Urteil des LAG Hamm vom 01.10.2009

LArbG Hamm (kreis, land, aufgaben, anlage, mitarbeiter, gesetz, arbeit, kopie, tätigkeit, begründung)

Landesarbeitsgericht Hamm, 11 Sa 1525/08
Datum:
01.10.2009
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 Sa 1525/08
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Hamm, 3 Ca 2464/07
Nachinstanz:
Bundesarbeitsgericht, 10 AZR 829/09
Schlagworte:
Zuordnung i. V. m. der Eingliederung der Versorgungsverwaltung NRW
Normen:
EingliederungsG Versorgungsämter
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm
vom 07.05.2008 - 3 Ca 2464/07 - wird auf Kosten der Klägerin
zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
TATBESTAND :
1
Die Klägerin wendet sich dagegen, dass sie nach der durch Landesgesetz geregelten
Auflösung der Versorgungsämter zu Ende 2007 mit Wirkung ab dem 01.01.2008 dem
Kreis Siegen-Wittgenstein im Wege der Personalgestellung zur Arbeitsleitung
zugeordnet worden ist (EingliederungsG Versorgungsämter NW vom 30.10.2007 GVBl.
NW 2007, 482 ff).
2
Die Klägerin ist am 06.12.1953 geboren. Sie ist verheiratet. Das erwachsene Kind
studiert. Der Ehemann arbeitet in G1. Er hat einen zweiten Wohnsitz in O1. Mehrere
Nächte in der Woche - nicht unbedingt alle Nächte der Arbeitswoche - übernachtet der
Ehemann dort. Mit Bescheid des Versorgungsamtes Soest vom 04.12.2007 ist der
Klägerin ein GdB von 40 zuerkannt - "Beeinträchtigungen: 1 Depression, vegetative
Störungen, psycho-physisches Erschöpfungssyndrom, chron. Schmerzsyndrom / 2
Bluthochdruck / 3 Wirbelsäulenschäden, degenerative Veränderungen,
Bewegungseinschränkung, wiederkehrende Kopfschmerzen / 4
Daumensattelgelenkverschleiß beiderseits" - (Kopie Bl. 59, 60 GA).
3
Die Klägerin ist seit dem 16.02.1987 in der Versorgungsverwaltung des beklagten
Landes bei dem Versorgungsamt Soest beschäftigt. Sie arbeitete dort zuletzt im
Mittleren Dienst als Sachbearbeiterin im Aufgabenbereich Schwerbehindertenrecht. Auf
die in Kopie eingereichten Arbeitsverträge und Änderungsverträge vom 16.02.1987,
29.07.1987, 26.10.1987, 20.11.1989, 03.09.1999, 17.06.2004 und 22.06.2007 wird
4
Bezug genommen (Bl. 6 - 17 GA). Nach § 2 des Arbeitsvertrages vom 26.10.1987
bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT und den diesen ergänzenden,
ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen (Bl. 10 GA). Seit dem 17.06.2007 ist die
Klägerin in die Entgeltgruppe 9 (TV-L) eingruppiert. Sie verdiente im Oktober 2007 ein
Bruttomonatsentgelt von 2.939,50 € (Abrechnung Bl. 18 GA).
Am 20.11.2007 wurde das Gesetz zur Eingliederung der Versorgungsämter in die
allgemeine Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (im Folgenden:
EingliederungsG Versorgungsämter NW) als Artikel 1 des Zweiten Gesetzes zur
Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen vom 30.10.2007
(Straffungsgesetz) verkündet (GV NRW 2007, 482 ff., ausgegeben am 20.11.2007). Dort
heißt es auszugsweise wie folgt:
5
"
I. Auflösung der Versorgungsämter und Übertragung der Aufgaben
6
§ 1
7
Auflösung der Versorgungsämter
8
(1) Die den Versorgungsämtern übertragenen Aufgaben werden nach Maßgabe
dieses Gesetzes den Kreisen und kreisfreien Städten, den
Landschaftsverbänden und den Bezirksregierungen übertragen.
9
(2) Die Beamten und die tariflich Beschäftigten der Versorgungsämter gehen
nach Maßgabe dieses Gesetzes auf die Kreise und kreisfreien Städte, auf die
Landschaftsverbände, auf die Bezirksregierungen und auf das Landesamt für
Personaleinsatzmanagement über bzw. werden im Wege der
Personalgestellung zur Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung gestellt.
10
(3) Die Versorgungsämter Aachen, Bielefeld, Dortmund, Düsseldorf, Duisburg,
Essen, Gelsenkirchen, Köln, Münster, Soest und Wuppertal werden mit Ablauf
des 31. Dezember 2007 aufgelöst.
11
§ 2
12
Aufgaben des Schwerbehindertenrechts
13
(1) Die den Versorgungsämtern nach den §§ 69 und 145 des Neunten Buches
Sozialgesetzbuch übertragenen Aufgaben werden mit Wirkung vom 1. Januar
2008 auf die Kreise und kreisfreien Städte übertragen.
14
(2) Die Kreise und kreisfreien Städte nehmen die Aufgaben als Pflichtaufgaben
zur Erfüllung nach Weisung wahr. Die Aufsicht führt die Bezirksregierung
Münster.
15
Oberste Aufsichtsbehörde ist die fachlich zuständige oberste Landesbehörde.
16
(3) Die Aufsichtsbehörden können allgemeine und besondere Weisungen
erteilen, um die gesetzmäßige Erfüllung der Aufgaben zu sichern. Zur
zweckmäßigen Erfüllung der Aufgaben können die Aufsichtsbehörden
allgemeine Weisungen erteilen, um die gleichmäßige Durchführung der
17
Aufgaben zu sichern.
. . .
18
II. Personalrechtliche Maßnahmen
19
. . .
20
§ 10
21
Tarifbeschäftigte
22
(1) Die mit Aufgaben nach §§ 2 bis 5 und nach § 8 Abs. 2 betrauten tariflich
Beschäftigten der Versorgungsämter werden kraft Gesetzes mit Wirkung vom
31. Dezember 2007 in das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales
übergeleitet und nach Maßgabe der Absätze 5 bis 7 und der §§ 11 bis 21 den
dort genannten kommunalen Körperschaften kraft Gesetzes mit Wirkung vom 1.
Januar 2008 im Wege der Personalgestellung zur Aufgabenwahrnehmung zur
Verfügung gestellt.
23
. . .
24
(5) Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales bereitet den
Personalübergang nach den Absätzen 1 bis 4 vor der Übertragung der
Aufgaben auf der Grundlage eines von ihm erstellten Zuordnungsplans vor. Der
Zuordnungsplan ist unter Berücksichtigung sozialer Kriterien und dienstlicher
Belange zu erstellen; eine angemessene Mitwirkung der neuen Aufgabenträger
ist zu gewährleisten.
25
(6) Soweit die tariflich Beschäftigten kommunalen Körperschaften zur
Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung gestellt werden, werden die Einzelheiten
der Personalgestellung in den zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen,
vertreten durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales, und den in
§§ 11 bis 21 genannten Körperschaften für jedes Versorgungsamt
geschlossenen Personalgestellungsverträgen geregelt.
26
(7) Soweit tariflich Beschäftigte den kommunalen Körperschaften im Wege der
Personalgestellung zur Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung gestellt werden,
bleiben die Beschäftigungsverhältnisse zum Land Nordrhein-Westfalen auf der
Grundlage der für das Land geltenden Tarifverträge und Vereinbarungen über
die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung bestehen.
27
. . .
28
§ 20
29
Versorgungsamt Soest
30
(1) Die mit Aufgaben nach §§ 2 und 5 betrauten Beamten gehen, soweit es für
die Aufgabenerfüllung erforderlich ist, entsprechend den von ihnen
wahrgenommenen Aufgaben anteilig auf die kreisfreie Stadt Hamm, den
31
Hochsauerlandkreis, den Märkischen Kreis sowie die Kreise Olpe, Siegen-
Wittgenstein und Soest über.
(2) Die mit Aufgaben nach § 4 betrauten Beamten gehen, soweit es für die
Aufgabenerfüllung erforderlich ist, entsprechend den von ihnen
wahrgenommenen Aufgaben auf den Landschaftsverband Westfalen-Lippe
über.
32
(3) Die mit Aufgaben nach § 7 Abs. 1 betrauten Beamten und tariflich
Beschäftigten gehen entsprechend den von ihnen wahrgenommenen Aufgaben
auf die Bezirksregierung Arnsberg über.
33
(4) Die Regelungen der Absätze 1 und 2 gelten für tariflich Beschäftigte im
Wege der Personalgestellung nach § 10 entsprechend."
34
Die in § 10 Abs. 1 EingliederungsG Versorgungsämter NW zweifach verwandte
Formulierung "kraft Gesetzes" geht zurück auf einen Änderungsantrag der
Regierungsfraktion. Zur Begründung des Änderungsantrages ist in der entsprechenden
Landtagsdrucksache 14/5208 ausgeführt:
35
"zu Ziffer 3 a und 3 b:
36
Die Änderungen sind erforderlich, um keinen Zweifel aufkommen zu lassen,
dass es sich um eine gesetzliche Personalüberleitung handelt.
Personalrechtlicher Einzelmaßnahmen bedarf es daher nicht mehr."
37
Auch die Formulierung des § 10 Abs. 5 EingliederungsG Versorgungsämter NW geht
auf den Änderungsantrag der Regierungsfraktionen zurück. Die darauf bezogene
Begründung lautet:
38
"zu Ziffer 3 f:
39
§ 10 Abs. 5 enthält Rahmenregelungen für das Verfahren und die Kriterien der
Personalauswahl. Aus dem vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und
Soziales vor der Übertragung der jeweiligen Aufgabe erstellten Zuordnungsplan
geht hervor, welche Tarifbeschäftigten zu welchen neuen Aufgabenträgern und
in das Landesamt für Personaleinsatzmanagement übergeleitet werden. Die
neuen Aufgabenträger erhalten weitgehende Mitwirkungsmöglichkeiten.
