Urteil des LAG Hamm vom 23.09.2005

LArbG Hamm: betriebsrat, androhung, unterlassen, arbeitsgericht, notfall, rechtskraft, wechsel, kopie, datum

Landesarbeitsgericht Hamm, 13 TaBV 89/05
Datum:
23.09.2005
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 TaBV 89/05
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Detmold, 2 BV 43/04
Schlagworte:
Unterlassungsanspruch; Betriebsrat; Anspruch; Durchführung;
Betriebsvereinbarung; Wechselschicht.
Normen:
§ 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG
Rechtskraft:
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen
Tenor:
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des
Arbeitsgerichts Detmold vom 16.03.2005 - 2 BV 43/04 - wird mit der
Maßgabe zu-rückgewiesen, dass der Tenor wie folgt lautet:
Die Arbeitgeberin wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis
zu 5.000,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung verpflichtet, es zu
unterlas-sen, im Maschinensaal B hinsichtlich der Arbeitsplätze an der
Homag-Kantenbearbeitungsanlage und an der Nottmeier-I-
Bohrmaschine die ver-einbarte Wechselschichtarbeit aufzuheben,
solange nicht die Zustimmung des Betriebsrats oder ein die Zustimmung
ersetzender Spruch der Eini-gungsstelle vorliegt, es sei denn, es ist ein
Notfall oder eine Arbeits-kampfmaßnahme gegeben.
G r ü n d e:
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A.
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Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Unterlassungsanspruchs darum, ob in
bestimmten Arbeitsbereichen Wechselschichtarbeit zu leisten ist.
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Antragsteller ist der für den Betrieb S2xxxxxxx der Arbeitgeberin gebildete Betriebsrat.
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Dieser schloss mit der Arbeitgeberin am 13.10.2004 eine für das Kalenderjahr 2005
befristetet und ohne Nachwirkung geltende Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit. Darin
ist u.a. für die "Abt. Homag und Bohrautom. MS B" Wechselschicht festgelegt, und zwar
in einer Früh- und Spätschicht jeweils sieben Stunden an fünf Tagen in der Woche.
Wegen des weiteren Inhalts dieser Betriebsvereinbarung wird verwiesen auf die mit
Schriftsatz des Betriebsrats vom 07.12.2004 eingereichte Kopie (Bl. 26 d.A.).
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In der Vorgängerregelung für das Jahr 2004, ebenfalls abgeschlossen am 13.10.2004,
war die Homag-Kantenbearbeitungsanlage und die Bohrmaschine von der
einschichtigen Arbeitsweise im Maschinensaal B bereits ausgenommen worden (Bl. 14
d.A.).
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Mit Schreiben vom 22.11.2004 teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit, dass
aufgrund der rückläufigen Auftragslage die Homag-Kantenbearbeitungsanlage und die
Nottmeier I – Bohrmaschine "weiterhin" einschichtig gefahren würden.
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Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten, durch diese Handlungsweise ignoriere die
Arbeitgeberin die abgeschlossene Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit.
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Der Betriebsrat hat beantragt,
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1. der Antragsgegnerin zu untersagen, im Maschinensaal B ohne
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vorherige Zustimmung des Betriebsrates oder Zustimmungsersetzung -
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durch die Einigungsstelle die regelmäßigen Arbeitszeiten -
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zu verändern (z.B. den Wechselschichtbetrieb abzusagen)
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oder die Arbeitsleistung von Arbeitnehmern zu geänderten Zeiten
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entgegenzunehmen;
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2. der Antragsgegnerin für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die
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vorstehende Verpflichtung ein Ordnungsgeld in Höhe von
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10.000,00 EUR anzudrohen.
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Die Arbeitgeberin hat beantragt,
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die Anträge zurückzuweisen.
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Sie hat die Ansicht vertreten, durch den nur noch einschichtigen Einsatz der beiden
Maschinen habe sich die Arbeitszeit der betroffenen Mitarbeiter nicht verändert; sie
würden weiterhin in Wechselschicht eingesetzt, nur zum Teil an anderen Arbeitsplätzen.
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Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 16.03.2005 den Anträgen des Betriebsrats im
Wesentlichen stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Arbeitgeberin habe
sich durch den einseitig verfügten Wechsel in den einschichtigen Betrieb an den
Maschinen "Homag" und "Nottmeier" mitbestimmungswidrig verhalten. Die
abgeschlossene Betriebsvereinbarung hätte den eindeutigen Inhalt, dass an den
genannten Maschinen in Wechselschicht zu arbeiten sei.
