Urteil des LAG Hamm vom 28.10.2010

LArbG Hamm (anteil, zpo, entgelt, zahlung, teil, zweck, auslegung, stelle, zuwendung, gewerkschaft)

Landesarbeitsgericht Hamm, 17 Sa 623/10
Datum:
28.10.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
17. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
17 Sa 623/10
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Dortmund, 8 Ca 169/10
Nachinstanz:
Bundesarbeitsgericht, 10 AZR 778/10
Leitsätze:
Der garantierte Anteil der Sparkassensonderzahlung nach § 18.4 TVöD-
S unterliegt nicht dem Pfändungsschutz nach § 850 a Nr. 2, 4 ZPO.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Dortmund vom 10.03.2010 – 8 Ca 169/10 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Höhe des pfändbaren Arbeitsentgeltes der Klägerin im
Monat November 2008.
2
Sie ist am 17.03.1951 geboren, einer Person unterhaltsverpflichtet und seit über vierzig
Jahren bei der Beklagten als Teilzeitkraft tätig.
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Nach der Abrechnung für November 2008 (Bl. 5 d.A.) bezog sie in diesem Monat nach
der Entgeltgruppe 6 Stufe 6 ein Grundentgelt nebst Zulagen im weiteren Sinne von
1.598,00 € sowie den garantierten Anteil der S5 (SSZ) i.H.v. 1.277,34 €. Aufgrund eines
vorliegenden Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses eines Gläubigers der Klägerin
zahlte die Beklagte an diesen 447,05 € aus.
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Die S5 ist geregelt in § 18.4 der durchgeschriebenen Fassung des TVöD-S. Wegen des
Wortlautes der Absätze 1) bis 3) der Tarifvorschrift wird auf den im Tatbestand des
erstinstanzlichen Urteils wiedergegebenen Wortlaut des § 44 TVöD-BT-S verwiesen.
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In § 18.4 Abs. 5 findet sich folgende Regelung:
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Der garantierte Anteil der SSZ wird mit dem Entgelt des Monats November, der variable
Anteil gemäß Abs. 3 spätestens mit dem Entgelt für den Monat April des folgenden
Kalenderjahres ausgezahlt.
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Nach Absatz 7 der Tarifvorschrift haben die Beschäftigten keinen tarifvertraglichen
Anspruch auf weitere Jahressonder- bzw. mantelrechtliche Einmalzahlungen.
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Die Protokollerklärungen zu § 18.4 Abs. 1 lauten wie folgt:
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Nr. 1:
10
Bankspezifisch Beschäftigte im Sinne von § 18.4 Abs. 1 Satz 1 sind Beschäftigte gemäß
§ 38 Abs. 5 Satz 1. Die übrigen Beschäftigten haben Anspruch auf den garantierten
Anteil des SSZ gemäß Abs. 1 Sätze 2 und 3; eigene leistungsdifferenzierte Systeme für
diese Beschäftigten sind nicht ausgeschlossen.
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Nr. 2:
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Der variable Anteil der SSZ wird abhängig von der Ausweitung der Leistungsbezahlung
im TVöD - Allgemeiner Teil – wie folgt wachsen (Grundlage: 14 Monatstabellenentgelte
pro Jahr):
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a) Solange bis der Zuwachs der Variabilität in der SSZ 1,36 v.H. (= 8,5 v.H.
insgesamt) nicht erreicht, wird dieser dem individuell - leistungsbezogenen
Anteil der SSZ zugeschlagen.
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b) Hat der Zuwachs 1,36 v.H. erreicht, werden darüber hinausgehende
Zuwächse jeweils zur Hälfte den garantierten Anteil und zur Hälfte dem
variablen Anteil zugeordnet (1/4 individuell – leistungsbezogen, 1/4
unternehmenserfolgsbezogen).
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c) Eine ggfls. andere Verteilung der Anteile bleibt späteren Tarifverhandlungen
vorbehalten.
16
Nr. 3:
17
Beschäftigte, die bis zum 31. März 2005 Altersteilzeit vereinbart haben, erhalten die
SSZ auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis wegen Rentenbezugs vor dem 01.12.
endet. In diesem Fall tritt an die Stelle des Bemessungsmonats Oktober der letzte
Kalendermonat vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
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Außergerichtlich machte die Klägerin die Unpfändbarkeit des garantierten Anteils des
Leistungsentgeltes nach § 850 a ZPO geltend. Mit Schreiben vom 23.01.2009 (Bl. 6
d.A.) führte die Beklagte aus, der SSZ fehle die soziale Zweckbestimmung im
Zusammenhang mit dem Weihnachtsfest.