40
Die gesetzliche Festlegung dient der Bestimmtheit der gesetzlichen Maßnahme
der Personalüberleitung. Die Änderung ist erforderlich, um keinen Zweifel
aufkommen zu lassen, dass es sich um eine gesetzliche Personalüberleitung
handelt (s. Begründung zu Ziffer 3 a und b).
41
zu Ziffer 3 g:
42
Die Einzelheiten der Personalgestellung werden in
Personalgestellungsverträgen geregelt, die das Ministerium für Arbeit,
Gesundheit und Soziales mit den kommunalen Körperschaften abschließt. So
können beispielsweise die arbeits- und tarifrechtlichen Entscheidungen - mit
Ausnahme der den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses betreffenden
43
Entscheidungen - auf die neuen Aufgabenträger übertragen werden (s.
Protokollerklärung zu § 4 Abs. 3 TV-L). Die Änderung ist erforderlich, um keinen
Zweifel aufkommen zu lassen, dass es sich um eine gesetzliche
Personalüberleitung handelt (s. Begründung zu Ziffer 3 a und b)."
Auf die zur Akte gereichten Kopien aus der Landtagsdrucksache 14/5208 wird
ergänzend verwiesen (Seite 31 - 37 der Landtagsdrucksache = Anlage B 2 = Bl. 222 ff
GA).
44
Begleitend zum Gesetzgebungsverfahren wurde im Ministerium für Arbeit, Gesundheit
und Soziales (MAGS) der Zuordnungsplan erarbeitet. Die endgültige Fassung war am
14.11.2007 erstellt.
45
Für die Berücksichtigung sozialer Kriterien bei der Zuordnung der Beamten und
Tarifbeschäftigten zu den verschiedenen zukünftigen Einsatzorten wurde ein
Punkteschema erstellt und zugrunde gelegt:
46
"
Personalzuordnung: Punkteverteilung
47
Lebensalter: pro Jahr (Stichtag: 1.8.07) 0,2 Punkte
48
Beschäftigungszeit: pro Jahr (Stichtag: 1.8.07) 0,2 Punkte
49
Familienstand: verh./zusammenlebend 2 Punkte
50
Kinder, pro Kind bis zum 18. Lebensjahr: 5 Punkte
51
Alleinerziehend: 5 Punkte
52
Pflege von Angehörigen: insg. 2 Punkte
53
Teilzeit: Reduzierung um 20 % und mehr 5 Punkte
54
+ Reduzierung um 50 % und mehr 5 Punkte
55
Schwerbehinderung: + je 10 Grad 1 Punkt
56
Entfernungskilometer: je Km zum nächst mögl. Einsatzort 0,1 Punkte
57
Die Beschäftigten mit der höchsten Punktzahl werden dem nächst möglichen
Einsatzort zugeordnet.
58
Ergeben sich nach den Ergebnissen der Interessenabfrage bei der
Gesamtwürdigung aller Kriterien besondere Fälle, kann von der nach dem
Punktesystem vorgenommen Zuordnung abgewichen werden."
59
Bei der Zuordnung wurde wie folgt verfahren: Zunächst wurden die Beschäftigten
innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des ehemaligen Versorgungsamtes dem
jeweiligen Aufgabenbereich zugeordnet (Schwerbehindertenrecht, Soziales
Entschädigungsrecht, Bundeselterngeld / Elternzeitgesetz usw.). Die Zuordnung zu den
im Gesetz für den jeweiligen Aufgabenbereich genannten künftigen Aufgabenträgern
60
erfolgte nach dem Grundsatz "Das Personal folgt der Aufgabe". Anschließend fand eine
Zuordnung innerhalb der jeweiligen Dienstgruppen statt: Höherer Dienst - Gehobener
Dienst - Mittlerer Dienst - Assistenzdienst. Die örtliche Zuordnung wurde jeweils
innerhalb dieser Gruppen anhand der individuell berechneten Sozialpunkte nach dem
Punkteschema vorgenommen. Zu den fixen Sozialpunkten wurden für die einzelnen
Zuordnungsziele für die Beschäftigten die jeweiligen Entfernungskilometer addiert, die
sich bei einer Zuordnung zum nächst möglichen Zuordnungsziel ergaben.
Abschließend erfuhr das Zuordnungsergebnis in Einzelfällen noch eine Korrektur durch
die Einstufung von Beschäftigten als persönlicher Härtefall oder als
Entfernungshärtefall:
- persönlicher Härtefall beispielsweise:
61
Beschäftigte, die aufgrund Orientierungsstörungen nicht in der Lage sind, einen anderen
als den bisherigen Wohn- und Arbeitsplatz aufzusuchen / Beschäftigter, der zwei
Monate vor dem Aufgabenübergang zum alleinerziehenden Vater mit drei unter zehn
Jahre alten Kindern
62
wurde im Fall einer ansonsten anstehenden Zuordnung von Aachen nach Köln / an
Krebs erkrankter Beschäftigter, der sich noch um seinen Sohn (ebenfalls an Krebs
erkrankt) und seine Tochter (Borderline-erkrankt) kümmert,
63
- Entfernungshärtefälle wie folgt:
64
bei Vollzeitbeschäftigten im Mittleren Dienst und im Assistenzdienstbereich bei mehr als
20 Sozialpunkten und einer Entfernung von mehr als 85 Km / bei Teilzeitbeschäftigten
im Mittleren Dienst und im Assistenzbereich und hier auch im Gehobenen Dienst die
entsprechenden Kriterien mit der Besonderheit, dass mehr als 50 - 85
Entfernungskilometer erreicht werden müssen - je nach Stellenanteil: 0,4 Stellenanteil:
mehr als 50 Km / 0,55 Stellenanteil: mehr als 55 Km / 0,6 Stellenanteil: mehr als 60 Km /
0,9 Stellenanteil: mehr als 85 Km.
65
Wegen weiterer Einzelheiten zu den Härtefällen wird auf das schriftsätzliche Vorbringen
des beklagten Landes und die eingereichten Anlagen Bezug genommen: Bl. 479 ff GA,
Anlagen BB 2, BB 5, BB 6, BB 7 = Bl. 503, 509 ff GA.
66
Die zur Erstellung des Zuordnungsplans erforderlichen Daten wurden im Rahmen eines
Interessenbekundungsverfahrens erhoben. Das entsprechende Anschreiben des
Ministeriums datiert vom 08.06.2007. Auf die eingereichte Kopie wird Bezug genommen
(Bl. 27 - 29 GA). Den Interessenabfragebogen für das Versorgungsamt Soest -
Aufgabenbereich "Schwerbehindertenrecht" - füllte die Klägerin anschließend aus. Sie
nannte Ortswünsche in der folgenden Reihenfolge: 1. Soest, 2. Hamm, 3. Brilon
Hochsauerlandkreis und zu 4. - 6.: "auf keinen Fall: Märkischer Kreis", "auf keinen Fall:
Olpe", "auf keinen Fall: Siegen Wittgenstein". Weiter heißt es:
67
"Siegen, Olpe, Altena sind keine Wunschorte weil:
68
Der Arbeitsort meines Mannes ist O1, dort wird schon eine Wohnung finanziert,
da tägl. Fahrten unmöglich; meine Tochter befindet sich in
Hochschulausbildung, hier bestehen meinerseits Unterhaltsverpflichtungen, s.
d. die nicht gewünschten Arbeitsorte schon allein finanziell unzumutbar sind.
69
Außerdem bin ich dann 54 Jahre, bin Migränepatientin, in den Wechseljahren
und dem Streß auf der Autobahn im Feierabendverkehr auf Dauer nicht mehr
gewachsen !"
Auf die Kopie des ausgefüllten Bogens wird ergänzend Bezug genommen (Bl. 30 f GA).
70
Wegen der Einzelheiten der seitens des Ministeriums vorgenommenen Zuordnungen im
Bereich "Schwerbehindertenrecht / Mittlerer Dienst" des Versorgungsamts Soest wird
Bezug genommen auf den in Kopie eingereichten "Zuordnungsplan / V-Amt Soest" (Bl.
35 - 39 GA) und auf die von dem beklagten Land vorgelegte Tabelle zur Zuordnung mit
den Namen und Daten der Mitarbeiter des Bereiches Schwerbehindertenrecht / Mittlerer
Dienst des Versorgungsamtes Soest ("Zuordnungsplan" Anlage BB 4, Bl. 505 - 509).
Für die Klägerin ergaben sich - ohne Entfernungskilometer - 16,7 Sozialpunkte
(Berechnung: Bl. 474 GA: Lebensalter 10,74 - Beschäftigungszeit 3,96 - Familienstand
2,00). Die Klägerin wurde im Zuordnungsplan dem Kreis Siegen-Wittgenstein
zugeordnet (Bl. 35 ff, 36 GA). Die Entfernung Wohnort - Kreis Siegen-Wittgenstein ist
dort für die Klägerin mit 139 Km veranschlagt (Bl. 508 GA). Die Klägerin macht geltend,
die Fahrtstrecke belaufe sich bei der gebotenen Benutzung der Autobahnen A 44 und A
45 auf 130,1 km, die Fahrtzeit betrage ca. 1,5 Stunden für den einfachen Weg (Ausdruck
"Marco Polo Routenplaner" vom 12.10.2007, Bl. 57, 58 GA)
71
Ein vorläufiger Zuordnungsplan wurde vom Ministerium am 14.09.2007 an die
Versorgungsämter versandt (Kopie des Anschreibens: Bl. 32, 33 GA). Der endgültige
Zuordnungsplan (Bl. 35 ff. GA) wurde als Anlage zu einem Schreiben vom 14.11.2007
an die Amtsleitungen der Versorgungsämter mit der Bitte übersandt, "die geplante
Zuordnung" den Beschäftigten in geeigneter Form zu übermitteln. Der Kreis Siegen-
Wittgenstein wandte sich mit Schreiben vom 13.12.2007 an die Klägerin (Bl. 55, 56 GA).
