Urteil des LAG Hamm vom 30.04.2008

LArbG Hamm: wirtschaftliche einheit, betriebsübergang, unwirksamkeit der kündigung, gericht erster instanz, betriebsmittel, arbeitsgericht, produktion, rechtsverletzung, berufungskläger, erheblichkeit

Landesarbeitsgericht Hamm, 6 Sa 1800/07
Datum:
30.04.2008
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 Sa 1800/07
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Herford, 3 Ca 1227/06
Schlagworte:
Zulässigkeit der Berufung
Normen:
§ 513 ZPO, § 520 ZPO
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford
vom 21.08.2007 - 3 Ca 1227/06 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung und über restliche
Arbeitsvergütung.
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Von der Darstellung des Vorbringens der Parteien in der ersten Instanz wird nach § 69
Abs. 2 ArbGG unter Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl.
119 - 122 d.A.) abgesehen.
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Das Arbeitsgericht Herford hat die Klage mit Urteil vom 21.08.2007 - 3 Ca 1227/06 -
abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die
Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen (Bl. 123 - 126 d.A.).
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Das Urteil ist dem Kläger am 10.09.2007 zugestellt worden. Hiergegen richtet sich die
am 09.10.2007 eingelegte und mit dem – nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis zum 10.12.2007 - am 10.12.2007 bei dem
Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung.
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Der Kläger wendet sich unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen
Vortrags zur Sach- und Rechtslage gegen das erstinstanzliche Urteil.
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Der Kläger beantragt,
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1. unter Abänderung des am 21.08.2007 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts
Herford, Az. 3 Ca 1227/06, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien
durch die Kündigung des Beklagten vom 26.09.2006 nicht beendet worden ist;
2. festzustellen, dass dem Kläger eine Masseforderung in Höhe von brutto € 5.570,90
nebst 5 % Zinsen über den Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus
brutto € 2.668,60 seit dem 01.12.2006 und aus weiteren brutto € 2.668,60 seit dem
01.01.2007 abzüglich am 31.12.2006 von der Agentur für Arbeit gezahlter netto €
2.585,40 sowie abzüglich am 30.03.2007 von der Beklagten gezahlter weiterer €
834,54 netto zusteht;
3. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger die auf den festgestellten
Masseanspruch entfallene Quote in Höhe von brutto € 5.570,90 mit 5 % Zinsen
über den Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus brutto € 2.668,60 seit
dem 01.12.2006 und aus weiteren brutto € 2.668,60 seit dem 01.01.2007 sowie
abzüglich am 31.12.2006 von der Agentur für Arbeit gezahlter weiterer netto €
2.585,40 sowie abzüglich am 30.03.2007 von der Beklagten gezahlte weiterer €
834,54 netto zu bezahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den von ihnen
in Bezug genommenen Inhalt der in beiden Rechtszügen zu den Akten gereichten
Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung ist unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.
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I. Die Berufung ist unzulässig.
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Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des
Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG) sowie in gesetzlicher
Form und Frist eingelegt (§ 518 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, §
66 Abs. 1 S. 1 ArbGG), jedoch nicht innerhalb der Frist (§ 519 Abs. 2 S. 2 ZPO iVm. § 64
Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) ausreichend begründet worden.
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1. Die Berufung kann nach § 513 Abs. 1 ZPO nur darauf gestützt werden, dass das
angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder dass nach §
529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. §
520 Abs. 3 Satz 2 ZPO unterscheidet insoweit zwischen den Berufungsgründen und
bestimmt dafür jeweils unterschiedliche Mindestanforderungen an die
Rechtsmittelbegründung (BGH Beschl. v. 26.06.2003 - III ZB 71/02; BGH Beschl. v.
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29.05.2003 - XII ZB 165/02). § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und 3 ZPO sind auf das
Prüfungsprogramm des § 513 Abs. 1 ZPO iVm. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugeschnitten, §
520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ZPO auf das des § 513 Abs. 1 ZPO iVm. § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO,
§ 67 ArbGG (BGH Beschl. v. 29.05.2003 - XII ZB 165/02).
Zweck der gesetzlichen Regelung in § 520 Abs. 3 ZPO ist es, formale und nicht auf den
konkreten Streitfall bezogene Berufungsbegründungen auszuschließen, um dadurch auf
die Zusammenfassung und Beschleunigung des Verfahrens im zweiten Rechtszug
hinzuwirken; allein schon aus der Berufungsbegründung sollen Gericht und Gegner
erkennen können, welche Gesichtspunkte der Berufungskläger seiner Rechtsverfolgung
oder -verteidigung zugrunde legen, insbesondere welche tatsächlichen und rechtlichen
Erwägungen des erstinstanzlichen Urteils er bekämpfen und auf welche Gründe er sich
hierfür stützen will. Die Rechtsmittelbegründung muss - im Falle ihrer Berechtigung -
geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen. Es ist die auf den Streitfall
zugeschnittene Darlegung notwendig, in welchen Punkten und aus welchen
materiellrechtlichen oder verfahrensrechtlichen Gründen der Berufungskläger das
angefochtene Urteil für unrichtig hält. Die Berufungsbegründung erfordert aber weder
die ausdrückliche Benennung einer bestimmten Norm noch die Schlüssigkeit oder
jedenfalls Vertretbarkeit der erhobenen Rügen (BGH Beschl. v. 26.06.2003 - III ZB
71/02). Mit Rücksicht auf § 9 ArbGG sind besonders im Arbeitsgerichtsprozess hohe
Anforderungen an den Inhalt der Berufungsbegründung zu stellen (BAG Beschl. v.
