Urteil des LAG Hamm vom 15.01.2010

LArbG Hamm (allgemeine geschäftsbedingungen, vergütung, bund, abschluss des vertrages, tarifvertrag, höhe, anlage, land, arbeitnehmer, bag)

Landesarbeitsgericht Hamm, 19 Sa 399/09
Datum:
15.01.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
19. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 Sa 399/09
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bochum, 5 Ca 1525/08
Nachinstanz:
Bundesarbeitsgericht, 5 AZR 153/10
Schlagworte:
Auslegung eines von der Arbeitgeberin vorformulierten Arbeitsvertrages,
der auf den "KR-Tarifvertrag Bund/Land" verweist.
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Bochum vom 12.11.2008 – 5 Ca 1525/08 – abgeändert. Der Tenor wird
zur Klarstellung wie folgt gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.254,21 € brutto nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz auf
1.036,14 € brutto ab dem 08.07.2008 zu zahlen und auf weitere 218,07 €
brutto ab dem 30.09.2008 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte zu 7/10 und die Klägerin
zu 3/10.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der nicht tarifgebundenen Beklagten, die
Vergütung der Klägerin entsprechend den Tarifabschlüssen des öffentlichen Dienstes
im kommunalen Bereich ab 2006 zu erhöhen.
2
Die am 27.07.1958 geborene, verheiratete Klägerin ist seit dem 01.07.1995 in der Alten-
und Pflegeeinrichtung "Haus B4" in B3 zunächst als Helferin in der Pflege, später als
Altenpflegegerin beschäftigt.
3
Sie schloss unter dem 01.07.1995 einen schriftlichen Arbeitsvertrag mit dem C2 S3 (C4)
4
Gemeinnützige Krankenhausbetriebsgesellschaft in D2. Das C2 S3 verstand sich als
freie, christlich-soziale, diakonisch-caritativ tätige Privatinitiative und war Mitglied im
Deutschen paritätischen Wohlfahrtsverband (DPWV). Im Formulararbeitsvertrag der
Parteien ist unter Ziffer 4 angekreuzt:
"Die Vergütung für Mitarbeiter im Angestelltenverhältnis erfolgt in Anlehnung
BAT / Bund / Land.
5
Sie besteht aus Grundvergütung, Ortszuschlag und einer allgemeinen Zulage
6
7
Die Berechnung der Grundvergütung erfolgt unter Zugrundelegung der
zutreffenden Vergütungsgruppe und der entsprechenden Lebensaltersstufe
gemäß § 27 des KR-Tarifvertrages BAT/Bund/Land.
8
KR II / Stufe 8
9
eingestuft.
10
01.07.1996.
11
Die Grundvergütung beläuft sich demnach auf
12
DM 2390,82
13
zuzüglich Ortszuschlag Stufe 1
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DM 800,21
15
(mit ./… kindergeldberechtigten Kinder)
16
Allgemeine Zulage
17
DM 153,84
18
19
___________
20
Vergütung
21
DM 3423,87
22
23
K5
24
erhält zusätzlich zu der unter Ziffer 4.1 aufgeführten Vergütung folgende
Zulagen in Anlehnung an den
25
BAT/Bund/Land/ AVR
26
Schichtzulage
27
DM 90,00
28
____________
29
Somit beträgt die Gesamtvergütung
30
DM 3524,87
31
____________
32
Es werden vermögenswirksame Leistungen i. S. des
33
Vermögensbildungsgesetztes in Höhe von DM 13,00 gewährt.
34
Die Grundvergütung erhöht sich nach je zwei Jahren um den
35
Steigerungsbetrag.
36
...
37
4.3 Die künftigen für den öffentlichen Dienst ausgehaltenen Lohn- und
Vergütungserhöhungen im Bereich der Grundvergütung, Ortszuschlag und der
Allgemeinen Zulage werden übernommen.
38
39
11. Besondere Vereinbarungen haben nur Gültigkeit, wenn sie als Nachtrag zu
diesem Vertrag schriftlich vereinbart werden.
40
Anhang 1 (Gewährung von Weihnachtszuwendungen) und Anhang 2
(Gewährung von Urlaubsgeld) sind feste Bestandteile dieses Arbeitsvertrages
41
…."
42
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung dieses Vertrages (Bl. 16 ff.)
nebst dessen Anlage 1 (Ablichtung Bl. 25 d. A.) und der Anlage 2 (Ablichtung Bl. 22 d.
A.) verwiesen. Die im Arbeitsvertrag als weitere Anlagen angesprochenen Anhänge 3
und 4 sind von den Parteien nicht in Ablichtung vorgelegt worden. Der Anhang 3 bezieht
sich dem Vernehmen nach auf Schichtzuschläge. Über den Inhalt des Anhangs 4
konnten die Parteien keine Angaben machen.
43
1999 absolvierte die Klägerin ihre Prüfung zur Altenpflegerin. Hierzu gratulierte die
Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 28.05.1999 (Ablichtung Bl. 24 d. A.) und
gruppierte sie mit weiterem Schreiben vom gleichen Tag unter der Überschrift
"Änderungs-/ Ergänzungsmitteilung" aufgrund der bestandenen Prüfung mit Wirkung
vom 01.06.1999 in die Vergütungsgruppe BAT/KR IV Stufe 9 ein (Ablichtung Bl. 23 d.
A.).
44
Zum 01.06.2002 wurde die Klägerin in die Vergütungsgruppe KR V Fallgruppe 21 Stufe
9 eingruppiert (so Abrechnung 9/05, Ablichtung Bl. 167 d. A.).
45
In der Folgezeit ging das Arbeitsverhältnis der Klägerin zunächst auf die Firma M2 über.
Auch die Firma M2 schloss mit den neu eingestellten Arbeitnehmern ähnliche
Arbeitsverträge wie das C2 S3 ab.
46
Ca. 2005 ging das Arbeitsverhältnis der Klägerin ohne eine gesonderte Mitteilung auf
die Beklagte über. Auch die Beklagte vereinbarte mit neu eingestellten Arbeitnehmern
ursprünglich noch eine Vergütung "in Anlehnung" an den BAT. Seit ca. 2 Jahren wird
das neu eingestellte Personal in der Altenpflegeeinrichtung "Haus B4" über eine
gesonderte verbundene Servicegesellschaft eingestellt und von der Beklagten
ausgeliehen. Diese Beschäftigungsverhältnisse richten sich nach einem Tarifvertrag mit
der IGZ (Interessengemeinschaft Zeitarbeit).
47
Im Haus B4 werden ca. 80 Arbeitnehmer beschäftigt, die einen Betriebsrat gewählt
haben. Die Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Die Beklagte ist nicht
tarifgebunden.
48
Bis zum Kalenderjahr 2005 hat die Beklagte die im öffentlichen Dienst erfolgten
Vergütungserhöhungen (letzte Tariferhöhung aufgrund des 35. Änderungstarifvertrages
zum BAT VKA vom 31.03.2003 ab dem 01.05.2004) an die Klägerin und ihre
Kolleginnen, die einen gleichlautenden Passus in ihrem Arbeitsvertrag haben,
weitergegeben.
49
Die Klägerin hatte mit Schreiben vom 30.01.2007 auf den seit dem 31.05.2006
ausstehenden Bewährungsaufstieg hingewiesen. Sie wurde daraufhin erst "mit Wirkung
vom 01.04. 2007" in die Vergütungsgruppe KR V a Stufe 9 BAT höhergruppiert
(Ablichtung dieses Schreibens Anlage A Bl. 217). Die Beklagte erteilte der Klägerin
(auch) über den Monat 4/08 eine Abrechnung (Ablichtung Bl. 5 und 216 d. A.), die sich
über eine Grundvergütung "VKA", eine allgemeine Zulage und einen Ortszuschlag mit
einem Volumen von insgesamt 2.590,38 € verhält. Die Beklagte hat auf Befragen
bestätigt, dass die Klägerin im April 2008 in die Vergütungsgruppe KR V a Stufe 9 des
BAT eingruppiert war (insofern in der Abrechnung unter "Tarifart" als "BAT" und unter
Vergütungsgruppe/Stufe kurz als "KVA / 9" bezeichnet).
