Urteil des LAG Düsseldorf vom 15.11.2006

LArbG Düsseldorf: unterrichtung, treu und glauben, angebot der arbeitsleistung, ex tunc, betriebsübergang, verwirkung, public relations, arbeitsgericht, betriebsinhaber, rückwirkung

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 7 (18) Sa 287/06
Datum:
15.11.2006
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 (18) Sa 287/06
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Solingen, 5 Ca 1532/05 lev
Schlagworte:
Betriebsübergang - Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB -
fristgemäßer Widerspruch gemäß § 613 a Abs. 6 BGB - Verwirkung -
Annahmeverzug des Veräußerers
Normen:
.
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
.
Tenor:
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Solingen vom 07.02.2006 5 Ca 1532/05 lev wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Mit seiner am 22.07.2005 beim Arbeitsgericht Solingen eingegangenen Klage begehrt
der Kläger die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht.
Zudem macht er gegenüber der Beklagten Zahlungsansprüche geltend. Die Parteien
streiten darüber, ob der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den
Erwerber eines Betriebsteils der Beklagten wirksam widersprochen hat.
2
Der am 22.09.1946 geborene Kläger war seit dem 01.04.1984 für die Beklagte zuletzt in
der Funktion des Leiters des Bereichs Presse und Public Relations zu einem
monatlichen Bruttolohn in Höhe von 9.642,12 € beschäftigt.
3
Neben der Fixvergütung steht dem Kläger eine Jahressondervergütung zu, welche im
jeweiligen Monat Januar des Folgejahres ausgezahlt wird und 33.694,13 € brutto
beträgt. Hinzu kommen Ansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung
sowie ein Bonus, der jeweils mit dem Maigehalt des Folgejahres ausgezahlt wird.
4
Der Kläger war schwerpunktmäßig im Geschäftsbereich Consumer Imaging (CI) tätig,
der insbesondere die Geschäftsfelder Film, Finishing und Laborgeräte umfasste. Da
dieser Geschäftsbereich seit mehreren Jahren einen massiven Umsatzrückgang zu
5
dieser Geschäftsbereich seit mehreren Jahren einen massiven Umsatzrückgang zu
verzeichnen hatte, hat die Beklagte zur Kostenreduzierung Personalabbaumaßnahmen
durchgeführt. Dazu gehörte unter anderem auch der Abschluss von
Vorruhestandsverträgen oder Altersteilzeitvereinbarungen, in denen den jeweiligen
Arbeitnehmern zum Teil erhebliche finanzielle Leistungen zugesagt wurden.
Unter dem Datum vom 14.10.2004 schloss die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden
Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste ab.
6
Ende des Jahres 2004 wurde der Geschäftsbereich CI im Wege eines
Betriebsübergangs ausgegliedert und mit Wirkung zum 01.11.2004 auf die neu
gegründete B. GmbH übertragen.
7
Für die von dem Teilbetriebsübergang betroffenen Belegschaftsmitglieder fanden
Informationsveranstaltungen statt. Unter anderem hat die Beklagte eine solche
Informationsveranstaltung am 19.08.2004 abgehalten, bei der der spätere
Geschäftsführer der B. GmbH F. S., zum damaligen Zeitpunkt Mitglied des Vorstandes
der Beklagten, Informationen zur wirtschaftlichen Situation der B. GmbH erteilte.
Außerdem wurden die Arbeitnehmer in Mitarbeiterzeitschriften über den
bevorstehenden Teilbetriebsübergang unterrichtet. Im Monat September 2004 befanden
sich in den betriebsinternen Magazinen die Zahlenangaben für die Erwerberin B. GmbH
von 300 Millionen Eigenkapitalsumme sowie 70 bzw. 72 Millionen Euro Barmittel.
8
Sämtliche dem Geschäftsbereich CI zugeordneten Arbeitnehmer der Beklagten haben
im Oktober 2004 im Zusammenhang mit der Übertragung des Geschäftsbereichs CI eine
im wesentlichen gleich lautende schriftliche Information erhalten. Die
Informationsschreiben unterscheiden sich allerdings abhängig von der jeweiligen
arbeitsvertraglichen Situation der betroffenen Mitarbeiter in Einzelfragen voneinander.
