisse vermittelt werden. Ist ein zeitweiser Besuch einer solchen
Schulungsveranstaltung praktisch nicht möglich oder sinnvoll, ist entscheidend, ob die
Schulungszeit der erforderlichen Themen mehr als zu 50 % überwiegt (BAG, Urteil vom
28.05.1976 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 24; BAG, Beschluss vom 04.06.2003 - AP
BetrVG 1972 § 37 Nr. 136; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 158 f.; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz.
110; Wiese/Weber, a.a.O., § 37 Rz. 170 f.; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rz. 17
m.w.N.).
155
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze konnte die Beschwerdekammer nicht
davon ausgehen, dass die Teilnahme der Antragstellerin an dem Seminar vom 18. bis
22.10.2004 erforderlich gewesen ist. Auf dem Seminar vom 18. bis 22.10.2004 sind
keine Grundkenntnisse im Betriebsverfassungsgesetz und überwiegend auch keine
Spezialkenntnisse im Betriebsverfassungsgesetz vermittelt worden, die der Betriebsrat
unter Berücksichtigung der konkreten betrieblichen Situation benötigte, um seine
derzeitigen oder demnächst anfallenden Arbeiten sachgerecht wahrnehmen zu können.
156
Für überwiegende Themenbereiche, die auf dem Seminar vom 18. bis 22.10.2004
behandelt worden sind, fehlt es an einem konkreten, aktuellen, betriebsbezogenen
Anlass, die Antragstellerin zu der streitigen
Schulungsveranstaltung zu entsenden.
157
a) Die Beschwerdekammer unterstellt, dass eine Schulung der Antragstellerin über die
am Dienstag, den 19.10.2004 und am Vormittag des Mittwoch, den 20.10.2004
behandelten Themenbereiche, die sich mit der Mitbestimmung des Betriebsrats bei
Regelungen über Vergütung und bei übertariflichen Leistungen in Betrieben mit bzw.
ohne Tarifbindung befassten, erforderlich und dass auch im Hinblick auf die bei der A7x
gekündigten Tarifverträge ein aktueller Bezug zu der konkreten betrieblichen Situation
vorhanden gewesen ist. Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitgebers war insoweit
nicht auf den Zeitpunkt der Seminarteilnahme im Oktober 2004 abzustellen, sondern,
wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung
durch den Betriebsrat (BAG, Urteil vom 10.11.1993 - AP BetrVG 1972 § 78 Nr. 4; BAG,
Beschluss vom 07.06.1989 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 67; LAG Düsseldorf, Beschluss
vom 15.10.1992 - BB 1993, 581; Wiese/Weber, a.a.O., § 37 Rz. 196; DKK/Wedde,
a.a.O., § 37 Rz. 127 m.w.N.). Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den
Betriebsrat Anfang Juli 2004 waren sämtliche Tarifverträge bei der A7x gekündigt. Auch
wenn zu diesem Zeitpunkt bereits Tarifverhandlungen stattfanden, war nicht absehbar,
dass sie zum Zeitpunkt der Seminarteilnahme im Oktober 2004 bereits zum Abschluss
gekommen sein würden.
158
Zu Gunsten der Antragstellerin und des Betriebsrats geht die Beschwerdekammer auch
insoweit davon aus, dass eine vertiefende Schulung der Antragstellerin über
Mitbestimmungsfragen, wie sie am Dienstag, den 19.10.2004 und am Vormittag des
Mittwoch, den 20.10.2004 behandelt wurden, erforderlich gewesen ist, auch wenn die
Antragstellerin aufgrund der Teilnahme an Grundlagenschulungen im
Betriebsverfassungsrecht über entsprechende Grundkenntnisse verfügte. Auch
Wiederholungs- bzw. Vertiefungsschulungen über betriebsverfassungsrechtliche
Fragen können zur Auffrischung und Erweiterung der bisherigen Kenntnisse bei einem
konkreten, aktuellen Anlass erforderlich sein (Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 145; DKK/Wedde,
a.a.O., § 37 Rz. 106). Angesichts der tariflosen Situation in den
159
Betrieben und Einrichtungen des Arbeitgebers geht die Beschwerdekammer insoweit
von einem konkreten aktuellen Anlass aus, die Antragstellerin sowie weitere
Betriebsräte der A7x zu einer Schulung über Mitbestimmungsfragen bei gekündigtem
Tarifvertrag zu entsenden und diese an einer vertiefenden Schulung teilnehmen zu
lassen.
160
Ungeachtet der Tatsache, dass die Antragstellerin allerdings bereits vor
Beschlussfassung durch den Betriebsrat am 10.05.2004 und am 21.06.2004 an
Tagesseminaren mit dem Thema "Tarifliche Situation bei A7x" teilgenommen hatte,
nehmen die genannten, von der Beschwerdekammer als erforderlich unterstellten
Schulungsthemen nach dem unstreitigen Vorbringen der Beteiligten jedoch einen
Umfang von lediglich 1,5 Schulungstagen ein. Dies ergibt sich aus dem eigenen
Ablaufplan des Veranstalters, des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin und
des Betriebsrats. Angesichts des Wochenseminars vom 18. bis 22.10.2004, das
Seminar erstreckte sich tatsächlich über vier Arbeitstage von Montagnachmittag bis
Freitagmittag, sind dies in jedem Fall weniger als 50 %.