50
Am 09.01.2003 schlossen die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes (die
Gewerkschaften, der Bund, die Tarifgemeinschaft deutscher Länder und die
Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände) eine Vereinbarung zur
Neugestaltung des öffentlichen Dienstes, wonach angestrebt wurde, den öffentlichen
Tarifverbund zu erhalten.
51
Eine Tarifgemeinschaft bestehend aus dem Bund und der Vereinigung der kommunalen
Arbeitgeberverbände auf der Arbeitgeberseite sowie die Gewerkschaften erzielte eine
am 09.02.2005 eine Einigung über eine umfassende Neugestaltung des Tarifrechts für
den Bund und die kommunalen Arbeitgeber. Unter dem Stichwort "Kernpunkte des
TVöD" regelten die Tarifvertragsparteien auch die Einmalzahlungen. Danach sollten die
Ansprüche in Höhe von jeweils 300,00 € für die Jahre 2005 und 2006 und 2007
begründet werden, die wie folgt zur Auszahlung gelangen: Jeweils 100,00 € zum 01.04.,
01.07. und 01.10.2005 und jeweils 150,00 € zum 01.04. und 01.07. der Jahre 2006 und
52
2007 (Abdruck der Einigung in den ZTR 2005, 1636 ff.). Für den Bereich des Bundes
wurden die Vereinbarungen über die Einmalzahlungen in dem Tarifvertrag über
Einmalzahlungen für die Jahre 2005, 2006 und 2007 für den Bereich des Bundes vom
09.02.2005 (TV-Einmalzahlung Bund) umgesetzt, der am 01.10.2005 in Kraft trat.
Gemäß dessen § 2 Abs. 1 erhalten Personen, die u. a. unter den Geltungsbereich des
Bundesangestelltentarifvertrages oder unter den Geltungsbereich des TVöD fallen, in
den Jahren 2006 und 2007 jeweils eine Einmalzahlung in Höhe von 300,00 €, zahlbar
mit den Bezügen für die Monate April und Juli 2006 und 2007 in Höhe von jeweils
150,00 €. Der Tarifvertrag für den Bereich VKA vom gleichen Tag regelte hingegen nur
die Einmalzahlung für das Jahr 2005.
In Umsetzung ihrer Vereinbarung schloss diese Tarifgemeinschaft am 13.09.2005 den
Tarifvertrag über den öffentlichen Dienst (TVöD).
53
Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände sowie die Vereinte
Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) schlossen an diesem Tag auch einen Tarifvertrag
zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur
Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA). Am 01.10.2005 traten der Tarifvertrag für
den öffentlichen Dienst (TVöD) und der Tarifvertrag zur Überleitung in den TVöD (TVÜ-
VKA) in Kraft. Schließlich wurde an diesem Tag auch ein besonderer Teil des TVöD für
Pflege- und Betreuungseinrichtungen (BT-B) vereinbart.
54
Nach dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber
in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) vom 13.09.2005
ersetzen nach dessen § 2 der TVöD i. V. m. diesem Tarifvertrag bei tarifgebundenen
Arbeitgebern, die Mitglieder eines Mitgliedsverbandes der VKA sind, den
Bundesangestelltentarifvertrag (BAT vom 23.02.1961 sowie die diesen Tarifvertrag
ergänzenden Tarifverträge der VKA), soweit in diesem Tarifvertrag oder im TVöD nicht
ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. Die Ersetzung folgt mit Wirkung vom
01.10.2005, soweit kein abweichender Termin bestimmt ist. Nach der
Niederschriftserklärung zu § 2 gehen die Tarifvertragsparteien davon aus, dass der
TVöD und der TVÜ-VKA bei tarifgebundenen Arbeitgebern das bisherige Tarifrecht
auch dann ersetzen, wenn arbeitsvertragliche Bezugnahme nicht ausdrücklich den Fall
der ersetzenden Regelung beinhalten.
55
In § 21 des TVÜ-VKA sind die Einmalzahlungen für 2006 und 2007 geregelt. Danach
erhalten die von § 1 Abs. 1 und 2 erfassten Beschäftigten im Tarifgebiet West für die
Jahre 2006 und 2007 jeweils eine Einmalzahlung in Höhe von 300,00 € die in zwei
Teilbeträgen in Höhe von 150,00 €, die mit den Bezügen für die Monate April und Juli
der Jahre 2006 und 2007 ausbezahlt werden.
56
Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) einigte sich mit den Gewerkschaften des
öffentlichen Dienstes erst am 19.05.2006 auf das neue Tarifrecht für den Landesdienst
in Gestalt des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) vom
12.10.2006 , der am 01.11.2006 in Kraft trat. Gemäß § 1 Abs. 1 dieses Tarifvertrages gilt
dieser für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis zu
einem Arbeitgeber stehen, der Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL)
oder eines Mitgliedsverbandes der TdL ist. Weitgehend wurden die Arbeitsbedingungen
der Beschäftigten im Landesdienst denen der Beschäftigten im Bundes- und
Kommunaldienst angeglichen. Auch die Tarifrunde 2008 wurde in den Abschluss
integriert. Die beschlossenen Einmalzahlungen wurden in dem gesonderten Tarifvertrag
57
vom 08.06.2006 über Einmalzahlungen für die Jahre 2006 und 2007 (TV-Einmalzahlung
Land) geregelt, der mit Ausnahme seines § 3 am 01.07.2006 in Kraft trat. Gemäß § 2
Abs. 1 a erhalten Beschäftigte mit den Bezügen für den Monat Juli 2006 100,00 € als
Einmalzahlung. Gemäß § 2 Abs. 1 b wurden mit den Bezügen für Januar 2007 210,00 €
als Einmalzahlung gezahlt, mit den Bezügen für September 2007 weitere 300,00 €.
Vereinbarungen über Entgelterhöhungen im Bereich der Altenpflege wurden im Bereich
des Bundesangestelltentarifvertrages seit 2006 nicht mehr getroffen.
58
Die Beklagte hat an die Klägerin in den Jahren 2006 und 2007 keine Einmalzahlung
geleistet.
59
Durch die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst der Kommunen im Jahre 2008, die
Anfang April abgeschlossen wurden, erhielten die Arbeitnehmer das im öffentlichen
Dienst ab dem 01.01.2008 zunächst einen Sockelbetrag in Höhe von 50,00 €, der auf
die bisher vorhandene Vergütung aufgeschlagen wurde. Darüber hinaus erhöhte sich
das Einkommen ab 01.01.2008 um 3,1 v.H., bei Beschäftigten in Krankenhäusern um
1,6 v.H. (Anlage 2).
60
Mit Schreiben vom 09.05.2008 wandte sich die Gewerkschaft ver.di für die Klägerin an
die Beklagte und machte eine Vergütungserhöhung geltend in Form der für die
Kalenderjahre 2006 und 2007 für die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes der
Kommunen vereinbarte Einmalzahlung in Höhe von jeweils 300,00 € brutto. In dem
Schreiben (Abl. Bl. 6 d. A.) heißt es weiter:
61
"…Durch die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst im Jahre 2008, die
Anfang April abgeschlossen wurden, erhalten die Arbeitnehmer im öffentlichen
Dienst im laufenden Jahr zunächst 50,00 € als Sockelbetrag zuzüglich der
bisher vorhandenen Vergütung und darüber hinaus eine prozentuale Erhöhung
in Höhe von 3,1 %
62
...