Die Klägerin bezieht wegen ihrer Zuordnung zum Kreis Siegen-Wittgenstein
Auslagenersatz nach der TEVO NW (Merkblatt hierzu: Bl. 292 f GA). Das beklagte Land
hat Fahrdienste mit landesseits gestellten Fahrzeugen eingerichtet. Die Beschäftigten
nutzen diese in Fahrgemeinschaften. Auch die Klägerin gehört zu einer
Fahrgemeinschaft, so ihre Angabe in der mündlichen Verhandlung vor der
Berufungskammer.
72
Das Zuordnungsverfahren wurde (zunächst) ohne die Beteiligung von Personalräten
durchgeführt. In verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor verschiedenen
Verwaltungsgerichten ist die Mitbestimmungspflichtigkeit des Zuordnungsplanes
unterschiedlich beurteilt worden. Durch Beschlüsse des VG Düsseldorf im Verfahren
des Einstweiligen Rechtsschutzes vom 16.11.2007 und vom 13.12.2007 war vorläufig
festgestellt worden, dass der Zuordnungsplan für die Versorgungsämter als Sozialplan
in Folge einer Rationalisierungsmaßnahme der Mitbestimmung des Hauptpersonalrats
gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 5 LPVG NW unterliege (VG Düsseldorf 34 L 1750/07. PVL - Bl.
40 ff, 48 ff GA). Gegen den Beschluss ist von dem Land Rechtsmittel zu dem OVG NRW
eingelegt worden. Daneben ist vom MAGS (Minister für Arbeit, Gesundheit und
Soziales) ein Mitbestimmungsverfahren zum Zuordnungsplan eingeleitet worden.
Zudem ist der Zuordnungsplan am 13.12.2007 von dem MAGS als vorläufige Regelung
im Sinne des § 66 Abs. 8 LPVG NW bis zur endgültigen Entscheidung im laufenden
Mitbestimmungsverfahren bis zum 31.05.2008 in Kraft gesetzt worden (Bl. 270 f GA).
Das Einigungsstellenverfahren zum Zuordnungsplan wurde in der Sitzung vom
18.04.2008 mit einem einstimmig angenommenen Beschluss abgeschlossen. In der
Präambel des Beschlusses ist ausgeführt, dass das Land zum Ausgleich für durch die
73
Zuordnung veranlasste weite Anfahrtswege insgesamt einen Betrag von 2 Mio. Euro zur
Verfügung gestellt hat, die neben den weiteren Regelungen des
Einigungsstellenbeschlusses insgesamt der Kompensation von Nachteilen im
Zusammenhang mit dem Zuordnungsplan vom 01.01.2008 dienen sollen. In einer
Anlage 1 sind 74 Mitarbeiter namentlich aufgeführt, die als Härtefälle in das Landesamt
für Personaleinsatzmanagement (PEM) übergeleitet werden bzw. einen ortsnäheren
Einsatz erfahren. Als Anlage 2 ist das unverändert gebliebene Punkteschema
"Personalzuordnung: Punkteverteilung" aufgenommen. In der Anlage 3 sind 90
Mitarbeiter ausgewiesen, die eine Entfernung von 80 km oder mehr zurückzulegen
haben und denen zusätzlich zu evtl. bereits gegebenen Ansprüchen auf
Trennungsentschädigung oder Auslagenersatz ein weiterer einmaliger Betrag in Höhe
von 1.000,00 € brutto zur pauschalen Entschädigung der durch die Arbeitsverlagerung
entstehenden Aufwendungen zuerkannt wird. Unter Nr. 4 ist dort die Klägerin mit der
km-Angabe "139" aufgeführt (Bl. 334 GA). Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die
eingereichte Kopie des Protokolls der Einigungsstellensitzung vom 18.04.2008 Bezug
genommen (Anlage B 20, Bl. 328 ff GA).
Die Klägerin war vom 30.11.2007 bis zum 04.04.2008 arbeitsunfähig erkrankt und nahm
anschließend entsprechend dem Zuordnungsplan ihre Tätigkeit im Kreis Siegen-
Wittgenstein auf. In der Folgezeit kam es zu weiteren krankheitsbedingten
Arbeitsunfähigkeitszeiten: 05.06.2008, 06.08.2008 - 08.08.2008 01.09.2008 -
05.09.2008, 09.09.2008 - 16.09.2008, 14.10.2008 - 19.11.2008, 16.01.2009 -
30.01.2009, 15.02.2009 - 10.04.2009, 26.05.2009 - 02.06.2009, 07.08.2008 -
10.08.2008, 25.08.2008 - 28.08.2008, 03.09.2009 - 13.09.2009 (Aufstellung der
Krankenkasse vom 11.09.2009, Bl. 525 GA).
74
Die Klägerin hat vorgetragen, der Zuordnungsplan sei eine mitbestimmungspflichtige
Maßnahme nach dem LPVG. Bei der Aufstellung des Punktekataloges, des
Zuordnungsplans und der konkreten Festlegung, welcher Mitarbeiter wohin versetzt
bzw. zugeordnet werde, seien jedoch weder die örtlichen noch die Bezirkspersonalräte
noch der Hauptpersonalrat beim MAGS beteiligt worden. Die Maßnahme verstoße damit
gegen § 72 I Nr. 5 LPVG NW und sei damit rechtswidrig. Habe die Zurverfügungstellung
der Arbeitskraft der Angestellten nach Maßgabe des § 20 EingliederungsG
Versorgungsämter NW zu erfolgen, soweit es zur Aufgabenerfüllung erforderlich sei, so
sei ihr Tätigwerden im Kreis Siegen-Wittgenstein nicht erforderlich. Denn dort seien
genügend eigene Mitarbeiter vorhanden, die in die Aufgaben nach dem
Schwerbehindertengesetz eingearbeitet werden könnten. Zudem seien nach der Anlage
B 5 ("Verteilerschlüssel": Bl. 232 GA) im Bereich des mittleren Dienstes 6 Stellen zu
besetzen gewesen. Tatsächlich seien sodann nach der Anlage B 7 aber 7 Mitarbeiter
nach Siegen-Wittgenstein beordert worden, was verdeutliche, dass mindestens ein
Mitarbeiter zu Aufgabenerfüllung dort nicht notwendig sei. Die Versetzung nach Siegen-
Wittgenstein stelle einen wesentlichen Eingriff in ihre Rechte dar, weil diese einen
Anfahrtsweg von 130 km mit einer Fahrtzeit von ca. 1 ½ Stunden mit sich bringe, was
insbesondere vor dem Hintergrund der Rechtswidrigkeit der Maßnahme mangels
Beteiligung des Personalrates nicht zumutbar sei. Außerdem könne sie die erhebliche
Fahrtstrecke auch gesundheitlich nicht verkraften. Diesbezüglich hat sie auf das
ärztliche Attest des Dr. H5 vom 14.12.2007 verwiesen (Bl. 61 GA).
75
Die Klägerin hat beantragt,
76
1. festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, am 01.01.2008
77
ihre Arbeitsleistung im Kreis Siegen-Wittgenstein zu erbringen,
2. festzustellen, dass der Beklagte die Arbeitskraft der Klägerin den
Kreisen Soest, Unna oder dem Hochsauerlandkreis oder der Stadt
Hamm zur Verfügung zu stellen hat.
78
Das beklagte Land hat beantragt,
79
die Klage abzuweisen.
80
Das beklagte Land hat vorgetragen, sowohl der Übergang der Klägerin zum Ministerium
zum 31.12.2007 als auch ihre Zuordnung zum Kreis Siegen-Wittgenstein im Rahmen
der Personalgestellung auf Grund des erstellten Zuordnungsplanes seien kraft Gesetzes
erfolgt. Das Gesetz sei ordnungsgemäß angewendet worden. Das Gesetz sei nicht
verfassungswidrig. Das Ministerium habe den Zuordnungsplan nach sozialen
Gesichtspunkten erstellt; die Klägerin sei weniger schutzwürdig als andere
vergleichbare Mitarbeiter des Versorgungsamtes Soest mit der Folge, dass sie nicht
ortsnäher habe eingesetzt werden können. Ein Verstoß gegen das
Landespersonalvertretungsgesetz liege nicht vor; denn der Personalrat habe bei der
bloßen Umsetzung eines Gesetzes nicht mitzubestimmen. Insbesondere handele es
sich bei dem Zuordnungsplan nicht um einen "Sozialplan" i. S. d.
Landespersonalvertretungsgesetzes mit der Folge, dass auch insoweit das
Mitbestimmungsverfahren nicht einzuleiten gewesen sei.
81
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 07.05.2008 abgewiesen. Die Zuordnung
entspreche dem EingliederungsG Versorgungsämter NW. Die Personalgestellung sei
nach § 4 Abs. 3 TV-L zulässig. Mitbestimmungsrechte nach dem LPVG seien nicht
verletzt. Die Zuordnung sei nicht unbillig und missachte nicht die soziale Situation der
Klägerin. Dienstliche und persönliche Belange seien ausreichend berücksichtigt. Die
Klägerin habe nicht aufgezeigt, dass weniger schutzwürdige Arbeitnehmer ortsnäher
eingesetzt würden. Dem vorgelegten ärztlichen Attest sei nicht zu entnehmen, welche
konkreten Auswirkungen auf das Krankheitsbild als Folge der Versetzung zu befürchten
seien.
82
Das Urteil ist am 07.05.2008 verkündet worden. Das begründete schriftliche Urteil ist der
Klägerin am 11.05.2009 zugestellt worden. Die Klägerin hat am 07.10.2008 Berufung
eingelegt und zur Begründung ausgeführt, ein schriftliches Urteil liege "bis heute" nicht
vor, entgegen der Entscheidung des Arbeitsgerichts sei die Klage auf der Grundlage
ihrer Ausführungen im Verfahren erster Instanz begründet.