9
Mit Schreiben vom 22.10.2004 wurde auch der Kläger über die geplante Übertragung
des Geschäftsbereichs CI informiert. Nach Hinweis auf die Informationspflicht gemäß §
613 a BGB und Wiedergabe des Textes von § 613 a Abs.5 und 6 BGB teilt die Beklagte
mit, es werde hiermit noch einmal schriftlich die vorgesehene und mit dem
Verhandlungsgremium des Gesamtbetriebsrates und der örtlichen Betriebsräte
abgestimmte Information gegeben, auch wenn er der Kläger aus der bisherigen
Kommunikation bereits über die Einzelheiten informiert sei. Unter Ziffer 2. wird
ausgeführt, die B. GmbH übernehme das Vermögen von CI. Hierzu gehörten
insbesondere Produktionsanlagen, Markenzeichen, Patente und technologisches
Know-how, Vorräte und Forderungen. Das Unternehmen werde mit einem guten
Eigenkapital ausgestattet und verfüge über hohe Liquidität, um unerwartet auftretende
Risiken bewältigen, in neue Geschäfte investieren und Marktchancen besser nutzen zu
können. Unter Ziffer 4. dieses Schreibens hat die Beklagte den geplanten
Personalabbau dargelegt. Unter Ziffer 5. hat sie den Kläger darauf hingewiesen, dass
sein Arbeitsverhältnis von dem geplanten Personalabbau gemäß Ziffer 4. nicht betroffen
sei. Nach weiteren Darlegungen zum Widerspruchsrecht und dem Hinweis, dass der
Kläger im Falle eines Widerspruchs wegen einer sodann nicht bestehenden
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bei der Beklagten damit rechnen müsse, seinen
Arbeitsplatz ohne jede finanzielle Leistung zu verlieren, wurde dem Kläger dringend
empfohlen, von einem Widerspruch abzusehen. Wegen des Inhalts des
Informationsschreibens und dessen Formulierung im Einzelnen wird auf Bl.15-18 der
Akte Bezug genommen.
10
Am 20.05.2005 stellte die B. GmbH einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahren.
11
Mit Schreiben vom 10.06.2005 widersprach der Kläger wegen unvollständiger bzw.
fehlerhafter Informationen im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang dem Übergang
seines Arbeitsverhältnisses auf die B. GmbH. Er bot gleichzeitig seine Arbeitskraft an
und und bat um Zuweisung eines Arbeitsplatzes. Wegen des Inhaltes des Schreibens
im Einzelnen wird auf Bl.19-22 der Akte Bezug genommen.
12
Dieses Schreiben ließ die Beklagte unbeantwortet.
13
Mit anwaltlichem Schreiben vom 11.07.2006 (Bl.23-24 der Akte) wurde die Beklagte
nochmals aufgefordert, den Widerspruch als rechtswirksam anzuerkennen, dem Kläger
einen Arbeitsplatz zuzuweisen und die rückständige Vergütung zu zahlen.
14
Auch dieses Schreiben beantwortete die Beklagte nicht.
15
Am 01.08.2005 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.
16
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 31.01.2006 (Bl.131-132 der Akte) eine vorsorgliche
ordentliche Kündigung zum 31.03.2007 ausgesprochen und dazu ausgeführt, die
vorsorgliche Kündigung sei erforderlich, weil der Arbeitsplatz des Klägers bei der
Beklagten nicht mehr vorhanden sei. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei
ausgeschlossen, weil die Beklagte kein operatives Geschäft mehr betreibe, keinen
Betrieb unterhalte und keine Arbeitnehmer mehr habe. Gegen diese Kündigung hat der
Kläger eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht eingereicht.