06.04.1957 - 2 AZR 19/55; BAG Urt. v. 20.07.1971 - 1 AZR 314/70; BAG Urt. v.
11.03.1998 - 2 AZR 497/97). Es genügt, wenn die Berufungsbegründung erkennbar auf
bestimmte Einzelheiten des konkreten Streitstoffs eingeht und erkennen lässt, in
welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil unrichtig
sein soll; es genügt auch, wenn die Begründung zu erkennen gibt, dass nach
Auffassung des Berufungsklägers über eine von ihm unter Beweisantritt behauptete
Tatsache hätte Beweis erhoben werden müssen oder dass der Berufungskläger die
rechtliche Würdigung des erstinstanzlichen Urteils bekämpft; eine schlüssige, rechtlich
haltbare Begründung setzt § 520 Abs. 3 ZPO nicht voraus (BAG Urt. v. 01.07.1967 - 3
AZR 393/66; BAG Urt. v. 13.05.1987 - 5 AZR 370/86; BAG Urt. v. 09.10.1997 - 2 AZR
32/97). Die alleinige Verweisung auf erstinstanzliches Vorbringen reicht jedoch nicht
aus (BGH Beschl. v. 18.02.1981 - IVb ZB 505/81). Erforderlich ist eine
Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen (BAG Urt. v. 21.06.1958 - 2 AZR
15/58; BAG Urt. v. 20.07.1971 - 1 AZR 314/70; BAG Urt. v. 26.09.1991 - 2 AZR 62/91).
Der Berufungsführer muss konkret auf den Streitfall eingehen. Es reicht nicht aus, die
tatsächliche und rechtliche Würdigung durch den Erstrichter mit formelhaften
Wendungen zu rügen (BGH Urt. v. 09.03.1995 - IX ZR 142/94; BGH Urt. v. 20.02.1975 -
VI ZR 183/74; BGH Beschl. v. 22.11.1977 - IV ZB 29/77). Die Bezugnahme auf das -
vom Erstgericht angeblich nicht oder unrichtig gewürdigte - Vorbringen in der Klage oder
Klageerwiderung ist unzulässig (BGH Urt. v. 09.03.1995 - IX ZR 142/94; BGH Beschl. v.
18.02.1981 - IVb ZB 505/81; BGH Urt. v. 29.09.1993 - XII ZR 209/92). Die
Berufungsbegründung soll aus sich heraus verständlich sein, damit eine
Zusammenfassung und Beschleunigung des Rechtsstreits erreicht werden kann. Zwar
ist die Schlüssigkeit der Begründung nicht Voraussetzung der Zulässigkeit (BGH Urt. v.
09.03.1995 - IX ZR 142/94; BGH Urt. v. 08.10.1976 - V ZR 224/74). Es gibt jedoch
Grenzen. Wenn diese überschritten sind, kann nicht mehr von einer Begründung im
Sinne einer Urteilskritik gesprochen werden. Eine kurze, auf den konkreten Fall
bezogene Darlegung ist auch in einfachen Streitfällen unerlässlich (BGH Urt. v.
09.03.1995 - IX ZR 142/94).
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Bei einheitlichem Streitgegenstand muss der Berufungskläger dann, wenn das Gericht
seine Entscheidung auf mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende
rechtliche Erwägungen stützt, in der Berufungsbegründung für jede dieser Erwägungen
darlegen, warum sie nach seiner Auffassung die angegriffene Entscheidung nicht trägt;
anderenfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig (BGH Beschl. v. 25.01.1990 - IX
ZB 89/89; BGH Urt. v. 15.06.1993 - XI ZR 111/92; BGH Beschl. v. 10.01.1996 - IV ZB
29/95; BAG Urt. v. 11.03.1998 - 2 AZR 497/97). Hat das Arbeitsgericht über mehrere
selbstständige Ansprüche entschieden, so muss sich die Begründung mit jedem für
fehlerhaft gehaltenen Anspruch befassen (BAG Urt. v. 27.01.2004 - 1 AZR 105/03; BAG
Beschl. v. 06.12.1994 - 9 AZN 337/94; BAG Urt. v. 11.03.1998 - 2 AZR 497/97).