83
Die Klägerin wendet ein, die Klage sei entgegen der Entscheidung des Arbeitsgerichtes
begründet. Eine "Überleitung" sei nicht kraft Gesetzes erfolgt. Dazu hätte der
Zuordnungsplan des Landes Gesetzeskraft erlangen müssen, was nicht der Fall sei. Der
Zuordnungsplan sei nicht in den Text des Gesetzes aufgenommen worden. Wie bereits
erstinstanzlich aufgezeigt seien Mitbestimmungsrechte nach dem LPVG NW verletzt.
Die Personalgestellung nach Siegen-Wittgenstein sei zudem deshalb rechtswidrig, weil
sie nicht "erforderlich" im Sinne des EingliederungsG Versorgungsämter NW sei. Eine
Erforderlichkeitsprüfung habe das Land nicht vorgenommen. Der Landrat des Kreises
Siegen habe in seiner Stellungnahme vom 07.01.2008 mitgeteilt, dass der Kreis Siegen-
Wittgenstein generell hinreichend eigene Mitarbeiter zur Bearbeitung der Akten nach
dem Schwerbehindertenrecht besitze und lediglich vorübergehend Mitarbeiter zur
84
Einarbeitung benötige (Kopie Bl. 290, 291 GA). Nicht nachvollziehbar sei, wie das
Arbeitsgericht zu der Auffassung gelangt sei, dass im Falle einer überzähligen
fehlerhaften Zuweisung zum Kreis Siegen-Wittgenstein nicht sie sondern der Mitarbeiter
R1 begünstigt sei, da dieser "schutzwürdiger" sei. Sie habe nicht einmal einen Punkt
weniger aufzuweisen als der Kollege R1. Ihre Zuordnung zum Kreis Siegen-
Wittgenstein sei unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht zu beanstanden. Unklar
und keinesfalls gottgegeben sei, warum die sogenannten "Entfernungshärtefallpunkte"
nur Mitarbeitern zugute kämen, die von Hause aus bereits mehr als 20 Punkte
mitbrächten. Die Tatsache, dass ihr Ehemann vom Wohnort Soest aus gesehen 150 km
und von Siegen aus 300 km in die andere Himmelsrichtung berufstätig sei, sei
überhaupt nicht in die Erwägungen einbezogen worden. Zu Unrecht habe das
Arbeitsgericht ihren gesundheitlichen Beeinträchtigungen keine Bedeutung
beigemessen. Diese seien bereits im Bescheid des Versorgungsamtes Soest vom
04.12.2007 ausgewiesen. Da Behinderungen im Sinne des
Schwerbehindertengesetzes nur Gesundheitsstörungen sein könnten, die bereits länger
als ein halbes Jahr vorlägen und prognostisch auch in einem weiteren halben Jahr nicht
abheilten, sei nachgewiesen, dass sie bereits im maßgeblichen Zeitpunkt der
Zuweisung an den entsprechenden Behinderungen gelitten habe. Wegen der durch die
mit dem Arbeitsplatzwechsel nach Siegen verbundenen Belastungen verschlimmerten
sich ihre bestehenden episodenhaft auftretenden Depressionen. Das Krankheitsbild sei
gekennzeichnet durch eine gedrückte Stimmung, Antriebsmangel, Grübelneigung,
sozialen Rückzug und Insuffizienzerleben. Bereits von Februar bis März 2008 habe sie
sich in einer stationären Reha-Maßnahme zur Stabilisierung einer depressiven Krise
befunden. Bis heute seien psychotherapeutische Behandlungen notwendig. Zur
Vermeidung eines erneuten Krisenzustandes werde sowohl vom Hausarzt wie auch
vom Facharzt dringend eine wohnortnähere Tätigkeit empfohlen. Allein im Jahr 2008 sei
sie an 148 Tagen arbeitsunfähig krank gewesen. Im Jahr 2009 seien es bis zum
17.09.2009 96 Tage gewesen. Nunmehr sei ein Fibromyalgie-Syndrom diagnostiziert
worden. Dabei handele es sich um ein nicht entzündliches Weichteilrheuma, das seine
Ursache in stressbedingtem Überanstrengen, insbesondere beruflicher Art, habe
(weitere Einzelheiten hierzu: S. 2 des Schriftsatzes der Klägerin vom 17.09.2009 - Bl.
523 GA - sowie Internetausdruck "www.medizin-netz.de" vom 22.09.2009 - Bl. 528 - 531
GA). Die Fibromyalgie habe durch die Versetzung nach Siegen einen starken und
nachhaltigen Schub erfahren. Trotz einer entsprechenden Aussage im Protokoll der
Einigungsstelle vom 18.04.2008 erfolge ein wohnortnäherer Einsatz nicht. Zwar seien
inzwischen zahlreiche Mitarbeiter aus anderen näher an Soest gelegenen Orten in
Richtung Soest versetzt worden: Frau S6 von Brilon zum OLG Hamm, Frau L3 vom
Märkischen Kreis zum Finanzamt Arnsberg, Frau B3 von Olpe nach Brilon und ggf. zu
einer der beiden freien Schuladministratorenstellen in Werl. Sie aber habe kein Angebot
erhalten. Für die Anerkennung "persönlicher Härtefälle" fehle es an klaren eindeutigen
Kriterien. Dass die Beschäftigten C1 V3, E5 K4, E6 G4, H7 R3 und H6 F4 als Härtefälle
anerkannt worden seien, sei überhaupt nicht nachvollziehbar. Bei diesem
Personenkreis handele es sich um ledige oder verheiratete Beschäftigte ohne Kinder
und in zwei Fällen um verheiratete Frauen, deren Kinder von den Ehemännern betreut
würden. Frau V3 sei Altena zugeteilt worden und befinde sich heute - aus welchen
Gründen auch immer - im Schuldienst des Aldegrevergymnasiums in Soest. Frau K4 sei
für neun Monate in Lüdenscheid gewesen und bearbeite heute Förderprogramme in
Soest. Frau G3 sei für neun Monate in Lüdenscheid gewesen und sei heute beim
Regierungspräsidium Arnsberg. Frau G3 warte auf eine noch ortsnähere Stelle im
Schuldienst. Herr R3 sei für neun Monate in Olpe gewesen und bearbeite jetzt
Förderprogramme in Soest. Herr F4 sei für neun Monate in Altena gewesen und
bearbeite jetzt Schwerbehindertensachen in Soest. Mit diesen "Härtefällen" sei sie
zumindest vergleichbar. Auch der mit zahlreichen Zuordnungen befasste
Petitionsausschuss des Landtages habe generell festgestellt, dass in dem vom
Ministerium aufgestellten Sozialkatalog nachvollziehbare Kriterien für die Annahme
eines "persönlichen Härtefalls" fehlten (Kopie eines anonymisierten Beschlusses des
Petitionsausschusses vom 26.11.2008: Bl. 534 - 536 GA).
Die Klägerin beantragt,
85
1. unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Hamm
festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, ab 01.01.2008
ihre Arbeitsleistung im Kreis Siegen-Wittgenstein zu erbringen und
86
2. festzustellen, dass die Klägerin ihre Arbeitsleistung in den Kreisen
Soest, Unna oder dem Hochsauerlandkreis oder der Stadt Hamm zur
Verfügung zu stellen hat.
87
Das beklagte Land beantragt,
88
die Berufung zurückzuweisen.
89
Das beklagte Land verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Der Personalübergang sei
kraft Gesetzes erfolgt. Dies folge aus dem Wortlaut des Gesetzes und der in der
Landtagsdrucksache 14/5208 ausgewiesenen Begründung. Es sei dem Gesetzgeber
nicht aus rechtlichen Gründen verwehrt, den Zuordnungsplan in der geschehenen
Weise in das Gesetz zu integrieren. Durch das Gesetz sei sichergestellt, dass im
Zeitpunkt der Aufgabenübertragung die Zuordnung zur neuen Dienststelle durch den
Zuordnungsplan zweifelsfrei erfolgen könne.
90
Eine Bekanntgabe des Zuordnungsplans im Gesetz- und Verordnungsblatt, wie sie Art.
71 Landesverfassung nur für Gesetze und Rechtsverordnungen vorsehe, sei für den
Zuordnungsplan nicht erforderlich gewesen. Die in Art. 71 Landesverfassung genannten
Grundsätze seien für in Bezug genommene nicht normative Regelungen nicht
maßgeblich. Erforderlich sei bei einer Verweisung der hier vorliegenden Art nur, dass
die rechtsunterworfene Person klar erkennen könne, welche Vorschriften für sie gelten
sollten. Dem sei dadurch genügt, dass die Amtsleitung der Klägerin die Zuordnung
bekanntgegeben habe. Die Zuordnung verstoße nicht gegen den Arbeitsvertrag. Nach
dem maßgeblichen TV-L sei die Personalgestellung möglich. Ein Verstoß gegen das
Direktionsrecht liege nicht vor. Die Zuordnung sei angemessen. Sie sei unter
Berücksichtigung der sozialen Kriterien und dienstlicher Belange erfolgt. Die Klägerin
sei mit den sich ergebenden 16,7 Sozialpunkten bei der Zuordnung berücksichtigt
worden. Die gesundheitlichen Beschwerden der Klägerin hätten in die Berechnung der
Sozialpunkte nicht einfließen können. Eine Berücksichtigung wäre nur bei einem GdB
von zumindest 50 möglich gewesen. Die Klägerin weise lediglich einen GdB von 40 auf.
Das studierende volljährige Kind habe nicht in die Berechnung der Sozialpunkte
einfließen können. Punkte würden nur für minderjährige Kinder vergeben. Volljährige
Kinder bedürften nicht der zeitintensiven Betreuung wie minderjährige Kinder. Ebenso
wenig habe die Tatsache, dass der Ehemann der Klägerin in G1 seiner beruflichen
Tätigkeit nachgehe, bei der Vergabe von Sozialpunkten berücksichtigt werden können.
