Urteil des LAG Düsseldorf vom 14.12.2010

LArbG Düsseldorf (betriebsrat, anlage, betrieb, mitteilung, urabstimmung, veröffentlichung, gerichtliches verfahren, antrag, gewerkschaft, friedenspflicht)

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 17 TaBV 12/10
Datum:
14.12.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
17. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
17 TaBV 12/10
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Wesel, 4 BV 40/09
Schlagworte:
Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat
Normen:
§§ 74, 23 BetrVG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Verstöße des Betriebsrats gegen die Verpflichtungen gemäß § 74 Abs. 2
Satz 2 BetrVG begründen keinen Unterlassungsanspruch des
Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat (entsprechende Anwendung
der Grundsätze der Entscheidung des BAG , Beschluss vom 17.03.2010
- 7 ABR 95/08 - AP Nr. 12 zu § 74 BetrVG 1972).
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des
Arbeitsgerichts Wesel - Gerichtstag Moers - vom 02.12.2009 -
Aktenzeichen: - 4 BV 40/09 - teilweise abgeändert:
1. Es wird festgestellt, dass der Betriebsrat zu folgenden Handlungen
nicht berechtigt war:
a) Veröffentlichung der BR-aktuell Nr. 131 (Anlage AS 1 zur
Antragsschrift ) im Betrieb, d.h. die Mitteilung an die Belegschaft über die
Durchführung einer Urabstimmung bei c.* oder Mitteilung, der Betriebsrat
könne bei Fragen und Informationsbedarf zum Thema Urabstimmung
angesprochen werden;
b) Veröffentlichung der BR-aktuell Nr. 136 (Anlage AS III zur
Antragsschrift) im Betrieb, d.h. Danksagung an die Belegschaft wegen
deren Unterstützung des ver.di Streiks.
2. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird für die Antragstellerin und den
Betriebsrat zugelassen.
G R Ü N D E:
1
A.
2
Die Beteiligten streiten über Unterlassungsansprüche und die Feststellung der
Rechtswidrigkeit von Erklärungen des Betriebsrats.
3
Die Antragstellerin (im Folgenden: Arbeitgeberin) beschäftigt in der Zentrale in T. ca.
690 Mitarbeiter, von denen ca. 200 im Bereich der Logistik beschäftigt sind. Der
Beteiligte zu 2. ist der bei der Arbeitgeberin bestehende Betriebsrat. Die Beteiligten zu
3.-15. sind die Mitglieder des Betriebsrats.
4
Mit Schreiben vom 30.03.2009 kündigte die Arbeitgeberin die Betriebsvereinbarung Nr.
124 "Leistungsbezogener Umsatzgruppenprämie" mit Wirkung zum 30.06.2009. Der von
der Arbeitgeberin erstrebte Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung über eine
Leistungsprämie im Bereich Logistik wurde mit dem Betriebsrat streitig verhandelt und
inzwischen eine neue Betriebsvereinbarung abgeschlossen.
5
Die Arbeitgeberin ist tarifgebundenes Mitglied des Arbeitgeberverbandes Großhandel-
Außenhandel-Dienstleistungen Niederrhein e.V. Krefeld. Die Tarifvertragsparteien des
Groß- und Außenhandels befanden sich 2009 in einem Arbeitskampf über den
Abschluss eines neuen Entgelttarifvertrages für das Verbandsgebiet. Vom 09.-
11.07.2009 wurde die Arbeitgeberin als einziger Betrieb im gesamten Tarifgebiet
bestreikt.
6
Im Rundbrief "BR-Aktuell Nr. 131" vom 17.06.2009 (Bl. 340 d.A.), der am Folgetag an
diversen Stellen im Betrieb T. öffentlich ausgehängt und per E-Mail an Mitarbeiter des
Betriebes versandt wurde, berichtete der Betriebsrat über die bevorstehende
Urabstimmung der Gewerkschaft ver.di vom 26.06.2009 und beendete das Schreiben
mit:
7
"P.S.: Solltet Ihr noch Fragen und Informationsbedarf haben, ruft uns einfach an. Vieles
lässt sich so schnell klären".
8
Per E-Mail vom 29.06.2009 10.57 Uhr (Bl. 344 d.A.) berichtete der Betriebsrat allen
Belegschaftsmitglieder über das Ergebnis der gewerkschaftlichen Urabstimmung und
wies darauf hin, dass
9
"auf der heutigen Betriebsversammlung auch ein Vertreter von ver.di einen Part
übernehmen wird und es möglicherweise hierzu weitere Informationen geben könnte."
10
Im Rundbrief "BR-Aktuell Nr. 136" vom 14.07.2009 (Bl. 347 ff d.A.) ) schrieb der
Betriebsrat u.a:
11
"Zunächst einmal möchten wir Euch im Namen der Gewerkschaft ver.di über die rege
Teilnahme am Streik und der daraus resultierenden Unterstützung bei den
Tarifverhandlungen in der vergangenen Woche danken.
12
Nach Rücksprache mit unserem ver.di Betreuungssekretär N. Q. können wir Euch
folgende aktuelle Fakten liefern...
13
………….
14
………….
15
Allerdings konnte eine so rege Teilnahme, sowohl bei der Urabstimmung als auch bei
der eigentlichen Streikaktionen, nur erzielt werden, weil die Geschäftsführung es in den
letzten Wochen durch ihre Verhandlungsstrategie geschafft hat, die betroffenen
Kollegen so zu demotivieren und in die Ecke zu treiben, dass den betroffenen Kollegen
keine andere Möglichkeit blieb, sich selbst zu organisieren und ihren Unmut kundzutun."
16
Mit Schreiben vom 15.07.2009 (Bl. 349 ff d.A,) warf die Arbeitgeberin dem Betriebsrat
ein Verstoß gegen die Friedenspflicht im Zusammenhang mit dem Arbeitskampf vor und
verlangte die Unterlassung solcher Maßnahmen.
17
Mit Schreiben vom 17.07.2009 (Bl. 352 ff d. A.) brach der Betriebsrat die Verhandlungen
mit der Antragstellerin zu der Betriebsvereinbarung Nr. 124 ab.
18
Im Rundbrief "BR-Aktuell Nr. 137" vom 07.08. 2009 (Bl. 359 ff. d. A.) informierte der
Betriebsrat die Belegschaft u.a. über das Verfahren vor dem Arbeitsgericht und die
Vorwürfe der Arbeitgerberin gegen den Betriebsrat, den Streik aktiv zu unterstützen.
19
Am 13.08.2009 (Bl. 359 d.A.) berichtete die RP Online über die Beendigung der
Arbeitskampfmaßnahmen bei der Antragstellerin, dass aber Frieden im Hause c.* nicht
eingekehrt sei. Sie zitierte Herren T. von der Antragstellerin u.a. mit den Worten, "Die
Geschäftsführung habe "hinsichtlich des Verhaltens des Betriebsrats und seiner
Mitglieder ein gerichtliches Verfahren einleiten müssen." Wegen des weiteren Inhalts
wird auf die Mitteilung Bezug genommen (Bl. 359 d. A.).
20
Im Rundbrief "BR-Aktuell Nr. 138" vom 18.08.2009 (Bl. 360 ff d.A.) heißt es u.a.:
21
"Drohungen, Gerichtsverfahren, diffamierende Presse...und was kommt als Nächstes?
22
...
23
Statt dessen wird mal eben der Betriebsrat vor Gericht gezerrt. Grund: Angeblich soll der
Betriebsrat aktiv den Streik von ver.di unterstützt haben und per Gericht soll eine
zukünftige Unterlassung erzwungen werden. Zum einen sieht unsere Rechtsvertretung
keinen Verstoß, da wir lediglich unser Informationsrecht wahrgenommen haben…
24
...
25
Parallel dazu gibt Dr. T. Pressinformationen heraus, die keinesfalls positiv für die Marke
c.* sind, sondern lediglich das Ziel hatten, den Betriebsrat in der Öffentlichkeit zu
diffamieren.
26
….
27
In dem Rundbrief "BR-Aktuell" vom 01.06.2010 (Bl. 365 ff. d. A.) äußerte sich der
Betriebsrat zur Einstellung des spedbo-Fuhrparks u.a.:
28
"Wieder soll es langjährige Mitarbeiter mit bis zu 30 Jahren Betriebszugehörigkeit
treffen. Wo bleibt die soziale Verantwortung unserer Unternehmensleitung? Die Frage,
wo unsere Unternehmenskultur geblieben ist, verkneifen wir uns an dieser Stelle."
29
In dem Rundbrief "BR-Aktuell" vom 11.06.2010 (Bl. 366 ff. d.A.) äußert sich der
Betriebsrat ebenfalls kritisch zur Entscheidung über den Fuhrpark.
