Urteil des LAG Düsseldorf vom 13.11.2003

LArbG Düsseldorf: polizei, bevölkerung, gewerkschaft, erlass, arbeitsgericht, werbung, arbeitsbedingungen, flugblatt, druck, koalitionsfreiheit

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 10 Sa 1186/03
Datum:
13.11.2003
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 Sa 1186/03
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Düsseldorf, 10 Ca 4080/03
Schlagworte:
..
Normen:
§ 2 Abs. 1 Ziff. 2 ArbGG, Art. 9 Abs. 3 GG, Art. 13 und 14 GG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Die Gerichte für Arbeitssachen sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG
zuständig, wenn eine Gewerkschaft gegen einen Dritten - hier das Land
NRW - mit der Begründung klagt, das Land verletze ihre durch Art. 9
Abs. 3 GG geschützte Betätigungsfreiheit, indem es der Gewerkschaft
verbietet, in den Polizeieinrichtungen des Landes bei der Bevölkerung
für eine Aktion zu werben, mit der die Einstellung zusätzlicher
Polizeibediensteter erreicht und der Schließung von Polizeidienststellen
verhindert werden soll. 2. Der Innenminister des Landes NRW darf der
Gewerkschaft der Polizei ohne Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 GG
untersagen, in den Polizeieinrichtungen eine Unterschriftenaktion, an
der sich die Bevölkerung beteiligen soll, durchzuführen, mit der die in
Ziff. 1 des Leitsatzes genannten Ziele erreicht werden sollen.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Düsseldorf vom 23.07.2003 10 Ca 4080/03 wird kostenfällig
als unbegründet zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
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T a t b e s t a n d
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Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin, ein Landesverband der Gewerkschaft der
Polizei, gegen den Willen des beklagten Landes in dessen Polizeidienstgebäuden
Unterschriftaktionen durchführen darf, die sich an die Bevölkerung richten.
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Die Klägerin startete im Herbst 2002 unter dem Motto 5000 Plus in Nordrhein-Westfallen
eine landesweite Unterschriftenaktion, die sich an alle Bürgerinnen und Bürger wendet.
Mit dem Flugblatt warb die Klägerin unter Hinweis auf die von der Polizei in Nordrhein-
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Westfalen angeblich - jährlich mehr als sieben Millionen geleisteten Überstunden für die
Einstellung von 5000 neuen Polizeibediensteten, um die Aufgaben der Polizei
wahrzunehmen und für die Sicherheit der Bürger sorgen zu können. Daneben verfasste
die Klägerin eine Eintragungsliste, in der sich die angesprochenen Bürgerinnen und
Bürger mit Namensnennung, Anschrift und Unterschrift ihre Unterstützung von
Mehreinstellungen bei der Polizei kundtun konnten; diese sollten später an den
Landesinnenminister übersandt werden. Das Flugblatt und die Eintragungsliste waren
mit dem Emblem der Klägerin versehen. Über der Eintragungsliste war vermerkt:
In Anlehnung an das Gesetz über das Verfahren bei Volksinitiative,
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Volksbegehren und Volksentscheid. Die unterzeichneten Eintra-
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gungsberechtigten begehren die Befassung des Landtages mit dem
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folgenden Gegenstand der politischen Willensbildung.
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Das Flugblatt und die Unterschriftlisten wurden teilweise auch in Dienstgebäuden der
Polizeibehörden und in Polizeieinrichtungen ausgelegt und verteilt.
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Mit Erlass vom 02.12.2002 hat das Innenministerium des beklagten Landes allen
Polzeibehörden und Einrichtungen des Landes NRW mitgeteilt:
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Unterschriftenlisten von berufständischen Vertretungen im
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Polizeibereich
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Ich weise darauf hin, dass Listen von berufständischen Vertretungen,
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auf denen die Bevölkerung ihre Unterstützung zur Erhöhung der Plan-
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stellen für Polizeivollzugskräfte des Landes Nordrhein-Westfalen zum
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Ausdruck bringen soll, nicht in Polizeidienstgebäuden ausgelegt wer-
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den dürfen. Gleichfalls ist es nicht statthaft, dass Bedienstete der Poli-
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zeibehörden und einrichtungen solche Listen während der Dienstzeit
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verteilen .