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Mit ihrer am 16.03.2009 bei dem Arbeitsgericht Dortmund eingegangenen Klage hat die
Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 447,05 € nebst Zinsen
begehrt.
20
Sie hat die Auffassung vertreten, die Auslegung der Tarifvorschrift unter
Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte und der Intentionen der
Tarifvertragsparteien ergebe, dass der Garantiebetrag der SSZ kein Leistungsentgelt
darstelle. Die Unterschiedlichkeit zwischen garantiertem und variablen Anteil ergebe
sich auch aus dem Fälligkeitzeitpunkt.
21
Der garantierte Teil stehe jedem Beschäftigten zu und stelle keine "Mitmachzahlung"
dar. Es sei bei der Vereinbarung darum gegangen, das Weihnachtsgeld, das
Urlaubsgeld und die Überstundenpauschvergütung (ÜPV) abzusichern. Die
Arbeitgeberseite habe dagegen eine leistungsorientierte Vergütung gefordert, die in
dem variablen Teil gefunden worden sei.
22
Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 447,05 € netto nebst Zinsen i.H.v. fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.11.2008 zu zahlen.
24
Die Beklagte hat beantragt,
25
die Klage abzuweisen.
26
Sie hat ihre vorgerichtlich geäußerte Rechtsauffassung vertieft und darauf hingewiesen,
dass § 18.4 TVöD-S die Zahlung eines einheitlichen Leistungsentgeltes vorsehe, das
sich aus einem garantierten Anteil als Leistungssockel sowie aus einem variablen teils
individuell – leistungsbezogenen und teils unternehmenserfolgsbezogenen Teil
zusammensetze. Die Regelungen in § 18.1 bis 18.4 TVöD-S stellten Spezialregelungen
zu den Leistungsentgeltregelungen des § 18 TVöD-AT und der Regelung der
Sonderzuwendung in § 20 TVöD-AT dar.
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Das erstinstanzliche Gericht hat Auskünfte der Gewerkschaft ver.di sowie der
Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) zu der Frage eingeholt, ob
der garantierte Anteil der S5 ein Leistungsentgelt darstelle oder ob mit ihm ein sozialer
Zweck verfolgt werde. Wegen der Auskünfte der Tarifvertragsparteien im Einzelnen wird
auf das Schreiben der Gewerkschaft ver.di vom 05.12.2009 (Bl. 57, 58 d.A.) und der
VKA vom 15.01.2010 (Bl. 60 bis 63 d.A.) Bezug genommen.
28
Mit Urteil vom 10.03.2010 hat das erstinstanzliche Gericht die Klage abgewiesen.
29
Es hat ausgeführt:
30
Die Klage sei unbegründet, da die Beklagte zu Recht 447,05 € netto als pfändbar von
der Novembervergütung 2008 in Abzug gebracht habe.
31
§ 850 a Nr. 2, 4 ZPO fänden keine Anwendung, da es sich bei dem garantierten Anteil
der SSZ weder um Urlaubs- noch um Weihnachtsgeld handle. Das ergebe die
Auslegung der Tarifnorm.
32
Der Wortlaut der Tarifvorschrift bezeichne die SSZ nicht als Urlaubs- oder
Weihnachtsgeld. Entsprechende Hinweise ergäben sich nicht aus den Niederschrifts-
und Protokollerklärungen.
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Das von der Klägerin gewünschte Ergebnis ergebe sich auch nicht aus dem tariflichen
Zusammenhang. § 18.4 TVöD-S bilde einen Gesamtzusammenhang zu den
Regelungen in §§ 18.1 bis 18.3. Es gehe um die Grundsätze für leistungs- und
erfolgsbezogenes Entgelt. Das stehe im Widerspruch zu einer Differenzierung zwischen
dem garantierten Teil der S5 als Sonderzahlung mit sozialem Charakter und dem
leistungsbezogenen Bestandteil.
34
Darüber hinaus enthalte § 18.4 Abs. 1 Satz 8 TVöD-S gemeinsame Regelungen sowohl
für den variablen als auch für den garantierten Anteil.