30
Mit den am 19.07.2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Anträgen begehrt die
Arbeitgeberin dem Betriebsrat und seinen Mitgliedern bestimmte Äußerungen und
Handlungen zu untersagen, hilfsweise festzustellen, dass bestimmte Handlungen
rechtswidrig sind.
31
Die Arbeitgeberin hat die Ansicht vertreten, dass der Betriebsrat und seine Mitglieder
durch die Veröffentlichungen gegen das Arbeitskampfverbot und gegen die
Friedenspflicht des § 74 BetrVG verstoßen hätten. Insofern könne von ihnen die
Unterlassung solcher Äußerungen aufgegeben werden. Zumindest seien die hilfsweise
gestellten Feststellungsanträge begründet. Eine Wiederholungsgefahr sei für jeden
zukünftigen Arbeitskampf gegeben. Sämtlichen Betriebsratsmitgliedern seien die
vorgetragenen Tatsachen bekannt und von ihnen gebilligt worden.
32
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
33
1. es dem Antragsgegner zu 1) sowie den Antragsgegnern zu 2) bis 14) in ihrer
jeweiligen Eigenschaft als Mitglied des Betriebsrats zu untersagen,
34
a) sich an Arbeitskampfmaßnahmen, die den Betrieb der Antragstellerin betreffen, zu
beteiligen, solche zu unterstützen und/oder zu solchen oder der Beteiligung oder
Unterstützung an solchen aufzurufen;
35
b) die Belegschaft der Antragstellerin - sei es mündlich oder schriftlich, per Aushang
oder Email - über einen gewerkschaftlich organisierten Arbeitskampf (Streik), der den
Betrieb der Antragstellerin betrifft, und/oder zum Zwecke der Vorbereitung eines solchen
zu informieren;
36
c) gewerkschaftlich organisierte Arbeitskampfmaßnahmen durch öffentlich gemachte
Äußerungen - sei es mündlich oder schriftlich, per Aushang oder Email - gegenüber der
Belegschaft der Antragstellerin zu kommentieren und/oder mit betriebspolitischen oder
betriebsverfassungsrechtlichen Interessen, insbesondere der Durchsetzung einer
Betriebsvereinbarung, in Zusammenhang zu bringen;
37
2. dem Antragsgegner zu 1) sowie den Antragsgegnern zu 2) bis 14) persönlich für
jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen den Antrag zu 1. die Verurteilung zu einem
Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 25.000,00 € anzudrohen;
38
3. im Falle des Obsiegens eine vollstreckbare Kurzausfertigung der Entscheidung (ohne
Tatbestand und Entscheidungsgründe) zu erteilen.
39
Hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 1) und 2) beantragen wir,
40
4. es dem Antragsgegner zu 1) sowie den Antragsgegnern zu 2) bis 14) in ihrer
jeweiligen Eigenschaft als Mitglied des Betriebsrats zu untersagen, sich an
gewerkschaftlich organisierten Streiks, die das Unternehmen der Antragstellerin
betreffen, aktiv zu beteiligen und/oder diese zu unterstützen, wenn dies in einer Weise
geschieht wie
41
a) in der Veröffentlichung der BR-aktuell Nr. 131 (Anlage AS 1 zur Antragsschrift) im
Betrieb, d.h. durch eine Mitteilung an die Belegschaft über die Durchführung einer
Urabstimmung bei c.* und/oder durch Mitteilung, der Betriebsrat könne bei Fragen und
Informationsbedarf zum Thema Urabstimmung angesprochen werden, und/oder
42
b) in der E-Mail vom 29. Juni 2009 an die Belegschaft (Anlage AS 2 zur Antragsschrift),
d.h. durch eine Mitteilung, ver.di habe in einer Urabstimmung die Streikbereitschaft bei
c.* abgefragt, durch Mitteilung des Abstimmungsergebnisses und/oder durch die
Ankündigung, dass ein ver.di Vertreter hierzu möglicherweise auf der
Betriebsversammlung weitere Informationen geben werde, und/oder
43
c) in der Betriebsversammlung vom 29. Juni 2009, bei der einem Vertreter der
Gewerkschaft ver.di durch den Betriebsrat die Gelegenheit gegeben wurde, über die
Urabstimmung bei c.* sowie geplante und unmittelbar bevorstehenden
Streikmaßnahmen bei c.* zu informieren, und/oder
44
d) in der Betriebsversammlung vom 29. Juni 2009, bei der die Betriebsratsvorsitzende
erklärt hat, der Betriebsrat werde auch künftig Streiks von ver.di unterstützen, und/oder
45
e) in der Veröffentlichung der BR-aktuell Nr. 136 (Anlage AS 3 zur Antragsschrift ) im
Betrieb, d.h. durch Danksagung an die Belegschaft wegen deren Unterstützung des
ver.di Streiks, durch Beurteilung der Tarifverhandlungen und/oder durch den Vorwurf an
die Geschäftsführung der Antragstellerin, diese habe durch ihre Verhandlungsstrategie
Kollegen in eine Lage gebracht, dass diesen keine andere Möglichkeit geblieben sei,
als sich zu organisieren und ihren Unmut kundzutun;
46
5. es dem Antragsgegner zu 1) sowie den Antragsgegnern zu 2) bis 14) in ihrer
jeweiligen Eigenschaft als Mitglied des Betriebsrats zu untersagen, den Betriebsfrieden
zu stören, wenn dies in einer Weise geschieht wie
47
a) in der Veröffentlichung der BR-aktuell Nr. 131 (Anlage AS 1 zur Antragsschrift ) im
Betrieb, d.h. durch eine Mitteilung an die Belegschaft über die Durchführung einer
Urabstimmung bei c.* und/oder durch Mitteilung, der Betriebsrat könne bei Fragen und
Informationsbedarf zum Thema Urabstimmung angesprochen werden, und/oder
48
b) in der E-Mail vom 29. Juni 2009 an die Belegschaft (Anlage AS 2 zur Antragsschrift),
d.h. durch eine Mitteilung, ver.di habe in einer Urabstimmung die Streikbereitschaft bei
c.* abgefragt, durch Mitteilung des Abstimmungsergebnisses und/oder durch die
Ankündigung, dass ein Vertreter der Gewerkschaft ver.di hierzu möglicherweise auf der
Betriebsversammlung weitere Informationen geben werde, und/oder
49
c) in der Betriebsversammlung vom 29. Juni 2009, bei der einem Vertreter der
Gewerkschaft ver.di durch den Betriebsrat die Gelegenheit gegeben wurde, über die
Urabstimmung bei c.* sowie geplante und unmittelbar bevorstehenden
Streikmaßnahmen bei c.* zu informieren, und/oder
50
d) in der Betriebsversammlung vom 29. Juni 2009, bei der die Betriebsratsvorsitzende
erklärt hat, der Betriebsrat werde auch künftig Streiks von ver.di unterstützen, und/oder
51
e) in der Veröffentlichung der BR-aktuell Nr. 136 (Anlage AS 3 zur Antragsschrift ) im
Betrieb, d.h. durch Danksagung an die Belegschaft wegen deren Unterstützung des
52
ver.di Streiks, durch Beurteilung der Tarifverhandlungen und/oder durch den Vorwurf, an
die Geschäftsführung der Antragstellerin, diese habe durch ihre Verhandlungsstrategie
Kollegen in eine Lage gebracht, dass diesen keine andere Möglichkeit geblieben sei,
als sich zu organisieren und ihren Unmut kundzutun, und/oder
f) in der Veröffentlichung des Betriebsrats vom 7. August 2009 (Anlage AS 1 zum
Schriftsatz der Antragstellerin vom 10. August 2009) und vom 18. August 2009 (Anlage
AS 1 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 19. August 2009), in der der Betriebsrat
gegenüber der Belegschaft über einen Reststreit mit der Antragstellerin berichtet hat,
und/oder
53
g) in der Veröffentlichung des Betriebsrats vom 18. August 2009 (Anlage AS 1 zum
Schriftsatz der Antragstellerin vom 19. August 2009), in der der Betriebsrat gegenüber
der Belegschaft behauptet hat, dass das Verfahren das Ziel habe, den Betriebsrat in der
Öffentlichkeit zu diffamieren und ihm zu schaden;
54
6. dem Antragsgegner zu 1) sowie den Antragsgegnern zu 2) bis 14) persönlich für
jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen den Antrag zu 5) und/oder 6) die Verurteilung zu
einem Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 25.000,00 € anzudrohen;
55
7. im Falle des Obsiegens eine vollstreckbare Kurzausfertigung der Entscheidung (ohne
Tatbestand und Entscheidungsgründe) zu erteilen.