Das Land könne nicht beeinflussen, welche privaten Dispositionen seine Beschäftigten
träfen. Nach dem Verteilerschlüssel für den Aufgabenbereich ‚Schwerbehindertenrecht‘
91
in der Anlage 2 des Gesetzes seien bei der kreisfreien Stadt Hamm 10 Stellen benötigt
worden, beim Hochsauerlandkreis 12 Stellen, beim Märkischen Kreis 21,5 Stellen sowie
beim Kreis Olpe 6 Stellen, beim Kreis Siegen-Wittgenstein 12,5 Stellen und beim Kreis
Soest 14 Stellen (Verteilerschlüssel Anlage BB 3, Bl. 504 GA). Die Zuordnung der
Klägerin zum Kreis Wittgenstein sei erforderlich gewesen, um eine dieser Stellen zu
besetzen, um so einen Personalüberhang zu verhindern. Ein anderer Beschäftigter sei
für diese Zuordnung nach den Zuordnungsprinzipien und vor dem Hintergrund einer
gerechten Sozialauswahl nicht in Betracht gekommen. In der Gruppe des mittleren
Dienstes des Bereiches Schwerbehindertenrecht erreiche die Klägerin keine Punktzahl,
die für eine ortsnähere Zuordnung ausreiche. Auch der von der Klägerin genannte Herr
R1 weise mehr Sozialpunkte auf als sie. Gleichwohl sei auch er nach Siegen-
Wittgenstein zugeordnet worden. Bezogen auf den Kreis Olpe weise die Klägerin eine
Punktzahl von 30,59 auf, die zuletzt zugeordnete Beschäftigte weise eine Punktzahl von
32,9 Punkten auf. Auch die anderen wohnortnäher zugeordneten Mitarbeiter verfügten
jeweils über mehr Sozialpunkte als die Klägerin (Einzelheiten S. 14 der
Berufungsbeantwortung, Bl. 478 GA - sowie die vorgelegte Tabelle: Anlage BB 4, Bl.
505 - 508 GA und Ausführungen in den Entscheidungsgründen unter BI4c aa). Ein
Härtefall sei hier nicht anzunehmen. Wegen der Darlegungen des beklagten Landes zu
den persönlichen Härtefällen wird auf S. 16 - 18 der Berufungsbeantwortung Bezug
genommen (Bl. 480 - 482 GA). Wegen der weiteren Darlegungen des beklagten Landes
zu den Entfernungshärtefällen wird auf Bl. 18/19 der Berufungsbeantwortung verwiesen
(Bl. 482, 483 GA). Mitbestimmungsrechte seien nicht verletzt worden.
Mitbestimmungsrechte folgten weder aus § 72 Abs. 1 Nr. 5 LPVG NW noch aus § 72
Abs. 5 Nr. 2 LPVG NW. Auch aus den vorgelegten Attesten sei kein Anspruch auf einen
anderen Einsatz herzuleiten. Durch die Atteste werde nicht deutlich, aufgrund welcher
Beeinträchtigung es der Klägerin nicht möglich sei, die Tätigkeit aufzunehmen bzw.
fortzuführen. Die Depressionen hätten laut Attest bereits vor der Zuordnung vorgelegen.
Die Tätigkeit in Siegen sei dafür nicht kausal.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
92
Wegen der von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen und der weiteren
gesundheitsbezogenen Unterlagen wird auf die entsprechenden Kopien verwiesen:
93
Dres. H5 - Fachärzte für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie vom 14.12.2007,
Bl. 61 GA;
94
95
D7 S9, Facharzt für Allgemeinmedizin, vom "05.05.09" [von der Klägerin
richtiggestellt: "05.05.08"], Bl. 390 GA;
96
97
Dres H5, Fachärzte für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie, vom 03.01.2008,
Bl. 391 GA;
98
99
"Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeitszeiten" der T1 Krankenkasse vom
11.09.2009, Bl. 525 GA;
100
101
Dr. W7 vom 07.07.2009, Bl. 526, 527 GA;
102
103
Internetausdruck www.medizin-netz.de vom 22.09.2009 zu Fibromyalgie-Syndrom,
Bl. 528 ff GA.
104
105
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE :
106
Die Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die
zulässigen Feststellungsanträge als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin ist
entgegen ihrem Klagebegehren verpflichtet, ihre Arbeitsleistung beim Kreis Siegen-
Wittgenstein zu erbringen.
107
A.
108
Die Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2
b) ArbGG. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Nach
§ 66 Abs.1 S. 2 ArbGG beginnt die Frist für die Einlegung und Begründung der Berufung
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung des arbeitsgerichtlichen
Urteils. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist am 07.05.2008 verkündet worden. Die
Berufung der Klägerin ist am 07.10.2008 und damit fristgerecht bei dem
Landesarbeitsgericht eingegangen. Die Klägerin hat mit dem Berufungsschriftsatz
darauf verwiesen, dass ein schriftliches Urteil "bis heute" nicht vorliege, die Klage sei
entgegen der Entscheidung des Arbeitsgerichts entsprechend der Klagebegründung
erster Instanz begründet. Damit hat die Klägerin ihre Berufung innerhalb der
gesetzlichen Frist zureichend begründet. Liegen keine Entscheidungsgründe des
Arbeitsgerichts vor, so kann der Berufungsführer sich mit Gründen des
arbeitsgerichtlichen Urteils nicht auseinandersetzen. Es genügt, dass der
109
Berufungsführer auf das Fehlen von Gründen verweist (BAG 16.06.2004 - 5 AZR 529/03
- AP ZPO 2002 § 551 Nr. 2; LAG Köln 05.11.2004 - 4 Sa 724/04; vgl. auch BGH
13.04.2005 NJW-RR 2005,1086 f).
B.
110
Die Berufung ist in der Sache jedoch unbegründet. Die Zuordnung der Klägerin zum
Kreis Siegen-Wittgenstein ist rechtmäßig. Die dagegen gerichteten
Feststellungsanträge sind zwar nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig, sie sind jedoch
unbegründet. Die streitgegenständliche Zuordnung zum Kreis Siegen-Wittgenstein
entspricht den Vorgaben des EingliederungsG Versorgungsämter NW (I). Der
Zuordnung zum Kreis Siegen-Wittgenstein stehen die arbeitsvertraglichen
Vereinbarungen der Parteien nicht entgegen (II). Die Zuordnung ist nicht wegen der
Verletzung von Mitbestimmungsrechten nach dem LPVG unbeachtlich (III).
111
I.
112
Die zu überprüfende Zuordnung der Klägerin zum Kreis Siegen-Wittgenstein hat ihre
Grundlage im EingliederungsG Versorgungsämter NW und genügt den Anforderungen
dieses Gesetzes.
113
1.
Versorgungsverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen und explizit auch das
Versorgungsamt Soest als bisherige Dienststelle der Klägerin mit Ablauf des
31.12.2007 aufgelöst worden.
114
2.
Abs.1, Abs. 5 - Abs. 7, 20 Abs. 1, Abs. 4 EingliederungsG Versorgungsämter NW. Diese
Vorschriften sehen eine Personalgestellung der am Versorgungsamt Soest tätigen
Tarifbeschäftigten des Aufgabenbereiches Schwerbehindertenrecht unter anderem an
den Kreis Siegen-Wittgenstein vor. Da die Klägerin bei dem Versorgungsamt im Bereich
Schwerbehindertenrecht eingesetzt war, ist die Zuordnung zum Kreis Siegen-
Wittgenstein konform zu den genannten Vorschriften.
115
3.
zu (Kopie Bl. 35 ff, 36 GA).
116
4.
Anforderungen, die gemäß § 10 Abs. 5 EingliederungsG Versorgungsämter NW an die
Erstellung des Zuordnungsplanes zu stellen sind. Die Zuordnung der Klägerin zum
Kreis Siegen-Wittgenstein hält sich innerhalb des Mitarbeiterkontingentes, welches der
als Anlage 2 zum EingliederungsG Versorgungsämter NW verabschiedete
Verteilschlüssel für den Kreis Siegen-Wittgenstein und den Aufgabenbereich
Schwerbehindertenrecht ausweist (GV NRW 2007, S. 533). Dass möglicherweise der
Kreis Siegen-Wittgenstein den Bedarf anders einschätzt als das beklagte Land, steht
der Wirksamkeit der Zuordnung nicht entgegen. Es obliegt dem beklagten Land als
(zahlendem) Arbeitgeber einzuschätzen, in welchem Umfang an welchen Stellen
Personal zur Fortführung der Versorgungsverwaltung eingesetzt werden soll. Neben
den dienstlichen Belangen zur Sicherstellung einer funktionsfähigen
Versorgungsverwaltung bei den Kreisen und kreisfreien Städten ab dem 01.01.2008
117
("Das Personal folgt der Aufgabe") sind auch soziale Kriterien ausreichend
berücksichtigt. Das Zuordnungsziel Kreis Siegen-Wittgenstein ergibt sich bei
Anwendung des bei der Zuordnung zugrunde gelegten und rechtlich nicht zu
beanstandenden Punkteschemas zur Gewichtung der sozialen Gesichtspunkte der
Beschäftigten.
a)
Versorgungsämter NW teilt die Berufungskammer allerdings nicht die Auffassung des
beklagten Landes, eine unzureichende Berücksichtigung der sozialen Belange eines
zugeordneten Tarifbeschäftigten könne nur über eine Vorlage an das BVerfG nach Art.