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Die Klägerin plant eine weitere Unterschriftenaktion, mit der sie für den Erhalt von
Polizeiwachen und Polizeiinspektionen eintritt. In dem entsprechenden Flugblatt, das
sich ebenfalls an die Bevölkerung richtet, wird auf die Aussage eine
Landtagsabgeordneten hingewiesen, der von dem beabsichtigten Abbau einer
erheblichen Anzahl von Polizeidienststellen berichtet. Die Unterschriftliste ist
überschrieben mit Votum für eine bürgernahe Polizei .
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Mit ihrer Klage will die Klägerin unter Hinweis auf ihr grundgesetzlich geschütztes Recht
auf innerbetriebliche Werbung und auf die Informations- und Koalitionsfreiheit des Art 9
Abs. 3 GG erreichen, weiterhin in Polizeigebäuden und einrichtungen die dargestellten
Unterschriftenaktionen durchführen zu dürfen.
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Die Klägerin hat beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, den Erlass vom 02.12.2002 betreffend die
Auslegung der Unterschriftenlisten von berufsständischen Vereinigungen im
Polizeibereich aufzuheben,
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2. hilfsweise für den Fall der Unzulässigkeit des Antrags zu Ziffer 1 festzustellen,
dass der Erlass vom 02.12.2002 betreffend die Auslegung der
Unterschriftenlisten von berufsständischen Vertretungen im Polizeibereich
rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt,
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3. hilfsweise für den Fall der Unzulässigkeit der Anträge zu den Ziffern 1 und 2
festzustellen, dass die Klägerin berechtigt ist, in den Polizeibehörden des
Landes Unterschriftenlisten betreffend der Arbeitsbedingungen der Polizei wie
die Aktion 5000 Plus auszulegen.
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Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, der
Erlass des Innenministers sei auch unter dem Gesichtspunkt des Art 9 Abs. 3 GG nicht
zu beanstanden. Es hat darüber hinaus in Abrede gestellt, dass in den
Polizeidienststellen jährlich mehr als sieben Millionen Überstunden anfallen.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer Berufung wiederholt die Klägerin
ihren erstinstanzlich zu Ziff. 1 gestellten Antrag weiter. Das beklagte Land beantragt die
Zurückweisung der Berufung.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Akteninhalt
Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat richtig entschieden.
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I.
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Das Arbeitsgericht hat zu Recht den beschrittenen Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten
nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG für zulässig erachtet, da es im vorliegenden Rechtsstreit
um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang
stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen und damit der Gewerkschaft geht. Der
streitige Anspruch wurzelt in dem Koalitionsrecht der Klägerin, welches der
Zuständigkeit der Arbeitsgerichte zugewiesen ist (vgl. GK-Wenzel ArbGG § 2 Rdnr. 99
m.w.N.) Dies wird vom beklagten Land auch nicht mehr in Zweifel gezogen. Es hat die
entsprechenden Feststellungen des Erstgerichts nicht mit der Berufung angegriffen.
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Der Klage fehlt auch nicht das gebotene Rechtsschutzinteresse. Da die Klägerin ein
zweite Unterschriftenaktion plant und diese auch in den Polizeieinrichtungen
durchführen will, hat sie ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass der Erlass
des Innenministers unwirksam ist und sie deshalb wie geplant die Aktion durchführen
kann.
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II.
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Die Berufung ist jedoch in der Sache unbegründet.
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1. Das Arbeitsgericht hat seine Klageabweisung damit begründet, Art. 9 Abs. 3 GG
schütze die Koalitionsfreiheit und es sei die Informations- und Werbetätigkeit
Voraussetzung für den Bestand und für die Betätigung der Koalition. Auch sei bei der
Werbung für die Einrichtung neuer Planstellen für die Polizei der Bezug zu den Arbeits-
und Wirtschaftsbedingungen gegeben, habe doch die Anzahl der beschäftigten
Mitarbeiter unmittelbare Aus- und Rückwirkungen auf die Arbeitsbedingungen der
bereits beschäftigten Beamten und Arbeitnehmer, was bereits deren zeitliche Belastung
und die Frage der Erforderlichkeit von Überstunden belege. Im Rahmen der gebotenen
Interessenabwägung seien den Rechtsgütern des beklagten Landes und zwar dessen
Eigentumsrecht und dessen Hausrecht der Vorrang zu geben. Dieses folge daraus,
dass die Klägerin sich mit den Aktionen, die durch den Erlass vom 02.12.2002 untersagt
worden seien, an Dritte, hier an die Bevölkerung wende. Das Werberecht der
Gewerkschaften stoße nämlich dort an eine äußere
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Grenze, wo die Sach- und Zielwerbung sich nicht mehr an die Beschäftigten, sondern
an Dritte wende. Zudem werde mit dem Verteilen und Auslegen der für die Bürger
bestimmten Flugblätter und Unterschriftslisten die staatliche Neutralitätspflicht verletzt.