35
Ein einheitlicher, ggfls. unvollkommen zum Ausdruck gebrachter Wille der
Tarifvertragsparteien, durch die Einführung des garantierten Anteils der S5 einen Ersatz
für Urlaubs- und Weihnachtsgeld nach dem BAT zu schaffen, lasse sich nicht feststellen
und ergebe sich auch nicht aus den eingeholten Stellungnahmen der
Tarifvertragsparteien.
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Im Übrigen wäre unter Zugrundelegung der klägerischen Auffassung nur ein Betrag von
400,00 € unpfändbar.
37
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf Bl. 70 bis 79 d.A.
verwiesen.
38
Gegen das ihr am 08.04.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03.05.2010 bei
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dem Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung
der Berufungsbegründungsfrist bis zum 08.07.2010 am 08.07.2010 eingehend
begründet.
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Sie rügt das erstinstanzliche Urteil als fehlerhaft und führt aus:
41
§ 850 a Nr. 4 ZPO verlange nicht, dass die Anspruchsgrundlage den Begriff des
Weihnachtsgeldes verwende. Entscheidend für die Identifizierung eines
Weihnachtsgeldes sei die Tatsache, dass alle Beschäftigten einen Anspruch hätten und
dass die Fälligkeit in der Weihnachtszeit liege. Diese Voraussetzungen seien nach §
18.4 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 5 TVöD-S erfüllt. Der Fälligkeitszeitpunkt mit dem Entgelt
für November weise schon auf den Zweck hin, den Beschäftigten aus Anlass des
Weihnachtsfestes und der damit verbundenen Aufwendungen eine besondere Leistung
zukommen zu lassen.
42
Die systematische Einordnung der SSZ in §§ 18.1 bis 18.4 des TVöD-S gebe keinen
Aufschluss über den Zweck des garantierten Anteils der SSZ. Der Besondere Teil
Sparkassen des TVöD habe systematisch keinen anderen Bereich gehabt, in welchem
der garantierte Anteil der SSZ hätte untergebracht werden können.
43
Die Kürzungsvorschrift in § 18.4 Abs. 1 Satz 8 TVöD-S spreche ebenfalls nicht gegen
den sozialen Zweck des garantierten Anteils. Auch die Zuwendung nach dem
Zuwendungs-Tarifvertrag zum BAT habe unter bestimmten Voraussetzungen im
Hinblick auf Fehlzeiten gekürzt werden können.
44
Der garantierte Anteil knüpfe auch nicht an eine persönliche Leistung des
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Arbeitnehmers an.
Die Klägerin beantragt,
46
das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 10.03.2010 – 8 Ca 169/10 –
teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 400,00 € netto
nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 30.11.2008 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihrer erstinstanzlichen Argumentation
das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund.
50
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlage sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
51
Entscheidungsgründe:
52
I.
53
Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 64 Abs. 2 a, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520
ZPO an sich statthafte und form- sowie fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin
gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 10.03.2010 ist unbegründet. Zu
Recht hat das erstinstanzliche Gericht die Klage abgewiesen.
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1. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung weiterer 400,00 € folgt nicht aus § 611 Abs. 1
BGB i.V.m. § 18.4 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 TVöD-S.
55
Unstreitig ist der TVöD-S auf das Arbeitsverhältnis anwendbar. Zwischen den Parteien
steht ebenfalls außer Streit, dass ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung des
garantierten Anteils der S5 entstanden und mit dem Entgelt für November 2008 fällig
war.
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Der Anspruch ist jedoch in Höhe des streitgegenständlichen Betrags durch Zahlung an
den Gläubiger der Klägerin untergegangen. Es liegt eine schuldbefreiende Erfüllung vor
(vgl. dazu Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 836 ZPO Rdn. 6).
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Aufgrund des ausgebrachten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses war der
Beklagten gemäß § 829 Abs. 1 ZPO die Zahlung an die Klägerin untersagt. Gemäß §§
835, 836 ZPO war der Gläubiger zur Einziehung berechtigt und die Beklagte zur
Auszahlung des für November 2008 pfändbaren Geldbetrages an diesen verpflichtet.
Auch insoweit hat die Klägerin keine Bedenken erhoben.
58
Streitig ist allein, inwieweit der aus der SSZ bestehende Gehaltsbetrag pfändbar war
oder dem Pfändungsschutz unterlag.