56
Wiederum hilfsweise für den Fall eines Unterliegens mit den Anträgen zu 5) und/oder 6)
beantragen wir,
57
8. festzustellen, dass die nachfolgend bezeichneten Handlungen der Antragsgegner zu
1) und die Antragsgegner zu 2) bis 14) in ihrer jeweiligen Eigenschaft als Mitglied des
Betriebsrats rechtswidrig waren:
58
a) Veröffentlichung der BR-aktuell Nr. 131 (Anlage AS 1 zur Antragsschrift ) im Betrieb,
d.h. die Mitteilung an die Belegschaft über die Durchführung einer Urabstimmung bei c.*
oder Mitteilung, der Betriebsrat könne bei Fragen und Informationsbedarf zum Thema
Urabstimmung angesprochen werden;
59
b) E-Mail vom 29. Juni 2009 an die Belegschaft (Anlage AS 2 zur Antragsschrift), d.h.
die Mitteilung, ver.di habe in einer Urabstimmung die Streikbereitschaft bei c.* abgefragt,
die Mitteilung des Abstimmungsergebnisses und Ankündigung, dass ein ver.di Vertreter
hierzu möglicherweise auf der Betriebsversammlung weitere Informationen geben
werde;
60
c) Betriebsversammlung vom 29. Juni 2009, bei der einem Vertreter der Gewerkschaft
ver.di durch den Betriebsrat die Gelegenheit gegeben wurde, über die Urabstimmung
bei c.* sowie geplante und unmittelbar bevorstehenden Streikmaßnahmen bei c.* zu
informieren;
61
d) Betriebsversammlung vom 29. Juni 2009, bei der die Betriebsratsvorsitzende erklärt
hat, der Betriebsrat werde auch künftig Streiks von ver.di unterstützen;
62
e) Veröffentlichung der BR-aktuell Nr. 136 (Anlage AS 3 zur Antragsschrift ) im Betrieb,
d.h. Danksagung an die Belegschaft wegen deren Unterstützung des ver.di Streiks,
63
Beurteilung der Tarifverhandlungen, Vorwurf an die Geschäftsführung der
Antragstellerin, diese habe durch ihre Verhandlungsstrategie Kollegen in eine Lage
gebracht, dass diesen keine andere Möglichkeit geblieben sei, als sich zu organisieren
und ihren Unmut kundzutun;
f) Veröffentlichung des Betriebsrats vom 7. August 2009 (Anlage AS 1 zum Schriftsatz
der Antragstellerin vom 10. August 2009) und vom 18. August 2009 (Anlage AS 1 zum
Schriftsatz der Antragstellerin vom 19. August 2009), d.h. Bericht gegenüber der
Belegschaft über einen Rechtsststreit mit der Antragstellerin;
64
g) Veröffentlichung des Betriebsrats vom 18. August 2009 (Anlage AS 1 zum Schriftsatz
der Antragstellerin vom 19. August 2009), d.h. Behauptung gegenüber der Belegschaft,
das Verfahren habe das Ziel, den Betriebsrat in der Öffentlichkeit zu diffamieren und ihm
zu schaden.
65
Der Betriebsrat und die weiteren Beteiligen haben beantragt,
66
die Anträge zurückzuweisen.
67
Die Antragsgegner haben die Auffassung vertreten, dass der Antrag zu 1. als
Globalantrag zu unbestimmt und daher unzulässig sei. Im Übrigen bestehe keine
Wiederholungsgefahr. Für die Feststellungsanträge fehle das Rechtsschutzinteresse.
Der Betriebsrat sei bereit, einen Vergleich im Hinblick auf das Neutralitätsgebot zu
schließen und erkenne dies an.
68
Mit Beschluss vom 02.12.2009 hat das Arbeitsgericht die Anträge zurückgewiesen und
im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antrag zu 1. unbegründet sei. Der Betriebsrat
bewege sich mit der Unterrichtung der Belegschaft im Rahmen seiner Aufgabenstellung.
Es gehöre die sachliche Information und Unterrichtung der Belegschaft über den Stand
von Tarifverhandlungen zu den zulässigen tarifpolitischen Angelegenheiten, wie die
Unterrichtung über die Durchführung einer Urabstimmung und deren Stand. Dem
Betriebsrat dürfte zwar eine Verletzung der Neutralitätspflicht vorzuwerfen sein, soweit
er den Arbeitnehmern im Namen der Gewerkschaft dankt. Dem Unterlassungsantrag
fehle es jedoch an der erforderlichen Wiederholungsgefahr. Solche hätte zum Zeitpunkt
der letzten mündlichen Verhandlung nicht vorgelegen. Die Antragsgegner hätten bei
ihrer Anhörung im Kammertermin glaubhaft erklärt, dass sie sich demnächst an die sich
aus dem Betriebsverfassungsgesetz ergebende Neutralitätspflicht halten werden. Eine
Fortsetzung des gerügten Verhaltens nach dem Gütetermin am 14.08.2009 halte die
Arbeitgeberin dem Betriebsrat auch nicht mehr entgegen. Soweit eine
Wiederholungsgefahr aus einer Erklärung des Betriebsratsvorsitzenden vom 29.06.2009
hergeleitet werde, gehe dies dem gerichtlichen Termin voraus und widerlege nicht die
fehlende Wiederholungsgefahr. Zudem sei der Entgelttarifvertrag im Bereich Groß- und
Außenhandel Anfang November 2009 und die neue Betriebsvereinbarung über
leistungsbezogenes Entgelt im Bereich Logistik für den Betrieb der Arbeitgeberin
zustande gekommen, sodass die Sachverhalte abgeschlossen und weitere
Unterstützungsmaßnahmen für die Zukunft nicht zu erwarten seien. Auch im Hinblick auf
zukünftige Arbeitskämpfe bestehe keine Wiederholungsgefahr, da im Jahre 2010
turnusmäßig Betriebsratswahlen stattfänden. Ob bzw. wie sich der zukünftige
Betriebsrat, dessen Personenidentität nicht festgestellt werden könne, verhalte, könne
nicht vorausgesagt werden. Angesichts der Zurückweisung des Antrags zu 1. hätten
auch die Anträge zu 2. und 3. keinen Erfolg. Der Antrag zu 4. sei ebenfalls wegen
69
fehlender Wiederholungsgefahr unbegründet. Den Anträgen zu 6. und 7. habe nicht
stattgegeben können, da sie voraussetzten, dass die Arbeitgeberin mit dem Antrag zu 5.
obsiege. Dies sei nicht der Fall. Der Feststellungsantrag zu 8. sei wegen fehlendem
Feststellungsinteresse unzulässig. Es gelte der Vorrang der Leistungsklage vor der
Feststellungsklage. Der Feststellungsantrag sei praktisch wortgleich mit den
Unterlassungsanträgen.
Gegen den der Arbeitgeberin am 28.12.2009 zugestellten Beschluss hat sie mit dem am
27.01.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde
eingelegt und diese darin gleichzeitig begründet.
70
Die Arbeitgeberin hält die Unterlassungsanträge für zulässig. Die Anträge seien auch
begründet. Dem Betriebsrat und den Betriebsratsmitgliedern seien mehrfache Verstöße
gegen die parteipolitische Neutralitätspflicht und die Friedenspflicht vorzuwerfen. Der
Betriebsrat habe in der Mitteilung BR- aktuell 136 nicht nur über den Stand der
Tarifverhandlungen informiert sondern, sondern mit den weiteren Äußerungen den
Streik unterstützt. In der E-Mail vom 26.02.2009 habe sich der Betriebsrat als
Streikberater angeboten. Auch die Einberufung einer Betriebsversammlung zur
Unterstützung eines Streiks sei rechtswidrig. Es sei ihm auch untersagt
Arbeitskampfmaßnahmen zu kommentieren. Die Anträge könnten auch nicht wegen
fehlender Wiederholungsgefahr zurückgewiesen werden. Für eine
Wiederholungsgefahr bestehe bereits bei einem festgestellten Verstoß eine tatsächliche
Vermutung. Verstöße habe selbst das Arbeitsgericht festgestellt. Der Betriebsrat habe
es abgelehnt eine Unterlassungserklärung abzugeben. Der Betriebsrat sei auch nicht
berechtigt gewesen, über das Verfahren vor dem Arbeitsgericht in der Form zu
berichten, da dies mit einer Diffamierung des Arbeitgebers verbunden sei. Auch die
Feststellungsanträge seien zulässig und begründet. Die Antragstellerin habe ein
berechtigtes Interesse daran, dass gerichtlich die Klärung der Rechtswidrigkeit des
Verhaltens des Betriebsrats und seiner Mitglieder zur Wiederherstellung des
Betriebsfriedens und zur Rehabilitation der Arbeitgeberin vor der Belegschaft festgestellt
werde. Bei einer ablehnenden Entscheidung würde die Arbeitgeberin schutzlos gestellt.