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1.1. Geht es um die (sachliche) Rüge eines Rechtsverstoßes, so verlangt § 520 Abs. 3
Satz 2 Nr. 2 ZPO (iVm. § 64 Abs. 6 ZPO) die Bezeichnung der Umstände, aus denen
sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung
ergibt. Die Vorschrift bleibt darin nur wenig hinter den Voraussetzungen einer
Revisionsbegründung nach § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a ZPO zurück, die dem
Revisionskläger zusätzlich lediglich die "bestimmte" Bezeichnung der Umstände, aus
denen sich die Rechtsverletzung ergibt, abverlangt. Wie dort ist deshalb die auf den
Streitfall zugeschnittene Darlegung notwendig, in welchen Punkten und aus welchen
materiellrechtlichen oder verfahrensrechtlichen Gründen der Berufungskläger das
angefochtene Urteil für unrichtig hält. Die Berufungsbegründung erfordert aber weder
die ausdrückliche Benennung einer bestimmten Norm noch die Schlüssigkeit oder
jedenfalls Vertretbarkeit der erhobenen Rügen (BGH Beschl. v. 26.06.2003 - III ZB
71/02).
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Gemäß § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO hat die Berufungsbegründung die Bezeichnung der
Umstände zu enthalten, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die
Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Da
die Berufungsbegründung erkennen lassen soll, aus welchen tatsächlichen und
rechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält, hat
dieser diejenigen Punkte rechtlicher Art darzulegen, die er als unzutreffend ansieht, und
dazu die Gründe anzugeben, aus denen er die Fehlerhaftigkeit jener Punkte und deren
Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung herleitet. Zur Darlegung der
Fehlerhaftigkeit ist somit lediglich die Mitteilung der Umstände erforderlich, die das
Urteil aus der Sicht des Berufungsklägers in Frage stellen. Besondere formale
Anforderungen werden nicht gestellt; für die Zulässigkeit der Berufung ist insbesondere
ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind
(BGH Beschl. v. 21.05.2003 - VIII ZB 133/02).
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Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet
worden ist (§ 546 ZPO). Insoweit reicht die Bezeichnung der Umstände aus, aus denen
sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung
ergibt. § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO soll die Darstellung von Rechtsverletzungen nicht
erschweren. Anders als im Revisionsrecht genügt es, wenn der Berufungsführer die
Umstände mitteilt, die aus seiner Sicht den Bestand des angefochtenen Urteils
gefährden (OLG München Beschl. v. 10.10.2002 - 19 U 3289/02). So wenig jedoch die
bloße Bezeichnung der angeblich verletzten Norm ausreicht (BGH Urt. v. 09.03.1995 -
IX ZR 142/94), so wenig genügt für eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung die
formelhafte Rüge, es sei eine bestimmte Vorschrift zu Unrecht nicht angewendet
worden. Macht der Berufungsführer dem Erstgericht zum Vorwurf, es habe die
Voraussetzungen einer Ausnahmevorschrift verkannt, darf er sich nicht damit begnügen,
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lediglich den Gesetzeswortlaut zu zitieren; es muss zumindest im Ansatz der Versuch
unternommen werden darzutun, dass im konkreten Fall Anlass bestanden hat, diese
Vorschrift zu prüfen (BGH Urt. v. 09.03.1995 - IX ZR 142/94).
1.2. Alternativ muss die Berufungsbegründung die Bezeichnung konkreter
Anhaltspunkte enthalten, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der
Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute
Feststellung gebieten (§ 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 ZPO). Da das Berufungsgericht an die
vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen grundsätzlich gebunden
ist (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), muss die Berufung, die den festgestellten Sachverhalt
angreifen will, eine Begründung dahin enthalten, warum die Bindung an die
festgestellten Tatsachen ausnahmsweise nicht bestehen soll (BGH Beschl. v.
28.05.2003 - XII ZB 165/02; BGH Urt. v. 12.03.2004 - V ZR 257/03). § 520 Abs. 3 Satz 2
Nr. 3 und 4 ZPO regeln diese Anforderungen näher. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3
ZPO muss der Berufungsführer konkrete Anhaltspunkte bezeichnen, die Zweifel an der
Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil
begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2
Nr. 4 ZPO muss er, wenn er neue Angriffs- und Verteidigungsmittel vorbringen will,
dartun, warum diese nach § 67 ArbGG zuzulassen sind. Ob die Verspätung tatsächlich
auf einer Nachlässigkeit des Beklagten beruht oder nicht (§ 67 Abs. 2 und 3 ZPO), ist
eine Frage der Begründetheit des Rechtsmittels (BGH Beschl. v. 28.05.2003 - XII ZB
165/02).
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2. Die Berufungsbegründung des Klägers genügt den genannten Anforderungen nicht,
soweit es um die Kündigungsschutzklage geht.