59
a. Gemäß § 850 Abs. 1 ZPO ist in Geld zahlbares Arbeitseinkommen nur nach Maßgabe
der §§ 850 a bis 850 i ZPO pfändbar. Bei der SSZ handelt es sich um
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Arbeitseinkommen im Sinne des § 850 Abs. 2 ZPO, das von der Pfändung gemäß § 850
Abs. 4 ZPO erfasst wird. Die Vorschrift betrifft auch Prämien, Gratifikationen und
Sondervergütungen (Zöller/Stöber a.a.O. § 850 ZPO Rdn. 12).
Gemäß § 850 a Nr. 2 ZPO sind die für Dauer eines Urlaubs über das Arbeitseinkommen
hinaus gewährten Bezüge unpfändbar. Nach Nr. 4 sind Weihnachtsvergütungen bis
zum Betrag der Hälfte eines monatlichen Arbeitseinkommens, höchstens aber bis zum
Betrag von 500,00 € unpfändbar.
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Die SSZ unterliegt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht dem Pfändungsschutz
nach § 850 a Nr. 2 und Nr. 4 ZPO.
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Unter Urlaubsgeld ist eine Sonderzuwendung mit Gratifikationscharakter zu verstehen,
die der Arbeitnehmer über sein sonstiges Einkommen hinaus vom Arbeitgeber als
Zuschuss zur Ermöglichung der Erholung erhält (Zöller/Stöber a.a.O. § 850 a ZPO Rdn.
3; Baumbach-Lauterbach-Hartmann, ZPO, 68. Aufl., § 850 a ZPO Rdn. 4).
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Weihnachtsgeld ist eine Einmalzahlung, die der Arbeitgeber aus Anlass des
Weihnachtsfestes bzw. des Ablaufs des Kalenderjahres erbringt (Küttner/Griese,
Personalbuch 2010, 154 Rdn. 1). Es genießt wegen seiner Zweckbestimmung aus
sozialen Gründen den besonderen Pfändungsschutz (Zöller/Stöber a.a.O. § 850 a ZPO
Rdn. 11). Das Weihnachtsgeld muss nicht als solches bezeichnet, jedoch muss seine
Zweckbindung ausweisbar sein (Bayerischer VGH 24.10.2007 – 3 ZB 06.2358, AiB
2008, 513).
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b. § 18.4 TVöD-S regelt seinem Wortlaut nach eine S5, die aus einem garantierten und
einem variablen Anteil besteht, wobei der garantierte Anteil mit dem Entgelt für
November des Jahres fällig wird, Abs. 1 Satz 2, 3, Abs. 5. Die Begrifflichkeiten Urlaubs-
und Weihnachtsgeld verwendet die Tarifnorm nicht.
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Auch die Auslegung der Norm führt nicht zu dem von der Klägerin gewünschten
Ergebnis.
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Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen
geltenden Regeln (BAG 11.02.2009 – 10 AZR 264/08, ZTR 2009, 259; 16.06.2004 – 4
AZR 408/03, BAGE 111, 108).
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Wegen der Auslegungsgrundsätze im Einzelnen wird auf die Darstellung des
erstinstanzlichen Gerichts in seinen Entscheidungsgründen verwiesen, die der
Auffassung der Kammer entspricht.
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Die Berücksichtigung des Willens der Tarifvertragsparteien, wie er in ihren Auskünften
vom 06.12.2009 und 15.01.2010 zum Ausdruck kommt, führt zu keinem Ergebnis. Die
Gewerkschaft ver.di hat die Auffassung vertreten, der garantierte Teil der SSZ stelle kein
Leistungsentgelt dar, während der VKA den Rechtsstandpunkt der Beklagten
eingenommen und darauf hingewiesen hat, dass die Tarifvertragsparteien mit der SSZ
eine sparkassenspezifische Ausgestaltung des Leistungsentgeltes geschaffen haben.
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Maßgeblich ist der Wille der Tarifvertragsparteien nur insoweit, als er in der Tarifnorm
seinen Niederschlag gefunden hat.