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2. Die Kammer folgt dieser Auffassung im Ergebnis und weitgehend in der Begründung.
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a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. zuletzt
Beschluss vom 27.04.1999 1 BVR 2203/93, BVerfGE 100, 121) schützt Art. 9 Abs. 3 GG
nicht nur den Einzelnen in seiner Freiheit, eine Vereinigung zur Wahrung der Arbeits-
und Wirtschaftsbedingungen zu gründen, ihr beizutreten oder fernzubleiben oder sie zu
verlassen. Geschützt ist auch die Koalition selbst in ihrem Bestand, ihrer
organisatorischen Ausgestaltung und ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung
der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen (vgl. BVerfGE 50, 290,373 f.; 84,
212,224). Der Schutz ist nicht von vornherein auf einen Kernbereich koalitionsmäßiger
Betätigung beschränkt. Er erstreckt sich vielmehr auf alle koalitionsspezifischen
Verhaltensweisen (vgl. BVerfGE 93, 352,358). Die Klägerin kann deshalb auf Grund
ihres Rechts auf koalitionsmäßige Betätigung in den Polizeieinrichtungen des beklagten
Landes z.B. durch Aushänge am Schwarzen Brett Mitglieder werben. Denn durch die
Werbung neuer Mitglieder schaffen die Gewerkschaften das Fundament für die Erfüllung
ihrer in Art. 9 Abs. 3 GG genannten Aufgaben (vgl. BVerfG Beschluss vom 14.01.1995 1
BvR 601/92 EzA Art. 9 GG Nr. 80). Sie können Tarifverhandlungen mit dem beklagten
Land
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führen, ist doch das Aushandeln von Tarifverträgen ein wesentlicher Zweck der
Koalitionen (vgl. BVerfGE 94, 268,283 m.w.N.). Sie können ihre Mitglieder betreuen und
informieren und ihre Rechte nach dem LPVG ausüben. Dieses wird der Klägerin von
dem beklagten Land auch nicht in Abrede gestellt.
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Das Grundgesetz schützt die Koalitionsfreiheit und damit auch die Betätigung der
Koalitionen nicht bloß in einem Kernbereich. Die Verfassung gewährleistet jedoch die
Betätigungsfreiheit der Koalitionen nicht schrankenlos; es lässt eine Ausgestaltung
durch den Gesetzgeber zu (vgl. BVerfG Beschluss vom 14.01.1995 1 BvR 601/92 EzA
Art. 9 GG Nr. 80).
