Urteil des LAG Hamm vom 22.08.2007

LArbG Hamm: betriebsrat, vergütung, arbeitsgericht, ermessen, disposition, rechtskraftwirkung, betrug, vorverfahren, beschwerdekammer, abschlag

Landesarbeitsgericht Hamm, 10 TaBV 203/05
Datum:
22.08.2007
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 TaBV 203/05
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Dortmund, 6 BV 210/04
Schlagworte:
Wertfestsetzung im Beschlussverfahren Eingruppierung eines
Mitarbeiters Einleitung eines Zustimmungsverfahrens
Normen:
§§ 23 Abs. 3, 33 RVG, § 42 Abs. 4 GKG, §§ 99, 101 BetrVG
Tenor:
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das
Beschwerdeverfahren im Allgemeinen auf 110,33 € festgesetzt.
Gründe:
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I.
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Im Ausgangsverfahren hat der Betriebsrat von der Arbeitgeberin verlangt, die
Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung des Mitarbeiters E4 einzuholen und
gegebenenfalls das Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen. Der Mitarbeiter
E4 sollte nach Kündigung der im Betrieb der Arbeitgeberin geltenden Haustarifverträge
zu einer geringeren Vergütung als die bisherige tarifliche Vergütung befristet eingestellt
werden, ohne dass eine Anhörung zu einer etwaigen Eingruppierung stattgefunden
hatte. Nachdem das Arbeitsgericht den Antrag des Betriebsrats im Ausgangsverfahren
durch Beschluss vom 13.10.2005 abgewiesen hatte, hat das Landesarbeitsgericht in
einem Parallelverfahren durch Beschluss vom 07.12.2005 - 13 TaBV 139/05 - dem
Hauptantrag des Betriebsrats stattgegeben und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Daraufhin wurde das vom Betriebsrat im Ausgangsverfahren eingeleitete
Beschwerdeverfahren übereinstimmend bis zur Erledigung des
Rechtsbeschwerdeverfahrens 1 ABR 36/06 Bundesarbeitsgericht = 13 TaBV 139/05
Landesarbeitsgericht Hamm ruhend gestellt. Nach Erledigung des
Rechtsbeschwerdeverfahrens 1 ABR 36/06 Bundesarbeitsgericht = 13 TaBV 139/05
Landesarbeitsgericht Hamm wurde auch das Ausgangsverfahren übereinstimmend für
erledigt erklärt.
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Durch Beschluss vom 22.12.2005 hatte das Arbeitsgericht den Gegenstandswert für das
Ausgangsverfahren auf 110,33 € festgesetzt, nachdem es den monatlichen
Entgeltdifferenzbetrag des Mitarbeiters E4 mit 25,54 € ermittelt hatte. Die hiergegen von
den Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats eingelegte Beschwerde zum
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Landesarbeitsgericht - 13 Ta 47/06 - wurde mit Schriftsatz vom 10.03.2006
zurückgenommen.
Die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats beantragen nunmehr nach
übereinstimmender Erledigung des Hauptsacheverfahrens, den Gegenstandswert für
das Beschwerdeverfahren festzusetzen.
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Sie sind der Auffassung, der Gegenstandswert könne nicht auf 110,33 € festgesetzt
werden. Wegen des Umfanges der Sache sollte mindestens der Hilfswert in Höhe von
4.000,00 € zugrunde gelegt werden. Der monatliche Differenzbetrag nach § 42 Abs. 4
Satz 2 GKG sei nur sekundär zu berücksichtigen. Die Angelegenheit sei für die
Beteiligten von grundsätzlicher Bedeutung gewesen, weil die Arbeitgeberin für alle neu
eingestellten Arbeitnehmer gerade keine Eingruppierung mehr hätte durchführen
wollen.
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Die Arbeitgeberin hält die Festsetzung des Gegenstandswerts für das
Beschwerdeverfahren auf 110,33 € für zutreffend.
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II.
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Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren war gemäß §§ 33, 23 RVG auf
110,33 € festzusetzen.
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Die Wertfestsetzung für das vorliegende Verfahren richtet sich nach § 23 Abs. 3 Satz 2
RVG. Hiernach ist der Gegenstandswert in Fällen der vorliegenden Art nach billigem
Ermessen zu bestimmen. Die Wertfestsetzung nach billigem Ermessen kommt auch im
Anwendungsbereich des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG aber erst hinter allen sonstigen
Bewertungsfaktoren zum Zuge. Wo ein objektiver Wert festgestellt werden kann, kommt
es in erster Linie auf die Feststellung dieses Wertes an. Für das arbeitsgerichtliche
Beschlussverfahren folgt hieraus, dass die wirtschaftliche Bedeutung des jeweiligen
Streitgegenstands vielfach im Vordergrund der Bewertung stehen muss (LAG Hamm,
Beschluss vom 24.11.1994 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 27; LAG Hamm, Beschluss vom
12.06.2001 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 50; Wenzel, GK-ArbGG, § 12 Rz. 194, 441 ff.
m.w.N.).