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Aus dem Wortlaut und dem systematischen Gesamtzusammenhang folgt, dass §
18.4TvöD-S die Ausgestaltung einer einheitlichen SSZ, bestehend aus zwei Anteilen,
regelt. Das ergibt sich schon aus der Überschrift der Norm und findet sich ausdrücklich
wieder in Abs. 1. Nach Satz 1 haben bankspezifische Beschäftigte in jedem
Kalenderjahr Anspruch auf eine SSZ. Diese besteht nach Satz 2 aus einem garantierten
und einem variablen Anteil. Der Wille der Tarifvertragsparteien, eine einheitliche
Sonderzuwendung zu schaffen, zeigt sich auch in den Regelungen nach § 18.4 Abs. 1
Satz 6 – 8 TVöD-S. Sowohl der garantierte als auch der variable Anteil sind
zusatzversorgungspflichtiges Entgelt, während das frühere Urlaubsgeld nicht
zusatzversorgungspflichtig war. Für beide Anteile wird der Bestand des
Arbeitsverhältnisses am 01.12. des Kalenderjahres gefordert. Beide Anteile vermindern
sich grundsätzlich um 1/12 für jeden vollen Monat, in dem kein Anspruch auf Entgelt
bestand. Die Protokollerklärung Nr. 2 zu § 18.4 Abs. 1 enthält Zuwachsregelungen, die
sowohl den variablen als auch den garantierten Anteil betreffen und den Zuwachs
bezüglich des garantierten Anteils in Abhängigkeit von einem bestimmten Zuwachs der
Variabilität der SSZ ausgestalten.
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Die dargestellten Regelungen lassen nur den Schluss zu, dass die Tarifvertragsparteien
ein einheitliches Leistungsentgelt schaffen wollten, das mit dem garantierten Anteil allen
Mitarbeitern, auch den Beschäftigten zukommen soll, deren Leistungen die Zahlung
eines individuell – leistungsbezogenen Anteils im Sinne des § 18.4 Abs. 3 TVöD – nicht
rechtfertigen. Der fixe Anteil stellt einen Leistungssockel dar (Böhle/Poschke, ZTR 2005,
286, 296).
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Die für den garantierten wie für den variablen Anteil in der SSZ geltenden Regelungen
widerlegen die Auffassung der Klägerin, der garantierte Teil sei nur deshalb
systematisch in § 18.4 TVöD-S untergebracht worden, weil § 20 TVöD-AT nicht gilt und
die sparkassenspezifische Regelung ansonsten an keiner Stelle hätte "untergebracht"
werden können. Die Tarifvertragsparteien hätten ohne weiteres eine eigene
gegebenenfalls § 20 TVöD-AT nachgebildete Norm schaffen können. Das haben sie
gerade nicht gewollt. Stattdessen haben sie auch den garantierten Anteil der SSZ dem
in §§ 18.1 – 18.4 geregelten Bereich der Leistungsvergütung zugeordnet.
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Der Zweck, auch das regelmäßige Tätigwerden im Kalenderjahr, z.B. das Fehlen von
Arbeitsunfähigkeitszeiten ohne Anspruch auf Entgelt im Krankheitsfall nach § 22 TVöD-
S zu honorieren, entspricht nicht den mit der Zahlung eines Urlaubs- und
Weihnachtsgeldes verfolgten und von § 850 a ZPO vorausgesetzten Zweck, dass aus
besonderem Anlass Sonderleistungen vom Arbeitgeber erbracht werden, weil sowohl
der Urlaub als auch das Weihnachtsfest gewöhnlich für die Beschäftigten mit
besonderen Ausgaben verbunden sind (zum Weihnachtsgeld VG Karlsruhe 06.06.2005
– 3 K 788/04).
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Nichts anderes ergibt sich aus der Regelung des Auszahlungstermins in § 18.4 Abs. 5
TVöD-S. Die Tatsache, dass der garantierte Anteil mit dem Entgelt für November
auszuzahlen ist, rechtfertigt allein nicht die Annahme, es handele sich nach der
Zwecksetzung um eine Weihnachtsvergütung. Die Auszahlung zum Ende des Monats
November, die Tatsache, dass der garantierte Anteil den Arbeitnehmern zum
Weihnachtsfest zur Verfügung steht, kann ein Indiz für den Rechtscharakter einer
Weihnachtsvergütung sei (Bayerischer VGH 24.10.2007 – 3 ZB 06.2358, AiB 2008,
513). Die Tarifvertragsparteien haben erkennbar bei der Festlegung des
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Fälligkeitszeitpunktes berücksichtigt, dass vor der Neuregelung des S6 die tarifliche
Zuwendung zu Weihnachten gezahlt wurde. Den Arbeitnehmern sollte entsprechend
auch zukünftig ein nennenswertes zusätzliches Entgelt zum Jahresende zur Verfügung
stehen. Der Fälligkeitstermin allein reicht jedoch nicht aus, um den aus dem
Gesamtzusammenhang der Tarifnorm ermittelten Leistungszweck zu widerlegen. Ohne
zusätzliche Anhaltspunkte weist er nicht den von § 850 a Nr. 4 ZPO geforderten
sozialen Leistungszweck aus, zumal der garantierte Anteil der SSZ nicht ausnahmslos
mit dem Entgelt für November fällig ist. Nach der Protokollerklärung Nr. 3 zu § 18.4 Abs.