Sie müsse verhindern können, dass der Betriebsrat in Zukunft gegen seine
Friedenspflicht verstoße. Der Abschluss des Tarifvertrages beseitige nicht die
Wiederholungsgefahr. Außerdem habe sich der Betriebsrat unzulässigerweise im
Zusammenhang mit den Umstrukturierungen des Fuhrparks an die Belegschaft
gewandt. Es handele sich um eine andere Gesellschaft für deren Arbeitnehmer der
Betriebsrat nicht zuständig sei.
71
Die Arbeitgeberin beantragt,
72
unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Wesel vom 02.12.2009 - 4 BV
40/09-
73
1. es dem Antragsgegner zu 1) sowie den Antragsgegnern zu 2) bis 14) in ihrer
jeweiligen Eigenschaft als Mitglied des Betriebsrats zu untersagen,
74
a) sich an Arbeitskampfmaßnahmen, die den Betrieb der Antragstellerin betreffen, zu
beteiligen, solche zu unterstützen und/oder zu solchen oder der Beteiligung oder
Unterstützung an solchen aufzurufen;
75
b) die Belegschaft der Antragstellerin - sei es mündlich oder schriftlich, per Aushang
76
oder Email - über einen gewerkschaftlich organisierten Arbeitskampf (Streik), der den
Betrieb der Antragstellerin betrifft, und/oder zum Zwecke der Vorbereitung eines solchen
zu informieren;
c) gewerkschaftlich organisierte Arbeitskampfmaßnahmen durch öffentlich gemachte
Äußerungen - sei es mündlich oder schriftlich, per Aushang oder Email - gegenüber der
Belegschaft der Antragstellerin zu kommentieren und/oder mit betriebspolitischen oder
betriebsverfassungsrechtlichen Interessen, insbesondere der Durchsetzung einer
Betriebsvereinbarung, in Zusammenhang zu bringen;
77
2. dem Antragsgegner zu 1) sowie den Antragsgegnern zu 2) bis 14) persönlich für
jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen den Antrag zu 1. die Verurteilung zu einem
Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 25.000,00 € anzudrohen;
78
3. im Falle des Obsiegens eine vollstreckbare Kurzausfertigung der Entscheidung (ohne
Tatbestand und Entscheidungsgründe) zu erteilen.
79
Hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 1.) und 2.) beantragen wir,
80
unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Wesel vom 02.12.2009 - 4 BV
40/09 -
81
4. es dem Antragsgegner zu 1) sowie den Antragsgegnern zu 2) bis 14) in ihrer
jeweiligen Eigenschaft als Mitglied des Betriebsrats zu untersagen, sich an
gewerkschaftlich organisierten Streiks, die das Unternehmen der Antragstellerin
betreffen, aktiv zu beteiligen und/oder diese zu unterstützen, wenn dies in einer Weise
geschieht wie
82
a) in der Veröffentlichung der BR-aktuell Nr. 131 (Anlage AS 1 zur Antragsschrift) im
Betrieb, d.h. durch eine Mitteilung an die Belegschaft über die Durchführung einer
Urabstimmung bei c.* und/oder durch Mitteilung, der Betriebsrat könne bei Fragen und
Informationsbedarf zum Thema Urabstimmung angesprochen werden, und/oder
83
b) in der E-Mail vom 29. Juni 2009 an die Belegschaft (Anlage AS 2 zur Antragsschrift),
d.h. durch eine Mitteilung, ver.di habe in einer Urabstimmung die Streikbereitschaft bei
c.* abgefragt, durch Mitteilung des Abstimmungsergebnisses und/oder durch die
Ankündigung, dass ein ver.di Vertreter hierzu möglicherweise auf der
Betriebsversammlung weitere Informationen geben werde, und/oder
84
c) in der Veröffentlichung der BR-aktuell Nr. 136 (Anlage AS 3 zur Antragsschrift ) im
Betrieb, d.h. durch Danksagung an die Belegschaft wegen deren Unterstützung des
ver.di Streiks, durch Beurteilung der Tarifverhandlungen und/oder durch den Vorwurf an
die Geschäftsführung der Antragstellerin, diese habe durch ihre Verhandlungsstrategie
Kollegen in eine Lage gebracht, dass diesen keine andere Möglichkeit geblieben sei,
als sich zu organisieren und ihren Unmut kundzutun;
85
5. es dem Antragsgegner zu 1) sowie den Antragsgegnern zu 2) bis 14) in ihrer
jeweiligen Eigenschaft als Mitglied des Betriebsrats zu untersagen, den Betriebsfrieden
zu stören, wenn dies in einer Weise geschieht wie
86
a) in der Veröffentlichung der BR-aktuell Nr. 131 (Anlage AS 1 zur Antragsschrift ) im
87
Betrieb, d.h. durch eine Mitteilung an die Belegschaft über die Durchführung einer
Urabstimmung bei c.* und/oder durch Mitteilung, der Betriebsrat könne bei Fragen und
Informationsbedarf zum Thema Urabstimmung angesprochen werden, und/oder
b) in der E-Mail vom 29. Juni 2009 an die Belegschaft (Anlage AS 2 zur Antragsschrift),
d.h. durch eine Mitteilung, ver.di habe in einer Urabstimmung die Streikbereitschaft bei
c.* abgefragt, durch Mitteilung des Abstimmungsergebnisses und/oder durch die
Ankündigung, dass ein Vertreter der Gewerkschaft ver.di hierzu möglicherweise auf der
Betriebsversammlung weitere Informationen geben werde, und/oder
88
c) in der Veröffentlichung der BR-aktuell Nr. 136 (Anlage AS 3 zur Antragsschrift ) im
Betrieb, d.h. durch Danksagung an die Belegschaft wegen deren Unterstützung des
ver.di Streiks, durch Beurteilung der Tarifverhandlungen und/oder durch den Vorwurf, an
die Geschäftsführung der Antragstellerin, diese habe durch ihre Verhandlungsstrategie
Kollegen in eine Lage gebracht, dass diesen keine andere Möglichkeit geblieben sei,
als sich zu organisieren und ihren Unmut kundzutun, und/oder
89
d) in der Veröffentlichung des Betriebsrats vom 7. August 2009 (Anlage AS 1 zum
Schriftsatz der Antragstellerin vom 10. August 2009) und vom 18. August 2009 (Anlage
AS 1 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 19. August 2009), in der der Betriebsrat
gegenüber der Belegschaft über einen Rechtsstreit mit der Antragstellerin berichtet hat,
und/oder
90
e) in der Veröffentlichung des Betriebsrats vom 18. August 2009 (Anlage AS 1 zum
Schriftsatz der Antragstellerin vom 19. August 2009), in der der Betriebsrat gegenüber
der Belegschaft behauptet hat, dass das Verfahren das Ziel habe, den Betriebsrat in der
Öffentlichkeit zu diffamieren und ihm zu schaden;
91
6. dem Antragsgegner zu 1) sowie den Antragsgegnern zu 2) bis 14) persönlich für
jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen den Antrag zu 5) und/oder 6) die Verurteilung zu
einem Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 25.000,00 € anzudrohen;
92
7. im Falle des Obsiegens eine vollstreckbare Kurzausfertigung der Entscheidung (ohne
Tatbestand und Entscheidungsgründe) zu erteilen.
93
Wiederum hilfsweise für den Fall eines Unterliegens mit den Anträgen zu 5.) und/oder
6.) beantragen wir,
94
unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Wesel vom 02.12.2009 - 4 BV
40/09 -
95
8. festzustellen, dass die nachfolgend bezeichneten Handlungen der Antragsgegner zu
1) und die Antragsgegner zu 2) bis 14) in ihrer jeweiligen Eigenschaft als Mitglied des
Betriebsrats rechtswidrig waren;
96
a) Veröffentlichung der BR-aktuell Nr. 131 (Anlage AS 1 zur Antragsschrift ) im Betrieb,
d.h. die Mitteilung an die Belegschaft über die Durchführung einer Urabstimmung bei c.*
oder Mitteilung, der Betriebsrat könne bei Fragen und Informationsbedarf zum Thema
Urabstimmung angesprochen werden;
97
b) E-Mail vom 29. Juni 2009 an die Belegschaft (Anlage AS 2 zur Antragsschrift), d.h.