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Die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit rechtfertigt es, in Beschlussverfahren
nach § 99 BetrVG, in denen es um die Einstellung, Umgruppierung oder Versetzung von
Arbeitnehmern geht, sich an dem Streitwertrahmen des § 42 Abs. 4 GKG (früher: § 12
Abs. 7 ArbGG) zu orientieren. Folgerichtig ist bei der Wertfestsetzung in
betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten nach den §§ 99 ff. BetrVG vielfach auf die
Bewertung einer entsprechenden Klage im Urteilsverfahren, also auf § 12 Abs. 7 ArbGG
zurückgegriffen worden (LAG Hamm, Beschluss vom 18.04.1985 - LAGE ZPO § 3 Nr. 3;
LAG Hamm, Beschluss vom 19.03.1987 - LAGE ArbGG 1979 § 12 Streitwert Nr. 70;
LAG Hamm, Beschluss vom 23.02.1989 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 12; Wenzel, a.a.O., §
12 Rz. 482 m.w.N.). Insoweit hat sich durch die Übernahme des § 12 Abs. 7 ArbGG (alt)
in § 42 Abs. 4 GKG (neu) zum 01.07.2004 nichts geändert. Auch die zuständigen
Beschwerdekammern des Landesarbeitsgerichts sind dieser Rechtsprechung gefolgt.
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Danach ist der Gegenstandswert in Verfahren, in denen über die Ersetzung der
Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung oder Umgruppierung eines
Arbeitnehmers gestritten wird, in Höhe des dreifachen Jahresbetrags der
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Entgeltdifferenz abzüglich 40 % (- 20 % und - 25 %) anzusetzen (LAG Hamm, Beschluss
vom 18.04.1985 - LAGE ZPO § 3 Nr. 3; LAG Hamm, Beschluss vom 19.03.1987 - LAGE
ArbGG 1979 § 12 Streitwert Nr. 70; LAG Hamm, Beschluss vom 23.02.1989 - LAGE
BRAGO § 8 Nr. 12; zuletzt: LAG Hamm, Beschluss vom 02.02.2005 - 10 TaBV 154/04 -;
LAG Hamm, Beschluss vom 28.04.2005 - 10 TaBV 11/05 - NZA-RR 2005, 435; LAG
Hamm, Beschluss vom 16.07.2007 - 13 Ta 236/07 - ). An dieser Rechtsprechung ist
festzuhalten. Neben einem 20 %igen Abschlag, der für einen Feststellungsprozess
gemacht wird, ist eine weitere Kürzung von 25 % wegen des Gesichtspunkts der
verminderten Rechtskraftwirkung eines Beschlussverfahrens gerechtfertigt. Im
rechnerischen Ergebnis handelt es sich insoweit um eine Kürzung von insgesamt 40 %.
Bei dem Ausgangsverfahren handelte es sich allerdings nicht um ein
Zustimmungsersetzungsverfahren, sondern es hatte vielmehr die Verpflichtung des
Arbeitgebers, ein Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten, zum Gegenstand. Ein
derartiger Antrag ist nach der Spruchpraxis des erkennenden Gerichts mit 20 % des
Wertes des Gegenstandes eines entsprechenden Zustimmungsersetzungsverfahrens zu
bewerten (LAG Hamm, Beschluss vom 18.04.1085 - LAGE ZPO § 3 Nr. 3; LAG Hamm,
Beschluss vom 02.02.2005 - 10 TaBV 154/04 -; LAG Hamm, Beschluss vom 23.01.2006
- 13 TaBV 196/05 -; Wenzel, a.a.O., § 12 Rz. 288.
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Die Einwendungen der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats führen zu keinem
anderen Ergebnis. Allein der Umfang der Sache rechtfertigt es nicht, vom Hilfswert des §
23 Abs. 3 Satz 2 RVG auszugehen. Gerade weil auch für den vorliegenden Fall ein
objektiver Wert festgestellt werden kann, kommt es in erster Linie auf die Feststellung
dieses Wertes an. Wie bereits ausgeführt, beläuft sich die wirtschaftliche Bedeutung des
Streitgegenstandes des Ausgangsverfahrens auf die Zahlung einer höheren
monatlichen Vergütung. Insoweit steht nicht das gesamte monatliche Entgelt des
eingestellten Mitarbeiters E4 zur Disposition. Die monatliche Entgeltdifferenz betrug im
vorliegenden Fall lediglich 25,54 €. Bei der Festsetzung des Gegenstandswerts ist
entscheidend auf die Tragweite der im Ausgangsverfahren erstrebten gerichtlichen
Entscheidung für die materielle und ideelle Stellung der Betroffenen abzustellen.
Insoweit ging es dem Betriebsrat "lediglich" darum, die Arbeitgeberin zur Einleitung
eines Beteiligungsverfahrens nach § 99 BetrVG anzuhalten. Dieses Verfahren muss
wegen seiner wirtschaftlichen Bedeutung bedeutend niedriger bewertet werden als ein
Zustimmungsersetzungsverfahren. Es handelt sich nämlich lediglich um ein
Vorverfahren, das nur darauf gerichtet ist, die alsbaldige Anhängigmachung des
Verfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG durchzuführen.
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Hiernach ergibt sich bei einer monatlichen Gehaltsdifferenz von 25,54 € als dreifache
Jahresdifferenz ein Betrag von 919,44 €. Ein Zustimmungsersetzungsverfahren müsste
demnach mit 551,66 € (919,44 € abzgl. 40 %) bewertet werden. 20 % dieses Betrages
machen 110,33 € aus.
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Auch der Umstand, dass es sich bei diesem Wert um einen relativ geringen Betrag
handelt, gibt der Beschwerdekammer keine Veranlassung, den nach der ständigen
Rechtsprechung der beiden Beschwerdekammern sich ergebenden Wert anzuheben.
Es ist auch ansonsten nichts ungewöhnliches, dass es sich namentlich bei der
Entscheidung von Grundsatzfragen - etwa im Tarifbereich - nur bescheidene Streitwerte
ergeben.
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Schierbaum /N.
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