1 erhielten Beschäftigte, die vor dem 01.03.2005 Altersteilzeitarbeit vereinbart hatten,
die SSZ auch dann, wenn ihr Arbeitsverhältnis wegen Rentenbezugs vor dem 01.12.
endete. In diesem Fall war der garantierte Anteil fällig mit dem Ausscheiden, also nicht
zwangsläufig zu Weihnachten.
Für die Auffassung der Klägerin, der variable Anteil stelle sich auch als Urlaubsgeld dar,
kommt dem Fälligkeitszeitpunkt überhaupt kein Indizwert zu, da gewöhnlich der
Jahreshaupturlaub am 30.11. des Jahres abgewickelt ist.
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c. Sinn und Zweck der in § 18.4 TVöD-S geschaffenen Regelung sprechen ebenfalls
gegen den von der Klägerin angenommenen Charakter eines Urlaubs- und
Weihnachtsgeldes.
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Die Tarifvertragsparteien haben eine grundlegende Reform des Tarifrechts des
öffentlichen Dienstes gewollt. Ziele waren u.a. die Stärkung der Effektivität und Effizienz
öffentlichen Handelns, die Aufgaben- und Leistungsorientierung, die Kunden- und
Marktorientierung sowie die Straffung und Vereinfachung des Tarifrechtes. Die
Tarifverhandlungen wurden mitbestimmt von dem Willen, leistungsfremde
Entgeltbestandteile abzubauen (Böhle/Poschke, ZTR 2005, 286, 296;
Brendendiek/Tewes, ZTR 2005, 230, 231).
78
Dem Ziel der Leistungsbezahlung dient § 18.4 TVöD-S, wobei die Vorschrift einen
Einstieg in die leistungsbezogene Vergütung dergestalt darstellt, dass an jeden
Beschäftigten ein Leistungssosockel, im Übrigen variable Anteile gezahlt werden.
Anders als im TVöD-AT haben sich die Tarifvertragsparteien gerade nicht auf ein
Leistungsentgelt (§ 18 TVöD-AT) und eine eigenständig geregelte
Jahressonderzahlung (§ 20 TVöD-AT) verständigt, sondern eine einheitliche S5
geschaffen. Gleichzeitig haben sie die bis dahin bestehenden tariflichen Ansprüche auf
Zahlung von Überstundenpauschalen, Zuwendung und Urlaubsgeld abgelöst (BAG
11.02.2009 a.a.O.; Böhle/Poschke, ZTR 2005, 286, 296). Nichts anderes ergibt sich aus
dem ver.di Leitfaden zur S5. Nach der Einleitung sind die Überstundenpauschale, die
Zuwendung und das Urlaubsgeld in der SSZ aufgegangen und damit gleichzeitig
abgesichert und dynamisiert worden (Leitfaden S. 4). Das Volumen der SSZ wurde von
der Summe aus Überstundenpauschale, Zuwendung und Urlaubsgeld i.H.v. insgesamt
zwei Monatsvergütungen bestimmt (Protokollerklärung zu § 18.4 Abs. 1 Nr. 2; BAG
11.02.2009 a.a.O; Böhle/Poschke, ZTR 2005, 286, 296; ver.di-Leitfaden S. 4). Wie die
Gewerkschaft ver.di in ihrem Leitfaden herausstellt, ging es ihr um die Absicherung
dieser Vergütungsbestandteile. Absicherung bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass
sich der Charakter einer Leistung, ihr Leistungszweck nicht ändert. Absicherung kann
auch unter Aufrechterhaltung des Leistungsvolumens wie hier durch Schaffung einer
"neuen" Sonderzahlung mit eigenem Leistungszweck erfolgen.
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2. Mangels Begründetheit der Hauptforderung besteht kein Zinsanspruch.
80
II.
81
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Zulassung der Revision aus § 72 Abs.
2 Nr. 1 ArbGG.
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