98
die Mitteilung, ver.di habe in einer Urabstimmung die Streikbereitschaft bei c.* abgefragt,
die Mitteilung des Abstimmungsergebnisses und Ankündigung, dass ein ver.di Vertreter
hierzu möglicherweise auf der Betriebsversammlung weitere Informationen geben
werde;
c) Veröffentlichung der BR-aktuell Nr. 136 (Anlage AS 3 zur Antragsschrift ) im Betrieb,
d.h. Danksagung an die Belegschaft wegen deren Unterstützung des ver.di Streiks,
Beurteilung der Tarifverhandlungen, Vorwurf an die Geschäftsführung der
Antragstellerin, diese habe durch ihre Verhandlungsstrategie Kollegen in eine Lage
gebracht, dass diesen keine andere Möglichkeit geblieben sei, als sich zu organisieren
und ihren Unmut kundzutun;
99
d) Veröffentlichung des Betriebsrats vom 7. August 2009 (Anlage AS 1 zum Schriftsatz
der Antragstellerin vom 10. August 2009) und vom 18. August 2009 (Anlage AS 1 zum
Schriftsatz der Antragstellerin vom 19. August 2009), d.h. Bericht gegenüber der
Belegschaft über einen Reststreit mit der Antragstellerin;
100
e) Veröffentlichung des Betriebsrats vom 18. August 2009 (Anlage AS 1 zum Schriftsatz
der Antragstellerin vom 19. August 2009), d.h. Behauptung gegenüber der Belegschaft,
das Verfahren habe das Ziel, den Betriebsrat in der Öffentlichkeit zu diffamieren und ihm
zu schaden.
101
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102
9. es dem Antragsgegner zum 1) sowie den Antragsgegnern zu 2) bis 14) in ihrer
jeweiligen Eigenschaft als Mitglied des Betriebsrats zu untersagen, den Betriebsfrieden
und die Betriebsabläufe zu stören, wenn dies in einer Weise geschieht wie durch
Veröffentlichung der BR-aktuell "Fuhrpark vor dem Aus !" Vom 01.06.2010 (Anlage AS
7) und/oder durch Veröffentlichung der BR-aktuell "Fuhrpark vor dem Aus !(2)" vom
11.06.2010 (Anlage AS 8), wenn hierdurch
103
a) die Geschäftsleitung und/oder der Beirat die Antragstellerin die betriebsinterne
Vorgänge bei einem Drittunternehmen verantwortlich gemacht werden und/oder
104
b) der Geschäftsleitung und/oder dem Beirat aus diesem Grund jeglicher sozialer
Verantwortung und Unternehmenskultur abgesprochen wird und/oder
105
c) durch Aushang im Betrieb und/oder Versendung einer solchen unzulässigen
Äußerung der E-Mail an die dienstliche E-Mail Adressen der Belegschaft die
Betriebsabläufe gestört werden.
106
10. dem Antragsgegner zu 1) sowie den Antragsgegnern zu 2) bis 14) persönlich für
jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen den Antrag zu 5) und/oder 6) die Verurteilung zu
einem Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 25.000,00 € anzudrohen;
107
11. im Falle des Obsiegens eine vollstreckbare Kurzausfertigung der Entscheidung
(ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe) zu erteilen.
108
Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 9) beantragen wir,
109
12. festzustellen, dass die Antragsgegner durch Aushang im Betrieb und/oder
Versendung der BR-aktuell "Fuhrpark vor dem Aus !" Vom 01.06.2010 (Anlage AS 7)
und BR-aktuell "Fuhrpark vor dem Aus !(2)" vom 11.06.2010 (Anlage AS 8) per E-Mail
an die dienstlichen E-Mail-Adressen der Belegschaft gegen die
betriebsverfassungsrechtliche Friedenspflicht verstoßen und rechtswidrig in die
Betriebsabläufe eingegriffen zu haben.
110
Der Betriebsrat und die weiteren Beteiligen haben beantragt,
111
die Anträge zurückzuweisen.
112
Der Betriebsrat und die weiteren Beteiligten sind der Auffassung, dass keine
unzulässige Verbindung zwischen den Verhandlungen über eine Neufassung des
Prämiensystems und dem Streik herbeigeführt worden sei. Es hätten besondere
Umstände vorgelegen, die zu einer Verzögerung der Verhandlungen geführt hätten. Die
Äußerungen in der aktuellen Mitteilung BR-aktuell 136 sei eine Reaktion auf das
Schreiben des Arbeitgebers vom 13.07.2009. Der Betriebsrat habe über die aktuellen
Umstände informiert, genauso wie über die Einleitung des Gerichtsverfahrens gegen
den Betriebsrat. Mit der betriebsinternen Veröffentlichung vom 18.08.2009 BR- aktuell
Nr. 138 habe der Betriebsrat auf die Presseveröffentlichungen durch den Arbeitgeber
reagiert. Ein Rechtsschutzinteresse sei für die Unterlassungsanträge sei angesichts der
Erklärungen des Betriebsrats im Gütetermin nicht zu erkennen. Auch die Danksagung in
der Mitteilung habe der Betriebsrat nicht so eingeschätzt wie der Arbeitgeber. Es sei nur
um die Information der Belegschaft gegangen. Der Betriebsrat könne allein in dem
Schreiben vom 14.07.2009 über das Ziel hinaus geschossen sein. Soweit die
Arbeitgeberin in der Beschwerde den Antrag erweitert habe, werde dem nicht
zugestimmt. Unabhängig davon sei der Betriebsrat angesichts der jahrelangen
Zusammenarbeit der Mitarbeiter auch im Fuhrpark und der Tatsache, dass es sich um
ein zu c.*-Gruppe gehörendes Unternehmen handele, davon ausgegangen berechtigt zu
sein, den Sachverhalt darzustellen und auf die Maßnahmen zu reagieren. Nach der
neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestehe zudem kein Anspruch mehr
auf Unterlassung von Äußerungen und Handlungen des Betriebsrats und seiner
Mitglieder. Ein Rechtsschutzinteresse für alle Anträge sei nicht gegeben. Der Betriebsrat
habe mehrfach mitgeteilt, dass er sich in Zukunft bei Arbeitskämpfen neutral verhalten
werde. Im Übrigen sei der Arbeitskampf abgeschlossen, so dass keine
Wiederholungsgefahr bestehe. Dies gelte auch für die Äußerungen zur Ausgliederung
des Fuhrparks.
113
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten und deren Anlagen sowie den
sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
114
B.
115
I. Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist bezüglich der Anträge zu 1. - 8. zulässig. Sie ist
insoweit statthaft (§ 87 Abs. 1 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und
begründet worden (§§ 87 Abs. 2 S. 1,66 Abs. 1 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO). Bezüglich
der weiteren Anträge zu 9.-12. ist die Beschwerde unzulässig.
116
II. Die im Beschwerderechtszug gestellten Anträge zu 1. bis 8. sind zulässig. Der
Feststellungsantrag gegen den Betriebsrat zu 8. a) ist begründet und der
117
Feststellungsantrag gegen den Betriebsrat zu 8. c) teilweise begründet. Im Übrigen sind
die Anträge unbegründet.
1. Für die von der Arbeitgeberin gestellten Anträge ist das Beschlussverfahren gemäß
§§ 2a, 80 Abs. 1 ArbGG die zutreffende Verfahrensart. Zwischen den Beteiligten ist eine
betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit streitig. Sie streiten über die Rechte und
Pflichten des Betriebsrats sowie seiner Mitglieder aus dem Betriebsverfassungsgesetz
und zwar um Verstöße gegen die sich aus § 74 BetrVG ergebenden Pflichten u.a. die
Friedens- und Neutralitätspflicht.
118
2. Die Antragsbefugnis der Arbeitgeberin sowie die Beteiligung des Betriebsrats und der
Mitglieder des Betriebsrats ergeben sich aus §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG.
119
3. Die Untersagungsanträge der Arbeitgeberin zu 1., 4., 5. sind zulässig.
120
Die Beschwerdekammer folgt den Ausführungen des Arbeitsgerichts. Die Arbeitgeberin
will dem Betriebsrat und seinen Mitgliedern mit den Anträgen zu 1., 4., 5., untersagen,
sich in bestimmter Weise zu äußern. Mit dem beschriebenen Inhalt sind die Anträge
hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Für den Betriebsrat und
seine Mitglieder ist erkennbar, was von ihnen verlangt wird. Sie sollen sich jeglicher
Unterstützungshandlungen bei Arbeitskampfmaßnahmen und während laufender
Tarifverhandlungen enthalten, sowie die Arbeitgeberin in der Öffentlichkeit nicht in einer
bestimmten Weise kritisieren. Bei den Anträgen zu 2., 3., 6., 7. handelt es sich um
zulässige Folgeanträge.