63
Wir bitten Sie, dass Gehalt für Frau B1 aufgrund der oben dargestellten
Veränderung neu zu berechnen und ihr den Restlohn für 5 Monate in Höhe von
639,25 € brutto (131,85 € brutto monatlich) mit der nächsten Abrechnung
nachzuzahlen. …"
64
Die Beklagte erwiderte darauf mit Schreiben vom 02.06.2008 :
65
"…Sowohl die einzelnen von § 4.3 verwendeten Begriffe als auch das
dahinterstehende Vergütungswerk sind BAT spezifisch. Der TVöD ist ein neues,
eigenständiges Tarifwerk. Er soll den BAT nicht fortführen sondern als
Neuregelung ersetzen und beinhaltet dementsprechend ein nicht
vergleichbares Vergütungssystem, auf das § 4.3 keinen Bezug genommen hat.
66
Hätten die Parteien eine Verweisung auf andere Tarifwerke als den BAT
gewollt, hätten sie dies durch eine Tarifwechselklausel im Sinne der
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts…vereinbaren müssen" (wegen der
weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung dieses Schreiben Bl. 8 f. d. A.
verwiesen).
67
Mit ihrer am 25.06.2008 datierenden und am 27.06.2008 beim Arbeitsgericht Bochum
eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter. Sie begehrt zum
einen die Einmalzahlung in Höhe von jeweils 300,00 € für die Kalenderjahre 2006 und
2007 und zum anderen ab 2008 ein höheres monatliches Entgelt.
68
Die Klägerin berechnet ihre Klageforderung wie folgt: Für die Klägerin musste zunächst
die Gesamtvergütung bestimmt werden, die sich aus Grundvergütung, allgemeiner
Zulage und Ortszuschlag (ohne kinderbezogene Bestandteile) zusammensetzt. Die
Gesamtvergütung der Klägerin liegt ausweislich der Gehaltsabrechnung für April 2008
bei 2.590,38 € brutto monatlich. Nach Erhöhung dieses Betrages um 50,00 € beträgt die
Berechnungsbasis für die lineare Erhöhung in Höhe von 3,1 von 100 somit 2.140,38 €
brutto. Durch die prozentuale Erhöhung von 81,85 € steht der Klägerin seit dem
01.01.2008 ein monatliches Entgelt in Höhe von 2.722,23 € zu. Somit hätte die Beklagte
ab dem 01.01.2008 eine monatliche Gehaltserhöhung von 131,85 € brutto aufgrund der
zwischen den Tarifvertragsparteien im öffentlichen Dienst verabredeten
Vergütungserhöhung nachzahlen müssen. Die Klägerin hat ihre Klage mit Schriftsatz
vom 22.09.2008 hinsichtlich der Entgeltansprüche bis zum 30.09.2008, also auf
1.186,65 erweitert.
69
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
70
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.786,65 € brutto zuzüglich 5 %
Zinsen ab dem 27.06.2008 zu zahlen.
71
Die Beklagte hat beantragt,
72
die Klage abzuweisen.
73
Die verweist darauf, dass selbst in eindeutigen Fällen nie eine sofortige Änderung vom
BAT zum TVöD stattgefunden habe. Vielmehr seien für diese Fälle die
Überleitungsvorschriften vereinbart. Die von den Tarifvertragsparteien erkannte
Notwendigkeit zur Schaffung umfangreicher Überleitungsvorschriften zeige, dass es
sich bei BAT und TVöD um strukturell nicht vergleichbare Systeme handele. Die
Überleitungsvorschriften könnten vorliegend überdies wegen Zeitablaufs nicht mehr
angewandt werden.
74
Das Arbeitsgericht hat die die Klage mit Urteil vom 12.11.2008 abgewiesen. Zur
Begründung hat es ausgeführt, entgegen der Auffassung der Klägerin führe die
arbeitsvertragliche Bindung an die Gehaltssteigerung des BAT in der Vergangenheit
nicht auch zu einer arbeitsvertraglichen Bindung an die Gehaltssteigerung des TVöD.
75
Der Wortlaut des Vertrages allein führe nicht zu einer Anwendbarkeit des TVöD, so dass
im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung zu prüfen sei, ob der TVöD
(teilweise) auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finde. Es sei zu fragen, wie die
Parteien vom Stand ihrer entgegengesetzten Interessen aus den offengebliebenen
Punkt billigerweise geregelt hätten, hier, was die Parteien vereinbart hätten, wenn sie
dem Wechsel vom Tarifwerk BAT auf das Tarifwerk TVöD vorausgesehen hätten. Der
Verweis auf den BAT diene bei Arbeitsverträgen außerhalb des öffentlichen Dienstes
regelmäßig der Orientierung an den Arbeitsbedingungen des öffentlichen Dienstes. Der
Arbeitnehmer sollte nicht schlechter gestellt werden als der Arbeitnehmer in
76
vergleichbarer Position des öffentlichen Dienstes. Eine Ausdeutung dieser
Vereinbarungen als "Mitvereinbarung eines neuen Regelwerkes", das keine bloße
Fortschreibung des bisherigen Tarifwerks darstelle, sondern dies ersetze, verlasse die
Grenzen ergänzender Vertragsauslegung. Wegen der weiteren Einzelheiten der
Begründung wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen (Bl. 53 ff.
d. A.).
Gegen das ihr am 17.11.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom
04.12.2008, beim erkennenden Gericht am 08.12.2008 eingegangen, Berufung
eingelegt und diese innerhalb der bis zum 19.02.2008 verlängerten
Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 16.02.2009, per Fax am darauffolgenden
Tag beim erkennenden Gericht eingegangen, begründet.
77
Die Klägerin wendet sich unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen
Vortrages zur Sach- und Rechtslage gegen das erstinstanzliche Urteil. Der Wortlaut der
arbeitsvertraglichen Vereinbarung beziehe sich auf die Tarifentwicklung des öffentlichen
Dienstes und nicht nur auf die des BAT. Die Auslegung führe zu dem Ergebnis, dass der
TVöD (für Bund und Gemeinden) auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sei. Die
Rechtsvorgängerinnen der Beklagten und die Beklagte selbst habe die Vergütung bis
September 2005 stets so abgerechnet, wie dies bei einer Beschäftigten im Pflegedienst
einer Kommune geschehen wäre. In dem Arbeitsvertrag werde für die Berechnung der
Lebensaltersstufen auf "§ 27 des KR Tarifvertrages BAT" verwiesen. § 27 BAT
unterscheide zwischen Beschäftigten, die unter die Anlage 1 a bzw. die Anlage 1 b des
BAT fielen. Der arbeitsvertragliche Verweis auf den "KR Tarifvertrag" bedeute in diesem
Zusammenhang nichts anderes, als das die Regelungen gemeint seien, die für die
Beschäftigten vereinbart sind, die unter die Anlage 1 b des BAT (Beschäftige im
Pflegedienst) fallen. Bei diesen richtete sich die Lebensstufe nach § 27 Abschnitt B.
BAT, der für Beschäftigte beim Bund, Ländern und Gemeinden gelte. Die sogenannten
KR-Tabellen hätten nicht zwischen Beschäftigten bei Bund, Land oder Gemeinden
unterschieden. Beschäftige im Pflegedienst nach der Anlage 1 b seien
vergütungsrechtlich immer gleich behandelt worden. Vor diesem Hintergrund ergebe
sich ab Oktober 2005 ein Übergang zum TVöD, in dem seit diesem Zeitpunkt die
Beschäftigten von Gemeinden und dem Bund zusammengefasst sind. Insgesamt führe
die Tatsache, dass die Klägerin nach dem BAT Bund/Land behandelt werden sollte und
das die Klägerin in ihrer Gehaltsabrechnung jeweils den Vermerk VKA hatte zu dem
eindeutigen Auslegungsergebnis, dass der TVöD (für Bund und Gemeinden) auf das
Arbeitsverhältnis anzuwenden sei. Dagegen sehe der TV-L keinerlei Regelungen für
Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen vor, weil die Länder keine Pflegeeinrichtungen
betrieben, dort würden bis heute im sogenannten KR-Bereich nur Arbeitnehmer in
Krankenhäusern und in Universitätskliniken beschäftigt. Auch das expliziete Aufnehmen
der Begrifflichkeiten "Grundvergütung, Ortszuschlag und allgemeine Zulage" in den
Arbeitsvertrag könne schließlich, anders als das Arbeitsgericht meine, nicht dazu führen,
dass die Tariferhöhungen des TVöD hier unanwendbar blieben.