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b. Der Klägerin geht es mit den von dem beklagten Land untersagten Aktionen nicht
unmittelbar wie z.B. durch die Teilnahme an Tarifverhandlungen oder bei der
Beteiligung nach dem LPVG um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der
Polizeibediensteten. Sie will erreichen, dass der Landesgesetzgeber für die Polizei
mehr Planstellen zur Verfügung stellt. Auf diese Weise soll erreicht werden, dass sich
die Arbeitsbedingungen der Polizeibediensteten verbessern. Denn durch die
Einstellung weiterer Polizeikräfte kann erreicht werden, dass die von der Klägerin
behaupteten Überstunden abgebaut werden. Bei der weiteren von der Klägerin
geplanten Aktion, mit der die Schließung von Polizeieinrichtungen verhindert werden
soll, ist der Zusammenhang zu den koalitionsmäßigen Aufgaben der Klägerin ebenfalls
nur indirekt zu bejahen. Die Klägerin will mit dieser Unterschriftenaktion erreichen , dass
sich möglichst viele Bürgerinnen und Bürger gegen die Schließung von
Polizeieinrichtungen aussprechen, damit unter dem Druck der Öffentlichkeit das
beklagte Land die Schließung der Polizeiwachen etc. aufgibt und keine weiteren Stellen
so die
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Klägerin - abbaut. Mit diesen beiden Aktionen mag sich die Klägerin noch
koalitionsmäßig betätigen. Im Wesentlichen will sie jedoch durch politischen Druck
erreichen, dass der Landesgesetzgeber unter dem Eindruck der sich an den
Unterschriftenaktionen beteiligenden Bevölkerung seine Stellenabbaupläne
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aufgibt und statt dessen weitere Planstellen für die Polizei einplant. Dass sich die
Klägerin mit ihren Aktionen an der politischen Auseinandersetzung mit dem
Landesgesetzgeber beteiligt und diese geradezu fördert, zeigt sich auch darin, dass sie
in ihrem Unterschriftsbogen für die Schaffung weiterer Stellen ausdrücklich auf das
Gesetz über das Verfahren bei Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheid
verweist, an das sie sich anlehnt. Bei diesem Gesetz handelt es sich aber gerade um
ein Gesetz zur politischen Teilhabe des Bürgers an Gesetzesvorhaben.
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c. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Klägerin sich politisch betätigen darf. Der
Staat, der zur politischen Neutralität verpflichtet ist, muss die von der Klägerin in der
Öffentlichkeit durchgeführten Unterschriftenaktionen hinnehmen. Eine ganz andere
Frage ist jedoch, ob das beklagte Land es hinnehmen muss, dass die Klägerin in den
Polizeieinrichtungen des Landes die Bevölkerung (und nicht nur die
Polizeibediensteten) anspricht und die Bürgerinnen und Bürger zur Ausfüllung und
Unterzeichung der Unterschriftlisten auffordert. Würde der Innenminister des beklagten
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Landes die von der Klägerin geplanten Aktionen in den Polizeieinrichtungen dulden,
könnte dem Minister mit Fug und Recht der Vorwurf gemacht werden, er verhalte sich in
der politischen Auseinandersetzung zwischen dem Landesgesetzgeber und der
Gewerkschaft nicht neutral, er wolle ebenfalls durch die Duldung der Aktionen in den
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Polizeieinrichtungen Druck auf das Parlament und den Haushaltsgesetzgeber ausüben.
Der Innenminister hat sich aber gegenüber dem Parlament loyal zu verhalten.
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d. Das beklagte Land muss es nicht hinnehmen, dass die Klägerin ihre politische
Auseinandersetzung mit dem beklagten Land in die Polizeieinrichtungen hineinträgt und
dort die Bürgerinnen und Bürger auffordert, mit ihrer Unterschrift für eine Verbesserung
der personellen Ausstattung der Polizei einzutreten. Es wurde bereits aufgezeigt, dass
die koalitionsmäßige Betätigung der Gewerkschaften nicht unbeschränkt ist. Da die
Klägerin mit ihren Unterschriftenaktionen die politische Bühne betritt und sich nicht etwa
durch Werbung unter Mitgliedern oder durch Teilnahme an Tarifverhandlungen typisch
koalitionsgemäß i.S. des Art. 9 Abs. 3 GG betätigt, kann nur durch eine Abwägung der
Interessen der Klägerin mit denen des beklagten Landes die Lösung gefunden werden
(vgl. Löwer in: von Münch/Kunig GGK I 5. Aufl. Art 9 Rdnr. 80).
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Die erkennende Kammer sieht davon ab, aufzuzeichnen, welchem psychischen Druck
die Bevölkerung ausgesetzt sein kann, wenn sie in einer Polizeieinrichtung auf eine
schriftliche Unterstützung der Aktionen der Klägerin angesprochen wird. Entscheidend
ist, dass das beklagte Land Eigentümer (Art. 14) und Hausherr (Art 13) der
Polizeieinrichtungen ist. Indem die Klägerin vom beklagten Land erreichen will, dass die
Unterschriftenaktion in Einrichtungen des Landes durchgeführt werden können, will sie
in das Eigentums- und Hausrecht des beklagten Landes eingreifen. Ein solcher Eingriff
ist von dem beklagten Land bei der unmittelbaren koalitionsmäßigen Betätigung der
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Klägerin wie Werbung, Betreuung und Informierung der Mitglieder und der
Polizeibediensteten, die nicht verbandsangehörig sind, bis zu einem bestimmten Grad
hinzunehmen. In diesem Zusammenhang war nicht zu entscheiden, ob die
Gewerkschaft nur dann fremdes Eigentum in Anspruch nehmen kann, wenn diese
Tätigkeit für den Erhalt und Sicherung der Existenz der Gewerkschaft als unerlässlich
angesehen muss (so noch BAG Urteil vom 23. 02. 1979 1 AZR 172/78 EzA Art. 9 GG Nr.