121
4. Die Anträge zu 1., 4., 5. sind aber unbegründet.
122
a) Hinsichtlich dieser Anträge kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls durch welche
Äußerungen der Betriebsrat bzw. die Betriebsratsmitglieder gegen die in § 74 Abs. 2
Satz 2 BetrVG geregelte Friedenspflicht oder gegen das Neutralitätsgebot S. 1
verstoßen haben.
123
aa) Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG Beschluss vom
17.03.2010 - 7 ABR 95/08 - NZA 2010, 1133-1137) begründet die Verletzung des
parteipolitischen Neutralitätsgebots durch den Betriebsrat keinen
Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat. Das
Bundesarbeitsgericht hat hierzu ausgeführt, dass die Vorschrift zwar die Verpflichtung
der Betriebsparteien zur parteipolitischen Neutralität enthalte, aber weder bestimme,
dass bei Verstößen gegen diese Verpflichtung Unterlassung verlangt werden könne,
noch lasse sich der Regelung entnehmen, wer Inhaber des Unterlassungsanspruch sein
könnte. Damit unterscheide sich die Vorschrift von anderen Bestimmungen die
Unterlassungsansprüche normierten wie z.B.
124
§ 862 Abs. 1 BGB oder § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB und hierzu den Anspruchsinhaber
ausdrücklich nennen. Aus § 74 Abs. 2 S. 3 BetrVG ergebe sich seinem Wortlaut nach
keine Aktivlegitimation einer Person oder Stelle, die berechtigt wäre, das Verbot
parteipolitische Betätigung im Betrieb gerichtlich durchzusetzen. Gegen einen Anspruch
spreche vor allem der systematische Gesamtzusammenhang und die Konzeption, die §
23 BetrVG für die "Verletzung gesetzlicher Pflichten" durch die Betriebsparteien
vorsieht. § 23 Abs. 3 BetrVG normiere bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen
betriebsverfassungsrechtliche Pflichten einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats
125
und der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften. Dagegen regele die Vorschrift einen
entsprechenden Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers bei groben
Pflichtverletzungen durch den Betriebsrat gerade nicht. Derartige Pflichtverletzungen
begründeten vielmehr nach § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG u.a. für den Arbeitgeber das Recht,
die Auflösung des Betriebsrats zu beantragen. Die bei Pflichtverletzungen der beiden
Betriebsparteien verschiedenen Rechtsfolgen entsprächen den unterschiedlichen
rechtlichen Eigenschaften von Arbeitgeber und Betriebsrat. Die für den Betriebsrat in §
23 Abs. 3 S. 1 BetrVG vorgesehene Auflösung - mit anschließender Neuwahl - komme
für den Arbeitgeber nicht in Betracht. Demgegenüber sei der in § 23 Abs. 3 S. 1 BetrVG
normierte Unterlassungsanspruch des Betriebsrats verbunden mit der in § 23 Abs. 3 S. 2
- 5 BetrVG geregelten Vollstreckung die sachgerechte Lösung. Dagegen ergebe ein
gegen den Betriebsrat gerichteter Unterlassungsanspruch auch vollstreckungsrechtlich
keinen Sinn. Da der Betriebsrat vermögenslos sei, komme ihm gegenüber eine
Androhung, Festsetzung und Vollstreckung von Ordnungsgeld nicht in Betracht. Das
Gesetzeskonzept des § 23 BetrVG sehe deshalb einen Unterlassungsanspruch des
Arbeitgebers gegen den Betriebsrat nicht vor. Anders als ein Unterlassungsanspruch
des Arbeitgebers entspreche der - weitere - Unterlassungsanspruch des Betriebsrats
dem strukturellen Konzept des § 23 BetrVG. Sinn und Zweck des §§ 74 Abs. 2 S. 3
BetrVG gebiete auch keinen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den
Betriebsrat. Die Einhaltung des parteipolitischen Neutralitätsgebots würde durch den
Betriebsrat durch einen Unterlassungsanspruch nicht gewährleistet, da ein
Unterlassungstitel gegen dessen Vermögenslosigkeit nicht vollstreckbar wäre. Die
Rechte des Arbeitgebers würden hierdurch nicht verkürzt. Bei groben Verstößen des
Betriebsrats gegen seine Pflichten zur parteipolitischen Neutralität könne der
Arbeitgeber gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG dessen Auflösung beantragen. Im Übrigen
habe er bei Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit einer bestimmten Betätigung des
Betriebsrats die Möglichkeit, deren Zulässigkeit unter den Voraussetzungen des § 256
Abs. 1 ZPO im Wege eines Feststellungsantrags klären zu lassen.
bb) Dieser Rechtsprechung folgt die Beschwerdekammer. Im vorliegenden Fall geht es
zwar nicht in erster Linie um eine parteipolitische Betätigung des Betriebsrats sondern
um Verstöße gegen die Friedenspflicht bzw. gegen das Neutralitätsgebot im
Arbeitskampf gemäß § 74 Abs. 2 S. 1, 2 BetrVG. Diese Rechtsprechung ist aber nach
Auffassung der Beschwerdekammer auch hier anzuwenden. Angesichts des vom
Bundesarbeitsgericht dargestellten strukturellen Konzepts des § 23 Abs. 3 BetrVG, das
nur Unterlassungsansprüche des Betriebsrats bzw. der im Betrieb vertretenen
Gewerkschaft bei Verstößen des Arbeitgebers gegen das Betriebsverfassungsgesetz
vorsieht, ergeben sich keine ausreichenden Umstände, für den vorliegenden Fall davon
abzuweichen. Die gesetzliche Formulierung in § 74 Abs. 2 BetrVG unterscheidet
insoweit nicht. Sie gibt den Betriebspartnern in Satz 2 gleichermaßen auf, Maßnahmen,
die den Arbeitsablauf und den Betriebsfrieden beeinträchtigen bzw. die parteipolitische
Betätigung, zu unterlassen. In Satz 1 ist aufgeführt, dass Arbeitkampfmaßnahmen
unzulässig sind. Die Einhaltung des Neutralitätsgebots und der Friedenspflicht würde
auch durch den Betriebsrat durch einen Unterlassungsanspruch nicht gewährleistet, da
ein Unterlassungstitel wegen dessen Vermögenslosigkeit nicht vollstreckbar wäre.
126
Nach alledem sind die Anträge gegen den Betriebsrat unbegründet, da dem Betriebsrat
untersagt werden soll, die Gewerkschaft durch Veröffentlichungen im Zusammenhang
mit den Arbeitskampfmaßnahmen über den Abschluss eines neuen Entgelttarifvertrags
zu unterstützen, Kampfmaßnahmen zu kommentieren, solche Maßnahmen mit
Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung in Verbindung zu bringen und sich in
127
der in den Anträgen zu. 4., und 5. ) aufgeführten Weise kritisch gegenüber dem
Arbeitgeber zu äußern.
b) Die Unterlassungsanträge gegen die einzelnen Betriebsratsmitglieder sind ebenfalls
unbegründet. Die Ansprüche scheiden nach Auffassung der Beschwerdekammer schon
deswegen aus, weil nicht die Zulässigkeit von Veröffentlichungen der einzelnen
Betriebsratsmitglieder im Streit ist, sondern die des Betriebsrats. Dass sich nach dem
Vortrag des Arbeitgebers die einzelnen Betriebsratsmitglieder nicht von den
Veröffentlichungen des Betriebsrats distanziert haben, führt nicht zu einer anderen
Beurteilung. Es verbleibt bei einer Veröffentlichung des Betriebsrats. Der Betriebsrat
entscheidet über sein Verhalten soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt nach dem
Mehrheitsprinzip (§ 33 BetrVG). Die Veröffentlichung ist damit allein dem Gremium
(Betriebsrat) zuzurechnen.
128
Angesichts der obigen Ausführungen kam es nicht mehr darauf an, ob die vom
Bundesarbeitsgericht (a.a.O.) entwickelten Grundsätze auch für die Beurteilung von
Unterlassungsanträgen gegen Veröffentlichungen einzelner Mitglieder des Betriebsrats
anzuwenden sind.
129
5. Aufgrund der unbegründeten Unterlassungsanträge hatten die Anträge zu 2., und 6.
keinen Erfolg. Die Anträge zu 3. und 7., fielen nicht zur Entscheidung an, da sie nur für
den Fall des Obsiegens gestellt wurden.
130
6. Die hilfsweise gestellten Feststellungsanträge zu 8. sind zulässig und hatten teilweise
Erfolg.
131
a) Die Feststellungsanträge sind zulässig.