100 GG gerichtliche Beanstandung finden, weil der Zuordnungsplan Teil des
EingliederungsG Versorgungsämter NW sei. Die Kammer sieht in einer etwaigen
unzureichenden Berücksichtigung sozialer Belange vielmehr einen Verstoß gegen § 10
Abs. 5 EingliederungsG Versorgungsämter NW, der zur Unwirksamkeit der zu
überprüfenden Zuordnung führt. Dementsprechend hat die Kammer in ihren Urteilen zu
strittigen Zuordnungen aus dem Bereich der Versorgungsverwaltung die
Berücksichtigung der sozialen Belange in jedem Rechtsstreit überprüft und diese in
einem Einzelfall für unzureichend und in den übrigen Urteilen jeweils für
gesetzeskonform befunden (wirksame Zuordnung: LAG Hamm Urt. 14.08.2008 - 11 Sa
552/08 -; LAG Hamm Urt. 26.03.2009 - 11 Sa 1639/08 - n. rkr. – Az. BAG 9 AZR 374/09
u. ebenso in mehreren weiteren Urteilen der Kammer; hingegen Unwirksamkeit der
Zuordnung wegen unzureichender Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte: LAG
Hamm Urt. 19.02.2009 - 11 Sa 1357/08 - n. rkr. -, Az. BAG 9 AZR 307/09). In diesem
Sinne kommt auch der von dem beklagten Land eingereichte Beitrag von Prof. Dr. H. A.
Wolff / Europa-Universität Vadrina zum Symposium "Verwaltungsstrukturreform des
Landes Nordrhein-Westfalen" vom 13.06.2008 zu dem Ergebnis, der Zuordnungsplan
sei teilnichtig, soweit er im Einzelfall eine nicht dem Normenprogramm des
EingliederungsG Versorgungsämter NW genügende Zuordnung treffe (Gutachten
Anlage BB 1 Bl. 493 - 502 GA, dort unter D 7 [fälschlich "6"] S. 13, 14 = Bl. 501, 501 R
GA ). Die gesetzliche Verweisung des EingliederungsG Versorgungsämter NW gehe
dann insoweit ins Leere, die Verweisung erfasse den betroffenen Mitarbeiter nicht (a. a.
O. S. 14 = Bl. 501 R GA). Der Zuordnungsplan sei zwar einerseits [bezogen auf die
Beamten] nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren, könne aber andererseits auch nicht
als Teil des Gesetzes gesehen werden, da er einen anderen Urheber [als das Gesetz]
habe (a. a. O. unter D 3 S. 11 = Bl. 215 GA). Der Zuordnungsplan sei ein
verwaltungsorganisatorischer Rechtsakt in Wahrnehmung der Personal- und
Organisationshoheit mit dienstrechtlichen Wirkungen (a. a. O. unter D 3, 4 S. 12 = Bl.
216 GA). Da der Zuordnungsplan im vorstehenden Sinn zu qualifizieren und zu
überprüfen ist, sind die von der Klägerin wegen der gesetzlichen Verweisungstechnik
geäußerten Bedenken gegen die Verfassungsgemäßheit des EingliederungsG
Versorgungsämter NW unbegründet.
118
b)
genügende Grundlage für die Berücksichtigung der sozialen Belange der
zuzuordnenden Tarifbeschäftigten. Insbesondere finden sich mit dem Lebensalter, der
Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, der familiären Situation und einer etwaigen
Schwerbehinderung die zentralen sozialen Umstände in jeweils angemessener
Relation berücksichtigt. Der Billigkeit entspricht es nach Auffassung der Kammer auch,
dass Teilzeitbeschäftigten je nach Umfang ihrer Tätigkeit zusätzliche Punkte zuerkannt
werden. Dahinter steht die zutreffende Würdigung, dass ein langer Anfahrtsweg zur
Arbeit um so weniger zuzumuten ist, je geringer die vertraglich geschuldete Arbeitszeit
119
ist und je geringer damit auch das Vertragsentgelt ausfällt. Der Zuordnungsgerechtigkeit
dient es schließlich auch, wenn bei der Zuordnungskonkurrenz hinsichtlich der
einzelnen Orte bei den Tarifbeschäftigten neben den fixen Punkten für Lebensalter,
Beschäftigungszeit, Familienstand, Kinder bis zum 18. Lebensjahr, Alleinerziehend,
Pflege von Angehörigen, Teilzeit und Schwerbehinderung auch ein für den einzelnen
Beschäftigten jeweils für das konkrete Zuordnungsziel ermittelter Punktwert nach den
individuellen Entfernungskilometern ermittelt wird (abstellend auf das "nächst weit
entfernte" nachfolgende Zuordnungsziel).
c)
Detail nachvollziehbar - und auch von der Klägerin nicht bestritten - aufgezeigt, dass die
Klägerin in den Zuordnungskonkurrenzen zu den ortsnäheren Einsatzorten Soest,
Hamm, Hochsauerlandkreis, Märkischer Kreis und Olpe jeweils auf niedrigere
Punktwerte gekommen ist als die jeweils berücksichtigten Beschäftigten des
maßgeblichen Aufgabenbereiches Schwerbehindertenrecht / Mittlerer Dienst.
120
aa)
gegen-über den jeweils berücksichtigten Beschäftigten mit der niedrigsten Punktzahl
(Grenzfälle):
121
- Soest: 19,39 Klägerin zu 27,45 S7,
122
- Hamm: 22,39 Klägerin zu 30,40 K6,
123
- Hochsauerlandkreis: 24,89 Klägerin zu 32,10 S10;
124
- Märkischer Kreis: 27,99 Klägerin zu 31,13 K5;
125
- Olpe: 30,59 Klägerin zu 32,09 B4
126
(Werte zusammengestellt: Tabelle Bl. 505 - 508). Die höheren Werte der ortsnäher
berücksichtigten Beschäftigten haben in zahlreichen Fällen ihren Grund insbesondere
darin, dass minderjährige Kinder zu betreuen waren, wohingegen das Kind der Klägerin
im Zeitpunkt der Zuordnung bereits 25 Jahre alt war. Dies gilt für 14 der 29 ortsnäher
zugeordneten Beschäftigten. Daneben wirken sich längere Betriebszugehörigkeiten,
höheres Lebensalter, Schwerbehinderung mit GdB ab 50 aufwärts, Pflege von
Angehörigen und Teilzeitbeschäftigungen aus. Zutreffend hat das Arbeitsgericht auch
ausgeführt, dass innerhalb der nach Siegen-Wittgenstein zugeordneten Beschäftigten
des Aufgabenbereiches der Klägerin Herrn P1-L5 R1 eine höhere soziale
Schutzbedürftigkeit zuzubilligen ist (17,56 Punkte gegenüber 16,69 Punkten im Fall der
Klägerin)
127
bb)
Kriterien keine besonderen Umstände, die zu einer Berücksichtigung der Klägerin in der
abschließend im Ministerium durchgeführten Härtefallprüfung hätten führen müssen.
128
(1)
gegeben sind, die durch das Punkteschema nicht adäquat abgebildet wären. Sie ist
nicht von einem persönlichen Schicksalsschlag betroffen, wie es die vom Land
benannten persönlichen Härtefälle kennzeichnet. In diesem Kontext kann nicht der von
129
Soest ebenfalls weit entfernte Arbeitsplatz des Ehemannes der Klägerin
Berücksichtigung finden. Das beklagte Land weist zutreffend darauf hin, dass dies
zunächst eine Entscheidung der privaten Lebensführung ist, die der Klägerin bei der
Konkurrenz mit ihren Kollegen um ortsnahe Einsatzorte keinen entscheidenden Vorteil
vermitteln kann. Immerhin haben es die Eheleute auch in der Zeit vor Auflösung der
Versorgungsverwaltung als Folge der Arbeitsplatzwahl der Ehepartner in Kauf
genommen, dass sie während der Woche mehrere Tage getrennt verbringen und die
gemeinsam zu verlebenden Zeiten darüber hinaus durch die notwendigen Fahrtzeiten
des Ehemanns von und zur Arbeitsstelle geschmälert sind. Dass sich diese bisher
ohnehin in Kauf genommenen Zeiten der Trennung durch den Einsatz der Klägerin in
Siegen signifikant ausweiten, ist nicht aufgezeigt. Auch anderweitige Gesichtspunkte,
die die nun längeren häuslichen Abwesenheiten der Klägerin als besondere Härte
erscheinen lassen, sind nicht aufgezeigt. Der Umstand, dass die Eheleute in Soest
"Eigentum bewohnen" und Katzen zu betreuen sind, wie in der mündlichen
Verhandlung mitgeteilt worden ist, rechtfertigt eine solche Würdigung nicht. Die von der
Klägerin geltend gemachten Erkrankungen haben bei ihrem Antrag auf Anerkennung
als Schwerbehinderte "lediglich" zu einem GdB von 40 geführt. Die Beeinträchtigung
liegt damit unterhalb des Wertes, den der Gesetzgeber als Grenze für das Eingreifen
des spezifischen gesetzlichen Schwerbehindertenschutzes festgelegt hat und an dem
sich das Ministerium bei dem Punkteschema in nicht zu beanstandender Weise
orientiert hat. Dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin in besonderer
spezifischer Weise der nun nötigen längeren Anreise entgegenstehen, hat sie nicht
aufgezeigt. Dies lässt sich auch den vorgelegten ärztlichen Äußerungen nicht
entnehmen. In der mündlichen Verhandlung ist deutlich geworden, dass die Klägerin in
eine Fahrgemeinschaft eingebunden ist und nicht selbst das Kfz steuern muss. Der
Einwand der Klägerin im Interesseabfragebogen, als Migränepatientin in den
Wechseljahren sei sie dem Stress auf der Autobahn im Feierabendverkehr auf Dauer
nicht mehr gewachsen, verliert damit an Gewicht. Wenn die Klägerin in der mündlichen
Verhandlung vorgebracht hat, sie werde als Mitfahrerin im PKW ebenso angestrengt
und belastet wie als Fahrerin, so widerspricht dies der Lebenserfahrung. Die ärztlichen
Atteste bieten für eine derartiges ungewöhnliches Verkehrs- und Belastungserleben
keinen Anhalt. Festzustellen ist schließlich, dass die Klägerin bereits vor der Aufnahme
ihrer Tätigkeit in Siegen ab dem 30.11.2007 bis zum 04.04.2008 mehr als vier Monate
arbeitsunfähig krank war - ohne bis dato durch Fahrten nach Siegen belastet gewesen
zu sein.
(2)
die Klägerin unstreitig weniger als 20 (fixe) Sozialpunkte aufweist.