161
b) Für die Themenbereiche, die an den übrigen Schulungstagen - Montagnachmittag,
Mittwochnachmittag, Donnerstag, Freitag - behandelt wurden, bestand nach Auffassung
der Beschwerdekammer kein konkreter, betriebsbezogener aktueller Anlass, der eine
Schulung der Antragstellerin erforderlich machen würde. Vom zeitlichen Umfang her
nahm die Schulungszeit der nicht erforderlichen Themen damit mehr als 50 % ein. Da
aus dem Vorbringen der Beteiligten auch nicht entnommen werden konnte, dass ein
Besuch der Schulungsveranstaltung lediglich am Dienstag, den 19.10.2004 und am
Vormittag des Mittwoch, den 20.10.2004 möglich gewesen ist, ein derartiger Besuch
erschien bei der An- und Abreise nach N1xxxxx/W5xxxxxxxx auch praktisch nicht
sinnvoll, erwies sich die Schulungsveranstaltung insgesamt als nicht erforderlich.
162
aa) Ein konkreter Bezug zur aktuellen Betriebsratsarbeit fehlte bereits insoweit, als auf
dem Seminar vom 18. bis 22.10.2005 am Montagnachmittag und am Freitagvormittag
"Aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts" behandelt worden ist.
163
Richtig ist zwar, dass eine Schulung zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
und der Landesarbeitsgerichte zum Betriebsverfassungsgesetz und deren Umsetzung in
die betriebliche Praxis erforderlich sein kann, hierfür muss sich der Betriebsrat auch
nicht auf ein Selbststudium anhand der ihm zur Verfügung stehenden Fachzeitschriften
verweisen lassen (BAG, Beschluss vom 20.12.1995 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 113;
Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 149; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rz. 108). Dies gilt aber nur dann,
wenn insoweit betriebsrelevante Probleme des Mitbestimmungsrechts etwa bei
personellen Einzelmaßnahmen behandelt werden oder wenn es um die Änderung der
Rechtsprechung oder um die Änderung von Gesetzen geht (BAG, Beschluss vom
22.01.1965 - AP BetrVG § 37 Nr. 10). Inwieweit eine Erläuterung der aktuellen
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für die Antragstellerin jedoch konkret
erforderlich gewesen ist, geht aus dem Vorbringen der Antragstellerin bzw. des
Betriebsrats nicht in ausreichendem Maß hervor. Der Besuch einer
Schulungsveranstaltung "Rechtsprechung - Aktuell" ist nämlich nicht generell und
losgelöst von konkreten betrieblichen Bezügen im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG
erforderlich (LAG Hessen, Beschluss vom 27.01.1994 - NZA 1994, 1134).
164
Ein konkreter betrieblicher Bezug zur aktuellen Betriebsratsarbeit kann insbesondere
nicht bei der Erläuterung der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts gemäß den
Pressemitteilungen Nr. 43, 44, 45, 46, 56, 59, 61, 65 festgestellt werden. Zwar handelt
es sich insoweit um aktuelle Entscheidungen, inwieweit aber aufgrund betriebstypischer
Fallgestaltungen eine nähere Information der Antragstellerin über die genannten
Bundesarbeitsgerichtsentscheidungen erforderlich gewesen ist, ist nicht erkennbar. Das
gleiche gilt für die referierten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom
16.06.2004, 23.06.2004, 24.06.2004, 07.07.2004, 20.07.2004, 28.07.2004 und
28.07.2004. Die Mehrheit der ausgewählten
165
Entscheidungen, über die referiert worden ist, befasst sich jedenfalls nicht mit
betriebsverfassungsrechtlichen Thematiken, nicht mit Mitbestimmungsrechten des
Betriebsrats, sondern mit individualrechtlichen Problemen, bei denen ein
Zusammenhang mit der in den Einrichtungen des Arbeitgebers anfallenden
Betriebsratsarbeit nicht ersichtlich ist. Die genannten Entscheidungen sind offenbar
lediglich ihrer Aktualität wegen ausgewählt worden. Auch Grundkenntnisse im
Individualarbeitsrecht sind insoweit nicht vermittelt worden. Sich über aktuelle
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterrichten zu lassen, mag für Betriebsräte
166
sinnvoll und nützlich sein, die Erforderlichkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 BetrVG verlangt
aber mehr als bloße Nützlichkeit und Zweckmäßigkeit (BAG, Beschluss vom 11.11.1998
- AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 64; LAG Köln, Beschluss vom 27.09.2001 - NZA-RR 2002,
591). Mehr als bloße Nützlichkeit- und Zweckmäßigkeitserwägungen sind aber
vorliegend nicht vorgetragen worden. Dies gilt insbesondere auch unter
Berücksichtigung des Umstandes, dass die Antragstellerin bereits im Oktober 2003 an
einer Schulungsveranstaltung teilgenommen hat, die ebenfalls u.a. "Aktuelles aus der
Rechtsprechung" behandelt hat.
bb) Erforderlich ist auch nicht der Besuch einer Sitzung des Arbeitsgerichts
Ludwigshafen, Gerichtstag Neustadt, am Nachmittag des Mittwoch, des 20.10.2004
gewesen. Ein derartiger Besuch mag im Rahmen einer Schulungsveranstaltung über
Grundkenntnisse des Betriebsverfassungsrechts oder des Arbeitsrechts sinnvoll sein.