132
aa) Dem steht nicht entgegen, dass es um die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines in
der Vergangenheit liegenden Verhaltens geht. Nach dem auch im arbeitsgerichtlichen
Beschlussverfahren anwendbaren § 256 Abs. 1 ZPO ist ein Feststellungsantrag zwar
nur zulässig, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse daran hat, dass das
Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses alsbald durch gerichtliche
Entscheidung festgestellt wird (BAG Beschluss vom 03.05.2006 - 1 ABR 63/04 - AP
ArbGG 1979 § 81 Nr. 61). Erforderlich ist grundsätzlich, dass es sich um ein
gegenwärtiges Rechtsverhältnis handelt. Die Beantwortung der Frage darf nicht auf die
Erstellung eines bloßen Rechtsgutachtens hinauslaufen. Ein auf die Feststellung eines
vergangenen Rechtsverhältnisses gerichteter Antrag ist damit nur zulässig, wenn sich
aus der Entscheidung noch Rechtsfolgen für die Zukunft ergeben (BAG Beschluss vom
28.04.2009 -1 ABR 7/08 - AP Nr. 99 zu § 77 BetrVG 1972; BAG Beschluss vom
03.05.2006 - 1 ABR 15/05 - AP Nr. 29 zu § 50 BetrVG 1972).
133
bb) Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Arbeitskampf, den die Gewerkschaft im
Betrieb der Arbeitgeberin geführt hat und der Anlass für die Veröffentlichung des
Betriebsrats war, ist zwar abgeschlossen. Tarifliche Auseinandersetzungen, die den
Betrieb betreffen, können aber auch für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden. Da
sich der Betriebsrat berechtigt sieht, entsprechende Erklärungen abzugeben, ist nicht
auszuschließen, dass er sich in Zukunft in gleicher Weise betätigen wird. Dies gilt auch
für die Frage, ob und in welcher Form die Belegschaft über gerichtliche
Auseinandersetzungen zwischen den Betriebsparteien durch den Betriebsrat informiert
werden kann.
134
b) Der Antrag zu 8. a) ist in vollem Umfang und der Antrag zu 8. c) teilweise begründet,
soweit er sich gegen den Betriebsrat richtet.
135
Der Betriebsrat verstößt nach Auffassung der Beschwerdekammer mit den im Antrag
bezeichnen Äußerungen in BR-aktuell Nr. 131 vom 17.06.2006 und der Danksagung an
die Belegschaft wegen der Unterstützung des Streiks in
136
BR -aktuell Nr. 136 vom 14.07.2009 gegen die Friedenspflicht und das
Neutralitätsgebot.
137
aa) Der Betriebsrat hat sich als Organ jeder Tätigkeit im Arbeitskampf zu enthalten. Er
darf insbesondere keinen Streik unterstützen oder die Belegschaft auffordern, sich an
einem gewerkschaftlich organisierten Streik zu beteiligen (BAG Urteil vom 23.12.1980
AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 71; LAG Hamm Beschluss vom 31.05.2006 - 10 TaBV
204/05 - juris.de; Fitting 23. Aufl. § 74 Rd. 14 m.w.N.). Ebensowenig gehört es zu den
gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats als Organ, Gewerkschaftswerbung zu betreiben
(BVerfG, Beschluss vom 15.11.1995 - AP GG Art. 9 Nr. 80; LAG Hamm a.a.O.; Fitting
a.a.O. Rd. 70). Der Betriebsrat bewegt sich dagegen in seiner Aufgabenstellung, wenn
er die Belegschaft über tarifliche Auseinandersetzungen, die den von ihm
repräsentierten Betrieb betreffen, unterrichtet. Dies ergibt sich bereits aus § 74 Abs. 2 S.
3 BetrVG, wonach die Behandlung von Angelegenheiten tarifpolitische Art, die den
Betrieb oder seine Arbeitnehmer unmittelbar betreffen, durch den Betriebsrat nicht
erlaubt ist. Die sachliche Information und Unterrichtung der Belegschaft über den Stand
von Tarifverhandlungen gehört dagegen zu den zulässigen tarifpolitischen
Angelegenheiten (LAG Hamm a.a.O. Erfurter/Komm/Kania 11. Aufl. § 74 BetrVG Rn 29-
33 m.w.N.).
138
bb) Dies hat der Betriebsrat nicht beachtet. In BR-aktuell Nr. 131 vom 14.07.2009 wird
die Belegschaft zunächst über die bevorstehende Urabstimmung informiert und
anschließend angeboten, Informationsbedarf zu erfüllen, Darin es heißt es weiter, "PS.:
Solltet ihr noch Fragen und Informationsbedarf haben, ruft uns einfach an. Vieles läßt
sich so schnell erklären".
139
Dies kann nach der Auffassung der Beschwerdekammer nur dahingehend verstanden
werden, dass der Betriebsrat die Gewerkschaft bei der konkreten Vorbereitung zur der
Urabstimmung unterstützt.
140
BR-aktuell Nr. 136 vom 14.07.2009 enthält die Danksagung an die Belegschaft für die
Teilnahme am Streik und für die Unterstützung bei den Tarifverhandlungen. Auch
daraus ergibt sich eine eindeutige Parteinahme und Unterstützung für die Gewerkschaft,
die den Arbeitskampf geführt hat. Damit hat der Betriebsrat gegen die ihm obliegende
Friedenspflicht und Neutralitätspflicht gemäß § 74 Abs. 2 S 1. und S. BetrVG verstoßen.
141
cc) Der weitergehende Antrag zu 8 c) ist unbegründet. Die Erklärungen sind zulässig.
142
Der Betriebsrat informiert die Belegschaft zunächst über das aktuelle Angebot des
Arbeitgeberverbandes im Rahmen der Tarifverhandlungen. Wie ausgeführt ist die
Information über den aktuellen Stand der Verhandlungen, wozu auch die Angebote der
einzelnen Tarifpartner gehören, zulässig. Soweit der Betriebsrat anschließend das
Arbeitgeberangebot bewertet, kann darin kein Verstoß gegen die Friedenspflicht
143
gesehen werden. Das Angebot betrifft unmittelbar die Belegschaftsmitglieder. Soweit
darauf hingewiesen wird, dass anhand des Arbeitgeberangebotes nicht von
geringfügigen Differenzen die Rede sein kann, ergibt sich keine andere Beurteilung.
Wenn noch Differenzen zwischen den Tarifpartnern bestanden, kann der Betriebsrat
auch darauf hinweisen. Dass dies nicht der Fall war, hat die Arbeitgeberin nicht
behauptet.
Ein Verstoß gegen die Friedenspflicht kann auch nicht darin gesehen werden, dass der
Betriebsrat der Geschäftsführung vorgeworfen hat, durch seine Verhandlungsstrategie
betroffene Kollegen "so demotiviert und in die Ecke getrieben zu haben, dass ihnen
keine Möglichkeit bot, sich zu organisieren und ihren Unmut kundzutun". Die Information
ist eine Reaktion auf einen offenen Brief von Herrn I. von der Arbeitgeberin, der
gegenüber der Belegschaft die beabsichtigten Arbeitskampfmaßnahmen der
Gewerkschaft rügt. Mit seinen Äußerungen gibt der Betriebsrat aus seiner subjektiven
Sicht lediglich die Stimmung und die Hintergründe von Belegschaftsmitgliedern
bewertend wieder, die sich organisiert haben. Der darin enthaltene Angriff gegen den
Arbeitgeber überschreitet nicht die zulässigen Grenzen. Dies ist von der auch für
Werkszeitungen geltenden Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) gedeckt (BVerfG
08.10.1996 AP Nr. 3 zu Art. 5 Abs. 1 GG Pressefreiheit; LAG Schleswig-Holstein
Beschluss vom 01.04.2009 - 3 TaBVGa 2/09 - juris.de).
144
Der Hinweis auf eine Störung des Betriebsablaufs dadurch, dass die Mitarbeiter die BR-
aktuell lesen, führt auch nicht weiter. Wenn der Betriebsrat in zulässiger Weise
informiert, müssen die Belegschaftsmitglieder auch die Möglichkeit haben, sich über
den Inhalt zu informieren. Unabhängig davon ist auch eine konkrete Störung des
Betriebsablaufs insoweit nicht dargetan.
145
c) Die Beschwerde hatte auch bezüglich der Feststellungsanträge zu 8. b), d) und e)
keinen Erfolg.
146
aa) Die kritisierte Mitteilung in der E-Mail vom 29.06.2009 (Antrag zu b)) an die
Belegschaft ist nicht rechtswidrig. Darin kann kein Verstoß gegen die Friedenspflicht
insbesondere die Unterstützung des Arbeitskampfes der Gewerkschaft gesehen
werden. Der Betriebsrat gibt nur das Ergebnis der Abstimmung wieder. Dass die
Angaben nicht stimmen, hat die Arbeitgeberseite nicht behauptet. Auch die
Ankündigung, dass ein Vertreter von ver.di in der Betriebsversammlung sprechen und
hierzu weitere Informationen geben wird, kann dem Betriebsrat nicht vorgeworfen
werden. Die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften haben gemäß § 46 BetrVG ein
Teilnahmerecht an einer Betriebsversammlung. (Fitting 23 Aufl. § 46 BetrVG Rn.5).