130
d)
10.06.2009, mehrere dort namentlich benannte Mitarbeiter seien nach anfänglicher
Zuordnung nach dem EingliederungsG Versorgungsämter NW in nachfolgenden
Monaten zu anderen wohnortnäheren Behörden des Landes - außerhalb des
Aufgabenkreises der früheren Versorgungsverwaltung - gewechselt. Derartige spätere
Wechsel des Einsatzbereiches bei anderen Tarifbeschäftigten berühren die Wirksamkeit
der durch die Klageanträge zur Überprüfung gestellten Zuordnung der Klägerin ab dem
01.01.2008 nicht. Ob sich aus nachträglichen Entwicklungen nach geschehener
Zuordnung ein Anspruch der Klägerin ergeben könnte, ebenfalls einer anderen
Einsatzstelle außerhalb ihres bisherigen Tätigkeitsfeldes zugewiesen zu werden, ist
durch die hier verfolgten Klageanträge nicht zur gerichtlichen Entscheidung gestellt (vgl.
LAG Hamm 19.03.2009 - 8 Sa 7/09 - unter B II 2 a) (2) (d) = Rn. 36). Die Parteien waren
131
deshalb nicht aufzufordern, weitere Einzelheiten zu den jeweiligen Stellenwechseln zu
substantiieren.
II.
132
Die Zuordnung zum Kreis Siegen-Wittgenstein greift nicht unzulässig in vertraglich
abgesicherte Rechtspositionen der Klägerin ein. Die Zuordnung der Klägerin nach
Siegen-Wittgenstein hält sich im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der
Parteien.
133
1.
bei den Beamten tritt bei den Tarifbeschäftigten der bisherigen Versorgungsverwaltung
kein Wechsel in den Parteien des bisherigen Rechtsverhältnisses ein. Bei den Beamten
soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers durch Gesetz und Zuordnungsplan
rechtswirksam ein Dienstherrnwechsel herbeigeführt worden sein. Landesbeamte sollen
entsprechend den Vorgaben des Zuordnungsplans "kraft Gesetzes" zu
Kommunalbeamten geworden sein. Bei den Tarifbeschäftigten hingegen wird die
Arbeitgeberstellung des beklagten Landes durch Gesetz und Zuordnungsplan nicht
berührt. Die Tarifbeschäftigten waren und bleiben Arbeitnehmer des beklagten Landes.
Das Arbeitsverhältnis besteht weiterhin zwischen den Rechtssubjekten, die seinerzeit
den Arbeitsvertrag abgeschlossen haben.
134
2.
nicht das Argument entgegen, es fehle an der erforderlichen direktionsrechtlichen
Maßnahme, wie dies die 5. Kammer des Arbeitsgerichts Hamm in parallel gelagerten
Rechtsstreiten angenommen hat. Die dort vom Arbeitsgericht vermisste
"arbeitgeberseitige Direktion" ist zumindest und spätestens in dem Zeitpunkt an die
Klägerin ergangen, als sie nach Beginn des Jahres 2008 und nach Ende der
Arbeitsunfähigkeit mit dem 04.04.2008 ihre Arbeit am neuen Dienstort aufnahm und die
ihr dort zugewiesenen Arbeiten in den ihr dort zugewiesenen Räumlichkeiten
weisungsgemäß bearbeitet hat. Die Weisung, bei dem Kreis Siegen-Wittgenstein zu
arbeiten, entspricht aus den oben abgehandelten Gründen billigem Ermessen. Neben
den dienstlichen Gesichtspunkten wurden auch die sozialen Daten berücksichtigt (s. o.).
135
3.
Dienstort als Soest nicht entgegen.
136
Die im Vertrag geregelte Bezugnahme auf die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes
begründet die Möglichkeit, dass die Angestellte aus dienstlichen oder betrieblichen
Gründen versetzt oder abgeordnet werden kann und zwar auch an eine Dienststelle
außerhalb des bisherigen Dienstortes (damals: § 8 BAT, jetzt: § 4 TV-L). Dies gilt selbst
dann, wenn der Arbeitsvertrag den Dienstort des Dienstantritts ausdrücklich nennt. Ein
der Widerspruchsfreiheit verpflichtetes Vertragsverständnis führt auch in einem solchen
Fall zu der Auslegung, dass die Angestellte ihre Tätigkeit im Zeitpunkt des
Arbeitsbeginns bei der ursprünglich in Aussicht genommenen Dienststelle aufnimmt und
fortan dem tarifvertraglich bestimmten Weisungsrecht unterliegt. Der Arbeitnehmer, der
in den öffentlichen Dienst eingestellt wird, kann nicht annehmen, dass sich der
öffentliche Arbeitgeber mit der bloßen Nennung der ersten Dienststelle bei Gelegenheit
des Abschlusses des Arbeitsvertrages seines weitreichenden tariflichen
Direktionsrechts begibt und sich vertraglich dauerhaft festlegen will, die Angestellte nur
137
bei dieser ersten Einsatzstelle zu beschäftigen. Wegen der Bezugnahme auf den
Tarifvertrag hat die Angestellte regelmäßig davon auszugehen, dass sie dem
tarifvertraglichen Direktionsrecht unterstehen soll und jede ihr innerhalb der räumlichen
Reichweite des tarifvertraglichen Direktionsrechts zugewiesene Tätigkeit der
vereinbarten Vergütungsgruppe zu verrichten hat (BAG 21.01.2004 NZA 2005, 61 - 63;
BAG 26.06.2002 6 AZR 50/00; BAG 29.10.1997 AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 51;
ErfK-Preis, 9. Aufl. 2009, § 106 GewO Rn. 16 aE).
4.
anderen Ort sondern darüber hinaus dem Kreis Siegen-Wittgenstein und damit einer
anderen Körperschaft zur künftigen Arbeitsleitung zugeordnet worden ist, sie also nicht
länger innerhalb der Arbeitsorganisation ihres Arbeitgebers, des Landes Nordrhein-
Westfalen, tätig sein soll. Anders als der BAT sieht der kraft vertraglicher Bezugnahme
seit November 2006 für das Arbeitsverhältnis maßgebliche TV-L in § 4 Abs. 3 TV-L
ausdrücklich die Möglichkeit der sogenannten Personalgestellung vor. Werden
Aufgaben der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zu einem Dritten verlagert, so ist
auf Verlangen des Arbeitgebers bei weiter bestehendem Arbeitsverhältnis die
arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung bei dem Dritten zu erbringen. In der
Protokollerklärung zu dieser Regelung ist bestimmt, dass Personalgestellung die - unter
Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses - auf Dauer angelegte Beschäftigung
bei einem Dritten ist, deren Modalitäten zwischen dem Arbeitgeber und dem Dritten
vertraglich zu regeln sind. Die Voraussetzungen einer Personalgestellung nach § 4 Abs.
3 TV-L sind hier gegeben. Durch das EingliederungsG Versorgungsämter wurde der
Aufgabenkreis, in dem die Klägerin bislang eingesetzt war, zum Jahreswechsel
2007/2008 vom Land zu einem bzw. mehreren Dritten verlagert, nämlich zu den Kreisen
und kreisfreien Städten des § 20 Abs.1 EingliederungsG Versorgungsämter NW. Die
Zuordnung der Klägerin zu dem Kreis Siegen-Wittgenstein hält sich innerhalb der durch
§ 4 Abs. 3 TV-L eröffneten Einsatzmöglichkeiten.
138
5.
der dort vereinbarten Geltung des TV-L gemäß § 4 Abs. 3 TV-L zur
streitgegenständlichen Zuordnung an den Landschaftverband Westfalen-Lippe
berechtigt ist, ist die Zuordnung nicht wegen der vom LSG NRW angenommenen
Verfassungswidrigkeit der §§ 1, 4 EingliederungsG Versorgungsämter unbeachtlich.
Das LSG NRW begründet seine Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 GG mit einem
Verstoß der genannten Normen gegen die bundesrechtlichen Vorgaben in den §§ 1, 3,
4 des Gesetzes zur Errichtung der Verwaltungsbehörden der Kriegsopferfürsorge
(Errichtungsgesetz) vom 12.03.1951 (BGBl. I, S. 169), zuletzt geändert durch das Zweite
Zuständigkeitslockerungsgesetz vom 03.05.2000 (BGBl. I, S. 632 ff) i. V. m. Art. 84, 125
b Abs.2 GG bzw. mit Art. 85 GG (LSG NRW 03.09.2008 - L 10 VG 20/03 -); nach den
Vorschriften des Errichtungsgesetzes sei der Landesgesetzgeber derzeit nicht
berechtigt, die bisher von den Versorgungsämtern durchgeführten Arbeiten des SER auf
die Landschaftsverbände als kommunale Selbstverwaltungsträger zu übertragen (LSG
NRW a. a. O.). Abgesehen davon, dass hier nicht eine Zuordnung im Aufgabenbereich
SER nach § 4 EingliederungsG Versorgungsämter NW zu prüfen ist, sind die vom LSG
herangezogenen Vorschriften ohnehin keine Schutzvorschriften zugunsten der
Beschäftigten der bisherigen Versorgungsverwaltung. Nachdem - und solange - die
bisherigen Dienststellen aufgelöst sind, entspricht es deshalb billigem Ermessen, die
Klägerin durch Arbeitgeberweisung zur Arbeit in den neu eingerichteten und
gegenwärtig allein existierenden Verwaltungseinheiten des Landes NRW zum
Schwerbehindertenrecht bei den Kreisen und kreisfreien Städten zu verpflichten.
139
III.
140
Die streitgegenständliche Zuordnung zum Kreis Siegen Wittgenstein ist nicht wegen der
Verletzung von Mitbestimmungsrechten nach dem LPVG NW rechtswidrig (=
Personalvertretungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 09.
Oktober 2007).
141
1.
Mitbestimmungsrechten nach § 72 Abs.1 LPVG NW. Dies folgt aus zwei unabhängig
voneinander bestehenden Gründen.