78
Die Klägerin beantragt,
79
das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 12.11.2008 – 5 Ca 1525/08 –
abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.786,65 € brutto
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf
1.391,10 EUR brutto seit dem 27.06.2008 und auf weitere 395,55 EUR brutto
seit dem 30.09.2008 zu zahlen.
80
Die Beklagte beantragt,
81
die Berufung zurückzuweisen.
82
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung
ihres erstinstanzlichen Vortrags zur Sach- und Rechtslage. Sie verweist ergänzend
darauf, dass der TVöD in seinem Geltungsbereich das Recht der Arbeiter und
Angestellten von Bund und Gemeinden regelt. Dagegen seien die deutschen Länder an
den Tarifverhandlungen 2005 nicht beteiligt gewesen. Der Umstand, dass die Länder
inzwischen am 19.05.2006 einen eigenen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der
Länder, (TV-L), unterzeichnet hätten, der ebenfalls Vergütungen im Bereich des
öffentlichen Dienstes regele, mache deutlich, dass -den Vortrag der Klägerin als
zutreffend unterstellt - die damals sinnvolle Bezeichnung "BAT/Bund/Land" heute auf
zwei Tarifverträge Bezug nehme, nämlich den für Bund und Kommunen geltenden
TVöD und den vom Land angewendeten TV-L.
83
Die Kammer hat durch einen Auflagen- und Hinweisbeschluss vom 31.07.2009 der
Klägerseite aufgegeben, die Tarifverträge, aus denen sich die Klageforderung
errechnet, konkret zu bezeichnen und weiter vergleichsweise die Vergütung zu
errechnen, die sich nach einer ordnungsgemäßen Überleitung der Klägerin nach dem
TVÜ-VKA ergeben würde.
84
Die Klägerin hat daraufhin wie folgt vorgetragen: Nach Ablauf des tariflich
vorgesehenen dreijährigen Bewährungsaufstiegs ab dem 01.06.2002 in der
Vergütungsgruppe KR V Fallgruppe 21 Stufe 9 der Anlage 1 b zum BAT VKA wäre die
Klägerin mit Wirkung ab dem 01.06.2006 aufgrund des weiteren tariflich vorgesehenen,
vierjährigen Bewährungsaufstiegs in die Vergütungsgruppe KR V a Fallgruppe 12 der
Anlage 1 b zum BAT VKA höherzugruppieren gewesen. Ungeachtet der Frage, ab
welchem Zeitpunkt die Klägerin aus der Vergütungsgruppe KR V in die
Vergütungsgruppe KR V a der Anlage 1 b zum BAT VKA höherzugruppieren war, war
die Klägerin zu dem Zeitpunkt, in dem die Überleitung in den TVöD erfolgt wäre
(September 2005), in der Vergütungsgruppe KR V mit noch ausstehendem Aufstieg in
die Vergütungsgruppe KR V a BAT VKA eingruppiert. Ausweislich der
Gehaltsabrechnung der Klägerin für den Monat September 2005 (Ablichtung Anlage 2
Bl. 167 d. A.) hat die Klägerin abgesehen von den unständigen Entgeltbestandteilen
eine Vergütung in Höhe von 2.517,21 € pro Monat (1.834,74 € Grundvergütung
(Vergütungsgruppe V Fallgruppe 21 Stufe 9), 575,03 € Ortszuschlag Klasse 2
(verheiratet) sowie 107,44 € Allgemeine Zulage) erhalten. Die Zahlung entspricht der
letzten Tariferhöhung aufgrund des 35. Änderungstarifvertrages zum BAT VKA ab dem
01.05.2004, die Ende September 2005 aktuell war. Nach § 5 TVÜ-VKA wäre die
Klägerin mit einem Vergleichsentgelt in die Entgeltgruppe 7 a mit individueller
Zwischenstufe zwischen den Stufen 5 und 6 (Ablichtung der Anlage 4 zum TVÜ-VKA Bl.
168 d. A.) überzuleiten gewesen. Gemäß § 6 Abs. 1 TVÜ-VKA wäre die Klägerin
sodann zum 01.10.2007 in die nächsthöhere reguläre Stufe aufgestiegen. Das ist die
Entgeltgruppe 7 a Stufe 6 (2.533,00 € pro Monat).
85
Addiert man zu diesen 2.533,00 € den Sockelerhöhungsbetrag von 50,00 € (dann
2.583,00 €) und berechnet auf diesen Betrag die Tariferhöhung von 3,1 von 100 ab dem
01.01.2008, so ergibt sich ein Wert in Höhe von 2.663,07 €. Dies entspricht exakt dem
Wert, der der neuen, ab dem 01.01.2008 geltenden KR-Anwendungstabelle der
86
Entgeltgruppe 7 a Stufe 6 zuzuordnen ist.
Die Einkommensentwicklung der Klägerin hätte bei Überleitung in TVöD also
folgendermaßen auszusehen:
87
Vergleichsentgelt
2.517,21 EG 7a, individuelle Zwischenstufe
5 – 6
Aufstieg in höhere Stufe ab 10/07
2.533,00 EG 7a Stufe 6
Sockelerhöhung: 50,00 €
2.583,00
Tariferhöhung ab 01.08 = 3,1 %
0,080,07
Summe Entgelt ab 01.08 nach TVöD-
Überleitung
2.663,07 EG 7a Stufe 6 neue Kr.
Anwendungstabelle
Erhaltenes Entgelt
2.590,38
Differenz monatlich ab 01.08
0.072,69
88
Nach dieser Berechnung liegt das monatliche Einkommen der Klägerin ab dem
01.01.2008 um 72,69 € unter dem nach Überleitung in den TVöD zu zahlenden Entgelt.
89
Die Beklagte hat darauf erwidert, nach dem Studium der vom Gericht benannten
Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte bleibe die Beklagte bei der Auffassung,
dass der TVöD auf das Arbeitsverhältnis der klagenden Parteien keine Anwendung
findet (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen im Schriftsatz vom
11.09.2008 verwiesen).
90
Die Klägerin hat darauf erwidert: Da die Beklagte nochmals schriftlich wiederholt habe,
dass eine Überleitung in den TVöD nicht gewollt und vereinbart war, könne nur die
zuerst von der Klägerin vorgetragene Berechnungsmethode greifen. Diese gehe davon
aus, dass der BAT mit seinen Eingruppierungsregelungen in Anwendung bleiben sollte
und ab Oktober 2005 die jeweiligen Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst hinzuaddiert
werden müsse.
91
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug
genommen.
92
Beim Arbeitsgericht Bochum sind mehrere Parallelverfahren von Kolleginnen der
Klägerin im Hinblick auf das vorliegende Verfahren ausgesetzt, so die Verfahren 1 Ca
1525/08, 1 Ca 1527/08 und 3 Ca 1528/08.
93
Entscheidungsgründe:
94
I.
95
Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des
Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 b ArbGG) sowie in gesetzlicher Form
96
und Frist eingelegt (§ 519 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 Satz 1
ArbGG) und innerhalb der Frist (§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) und auch ordnungsgemäß (§
520 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG) begründet worden.