Für die Antragstellerin, die immerhin schon seit langen Jahren Betriebsratsvorsitzende
ist, erweist sich dieser Besuch aber nicht als erforderlich. Die Antragstellerin hat
aufgrund der mit dem Arbeitgeber stattfindenden Auseinandersetzungen an zahlreichen
Besuchen des Arbeitsgerichts Iserlohn - auch des Landesarbeitsgerichts Hamm -
teilgenommen.
167
cc) Auch die am Donnerstag, den 21.10.2004 behandelten Themenbereiche konnten
nicht als erforderlich im Sinne des § 40 Abs. 1 BetrVG angesehen werden.
168
Dies gilt zunächst für die "Vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und
Arbeitgeber". Auch insoweit fehlt es an einem konkreten Bezug zur aktuellen
Betriebsratsarbeit. Das Interesse des Betriebsrats, gerichtliche Auseinandersetzungen
zu vermeiden und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber zu
erreichen, vermag die Erforderlichkeit der Seminarteilnahme der Antragstellerin mit dem
genannten Thema nicht zu begründen. Zwar können auch Schulungsveranstaltungen
über Kommunikation oder über Gesprächs- und Verhandlungsführung grundsätzlich
erforderlich sein (BAG, Urteil vom 15.02.1995 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 106; BAG,
Beschluss vom 24.05.1995 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 109; LAG Sachsen, Beschluss
vom 22.11.2002 - NZA-RR 2003, 420; Fitting, a.a.O., § 37 Rz. 153; DKK/Wedde, a.a.O.,
Rz. 108; Wiese/Weber, a.a.O., § 37 Rz. 169 m.w.N.). Dies gilt jedoch nur, soweit ein
konkreter, aktueller Anlass vorliegt. Die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer
vergleichbaren Schulungsveranstaltung kann nur dann als erforderlich angesehen
werden, wenn dargelegt wird, warum der Betriebsrat seine gesetzlichen Aufgaben ohne
eine solche Schulung gerade des entsandten Betriebsratsmitglieds nicht sachgerecht
wahrnehmen kann (BAG, Urteil vom 15.02.1995 - AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 106). An
einer derartigen Darlegung fehlt es. Das Vorbringen der Antragstellerin und des
Betriebsrats, man wolle mit dem Arbeitgeber eine vertrauensvolle Zusammenarbeit
erreichen und gerichtliche Auseinandersetzungen vermeiden, ist viel zu allgemein
gehalten, um die Erforderlichkeit der Teilnahme an einer derartigen
Schulungsveranstaltung annehmen zu können.
169
Das Gleiche gilt, soweit am Donnerstag, den 21.10.2004 Fragen der Mitbestimmung des
Betriebsrats beim Datenschutz, bei der Bildschirmarbeit und der Urlaubsplanung
behandelt worden sind. Auch insoweit hat die Antragstellerin bzw. der Betriebsrat einen
konkreten, aktuellen Bezug zur täglichen Betriebsratsarbeit nicht herzustellen vermocht.
Zu den Bereichen Datenschutz, Bildschirmarbeit und Urlaubsplanung liegen nämlich im
Seniorenzentrum P4xxxxxx H1xxx des Arbeitgebers abgeschlossene
Betriebsvereinbarungen vor. Aus welchen Gründen eine aktuelle Schulung der
170
Antragstellerin mit diesen Themenbereichen erforderlich gewesen ist, ist nicht
ersichtlich. Gerade in Anbetracht des Umstandes, dass die Antragstellerin bereits seit
1995 Vorsitzende des Betriebsrats ist und insoweit über langjährige Erfahrungen und
über entsprechende, auf mehreren Schulungsveranstaltungen erworbene Vorkenntnisse
verfügt, hätte substantiiert vorgetragen werden müssen, inwieweit die Schulung der
Antragstellerin zur Mitbestimmung des Betriebsrats bei Fragen des Datenschutzes, der
Bildschirmarbeit und der Urlaubsplanung erforderlich gewesen ist.
Nach alledem war ein konkreter Betriebsbezug zwischen den auf dem streitigen
Seminar überwiegend vermittelten Kenntnissen und der konkreten Betriebsratsarbeit
nicht feststellbar. Die Schulungsmaßnahme erweist sich damit insgesamt als nicht
erforderlich.
171
III.
172
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht bestand nach den
§§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.
173
Schierbaum Falz Rolke
174
/N.
175