29). Es liegen bereits keine ausreichenden sachlichen Gründe vor, warum die Klägerin
gerade in den Polizeieinrichtungen auch Bürgerinnen und Bürger ansprechen will, um
sie für eine politische Aktion der Gewerkschaft zu gewinnen, mag diese Aktion auch aus
der Sicht richtig und notwendig sein.
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Die Klägerin hat im zweitinstanzlichen Kammertermin keinen Grund dafür vorgetragen,
weshalb es wichtig und für ihre koalitionsmäßige Betätigung von Bedeutung ist, dass
sie die Bürgerinnen und Bürger in den Polizeieinrichtungen des beklagten Landes
anspricht. Da zudem bei Zulassung der Unterschriftenaktionen in den
Polizeidienststellen des Landes das beklagte Land die gebotene Neutralität in
politischen Auseinandersetzungen verletzen würde, muss das Interesse des
Innenministers an der Untersagung der von der Klägerin geplanten Aktionen in den
Einrichtungen des Landes erheblich höher gewichtet werden als das Interesse der
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Klägerin vor Ort betroffene Bürgerinnen und Bürger für ihre Aktion zu gewinnen. Wenn
der Klägerin keine andere Möglichkeit zur Seite stehen würde, um ihr Anliegen zu
verwirklichen, mag im Extremfall aus Art. 9 Abs. 3 GG das Eigentums- und Hausrecht
des beklagten Landes zurückstehen müssen. Die Klägerin hat jedoch eine solche
Situation nicht aufgezeigt. Sie hat eingeräumt, dass sie die Unterschriftenaktionen auch
auf öffentlichen Plätzen, Märkten und vor den Polizeieinrichtungen durchgeführt hat.
Hierbei mag es bleiben.
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III.
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Die Klägerin hat auch keinen Anspruch, unter Hinweis auf ihr Petitionsrecht gemäß Art.
17 GG, Art, 41 a VerfNRW die Unterschriftenaktion in den Polizeieinrichtungen des
beklagten Landes durchführen zu können. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend
erkannt. Es ist selbst ansatzweise nicht erkennbar, weshalb sich die Klägerin zur
Durchführung der Petition, insbesondere zur Sammlung von Stützunterschriften aus der
Bevölkerung der Polizeieinrichtungen des Landes bedienen muss. Sie kann die
Unterschriften außerhalb der Dienstgebäude der Polizei sammeln.
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IV.
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Soweit die Klägerin im Kammertermin vorgetragen hat, in der Vergangenheit seien die
nunmehr von dem beklagten Land verbotenen Aktionen erlaubt gewesen, mag die
Kehrtwendung des beklagten Landes nicht gerade verständlich sein. Dieses ist jedoch
eine politische Entscheidung und einer rechtlichen Bewertung nicht zugänglich.
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Nach alledem war die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge des § 97 ZPO
zurückzuweisen.
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Das Landearbeitsgericht hat für die Klägerin die Revision an das Bundesarbeitsgericht
wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG
zugelassen.
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RECHTSMITTELBELEHRUNG
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Gegen dieses Urteil kann von der Klägerin
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REVISION
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eingelegt werden.
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Für das beklagte Land ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Revision muss
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innerhalb einer Notfrist von einem Monat
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nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
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Bundesarbeitsgericht,
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Hugo-Preuß-Platz 1,
76
99084 Erfurt,
77
Fax: (0361) 2636 - 2000
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eingelegt werden.
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Die Revision ist gleichzeitig oder
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innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils
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schriftlich zu begründen.
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Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem
deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
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gez. Dr. Beseler gez. Corell gez. Gleichmann
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