Insofern kann auch vorab auf die Anwesenheit eines Vertreters der Gewerkschaft
hingewiesen werden. Die Friedenspflicht gilt zwar auch für die Durchführung der
Betriebsversammlung, so dass Maßnahmen des Arbeitskampfes nicht Gegenstand der
Erörterung oder von Beschlüssen der Betriebsversammlung sein können (Fitting a.a.O.
BetrVG § 45 Rd. 23; Richardi/Annuß BetrVG 9. Aufl. § 45 Rd. 12). Dass aber dem
Gewerkschaftsvertreter ein Forum gegeben werden soll, Maßnahmen des
bevorstehenden Arbeitskampfes zu erörtern, ergibt sich daraus noch nicht. Insofern war
es angezeigt, abzuwarten, wie sich die Betriebsversammlung gestaltet. Dass die
Betriebsratsversammlung den Rahmen überschritten hat, ist zudem nicht dargelegt. Die
ursprünglichen Anträge zu 4., 5., 8. jeweils c) und d), die den Inhalt der
Betriebsversammlung und Äußerungen der Betriebsratsvorsitzenden in der
Betriebsversammlung betrafen, wurden zurückgenommen.
147
bb) Die Veröffentlichung des Betriebsrates vom 07.08.2009 (Antrag zu d)), in der über
einen Rechtsstreit mit der Arbeitgeberin berichtet wird, ist ebenfalls nicht rechtswidrig.
Die Friedenspflicht soll einen ungestörten Arbeitsablauf sicherstellen. Es geht um das
störungsfreie Zusammenleben sowohl zwischen dem Arbeitgeber und Betriebsrat
einerseits sowie den Arbeitnehmern des Betriebes andererseits als auch den
Arbeitnehmern untereinander (Fitting a.a.O.
148
§ 74 Rd. 31). Die Betriebspartner streiten über die Zulässigkeit einzelner
Veröffentlichungen des Betriebsrats. Die Arbeitgeberin hat das vorliegende Verfahren
eingeleitet. Es kann dahinstehen, ob die Presseerklärung der Arbeitgeberin vom
13.08.2009 eine bloße Reaktion auf eine vorherige Drohung der Gewerkschaft war, die
Auseinandersetzung mit dem Betriebsrat über die Einhaltung der Friedenspflicht zu
veröffentlichen. Die Belegschaftsmitglieder haben ein Interesse daran, darüber
informiert zu werden, ob und welche Auseinandersetzungen zwischen der Arbeitgeberin
und dem von ihnen gewählten Betriebsrat bestehen und wie sie geführt werden. Dazu
gehört auch, auf die eigenen Rechtsposition hinzuweisen und eine Bewertung
vorzunehmen.
149
cc) Das Schreiben des Betriebsrats vom 18.08.2009 (Antrag zu e)) verstößt ebenfalls
nicht gegen § 74 Abs. 2 BetrVG. Es ist eine Reaktion auf die Presseinformation der
Arbeitgeberin vom 13.08.2009. Die Arbeitgeberin weist selbst darauf hin, "dass im
Hause kein Frieden eingetreten sei,…das Verhältnis zum Betriebsrat trotz Abschluss
der Gespräche und Betriebsvereinbarungen problematisch sei… und dass die
Geschäftsführung hinsichtlich des Verhaltens des Betriebsrats und seiner Mitglieder ein
gerichtliches Verfahren habe einleiten müssen". Bei dem Streit gehe es u.a. darum,
dass über das interne c.* Mailsystem zwei Mails mit Informationen zum Streik verschickt
worden sind.
150
Dem Betriebsrat werden damit in der Öffentlichkeit Verstöße gegen das
Betriebsverfassungsgesetz vorgeworfen, die aus Sicht der Arbeitgeberin so erheblich
sind, dass man gegen den Betriebsrat und seine Mitglieder ein gerichtliches Verfahren
einleiten musste. Auf die aus Sicht des Betriebsrats fehlerhaften Vorwürfe konnte er
betriebsintern reagieren und eine Beurteilung und Bewertung des Verhaltens der
Arbeitgeberin auch in scharfer Form vornehmen. Die Äußerung überschreitet jedenfalls
noch nicht die zulässige Grenze. Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der
Betriebsrat zum Schluß des Schreibens die Anregung von Dr. T. aufgreift und die
Bereitschaft zur besseren Zusammenarbeit für die Zukunft erklärt.
151
d) Die Feststellungsanträge zu 8. gegen die Antragsgegner zu 3. - 15. in ihrer
Eigenschaft als Mitglieder des Betriebsrats sind insgesamt unbegründet. Insofern wird
auf die obigen Ausführungen unter II. 4. b) Bezug genommen.
152
e) Die Beschwerde bezüglich der weitergehenden Anträge zu 9. - 12. ist bereits
unzulässig.
153
Die von der Arbeitgeberin vorgenommene Antragserweiterung in der
Beschwerdeinstanz ist gem. §§ 87 Abs. 2 Satz 3, § 81 Abs. 3 ArbGG nur zulässig, wenn
die übrigen Beteiligten zustimmen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.
Die vorbehaltlose Einlassung des Gegners gilt als Zustimmung.
154
Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Die Antragsgegner haben der
Antragserweiterung ausdrücklich mit Schriftsatz vom 03.09.2010 widersprochen. Sie ist
auch nicht sachdienlich. Sachdienlichkeit setzt voraus, dass der bisherige Streitstoff und
das Ergebnis des Verfahrens nutzbar gemacht werden kann (Germelmann/Matthes
ArbGG 7. Aufl. § 81 Rdnr. 91). Dies ist nicht der Fall. Zwischen den Veröffentlichungen
besteht keine Verbindung. Mit den Anträgen zu 1. bis 8. werden Äußerungen und
Veröffentlichungen im Zusammenhang mit dem Arbeitskampf im Betrieb und über das
gerichtliche Verfahren, welches gerade über das Verhalten des Betriebsrats im
Zusammenhang mit dem Arbeitskampf geführt wird, angegriffen. Die Anträge zu 9. - 12.
betreffen dagegen Äußerungen anlässlich von Umstrukturierungsmaßnamen eines
Unternehmens der Unternehmensgruppe, dessen Arbeitnehmer Leistungen für die
Arbeitgeberin auch am Standort in T. erbracht haben.
155
Der bisherige Streitstoff kann für die Beurteilung nicht verwertet werden. Es sind
vielmehr völlig neue Sachverhalte, deren Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit
unabhängig von den vorherigen Streitfragen zu bewerten ist. Es kann auch nicht davon
ausgegangen werden, dass durch eine Entscheidung über diese Anträge weitere
Verfahren endgültig vermieden werden können. Dem Betriebsrat ist es nicht
grundsätzlich verwehrt, sich zu Umstruktuierungsmaßnahmen innerhalb der
Unternehmensgruppe zu äußern. Es hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalles
ab, ob, in welchem Umfang und in welcher Form der Betriebsrat die Belegschaft über
betriebsinterne oder allgemeinpolitische Fragestellungen informieren kann.
156
Nach alledem hatte die Beschwerde nur teilweise Erfolg.
157
C.
158
Die Beschwerdekammer hat den entscheidungserheblichen Rechtsfragen
grundsätzliche Bedeutung zugemessen und deswegen die Rechtsbeschwerde für die
Antragstellerin und den Betriebsrat an das Bundesarbeitsgericht zugelassen (§§ 92 Abs.
1 S. 2, 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG).
159
RECHTSMITTELBELEHRUNG
160
Gegen diesen Beschluss kann von der Antragstellerin und dem Betriebsrat
161
R E C H T S B E S C H W E R D E
162
eingelegt werden.
163
Für weitere Beteiligte ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
164
Die Rechtsbeschwerde muss
165
innerhalb einer Notfrist* von einem Monat
166
nach der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses schriftlich beim
167
Bundesarbeitsgericht
168
Hugo-Preuß-Platz 1
169
99084 Erfurt
170
Fax: 0361-2636 2000
171
eingelegt werden.
172
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten
Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
173
Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
174
1.Rechtsanwälte,
175
2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse
mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
176
3.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in
Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person
ausschließlich die Rechtsberatung und dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder
eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung
und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die
Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
177
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Rechtsbeschwerdeschrift
unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
178
Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
179
* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
180
JansenClemensDamm
181