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2.1. Das Arbeitsgericht hat näher ausgeführt, die Kündigung verstoße nicht gegen
betriebsverfassungsrechtliche Vorschriften. Der Kläger setzt sich insoweit in der
Berufungsbegründung nicht mit der erstinstanzlichen Entscheidung auseinander. Es ist
nicht ersichtlich, welche durchgreifenden konkreten Einwendungen rechtlicher oder
tatsächlicher Art insoweit gegenüber der Entscheidung erhoben werden. Die
Berufungsbegründung lässt nicht erkennen, in welchen Punkten und aus welchen
materiell-rechtlichen, verfahrensrechtlichen oder die Tatsachenfeststellung betreffenden
Gründen der Kläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält.
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2.2. Das Arbeitsgericht hat ferner festgestellt, die Kündigung sei nicht nach § 1 Abs. 1
KSchG unwirksam. Auch hiermit setzt sich der Kläger nicht auseinander.
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2.3. Des weiteren hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Kündigung sei nicht nach §
613a Abs. 4 BGB unwirksam. Der Vortrag des Klägers genüge nicht für die Annahme
eines Betriebsübergangs oder eines Betriebsteilübergangs. Zudem sei nicht feststellbar,
dass die Kündigung nicht nur im Zusammenhang, sondern "wegen" des
Betriebsübergangs erklärt worden sei. Die Berufungsbegründung lässt für diesen
Gesichtspunkt ebenfalls nicht erkennen, in welchen Punkten und aus welchen materiell-
rechtlichen, verfahrensrechtlichen oder die Tatsachenfeststellung betreffenden Gründen
der Kläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Die Berufungsbegründung enthält
unter Nr. II. eine Darstellung des Sachverhalts aus Sicht des Klägers ohne Trennung
und Ausweisung bisherigen und ggf. neuen Vortrags. Unter Nr. III. wird die
Rechtsansicht vertreten, ein Betriebsübergang liege vor, jedoch ohne jede
Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung. Insoweit wird wiederum der
Sachverhalt aus Sicht des Klägers ohne Trennung und Ausweisung bisherigen und ggf.
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neuen Vortrags vorgetragen. Unter IV. wird sodann erneut - diesmal pauschal - die
Rechtsansicht vertreten, die Kündigung sei unwirksam.
Der Kläger hat keine konkreten Anhaltspunkte bezeichnet, die Zweifel an der Richtigkeit
oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung in dem angefochtenen Urteil begründen
und deshalb erneute Feststellungen gebieten. Hierzu ist er jedoch gemäß § 520 Abs. 3
Satz 2 Nr. 3 ZPO verpflichtet gewesen, weil auch im arbeitsgerichtlichen
Berufungsverfahren die vom Gericht erster Instanz verfahrensfehlerfrei festgestellten
Tatsachen für das Berufungsgericht bindend sind. Der Kläger hat weiterhin die
Voraussetzungen des § 67 Abs. 2 und 3 ArbGG für die Zulassung neuer Angriffsmittel
nicht dargelegt. Schließlich hat er nicht die Umstände bezeichnet, aus denen sich die
Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt (§
520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO).
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3. Die Berufungsbegründung des Klägers genügt den genannten Anforderungen auch
nicht, soweit es um die Forderungsfeststellungs- und um die Zahlungsklage geht.
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Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, die Klageforderungen seien erfüllt. Hiermit setzt sich
der Kläger in keiner Weise auseinander.
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Vielmehr beruft sich der Kläger - nach einer klarstellenden Äußerung im Termin zur
mündlichen Verhandlung vom 30.04.2008 - unter Nr. V. der Berufungsbegründung
hilfsweise auf einen bislang nicht geltend gemachten Anspruch auf Zahlung einer
tariflichen Jahressonderzahlung. Darin liegt eine Klageänderung in zweiter Instanz, die
eine zulässige Berufung voraussetzt (BGH 7. Mai 2003 - XII ZB 191/02). Hieran fehlt es
jedoch im Streitfall.
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II. Die Berufung ist auch unbegründet.
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1. Die Kündigung ist nicht nach § 1 Abs. 1 KSchG bzw. nach § 613a Abs. 4 BGB
unwirksam.
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1.1. Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen gehört die Stilllegung des
gesamten Betriebs durch den Arbeitgeber. Die bloße Einstellung der Produktion
bedeutet allerdings noch keine Betriebsstilllegung (BAG 12. Februar 1987 - 2 AZR
247/86). Unter Betriebsstilllegung ist vielmehr die Auflösung der zwischen Arbeitgeber
und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen,
die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der
Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt,
die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach
unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen. Der
Arbeitgeber muss endgültig entschlossen sein, den Betrieb stillzulegen (BAG 9. Februar
1994 - 2 AZR 666/93; BAG 10. Oktober 1996 - 2 AZR 477/95). Demgemäß ist von einer
Stilllegung auszugehen, wenn der Arbeitgeber seine Stilllegungsabsicht
unmissverständlich äußert, allen Arbeitnehmern kündigt, etwaige Mietverträge zum
nächstmöglichen Zeitpunkt auflöst, die Betriebsmittel, über die er verfügen kann,
veräußert und die Betriebstätigkeit vollständig einstellt (BAG 22. Mai 1997 - 8 AZR
101/96). Abgeschlossen ist die Stilllegung erst dann, wenn die Arbeitsverhältnisse der
Arbeitnehmer beendet sind (BAG 29. März 1977 - 1 AZR 46/75).