17
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er habe im Juni 2005 dem Betriebsübergang noch
widersprechen können, da er bis dahin nicht ausreichend und korrekt über den
Betriebsübergang informiert worden sei. Er hat unter Bezugnahme auf die auf der
Betriebsversammlung und in den betriebsinternen Magazinen dargelegten
Informationen behauptet, über die wirtschaftliche Situation der Erwerberin sei falsch
informiert worden. Durch den Verweis im Schreiben vom 22.10.2004 auf die bereits
erteilten Informationen seien nicht nur die im Schreiben selbst enthaltenen
Informationen, sondern auch die außerhalb dieses Schreibens erteilten Angaben zu
berücksichtigen. Entgegen diesen Informationen sei die B. GmbH wirtschaftlich so
schlecht ausgestattet gewesen, dass ein Überleben am Markt tatsächlich nicht möglich
gewesen sei. Es sei vor allem über die finanzielle Ausstattung und die Übertragung der
Markenrechte falsch informiert worden. Die B. GmbH habe zu keiner Zeit über Barmittel
in Höhe von rund 70 Millionen Euro verfügt und auch keine Kreditlinie in Höhe von 50
Millionen Euro gehabt. Über die Markenrechte könne sie nicht verfügen, sondern habe
diesbezüglich nur ein Nutzungsrecht. Außerdem habe die Beklagte in dem
Informationsschreiben entgegen ihrer Pflicht nicht auf die Verteilung von Schuld und
Haftung zwischen dem bisherigen und dem neuen Arbeitgeber hingewiesen. Da es für
die Ausübung des Widerspruchsrechtes keine zeitliche Höchstgrenze gebe und dieses
Recht auch nicht verwirkt sei, sei sein Arbeitsverhältnis nicht auf die B. GmbH
übergegangen, sondern bestehe zur Beklagten fort. Die Beklagte schulde daher die
Zahlung des dem Kläger monatlich zustehenden Fixgehaltes für die Monate Mai 2005
bis Januar 2006 abzüglich des bezogenen Insolvenz- bzw. Arbeitslosengeldes. Zudem
stehe ihm für das Jahr 2004 ein Bonus in Höhe von 3.032,38 € brutto zu, so dass an ihn
für den Monat Mai 2005 ein Gesamtbetrag in Höhe von 12.674,50€ brutto zu zahlen sei.
Im Monat Januar habe er einen Anspruch auf das Fixgehalt zuzüglich der ihm für das
18
Jahr 2005 zustehenden Jahressondervergütung in Höhe von 33.694,13 € brutto, mithin
insgesamt 43.336,25 € brutto.
Der Kläger hat beantragt,
19
1) festzustellen, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten über den
01.11.2004 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht.
20
2) die Beklagte zu verurteilen
21
a) an den Kläger € 12.674,50 brutto abzgl. gezahlten Insolvenzgelds in Höhe
von € 3.864,59 netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz nach § 247 Abs. 1 BGB ab dem 31.05.2005 zu zahlen;
22
b) an den Kläger € 9.642,12 brutto abzgl. gezahlten Insolvenzgelds in Höhe
von € 2.984,12 netto sowie abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhen
vom € 278,76 netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz nach § 247 Abs. 1 BGB ab dem 30.06.2005 zu zahlen;
23
c) an den Kläger € 9.642,12 brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengelds in
Höhe von € 2.090,70 netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz nach § 247 Abs. 1 BGB ab dem 31.07.2005 zu
zahlen.
24
d) an den Kläger € 9.642,12 brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengelds in
Höhe von € 2.090,70 netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz nach § 247 Abs. 1 BGB ab dem 31.08.2005 zu
zahlen.
25
e) an den Kläger € 9.642,12 brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengelds in
Höhe von € 2.090,70 netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz nach § 247 Abs. 1 BGB ab dem 30.09.2005 zu
zahlen.
26
f) an den Kläger € 9.642,12 brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengelds in Höhe
von € 2.090,70 netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz nach § 247 Abs. 1 BGB ab dem 31.10.2005 zu zahlen.
27
g) an den Kläger € 9.642,12 brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengelds in
Höhe von € 2.090,70 netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz nach § 247 Abs. 1 BGB ab dem 31.11.2005 zu
zahlen.
28
h) an den Kläger € 9.642,12 brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengelds in
Höhe von € 2.090,70 netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz nach § 247 Abs. 1 BGB ab dem 31.12.2005 zu
zahlen.