II.
97
Die Berufung hat jedoch nur teilweise Erfolg.
98
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung der im öffentlichen Dienst vereinbarten
Gehaltserhöhungen in den Jahren 2006 und 2007 als auch auf Zahlung der
Tariferhöhung für den Bereich des TVöD ab dem 01.01.2008, allerdings nach Maßgabe
einer Überleitung der Klägerin in analoger Anwendung des TVÜ-TVöD/VKA.
99
Der Zahlungsanspruch der Klägerin ist in Höhe von 1.036,14 € also der
Einmalzahlungen 2006 und 2007 und der Vergütungsansprüche im Zeitraum 01.01. bis
zum 30.06.2008 ab dem 08.07.2008 zu verzinsen, der Entgeltanspruch der Klägerin für
die Monate Juli, August und September 2008 ab dem 30.09.2009.
100
Die weitergehende Klage der Klägerin war abzuweisen und die Berufung insoweit
zurückzuweisen.
101
A. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 4 des Arbeitsvertrages
i. V. m. § 21 TVÜ-VKA auf Zahlung von 600,00 EUR.
102
103
Die Beklagte schuldet der Klägerin darüberhinaus aus § 4 des Arbeitsvertrages i. V. m.
§ 15 TVöD-AT und § 4 Abs. 1 sowie der Anlage 6 zum TVÜ-VAK (Kr-
Anwendungstabelle Tarifgebiet West) i.V.m. dem TVöD BT-B ab dem 01.01.2008 eine
Vergütung nach der Vergütungsgruppe Kr 7 a Stufe 6 in Höhe von 2.663,07 € pro Monat.
104
1. Dieser Anspruch ergibt sich weder aus dem Gesetz noch direkt aus dem
Arbeitsvertrag der Klägerin.
105
106
a. Die Klägerin ist tarifgebunden. Die Beklagte ist nicht tarifgebunden. Damit besteht
kein unmittelbarer gesetzlicher Anspruch aus § 4 Tarifvertragsgesetz.
107
108
b) Ein unmittelbarer Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus dem Arbeitsvertrag
109
der Parteien.
aa.) Bei den Vertragsklauseln unter Ziff. 4 handelt es sich nicht um eine sogenannte
"Gleichstellungsabrede". Die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerinnen waren und sind
nicht tarifgebunden. Sinn der vertraglichen Regelung konnte daher nicht die
Gleichstellung der nichttarifgebundenen Arbeitnehmer mit den tarifgebundenen
Arbeitnehmern sein, so dass die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur
Auslegung der sogenannten Gleichstellungsabreden nicht einschlägig ist. Die fehlende
Tarifgebundenheit der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerinnen war für die Klägerin
auch erkennbar. Denn es handelt sich bei der Beklagten bzw. ihren
Rechtsvorgängerinnen nicht um originäre Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes.
110
Die Rechtsprechung des 4. Senats des Bundesarbeitsgerichts (vgl. vom 14.12.2005 – 4
AZR 536/04) zum Vertrauensschutz bei der Auslegung arbeitsvertraglicher
Bezugnahmeklauseln auf Tarifverträge für sogenannte Altverträge ist somit nicht
einschlägig, da die Beklagte nicht tarifgebunden ist und die Frage der Gleichstellung
tarifgebundener und tarifungebundener Arbeitnehmer deshalb keine Rolle spielt.
111
bb) Bei der im Arbeitsvertrag verwendeten Klausel handelt es sich um eine sogenannte
"kleine dynamische Bezugnahmeklausel". Nach ihr wird im Betrieb der
tarifungebundenen Beklagten Vergütung "in Anlehnung" an den
Bundesangestelltentarifvertrag gewährt. Die Klause ist zeitlich dynamisch und nimmt
einen bestimmten Tarifvertrag, dem BAT in der jeweils gültigen Fassung, als
Anspruchs- und Bemessungsgrundlage für Vergütungsansprüche in Bezug.
112
Nach Ziffer 4.3 werden zwar die künftigen für den "öffentlichen Dienst" ausgehandelten
Lohn- und Vergütungserhöhungen im Bereich der Grundvergütung, Ortszuschlag und
der Allgemeinen Zulage übernommen. Insoweit verweist die Ziffer 4 zunächst allgemein
darauf, dass die Vergütung in Anlehnung an "BAT/Bund/Land" erfolgt und aus einer
Grundvergütung, Ortszuschlag und einer Allgemeinen Zulage besteht. Bezüglich der
Berechnung der Grundvergütung wird wiederum auf die Zugrundelegung der
zutreffenden Vergütungsgruppe und der entsprechenden Lebensaltersstufe gemäß § 27
des KR-Tarifvertrages Bund/Land verwiesen, sowie darauf, dass sich die
Grundvergütung nach je zwei Jahren um den Steigerungsbetrag erhöht.
113
Diese Klausel enthält jedoch keine eindeutige Aussage, wie sich die arbeitsvertragliche
Klausel bei Veränderung des Bezugnahmeobjekts auswirkt, hier also, ob der
vereinbarte BAT durch den TVöD oder den TV-L wirksam abgelöst wird.
114
Vom Wortlaut her eindeutig wäre die Regelung des Arbeitsvertrages nur, wenn sie auf
die jeweils gültigen Bestimmungen des BAT einschließlich der diesen ergänzenden
Änderungen oder ersetzenden Bestimmungen verweisen würden. Damit wäre die
Fallkonstellation geregelt, dass wie hier ein Tarifvertrag den konkret in Bezug
genommenen Tarifvertrag ablöst. Die Auslegungsbedürftigkeit der vertraglichen
Bestimmungen ergibt sich somit daraus, dass hier die zum Zeitpunkt des
Vertragsabschlusses bekannte und in weiten Bereichen des öffentlichen Dienstes
verwendete Fassung der Verweisungsklausel nach Maßgabe des vom Bund, der TdL
und der VKA seit 1981 herausgegebenen Musterarbeitsvertrages (vergleiche etwa
Böhm / Spiertz / Sponer / Steinherr, BAT, § 4 Anhang 3) keine Verwendung gefunden
hat, demzufolge sich das Arbeitsverhältnis "nach dem BAT und den diesen
ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen…" richtet.
115
Andererseits sollte durch die vertragliche Regelung hinsichtlich der Vergütung
erkennbar eine weitgehende Orientierung an den Vergütungsbedingungen des
öffentlichen Dienstes geschaffen werden. Dies ergibt sich insbesondere aus der Ziffer
4.3 des Arbeitsvertrages, wonach die "künftigen für den öffentlichen Dienst"
ausgehandelten Lohn- und Vergütungserhöhungen im Bereich der Grundvergütung,
Ortszuschlag und der Allgemeinen Zulage übernommen werden sollten. Ziffer 4 des
Arbeitsvertrages verweist weiter auf entsprechende Lebensaltersstufen gemäß § 27 des
KR-Tarifvertrages Bund/Land und darauf, dass sich die Grundvergütung nach je zwei
Jahren um den Steigerungsbetrag erhöht.
116
Die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien bedürfen somit, wie das
Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, der Auslegung.
117
2. Eine Auslegung der zwischen den Parteien getroffenen arbeitsvertraglichen
Vereinbarungen als allgemeine Geschäftsbedingungen ergibt, dass die vorgenannten
tarifvertraglichen Regelungen des TVöD bzw. TVÜ-VKA auf das Arbeitsverhältnis der
Parteien zur Anwendung kommen und zwar in der Fassung, die für Pflegeeinrichtungen
der Gemeinden (BT-B) einschlägig ist.
118
a. Bei den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen aus 1995 handelt es sich um
allgemeine Geschäftsbedingungen der Rechtsvorgängerin der Beklagten.
Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und
typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von einem verständigen und
redlichen Vertragspartner unter Abwägung der Interessen der normalerweise
beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die
Verständnismöglichkeiten des möglich durchschnittlichen Vertragspartners des
Verwenders zugrunde zu legen sind. Ausgangspunkt ist in erster Linie der
Vertragswortlaut, der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie
die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (zuletzt
BAG vom 10.06.2009 – 4 AZR 194/08 Rdnr. 28 m.w.N, BAG vom 06.09.2006 – 5
AZR 644/05 sowie BAG vom 09.11.2005 – 5 AZR 128/05).
119
120
Die Anwendung dieser Grundsätze ergibt im vorliegenden Fall, dass die Vergütung der
Klägerin ab 2006 "in Anlehnung" an den TVöD erfolgen soll,
121
b.) Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 01.07.1995 enthält allgemeine
Geschäftsbedingungen i. S. d. § 305 Abs. 1 BGB. Sie gelten nach § 310 Abs. 3 Ziffer 1
BGB als von der Beklagten gestellt.
122
aa.) Nach § 305 Abs. 1 BGB sind allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine
Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei
(Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrages stellt. Aus dem
Inhalt und der äußeren Gestaltung der in einem Vertrag verwendeten Bedingungen
kann sich ein vom Verwender zu widerlegender Anschein dafür ergeben, dass sie zur
Mehrfachwendung formuliert worden sind. Das kann beispielsweise dann der Fall sein,
123
wenn der Vertrag zahlreiche formelhafte Klauseln enthält und nicht auf die individuelle
Vertragssituation abgestimmt ist. Vertragsbedingungen sind für eine Vielzahl von
Verträgen bereits dann vorformuliert, wenn ihre dreimalige Verwendung beabsichtigt ist
(BAG vom 01.03.2006 – 5 AZR 363/05). Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nach
§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den
Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt worden sind. "Aushandeln" i. S. v. § 305
Abs. 1 Satz 3 BGB bedeutet mehr als verhandeln. Es genügt nicht, dass der
Vertragsinhalt lediglich erläutert oder erörtert wird und den Vorstellungen des
Vertragspartners entspricht. "Ausgehandelt" i. S. v. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB ist eine
Vertragsbedingung nur, wenn der Verwender die betreffende Klausel inhaltlich ernsthaft
zur Disposition stellt und dem Vertragspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener
Interessen einräumt mit der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der
Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Das setzt voraus, dass sich der Verwender
deutlich und ernsthaft zu gewünschten Änderungen der zu treffenden Vereinbarung
bereit erklärt (BAG vom 01.03.2006 a.a.O. sowie vom 27.07.2005 – 7 AZR 486/04).
bb). Vorliegend begründet bereits die äußere Erscheinungsform des Vertrages der
Parteien eine tatsächliche Vermutung dafür, dass er von der Rechtsvorgängerin der
Beklagten vorformuliert war. Der Vertrag ist allgemein gefasst und enthält nur wenige
auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin bezogene Daten, die regelmäßig durch Fettdruck
vorgehoben sind. Insbesondere auch die Gestaltung der Ziffer 4 des Arbeitsvertrages
spricht für das Vorliegen allgemeiner Geschäftsbedingungen, denn hier kann zunächst
durch Ankreuzen ausgewählt werden, ob die Vergütung für den Arbeitnehmer im
Angestelltenverhältnis (wie hier) "in Anlehnung an BAT Bund/Land" erfolgen soll oder
ob sich die Vergütung als gewerblicher Arbeitnehmer nach den
Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) des paritätischen Wohlverbandes erfolgt. Dies macht
deutlich dass die Arbeitnehmer im Angestelltenverhältnis nach dem BAT und die
gewerblichen Beschäftigten nach den AVR vergütet werden sollten.
124
Bei der Klägerin als Angestellter wäre desweiteren durch Streichen deutlich zu machen
gewesen, ob der BAT in der Fassung Bund oder Land gelten sollte.
125
cc.) Dieser tatsächlichen Vermutung ist die Beklagte nicht entgegen getreten.
Insbesondere ist sie nicht der Behauptung der Klägerin entgegen getreten,
entsprechende Verträge seien von der Rechtsvorgängerin der Beklagten, dem C2 S3
(C4) D2, durchgängig verwendet worden und auch nicht der Behauptung der Klägerin
entgegengetreten, auch die Rechtsnachfolgerin, die M2, habe mit dem Beschäftigten
ähnliche Arbeitsverträge wie das C4 geschlossen und auch die Beklagte habe
ursprünglich noch "in Anlehnung an den BAT" bezahlt.
126
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten wollten für die bei ihnen beschäftigten
Arbeitnehmer einheitliche Arbeitsbedingungen vereinbaren. Anhaltspunkte dafür, dass
die Klägerin auf Inhalt und Ausgestaltung der arbeitsvertraglichen Regelungen Einfluss
nehmen konnte, sind nicht ersichtlich. Diese hätten nach Ziff. 11 des Vertrages als
"Nachtrag" vereinbart werden müssen.
127
dd.) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen
Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von einem verständigen und redlichen
Vertragspartner unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten
Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten eines
durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (BAG vom
128
10.06.209 a.a.O).
c.) Die Anwendung dieser Grundsätze ergibt im vorliegenden Fall, dass die Vergütung
der Klägerin ab 2006 "in Anlehnung" an den TVöD erfolgen soll.
129
aa.) Die "Anlehnung" der Vergütung der Klägerin an die Vergütung nach dem BAT
konnte vor dem Hintergrund einer mangelnden Tarifbindung der Arbeitgeberin nur der
Herstellung gerechter und transparenter Vergütungsordnung trotz fehlender
Tarifbindung dienen. Objektiv erkennbarer Zweck der vertraglichen Inbezugnahme des
BAT war es daher, einheitliche Arbeitsbedingungen entsprechend den in Bezug
genommen Tarifregelungen zu schaffen und hinsichtlich der Vergütung eine
Gleichstellung der Mitarbeiter mit solchen des öffentlichen Dienstes herbeizuführen.
Dies ist auch der typische Zweck einer derartigen Vertragsgestaltung (vgl. nur
Möller/Welkoborsky, Bezugnahmeklausel bei Wechsel vom BAT zum TVöD in: NZA
2006, 1382, (1385)).
130
bb.) Aus Ziffer 4.3 des Arbeitsvertrages ergibt sich weiter, dass ein verständiger und
redlicher Vertragspartner davon ausgehen konnte, dass die Beklagte das tarifliche
Normwerk "des öffentlichen Dienstes" hinsichtlich der Vergütung als interessengerecht
betrachtete und zwar nicht nur in dem Rechtszustand bei Abschluss des Vertrages,
sondern auch im Hinblick auf die zukünftigen für "den öffentlichen Dienst"
ausgehandelten Lohn- und Vergütungserhöhungen im Bereich der Grundvergütung,
Ortszuschlag und der Allgemeinen Zulage. Durch den Verweis auf die künftigen für den
öffentlichen Dienst ausgehandelten Lohn- und Vergütungserhöhungen wurden auch die
nachfolgenden Tarifergebnisse als im Voraus interessengerecht anerkannt (so auch
LAG Rheinland-Pfalz vom 22.08.2008 – 9 Sa 198/08 unter Rdnr. 52).