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Der Arbeitgeber ist jedoch nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der
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Stilllegung auszusprechen. Es kommt auch eine Kündigung wegen beabsichtigter
Stilllegung in Betracht. Wird die Kündigung auf die künftige Entwicklung der
betrieblichen Verhältnisse gestützt, so kann sie ausgesprochen werden, wenn die
betrieblichen Umstände greifbare Formen angenommen haben. Grundsätzlich brauchen
betriebliche Gründe noch nicht tatsächlich eingetreten zu sein, sondern es genügt, wenn
sie sich konkret und greifbar abzeichnen. Sie liegen dann vor, wenn im Zeitpunkt des
Ausspruchs der Kündigung aufgrund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen
Betrachtung davon auszugehen ist, zum Zeitpunkt des Kündigungstermins sei mit
einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen
Grundes gegeben (BAG 10. Oktober 1996 - 2 AZR 477/95; BAG 22. Mai 1997 - 8 AZR
101/96).
Eine Stilllegungsabsicht des Arbeitgebers liegt nicht vor, wenn dieser beabsichtigt,
seinen Betrieb zu veräußern. Die Veräußerung des Betriebs allein ist - wie sich aus der
Wertung des § 613 a BGB ergibt - keine Stilllegung, weil die Identität des Betriebs
gewahrt bleibt und lediglich ein Betriebsinhaberwechsel stattfindet ( BAG 9. Februar
1994 - 2 AZR 666/93). Betriebsveräußerung und Betriebsstilllegung schließen sich also
systematisch aus (BAG 12. Februar 1987 - 2 AZR 247/86). Dabei kommt es auf das
tatsächliche Vorliegen des Kündigungsgrundes und nicht auf die vom Arbeitgeber
gegebene Begründung an. Eine vom Arbeitgeber mit einer Stilllegungsabsicht
begründete Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn die geplante Maßnahme
sich als Betriebsstilllegung und nicht als Betriebsveräußerung darstellt, weil die für die
Fortführung des Betriebs wesentlichen Gegenstände einem Dritten überlassen werden
sollten, der Veräußerer diesen Vorgang aber rechtlich unzutreffend als
Betriebsstilllegung bewertet ( BAG 9. Februar 1994 - 2 AZR 666/93).
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Ist im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein Betriebsübergang geplant, so wirkt sich
dessen späteres Scheitern ebenso wenig auf den Kündigungsgrund aus wie eine
unerwartete spätere Betriebsfortführung, die einer vom Arbeitgeber endgültig geplanten
und schon eingeleiteten oder bereits durchgeführten Betriebsstilllegung nach Ausspruch
der Kündigung folgt. Zu prüfen ist also nur, ob der vorgetragene Kündigungsgrund einer
beabsichtigten Stilllegung die Kündigung sozial rechtfertigt (BAG 9. Februar 1994 - 2
AZR 666/93; BAG 19. Mai 1988 - 2 AZR 596/87).
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1.2. Das Berufungsgericht ist nach § 286 ZPO zu der sicheren Überzeugung gelangt,
dass der Beklagte bei Ausspruch der Kündigung entschlossen war, die betrieblichen
Aktivitäten des Betriebes der Insolvenzschuldnerin einzustellen, nicht mehr werbend am
Markt aufzutreten und die bestehende Arbeitsorganisation aufzulösen. Der Beklagte hat
nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung
bedingen. Die Stilllegungsabsicht ist eine innere Tatsache, die einer unmittelbaren
objektivierten Wahrnehmung nicht zugänglich ist. Äußere Begleitumstände und
tatsächliche Entwicklungen lassen aber Rückschlüsse darauf zu, ob die behauptete
Stilllegungsabsicht zutrifft (BAG 27.11.2003 - 2 AZR 48/03; BAG 21.06.2001 - 2 AZR
137/00). An der Stilllegungsabsicht bestehen im Streitfall keine vernünftigen Zweifel.
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Auszugehen ist dabei zunächst von der sowohl im Kündigungsschreiben als auch im
Prozess abgegebenen Erklärung des Beklagten, er habe als Insolvenzverwalter
beschlossen, den Geschäftsbetrieb einzustellen. Als Insolvenzverwalter übt der
Beklagte zwar kein öffentliches, sondern ein privates Amt aus (Uhlenbruck, InsO, 12.
Aufl., § 56 Rdnr. 66). Er steht aber unter der Aufsicht des Insolvenzgerichts, erhält
gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 InsO über seine Bestellung eine Urkunde und muss
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bestimmte persönliche Eignungsvoraussetzungen gemäß § 56 Abs. 1 InsO erfüllen.