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Gegen diesen ihr am 26.04.2005 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin am
25.05.2005 Beschwerde eingelegt und diese am Montag, den 27.06.2005, begründet.
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Sie weist darauf hin, dass es zu keiner Änderung der Arbeitszeit der betroffenen
Mitarbeiter gekommen sei; diese würden lediglich teilweise mit geänderten Aufgaben
betraut.
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Die Arbeitgeberin beantragt,
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den Beschluss des Arbeitsgerichts Detmold vom 16.03.2005 – 2 BV 43/04 –
abzuändern und die Anträge abzuweisen.
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Der Betriebsrat beantragt,
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die Beschwerde mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Arbeitgeberin unter
Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 5.000,00 € verpflichtet wird, es zu
unterlassen, im Maschinensaal B hinsichtlich der Arbeitsplätze an der Homag-
Kantenbearbeitungsmaschine und an der Nottmeier-I-Bohrmaschine die
vereinbarte Wechselschicht aufzuheben, solange nicht die Zustimmung des
Betriebsrats oder ein die Zustimmung ersetzender Spruch der Einigungsstelle
vorliegt, es sei denn, es ist ein Notfall oder eine Arbeitskampfmaßnahme
gegeben.
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Er führt aus, es liege ein mitbestimmungswidriges Verhalten vor, weil an den beiden
genannten Maschinen die Arbeitnehmer nur noch einschichtig beschäftigt würden.
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B.
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Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin war in dem sich aus dem Tenor
ergebenden Umfang zurückzuweisen.
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Der Betriebsrat hat gegenüber der Arbeitgeberin einen Anspruch darauf, es zu
unterlassen, hinsichtlich der Arbeitsplätze an der Homag-Kantenbearbeitungsanlage
und an der Nottmeier-I-Bohrmaschine die vereinbarte Wechselschicht einseitig
aufzuheben.
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Es ist allgemein anerkannt, dass ein Betriebsrat – unabhängig vom Bestehen eines
allgemeinen Unterlassungsanspruchs bei mitbestimmungswidrigem Handeln – als
Vertragspartner einen Anspruch auf Anwendung und Durchführung abgeschlossener
Betriebsvereinbarungen hat (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG; zuletzt z.B. BAG AP BetrVG
1972 § 77 Durchführung Nr. 3; AP BetrVG 1972, § 21 a Nr. 1; AP BetrAVG § 1
Betriebsvereinbarung Nr. 8; AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 29; LAG Hamm,
Beschluss vom 15.07.2005 – 10 TaBV 44/05; ErfK/Eisemann, § 77 BetrVG Rn. 9; Fitting,
BetrVG, 22. Aufl., § 77 Rn. 227; GK-BetrVG/Kreutz, 7. Aufl., § 77 Rn. 25, jeweils m.w.N.).
Für die Einhaltung der Regelungen in einer Betriebsvereinbarung kann er sorgen,
indem er die Unterlassung entgegenstehender Handlungen verlangt.
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Die Voraussetzungen sind hier erfüllt.
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In der Betriebsvereinbarung vom 13.10.2004 haben die Betriebspartner, bezogen auf
das Kalenderjahr 2005, u.a. für die Bereiche der Homag-Kantenbearbeitungsanlage und
der Nottmeier-I-Bohrmaschine im Maschinensaal B die Ableistung von
Wechselschichtarbeit vereinbart. Diese normativ wirkende Regelung kann nach
allgemeinen Auslegungsgrundsätzen nur dahingehend verstanden werden, dass die
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dortigen Mitarbeiter ausschließlich an den beiden genannten Maschinen an fünf Tagen
in der Woche in Früh- und Spätschicht tätig werden müssen.
Dafür spricht im Übrigen auch die Vorgängerregelung für das Jahr 2004, in der unter Ziff.
1 bei den Ausnahmen von der einschichtigen Arbeitsweise auch auf die beiden
Maschinen abgehoben wurde.
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Die derzeitige Verfahrensweise der Arbeitgeberin wäre nur dann gerechtfertigt, wenn
man bei der Wechselschichtregelung in der Betriebsvereinbarung nicht, wie geschehen,
an genau umschriebene Arbeitsplätze, sondern an bestimmte Mitarbeiter angeknüpft
hätte.
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Dementsprechend steht die Handhabung der Arbeitgeberin, in Wechselschicht tätige
Arbeitnehmer aus den beiden genannten Bereichen teilweise in anderen Abteilungen
einzusetzen, mit der bis zum 31.12.2005 geltende Betriebsvereinbarung nicht in
Einklang.
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Die Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 5.000,00 EUR für jeden Fall der
Zuwiderhandlung beruht auf § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG i.V.m. § 890 Abs. 2 ZPO und §
23 Abs. 3 Satz 5 BetrVG.
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Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.
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Dr. Müller Kerkenberg Petersen
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/Bu.
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