131
Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch unter Geltung des BAT dieses Tarifwerk
vielfältige Änderungen mit nicht nur unerheblichen Auswirkungen erfahren hat (vgl. dazu
nur Fiebig in: NZA 2005, 1226, (1228); Möller/ Welkoborsky in: a.a.O, 1384) so dass die
in Ziffer 4.3 des Arbeitsvertrages zum Ausdruck kommende Unterwerfung unter
künftigen für den öffentlichen Dienst ausgehandelten Lohn- und Vergütungserhöhungen
unter Anlehnung an den BAT eine nicht mehr vertragsautonome Regelung von
erheblicher Reichweite war. Aus Sicht des jeweiligen Vertragspartners des Verwenders
enthält die Ziffer 4 des Arbeitsvertrages die Zusage, dass die in Bezug genommene
tarifliche Vereinbarung den Inhalt des Arbeitsvertrages bestimmen wird und das der
Arbeitnehmer an den zukünftigen Tarifänderungen hinsichtlich der Vergütung
partizipieren wird. Hierdurch sollten nachfolgende Vertragsverhandlungen über die
Arbeitsbedingungen vermieden und deren Anpassung dem Verhandlungsergebnis der
jeweiligen Tarifvertragspartei unterworfen werden. Diese in der vertraglichen
Bestimmung angelegte Dynamisierung spricht für eine Auslegung im Sinne der
Klägerin.
132
cc) Für die Auslegung der Klägerin spricht auch, dass der TVöD bzw. der TV-L und
auch der TV Einmalzahlung zwischen denselben Tarifvertragsparteien ausgehandelt
wurde, wie zuvor der TVöD bzw. der TVL dem fachlichen, räumlichen und persönlichen
Geltungsbereich des BAT entspricht. Bei der Ablösung des BAT durch den TVöD bzw.
TV-L liegt kein klassischer Tarifwechsel i. S. d. Rechtsprechung vor. Dieser wird
regelmäßig dann bejaht, wenn beispielsweise eine Änderung der Tarifvertragsparteien
zu verzeichnen ist, wenn ein Wechsel der Verbandszugehörigkeit erfolgt, wenn eine
Änderung des Unternehmens bzw. Betriebszwecks oder ein Betriebsübergang vorliegt
133
sowie wenn z. B. ein Firmentarifvertrag abgeschlossen wurde (vgl. dazu nur
Möller/Welkoborsky, a.a.O., 1384 m. w. N. der Rechtsprechung). Neben nicht zu
verkennenden Strukturveränderungen wurden durch die neuen Tarifregelungen des
öffentlichen Dienstes die bisherigen Regelungsgegenstände wie Arbeitszeit und
Vergütung nur mit anderen Inhalten versehen und weitreichende Übergangsregelungen
vereinbart, so dass es sich um einen Fall der Tarifreform und damit um einen Fall der
"Tarifsukzession" handelt, der nicht mit den Fallkonstellationen eines Tarifwechsels
vergleichbar ist (vgl. dazu auch Werthebach, Tarifreform im Öffentlichen Dienst – zur
Entbehrlichkeit einer Tarifwechselklausel in: NZA 2005, 1224, (1226)). Die Auffassung
des 4. Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG vom 10.06.2009 a.a.O. Rdnr. 47), es
handele sich um Tarifverträge "mit einer anderen Struktur", steht dem nach Auffassung
der Kammer nicht entgegen. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu
sogenannten "Tarifwechselklauseln", das heißt zur Frage, ob und unter welchen
Voraussetzungen eine vertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag als
Tarifwechselklausel anzusehen sein kann, steht dem ebenfalls nicht entgegen. Nach
dieser Rechtsprechung kann ohne das Vorliegen besonderer Umstände auch eine
dynamische Verweisung auf einen bestimmten Tarifvertrag nicht eine Bezugnahme auf
einen anderen Tarifvertrag umgedeutet werden (sogenannte Tarifwechselklausel, BAG
vom 30.08.2000 – 4 AZR 581/99 sowie vom 25.09.2002 – 4 AZR 294/01). Denn hier
besteht eine Kontinuität sowohl hinsichtlich der Tarifvertragsparteien als auch des
fachlichen Geltungsbereichs der Tarifverträge (LAG Hamm vom 05.03.2009 – 17 Sa
1093/08 Rdnr. 60ff.)..
dd.) Die Vertragsauslegung führt den vorliegenden Fall dazu, dass auch das
vorliegende Arbeitsverhältnis das Tarifwerk des TVöD und nicht der TV-L und die ihn
ergänzenden Tarifverträge anzuwenden ist.
134
Im Arbeitsvertrag der Parteien wird zwar auf den BAT Bund/Land verwiesen und nicht
auf die gemeindliche Fassung.
135
Diese Verweisung wird jedoch ergänzt um eine weitere Verweisung auf die Regelungen
für die Angestellten im Pflegedienst (Anlage 1 b zum BAT) durch die Vergütung der
Klägerin nach den Tarifergebnissen der "Kr-Tabelle" (im Arbeitsvertrag als "KR-
Tarifvertrag" bezeichnet"). Für diesen Personenkreis gilt im kommunalen TVöD nun
über § 4 TVÜ-VKA im Tarifgebiet West die Anlage 6 mit eigenen Tabellenentgelten.
Zwar hat auch der TV-L eigene Eingruppierungsregelungen (Anhang zu den Anlagen A
und B) für Beschäftigte im Pflegedienst (danach wäre die Klägerin in die Entgeltgruppe
8 Stufe 6 einzugruppieren (2008: 2493,00 EUR)).
136
Die Kammer teilt jedoch die Auffassung der Klägerin, dass Referenzmaßstab der
Eingruppierung der Klägerin die Vergütung vergleichbarer kommunaler Einrichtungen
ist, weil die meisten Altenpflegeeinrichtungen von den Kommunen betrieben werden,
während dies bei den Ländern die Ausnahme ist.
137
Jedenfalls ist aber die vorstehende Auslegung ebenso rechtlich vertretbar wie die
Gegenteilige. Es bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die
gegenteilige Auffassung den klaren Vorzug verdient. Ist aber die Tragweite einer
Verweisung auf Tarifnormen in einem Formulararbeitsvertrag in diesem Sinne
zweifelhaft, gehen derartige Auslegungszweifel nach § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des
Arbeitgebers (zuletzt BAG vom 10.06.2009 a.a.O. Rdnr. 49).
138
ee.) Die demnach gegebene vertragliche Einbeziehung der Tarifregelungen des
öffentlichen Dienstes erstreckt sich grundsätzlich auch auf die Vereinbarungen der
Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes über Einmalzahlungen in den Jahren
2006 und 2007. Die in den oben zitierten Tarifwerken vorgesehenen Einmalzahlungen
der Jahre 2006 und 2007 stellen erkennbar Gegenleistungen des Arbeitgebers für die in
diesem Jahren von Angestellten des öffentlichen Dienstes geleistete Arbeit und damit
Arbeitsvergütung dar und traten an die Stelle einer Erhöhung der Tabellenentgelte
(Breier u.a., TVöD Kommentar, TVÜ-VKA § 21 Rdnrn. 1-9/2005; Bredendiek-Fritz-
Tewes, Neues Tarifrecht für den öffentlichen Dienst, in: ZTR 2005, 230 (232)).
139
d) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch dann nicht, wenn man die vertraglichen
Vereinbarungen nicht als allgemeine Geschäftsbedingungen sähe und – wie das
Arbeitsgericht - infolge der Ersetzung des BAT durch den TVöD bzw. TV-L von der
Notwendigkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung ausgeht (vgl. insoweit nur die
Entscheidungen des LAG Schleswig-Holstein vom 14.01.2009 – 3 Sa 259/08 bzw. vom
05.06.2009 – 3 Sa 84/08; des LAG Hamm vom 06.10.2009 – 9 Sa 898/09, vom
05.03.2009 – 17 Sa 1093/08 und vom 03.05.2007 – 11 Sa 1041/06; LAG Niedersachsen
vom 15.09.2008 – 14 Sa 1737/07 bzw. vom 30.01.2008 – 2 Sa 1267/07 bzw. 2 Sa
1268/07, 2 Sa 1269/07 und 2 Sa 1270/07 ( = BAG vom 10.06.2009 – 4 AZR 194 bis
197/08), ArbG Bielefeld vom 09.10.2007 – 3 Ca 2008/07 sowie ArbG Freiburg
(Breisgau) vom 21.10.2008 – 3 Ca 323/08 und aus der Literatur: Müller/Welkoborsky
a.a.O. 1385; Fieberg NZA 2005, 1226, auch Hanau NZA 2005, 189 (292), a. A.