Eine Bestellung als Insolvenzverwalter kommt nur in Betracht, wenn das
Insolvenzgericht Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Insolvenzverwalters hat
(MünchKommInsO-Graeber, § 56 Rdnr. 85; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 56 Rdnr. 16).
Gegenüber den Insolvenzgläubigern ist der Insolvenzverwalter verpflichtet, die
vorhandene Haftungsmasse zu erhalten und alle Maßnahmen zu treffen, die zur
Bewahrung und ordnungsgemäßen Verwaltung der Masse erforderlich sind
(Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 60 Rdnr. 16; MünchKommInsO-Brandes, §§ 60, 61 Rdnr.
15). Dazu gehört auch die pflichtgemäße Entscheidung, den Schuldnerbetrieb
stillzulegen oder fortzuführen. Bei Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten kann sich
der Insolvenzverwalter gemäß § 60 InsO schadensersatzpflichtig machen.
Dies rechtfertigt es, bereits der Erklärung des Beklagten, er habe eine
Stilllegungsentscheidung getroffen, ein gewisses Gewicht beizumessen (LAG Hamm
07. Juli 2004 - 2 Sa 175/04). Hinzu kommt Folgendes. Der Beklagte ist für die
Insolvenzschuldnerin nicht mehr werbend am Markt aufgetreten. Er hat gegenüber allen
Arbeitnehmern, die im ungekündigten Arbeitsverhältnis standen, die Kündigungen
erklärt. Eine ganze Anzahl von Arbeitnehmer sind von der Arbeitspflicht freigestellt
worden. Auf der Gläubigerversammlung hat der Beklagte von der
Stilllegungsentscheidung berichtet. Die Gläubigerversammlung hat diese Entscheidung
wiederholt. Ein Drittunternehmen wurde mit der Verwertung des Anlagevermögens
betraut. Der Verwertungsvorgang, wie er aus den Abrechnungen vom 02.04.2007 (Abl.
Bl. 109 - 114 GA) hervorgeht, ist unstreitig. Der Betrieb wurde tatsächlich geschlossen.
Die wirtschaftliche Notlage im Zeitpunkt der Stilllegungsentscheidung und die
Masseunzulänglichkeit sind zwischen den Parteien nicht streitig.
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Selbst wenn der Beklagte in der Zeit nach Ausspruch der Kündigung versucht hätte, den
Betrieb als Ganzes oder Betriebsteile davon doch noch zu veräußern, stünde dies der
Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen (BAG 16.05.2002 - 8 AZR 319/01; BAG
07.03.1996 - 2 AZR 298/95). Schon im Interesse der Gläubiger darf sich der
Insolvenzverwalter einer nachfolgenden Entwicklung nicht verschließen, falls sich die
Möglichkeit einer besseren Verwertung der Masse eröffnet. Im Falle einer zum Zeitpunkt
des Ausspruchs der Kündigung nicht vorhersehbaren anderen Entwicklung (z.B. neue
Aufträge, Angebot eines Betriebserwerbers) hätte eine etwaige Wiederaufnahme der
betrieblichen Tätigkeiten keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der ausgesprochenen
Kündigung gehabt (LAG Hamm 07. Juli 2004 - 2 Sa 175/04).
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1.3. Auf eine Kündigung wegen eines Betriebsübergangs deuten dagegen selbst nach
dem Vortrag des Klägers keine Tatsachen hin.
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1.3.1. Wegen eines Betriebsübergangs im Sinne dieser Norm wird eine Kündigung
dann ausgesprochen, wenn der Betriebsübergang die überwiegende Ursache der
Kündigung bildet. Der Betriebsübergang muss der Beweggrund für die Kündigung
gewesen sein (BAG 24. Mai 2005 - 8 AZR 333/04; BAG 12. November 1998 - 8 AZR
265/97). Dabei ist ausschließlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des
Wirksamwerdens der Kündigung, also bei Zugang der Kündigung, abzustellen. Damit
kann ein bevorstehender Betriebsübergang nur dann zur Unwirksamkeit der Kündigung
gemäß § 613a Abs. 4 BGB führen, wenn die den Betriebsübergang ausmachenden
Tatsachen im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits feststehen oder zumindest
greifbare Formen angenommen haben (BAG 24. Mai 2005 - 8 AZR 333/04; BAG 12.
November 1998 - 8 AZR 265/97).
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1.3.2. Im Streitfall sind von dem Kläger keine Tatsachen vorgetragen worden, die einen
Schluss darauf zulassen, dass der Beklagte im Zeitpunkt der Kündigung von einem
Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang ausging und dass er deswegen die
Kündigungen erklärte. Dahinstehen kann, ob Dritte wie die ehemalige Geschäftsführerin
der Insolvenzschuldnerin oder ein ehemaliger Subunternehmer der
Insolvenzschuldnerin auf einen Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang
hinarbeiteten.