142
Zunächst teilt die Kammer die auch von verschiedenen Verwaltungsgerichten vertretene
Auffassung, dass die hier zu prüfende Maßnahme der Personalgestellung gemäß § 4
Abs. 3 TV-L nach dem neuen LPVG NW nicht mitbestimmungspflichtig ist (VG Minden
05.12.2007 - 12 L 555/07. PVL; VG Köln 28.11.2007 - 34 L 1580/07. PVL). Während §
72 Abs. 1 Nr. 1, 5, 6 LPVG NW die Einstellung, die Versetzung zu einer anderen
Dienststelle, die Umsetzung innerhalb der Dienststelle mit einem Wechsel des
Dienstortes und die Zuweisung von Arbeitnehmern gemäß tarifrechtlicher Vorschriften
für eine Dauer von mehr als drei Monaten für mitbestimmungspflichtig erklären, fehlt
eine solche Regelung für die Personalgestellung im Zusammenhang mit einer
Aufgabenverlagerung zu einem Dritten nach § 4 Abs. 3 TV-L. Das neue LPVG NW ist
erst Ende 2007 und damit deutlich nach Inkraftsetzung des TV-L verabschiedet worden.
Die Änderung des Personalvertretungsrechtes erfolgte ausweislich der Begründung
zum Gesetzentwurf der Landesregierung vom 24.04.2007 einerseits angesichts einer
bevorstehenden umwälzenden Verwaltungsstrukturreform, für deren Umsetzung ein
adäquates Personalvertretungsrecht zur Verfügung stehen sollte. Daneben verfolgt das
Gesetz zur Änderung des Personalvertretungsrechts andererseits ausdrücklich auch
das Ziel der Anpassung des LPVG NW an das neue Tarifrecht (Landtagsdrucksache
14/4239, Gesetzentwurf der Landesregierung, A, Seite 1, 2). Das neue
Personalvertretungsrecht ist an den Begrifflichkeiten des § 4 TV-L orientiert. Aus dem
Fehlen der Personalgestellung im Mitbestimmungskatalog des LPVG NW folgt damit,
dass ein Mitbestimmungsrecht insoweit nicht besteht - weder bei der abgebenden noch
bei der aufnehmenden Dienststelle -. Für das gefundene Ergebnis - kein
Mitbestimmungsrecht - spricht auch die weitere Entstehungsgeschichte des neuen
Personalvertretungsgesetzes. Gemäß § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 19 LPVG NW in der bis
zum Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 09. Oktober 2007 geltenden Fassung
hatte der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder eine tarifliche Regelung nicht
bestand, mitzubestimmen über den Abschluss von Arbeitnehmerüberlassungs- oder
Gestellungsverträgen. Dieser Mitbestimmungstatbestand ist aufgehoben worden. Der im
Laufe des Gesetzgebungsverfahrens erwogene Gedanke, in § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6
LPVG NW n. F. auch die Personalgestellung aufzunehmen, ist aufgegeben worden (vgl.
VG Minden 05.12.2007 - 12 L 555/07. PVL; VG Köln 28.11.2007 - 34 L 1580/07. PVL).
Angesichts der bewussten Entscheidung des Landesgesetzgebers gegen eine
Mitbestimmung bei der Personalgestellung scheidet ein Rückgriff auf den
Mitbestimmungstatbestand "Einstellung" aus. Nach dem dokumentierten Willen des
Gesetzgebers ist von einer speziellen und abschließenden Regelung im Sinne der
Mitbestimmungsfreiheit der Personalgestellung auszugehen (vgl. zur entsprechenden
Argumentation bei Abordnung und Einstellung: BVerwG 29.01.2003 AP LPVG Berlin §
86 Nr. 3). Der Auffassung von Jordan, bis zu einer Aufnahme des Begriffs
Personalgestellung in die Personalvertretungsgesetze seien vergleichbare
143
Mitbestimmungstatbestände analog anzuwenden, kann für den Bereich des neuen
Personalvertretungsrechts NW in Anbetracht des Datums seiner Verabschiedung und
des soeben geschilderten Gangs des Gesetzgebungsverfahrens nicht gefolgt werden
(Jordan, Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVÖD/TV-L, Der Personalrat 2007, S. 378
ff - generell gegen eine entsprechende Anwendung von Beteiligungsvorschriften zur
Versetzung, Abordnung, Umsetzung oder Zuweisung in den Fällen der
Personalgestellung hingegen: Sponer/Steinherr, TV-L Kommentar, 16. AL Juli 2008, § 4
TV-L Rz. 144).
Eine Unbeachtlichkeit der geschehenen Zuordnung wegen Verletzung eines
Mitbestimmungsrechtes aus § 72 Abs.1 LPVG NW kommt unabhängig davon aber auch
deshalb nicht in Betracht, weil nach dem unterbreiteten Sachverhalt keine der in
Betracht kommenden Personalvertretungen die Aufhebung der geschehenen
Zuordnung verlangt. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur
Mitbestimmung bei Einstellungen nach § 99 BetrVG begründet die fehlende
Zustimmung des Betriebsrates zur Einstellung eines Arbeitnehmers für diesen
grundsätzlich nur dann ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn der Betriebsrat sich auf
die Verletzung seines Mitbestimmungsrechts beruft und die Aufhebung der Einstellung
verlangt (BAG 05.04.2001 AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 32; KR-Griebeling, 9.
Aufl. 2009, § 1 KSchG Rn. 435 a; KR-Fischermeier, 9. Aufl. 2009, § 626 BGB Rn. 412).
An einem solchen Verlangen der Personalvertretung fehlt es hier.
144
2.
Abs. 2 Nr. 5 LPVG NW unwirksam. Das Mitbestimmungsrecht nach § 72 Abs. 2 Nr. 5
LPVG NW besteht bei der Aufstellung von Sozialplänen einschließlich Plänen für
Umschulungen zum Ausgleich von Härtefallen sowie Milderung wirtschaftlicher
Nachteile in Folge von Rationalisierungsmaßnahmen.
145
Die Kammer teilt die Auffassung, dass der Zuordnungsplan kein Sozialplan ist und
damit nicht der Mitbestimmung nach § 72 Abs. 2 Nr. 5 LPVG NW unterfällt (so bereits
LAG Hamm Urt. 14.08.2008 - 11 Sa 552/08 - unter Bezugnahme auf die ausführliche
Begründung der dortigen Vorinstanz ArbG Hamm 29.02.2008 - 2 Ca 2427/07 -). Denn
der Zuordnungsplan regelt gerade keinen Nachteilsausgleich für die betroffenen
Beschäftigten sondern legt nur fest, an welcher Stelle der einzelne Arbeitnehmer oder
Beamte zukünftig eingesetzt wird.
146
Unabhängig davon kann ein Verstoß gegen § 72 Abs. 2 Nr. 5 LPVG NW aber auch
deshalb nicht (mehr) angenommen werden, weil das gleichwohl vorsorglich eingeleitete
Mitbestimmungsverfahren zum Zuordnungsplan inzwischen in der
Einigungsstellensitzung am 18.04.2008 durch einstimmigen Beschluss abgeschlossen
worden ist. Der Hauptpersonalrat bei dem MAGS hat den Zuordnungen des
ministeriellen Plans - und damit auch der Zuordnung des hiesigen Klägers zum Kreis
Siegen-Wittgenstein - ausdrücklich zugestimmt. Eine zunächst fehlende Zustimmung
des Personalrates zu einer Maßnahme des Dienstherrn kann in der hier geschehenen
Weise nachgeholt werden. Ein etwaiger Mitbestimmungsfehler ist damit nachträglich
geheilt (Cecior u. a., LPVG NW, § 66 LPVG NW Rn. 25 [April 2008]).
147
IV.
148
Da die Zuordnung der Klägerin zu dem Kreis Siegen-Wittgenstein unter keinem der
behandelten Gesichtspunkte rechtlich zu beanstanden ist, ist die Klägerin verpflichtet,
149
ihre Arbeitsleistung bei dem Kreis Siegen-Wittgenstein zu erbringen. Die auf
gegenteilige Feststellungen gerichteten Klageanträge sind unbegründet. Die Berufung
der Klägerin war deshalb zurückzuweisen.
C.
150
Die unterlegene Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des erfolglosen
Berufungsverfahrens zu tragen. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache hat
die Kammer gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision zum Bundesarbeitsgericht
zugelassen.
151
Landesarbeitsgericht Hamm
152
Beschluss
153
In Sachen
154
wird das Urteil vom 01.10.2009 auf S. 6 durch Beschluss des Vorsitzenden im
schriftlichen Verfahren gemäß §§ 319 ZPO, 64 VI, VII, 53 ArbGG wie folgt berichtigt:
155
"……und zugrunde gelegt:
156
Personalzuordnung: Punkteverteilung
157
Lebensalter: pro Jahr (Stichtag: 1.8.07) 0,2 Punkte
158
Beschäftigungszeit: pro Jahr (Stichtag: 1.8.07) 0,2 Punkte
159
Familienstand: verh./zusammenlebend 2 Punkte
160
Kinder, pro Kind bis zum 18. Lebensjahr: 5 Punkte
161
Alleinerziehend: 5 Punkte
162
Pflege von Angehörigen: insg. 2 Punkte
163
Teilzeit: Reduzierung um 20 % und mehr 5 Punkte
164
+ Reduzierung um 50 % und mehr 5 Punkte
165
Schwerbehinderung: 5 Punkte
166
+ je 10 Grad 1 Punkt
Punkte
167
……
168
Es handelt sich insoweit um eine offensichtliche Unrichtigkeit des Urteils i.S.d. § 319
ZPO. Die zutreffenden Zahlenwerte finden sich in der zur Akte gereichten Anlage BB 2
(=Bl. 503 GA). Diese ist durch ausdrückliche Bezugnahme zum Gegenstand des
Tatbestandes gemacht.
169
Hamm, den 07.12.2009
170
Der Vorsitzende der 11. Kammer
171
Limberg
172
Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht
173