Hessisches LAG vom 30.05.2008 – 3 Sa 1208/07, ArbG Müster vom 05.10.2006 – 2 Ca
1022/06 und vom 24.10.2006 – 3 Ca 1023/06 in: NZA-RR 2007, 24f.;
Hümmerich/Mäßen in: NZA 2005, 961).
140
aa) Wie bereits ausgeführt, fehlt dem Wortlaut der Bezugnahmeklausel die eindeutige
Aussage, ob auch die BAT-Regelungen zur Vergütung ersetzenden
Nachfolgeregelungen des TVöD bzw. TV-L für die Ansprüche des Klägers maßgeblich
sein sollen.
141
bb) Gemäß § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit
Rücksicht auf die Verkehrssitte dies erfordert. Dabei ist nach § 133 BGB der wirkliche
Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht an buchstäblichen Sinn des Ausdrucks
zu haften. Bei der Auslegung sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu
berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein könnten, welchen Willen der
Erklärende bei seiner Erklärung gehabt hat und wie die Erklärung von ihrem Empfänger
zu verstehen ist (BAG vom 20.09.2006 – 10 AZR 715/05 – m.w.N., BAG vom 26.09.2007
– 5 AZR 828/06). Anhaltspunkte für das wirklich Gewollte können sich dabei besonders
aus der Entstehungsgeschichte, dem Zweck des Vertrages und der bei Vertragsschluss
vorliegenden Interessenlage sowie den weiteren Äußerungen der Parteien im
Zusammenhang mit der Erklärung ergeben.
142
Die Vereinbarungen der Parteien in Ziffer 4 ihres Arbeitsvertrages sind dahin
auszulegen, dass nunmehr auf den TVöD-VKA in der Ausprägung als BT-B und den
ergänzenden Regelungen im TVÜ dazu verwiesen wird.
143
Beim Übergang vom BAT zum TVöD handelt es sich bei Wahrung der Identität der
Tarifvertragsparteien um eine Umstrukturierung eines in sich geschlossenen
Tarifsystems des öffentlichen Dienstes unter gleichzeitiger Namensänderung.
Angesichts dessen ist es unschädlich, dass vorliegend in der vertraglichen
144
Bezugnahmeklausel nicht ausdrücklich erwähnt wurde, dass auch die den BAT als
Tarifwerk umstrukturierenden und sukzessive "ersetzenden" Flächentarifverträge des
öffentlichen Dienstes auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden sind.
Denn bei einer anderen Auslegung ginge der Charakter der formularmäßigen
arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel verloren. Die in der Bezugnahmeklausel
angelegte Dynamik der Anwendung der für den Bereich des öffentlichen Dienstes
"jeweils gültigen Bestimmungen" ginge verloren, wenn das spätere für den Bereich des
öffentlichen Dienstes abgeschlossene Tarifwerk TVöD bzw. TV-L keine Anwendung
finden könnte. Die ursprünglich zweifelsfrei dynamische Bezugnahmeklausel würde
dann zu einer statischen Klausel. Dies war von den Arbeitsvertragsparteien ersichtlich
nicht gewollt (LAG Hamm vom 06.10.2009 a.a.O. Rdnr. 62).
145
Diese auf den zeitlichen Moment bezogene Dynamik ergibt auch aus der
Vertragspraxis. Denn die Beklagte gab in der Vergangenheit die
Vergütungserhöhungen, die durch die jeweiligen Vergütungstarifverträge vereinbart
wurden, sowie die Lebensalter bezogenen Stufenerhöhungen, aber auch
Höhergruppierungen im Wege des Bewährungsaufstiegs, jeweils unmittelbar an die
Klägerin weiter. Bei dem Wechsel vom BAT auf die neuen Tarifverträge des öffentlichen
Dienstes handelt es sich um einen Fall der sogenannten Tarifsukzessionen. Dabei gilt
der Tarifvertrag anstelle des Vorhergehenden. Er folgt ihm lediglich in zeitlicher Hinsicht
nach. Der TVöD (bzw. der TV-L) ersetzen den BAT, ohne dass sich am fachlichen
Geltungsbereich etwas ändert. Konsequenterweise haben die Tarifvertragsparteien
vereinbart, dass der BAT mit in Kraft treten der neuen Tarifverträge ohne Nachwirkung
außer Kraft tritt. Dies ergibt sich aus den Regelungen in den jeweiligen Tarifverträgen
zur Überleitung des BAT in das neue Tarifwerk (vgl. Protokollerklärung Nr. 1 Satz 1 zu §
2 Abs. 1 TVÜ Länder, Absatz 1 der Protokollerklärung zu § 2 Abs. 1 TVÜ Bund).
146
Nach dem Willen der Arbeitsvertragsparteien sollte sich auch im Falle einer solchen
Tarifsukzession der Arbeitsvertrag dadurch an die wechselnden wirtschaftlichen und
strukturellen Veränderungen anpassen, dass er den Regelungen der
Tarifvertragspartner des öffentlichen Dienstes folgt. Den Parteien ging es gerade darum,
nicht selbst jeweils neu über die angemessenen Bedingungen zu verhandeln. Sie
vertraut insoweit der Regelungskompetenz der Tarifvertragsparteien "des öffentlichen
Dienstes". Das – durch das von den Parteien nicht vorherzusehende außer Kraft treten
des BAT – sich ihre dynamische Verweisung später einmal auf eine rein statische
Verweisung beschränken könnte, kam den Parteien bei Abschluss des Arbeitsvertrages
nicht in den Sinn.
147
Die Verwandlung einer dynamischen Bezugnahme in eine statische entspricht daher
nicht den Willen der Vertragsparteien. Sie stellt einen so untypischen Inhalt dar, dass
die Parteien diesen Willen hätten erkennbar zum Ausdruck bringen müssen, wenn er
denn gewollt wäre. Insoweit kann ergänzend auf § 305 c Abs. 2 BGB verwiesen werden,
wonach Zweifel bei der Auslegung allgemeine Geschäftsbedingungen zu Lasten des
Verwenders gehen. Wie bereits ausgeführt wird handelt es sich bei dem Arbeitsvertrag
der Klägerin um einen von der Rechtsvorgängerin der Beklagten vorformulierten
Vertrag, der gemäß § 305 ff. BGB zu überprüfen ist.
148
Damit hat die Klägerin neben dem Anspruch auf Nachzahlung der Einmalzahlungen
aus § 21 TVÜ-VKA für die Jahre 2006 und 2007 in Höhe von insgesamt 600,00 EUR im
Kalenderjahr 2008 Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen den tatsächlich
149
gezahlten 2590,38 EUR brutto pro Monat und dem Tabellenentgelt in Höhe von 2663,07
EUR pro Monat, also 9 x = 72,69 EUR, somit insgesamt 1.254,21 EUR. Die
darüberhinausgehende Klage war abzuweisen.
B. Die ausgeurteilte Verzinsung schuldet die Beklagte der Klägerin gem. §§ 286 Abs.
2, 288 Abs. 1 BGB. Die Vergütungsdifferenzansprüche sind nach dem Kalender
bestimmt, § 614 BGB. Zu verzinsen ist der geschuldete Bruttobetrag (BAG GS vom
07.03.2001 – GS 1/00 in: AP Nr. 4 zu § 288BGB).
150
151
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kammer
hat die Kostentragungspflicht im Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen verteilt.
152
D. Die Revision war gem. § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zuzulassen, da die Sache
grundsätzliche Bedeutung hat.
153