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1.3.3. Der Vortrag des Klägers lässt nicht einmal erkennen, dass überhaupt die
Produktion der Insolvenzschuldnerin von einem Betriebsübergang oder
Betriebsteilübergang erfasst wurde.
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1.3.3.1. Ein Betriebs- oder Betriebsteilübergang nach § 613a Abs. 1 BGB setzt die
Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit voraus. Eine
wirtschaftliche Einheit besteht aus einer organisatorischen Gesamtheit von Personen
und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit
eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist, müssen
sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt
werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des
betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen
Betriebsmittel wie Gebäude oder bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva
im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der
etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und
nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen
Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen
Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren
Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln
ergeben. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je
nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- und Betriebsmethoden
unterschiedliches Gewicht zu (BAG 27.09.2007 - 8 AZR 941/06).
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In Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt,
kann auch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit
dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung der
Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue
Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach
Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger
gezielt für diese Tätigkeit eingesetzt hatte. Hingegen stellt die bloße Fortführung der
Tätigkeit durch einen anderen Auftragnehmer (Funktionsnachfolge) ebenso wenig einen
Betriebsübergang dar wie die reine Auftragsnachfolge (BAG 15. Februar 2007 - 8 AZR
431/06). Der bloße Verlust eines Auftrags an einen Mitbewerber stellt daher für sich
genommen auch keinen Übergang im Sinne der Betriebsübergangsrichtlinie dar (EuGH
11. März 1997 - C-13/95). In betriebsmittelgeprägten Betrieben kann ein
Betriebsübergang auch ohne Übernahme von Personal vorliegen (EuGH 20. November
2003 - C-340/01; BAG 22. Juli 2004 - 8 AZR 350/03). Der Umstand, dass die von dem
neuen Unternehmer übernommenen Betriebsmittel nicht seinem Vorgänger gehörten,
sondern vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt wurden, schließt den
Betriebsübergang nicht aus. Auch ist im Fall einer Auftragsneuvergabe die Überlassung
der Betriebsmittel zur eigenwirtschaftlichen Nutzung keine notwendige Voraussetzung
für die Feststellung eines Betriebsübergangs vom ursprünglichen Auftragnehmer auf
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den neuen Auftragnehmer (EuGH 15. Dezember 2005 - C-232/04 und C-233/04; BAG 6.
April 2006 - 8 AZR 222/04). Sächliche Betriebsmittel sind im Rahmen einer
Auftragsneuvergabe wesentlich, wenn bei wertender Betrachtungsweise ihr Einsatz den
eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs
ausmacht (BAG 15. Februar 2007 - 8 AZR 431/06; BAG 13. Juni 2006 - 8 AZR 271/05;
BAG 6. April 2006 - 8 AZR 222/04) und sie somit unverzichtbar zur auftragsgemäßen
Verrichtung der Tätigkeiten sind (BAG 15. Februar 2007 - 8 AZR 431/06).
Der Betriebsübergang tritt mit dem Wechsel in der Person des Inhabers des Betriebs
ein. Voraussetzung ist, dass der bisherige Inhaber seine wirtschaftliche Betätigung in
dem Betrieb einstellt und der Übernehmer die wirtschaftliche Einheit im Wesentlichen
unverändert fortführt. Wesentliches Kriterium für den Übergang ist die tatsächliche
Weiterführung oder Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit. Einer besonderen
Übertragung einer irgendwie gearteten Leitungsmacht bedarf es wegen des Merkmals
der Fortführung des Betriebs nicht (BAG 6. April 2006 - 8 AZR 222/04).
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Der Übergang eines Betriebsteils steht für dessen Arbeitnehmer dem Betriebsübergang
gleich. Auch bei dem Erwerb eines Betriebsteils ist es erforderlich, dass die
wirtschaftliche Einheit ihre Identität bewahrt. Betriebsteile sind Teileinheiten
(Teilorganisationen) des Betriebs. § 613a BGB setzt für den Betriebsteilübergang
voraus, dass die übernommenen Betriebsmittel bereits bei dem früheren
Betriebsinhaber die Qualität eines Betriebsteils hatten. Es reicht nicht aus, wenn der
Erwerber mit einzelnen bislang nicht teilbetrieblich organisierten Betriebsmitteln einen
Betrieb oder Betriebsteil gründet (BAG 22. Juli 2004 - 8 AZR 350/03). Überdies ist
erforderlich, dass der Erwerber gerade die wesentlichen Betriebsmittel des Teilbetriebs
oder bei betriebsmittelarmen Teilbetrieben wesentliche Teile des dem Teilbetrieb
zugeordneten Personals übernimmt (BAG 16. Februar 2006 - 8 AZR 211/05).
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1.3.3.2. Im Streitfall liegt kein Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang vor.
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Auszugehen ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon, dass es um den
angeblichen Übergang eines betriebsmittelgeprägten Betriebs geht. Im Hinblick auf
einen solchen Betrieb lässt der Vortrag des Klägers nicht den Schluss auf einen
Betriebsübergang bzw. Betriebsteilübergang zu.