29
i) an den Kläger € 43.336,25 brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengelds in
Höhe von € 2.090,70 netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz nach § 247 Abs. 1 BGB ab dem 31.01.2006 zu
30
zahlen.
31
32
33
Die Beklagte hat beantragt,
34
die Klage abzuweisen.
35
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, ein Arbeitsverhältnis zum Kläger bestehe
nicht mehr, da mangels eines wirksamen Widerspruch des Klägers die B. GmbH
Arbeitgeberin des Klägers geworden sei. Da die mit Schreiben vom 22.10.2004 erteilten
Informationen ausreichend und korrekt gewesen seien, sei die gesetzliche einmonatige
Widerspruchsfrist bei Einlegen des Widerspruchs durch den Kläger bereits lange
verstrichen gewesen. Für die Frage einer richtigen und ausreichenden Information
bezüglich des Betriebsübergangs sei allein der Inhalt des Schreibens vom 22.10.2004
maßgeblich gewesen. Dies ergebe sich schon aus dem Textformerfordernis in § 613 a
Abs.5 BGB. Mitteilungen auf Betriebsversammlungen oder in betriebsinternen
Magazinen genügten nicht der Formvorschrift des § 126 b BGB. Außerdem gehe aus
dem Schreiben eindeutig hervor, dass allein dieses Schreiben der Erfüllung der
Informationspflicht diene. Eine Pflicht zur Information über die wirtschaftliche Lage eines
Erwerbers gebe es zudem nicht. Abgesehen davon, dass auch die im Zusammenhang
mit dem Betriebsübergang erteilten Informationen korrekt gewesen seien, enthalte das
Schreiben vom 22.10.2004 keine konkrete Information über die wirtschaftliche Solvenz
der B. GmbH, sondern beschränke sich auf eine Bewertung. Zudem sei ein Widerspruch
im Juni 2005 auch deshalb nicht mehr möglich gewesen, weil entsprechend § 5 Abs.3
S.2 KSchG von einer Höchstfrist von sechs Monaten auszugehen sei. Zumindest habe
der Kläger sein Widerspruchsrecht selbst bei unterstellter Unrichtigkeit oder
Unvollständigkeit der Information durch seine Weiterarbeit bei der Erwerberin verwirkt.
Im Hinblick auf die lange Zeit zwischen Betriebsübergang und Widerspruch in
Verbindung mit der Weiterarbeit des Klägers bei der Erwerberin habe sie die Beklagte
darauf vertrauen dürfen, dass der Kläger bei der Erwerberin bleiben werde. Zudem sei
der Arbeitsplatz des Klägers bei der Beklagten nicht mehr existent. Selbst bei einem
berechtigten Widerspruch des Klägers sei die Beklagte nicht verpflichtet, einen bei ihr
nicht bestehenden Arbeitsplatz für den widersprechenden Arbeitnehmer bei ihr
einzurichten.
36
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und dazu ausgeführt, der Kläger habe
dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses form- und fristgerecht widersprochen. Die
Monatsfrist des § 613 a Abs.6 BGB, die mit Zugang der Unterrichtung beginne, sei noch
nicht in Gang gesetzt worden, da das Schreiben der Beklagten vom 22.10.2004 den
Anforderungen einer ordnungsgemäßen Unterrichtung im Sinne des § 613 a BGB nicht
genüge. So enthalte das Schreiben keinerlei Hinweise auf die in § 613 a Abs.2 BGB
geregelte Haftungsverteilung zwischen dem alten und dem neuen Betriebsinhaber.