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Die Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit ist nicht gewahrt. In der
Betriebsstätte der Insolvenzschuldnerin werden unstreitig die bisherigen betrieblichen
Tätigkeiten nicht fortgesetzt, und zwar weder im Vertrieb noch in der Produktion.
Gebäude und sonstige feste Einrichtungen wurden von der angeblichen
Betriebsübernehmerin nicht übernommen. Von der angeblichen Betriebsübernehmerin
wurden auch keine wesentlichen sächlichen Betriebsmittel übernommen. Die
beweglichen Güter der Insolvenzschuldnerin wurden frei verwertet. Die angebliche
Betriebsübernehmerin hat lediglich vereinzelt sächliche Betriebsmittel, nämlich einen
Posten Regale, Stühle und Tische, eine Kantenfräsmaschine, 2 Druckluftspanntische,
eine Lochfräse, einen Werkzeugwagen, ein PVC-Umreifungsgerät und einen Plotter
übernommen. Dass diese Güter zuvor bei der Insolvenzschuldnerin die Qualität eines
Betriebsteils hatten, hat der Kläger nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich. Ihr
Einsatz machte bei wertender Betrachtung nicht den Kern des zur Wertschöpfung
erforderlichen Funktionszusammenhanges aus.
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Selbst wenn von einem arbeitskraftgeprägten Betrieb ausgegangen wird, fehlt es an den
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Voraussetzungen eines Betriebsübergangs oder Betriebsteilübergangs. Die angebliche
Betriebsübernehmerin hat nicht die Hauptbelegschaft der Insolvenzschuldnerin
übernommen, sondern lediglich wenige Arbeitnehmer. Es deutet auch nichts darauf hin,
dass es sich insoweit wenigstens um die Hauptbelegschaft der ehemaligen Produktion
der Insolvenzschuldnerin handelt, also um einen nach Zahl oder Sachkunde prägenden
Teil der Belegschaft. Dass die übernommenen Mitarbeiter über besondere Sachkunde
verfügen oder für den Betrieb eine besondere Bedeutung hatten, ist vom Kläger nicht
ausreichend dargelegt, sondern nur pauschal behauptet worden. Der Kläger behauptet
insoweit, die angebliche Betriebsübernehmerin habe das "Know-how" für die
Produktion übernommen. Dieser Vortrag lässt jedoch nicht erkennen, worin dieses
"Know-how" bestanden haben soll, welche wirtschaftliche Bedeutung diesem "Know-
how" zukommen soll und weshalb es nicht bereits bei dem an der angeblichen
Betriebsübernehmerin beteiligten Subunternehmen vorhanden gewesen sein soll. Es
wird aus dem Vortrag des Klägers nicht einmal deutlich, ob denn die angebliche
Betriebsübernehmerin tatsächlich die Hauptproduktion der Insolvenzschuldnerin
weiterführt oder ob insoweit die Arbeiten von dem bisherigen Subunternehmen der
Insolvenzschuldnerin in Erweiterung von deren bisherigen Produktion erledigt werden.
Dass die frühere Geschäftsführerin der Insolvenzschuldnerin jetzt Geschäftsführerin der
angeblichen Betriebsübernehmerin ist, zieht keine Erhaltung der Identität nach sich
(BAG 26. Juli 2007 - 8 AZR 769/06; BAG 16. Februar 2006 - 8 AZR 211/05).
Allein die Übernahme des Kundenstamms der Insolvenzschuldnerin begründet keinen
Betriebsübergang, sondern lediglich eine Funktionsnachfolge.
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2. Die Kündigung ist nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Sofern ein
Übergangsmandat bei dem im Betrieb der Fa. K2 GmbH gewählten Betriebsrat bestand,
endete dies spätestens am 30.06.2005 (§ 21a Abs. 1 Satz 3 BetrVG). Der nachwirkende
Kündigungsschutz der ab dem 01.01.2005 von der Insolvenzschuldnerin
übernommenen Betriebsratsmitglieder endete spätestens am 31.12.2005.
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3. Die Kündigungen waren nicht nach § 17 Abs. 1 KSchG anzeigepflichtig. Die
Insolvenzschuldnerin beschäftigte in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer.
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4. Die Forderungsfeststellungsklage ist aus den vom Arbeitsgericht ausgeführten
Gründen unbegründet. Die Zahlungsklage ist unzulässig, weil die Forderung nicht
ausreichend beziffert worden ist (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Zudem ist die Leistungsklage
wegen der erklärten Masseunzulänglichkeit unzulässig (BAG 11. Dezember 2001 - 9
AZR 459/00).
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 S.1 ZPO iVm. § 97 ZPO.
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IV. Gründe, die Revision nach § 72 Abs.2 ArbGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Das
Berufungsgericht ist der aufgezeigten höchstrichterlichen Rechtsprechung gefolgt. Eine
entscheidungserhebliche Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.
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Ziemann
Hopmann
Steffen
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