Dass auch über die Haftungsfragen unterrichtet werden müsse, ergebe sich zwingend
aus dem Zweck der Unterrichtung. Gerade bei Dauerschuldverhältnissen sei der
Austausch eines Vertragspartners für die Frage der Durchsetzbarkeit bereits
entstandener oder zukünftig entstehender Ansprüche von nicht zu unterschätzender
37
Bedeutung für die zu treffende Entscheidung. Ob die Information über die
Haftungsfragen im Einzelfall für die Entscheidung über die Ausübung des
Widerspruchsrechtes eine Rolle spiele, sei ohne Bedeutung. Eine absolute Zeitgrenze
für den Widerspruch entsprechend § 5 Abs.3 KSchG gebe es nicht. Das Gesetz stelle
keine zeitliche Höchstgrenze auf. Eine planwidrige Gesetzeslücke liege nicht vor. Der
Kläger habe sein Widerspruchsrecht auch nicht verwirkt. Dass der Kläger nach dem
Betriebsübergang für die Erwerberin weitergearbeitet habe, genüge nicht zur
Begründung des erforderlichen Umstandsmomentes. Die Weiterarbeit eines zunächst
nicht widersprechenden Arbeitnehmers sei eine Selbstverständlichkeit. Im Übrigen
könne bei der Frage der Verwirkung auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass das
Schreiben vom 22.10.2004 erkennbar darauf abziele, dem Kläger den Eindruck zu
vermitteln, die Erwerberin stehe finanziell gut da, um den Kläger dazu zu bewegen, von
einem Widerspruch abzusehen. Für die Beklagte habe daher keinerlei Anlass
bestanden, darauf zu vertrauen, der Kläger werde auf Dauer bei der Erwerberin bleiben.
Allenfalls dann, wenn der Kläger in Kenntnis der wirtschaftlichen Probleme der
Erwerberin noch länger abgewartet hätte, hätte eine Verwirkung in Betracht kommen
können.
Die geltend gemachten Zahlungsanträge stünden dem Kläger aus Annahmeverzug zu.
Ein Arbeitsangebot des Klägers sei gemäß § 296 BGB entbehrlich gewesen.
38
Gegen das der Beklagten am 06.03.2006 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Solingen
hat die Beklagte mit einem am 15.03.2006 bei dem Landesarbeitsgericht
eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis zum 08.06.2006 mit einem am 07.06.2006 per Fax und
am 09.06.2006 im Original bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz
begründet.
39
Mit der Berufung macht die Beklagte geltend, dass das Informationsschreiben über den
Betriebsübergang vom 22.10.2004 nicht unvollständig und nicht fehlerhaft gewesen sei
und der Widerspruch des Klägers vom 10.06.2006 ungeachtet dessen verspätet,
jedenfalls jedoch verfristet sei. Die Beklagte rügt, die Rechtsauffassung des
Arbeitsgerichts, eine Information über die Haftungsverteilung gemäß § 613 a Abs.2 BGB
sei ein unabdingbarer Mindestbestandteil eines Informationsschreibens gemäß § 613 a
BGB, sei rechtlich unzutreffend. Die in dem Informationsschreiben enthaltene Aussage
zur Haftungsverteilung zwischen Veräußerer und Erwerber sei überdies ausreichend,
um den Mindestanforderungen gerecht zu werden. Für die Information über
Haftungsfragen sei einerseits zwischen der Information über den Austausch des
Vertragspartners sowie andererseits über die befristete gesamtschuldnerische Haftung
zu differenzieren. Über den Austausch des Vertragspartners und das damit
einhergehende Ende der Haftung der Beklagten sei der Kläger in dem
Informationsschreiben deutlich durch den Hinweis informiert worden, dass sein
Arbeitsverhältnis auf die B. GmbH übergehen werde. Der Begriff Übergang könne bei
verständiger Würdigung nur dahingehend verstanden werden, dass das
Arbeitsverhältnis zur Beklagten beendet und mit der B. GmbH fortgeführt werde. Dieses
Verständnis werde auch in weiteren Formulierungen des Informationsschreibens
verdeutlicht. So werde auf S.3 darauf hingewiesen, dass die in der
Überleitungsvereinbarung getroffenen Regelungen davon geprägt seien soweit wie
möglich Kontinuität zu wahren . Daraus ergebe sich, dass eine völlig unveränderte
Kontinuität unter Beibehaltung des bisherigen Vertragspartners gerade nicht eintrete.
40
Das Arbeitsgericht verkenne, dass ein zusätzlicher Hinweis auf die Haftungsregelung in
§ 613 a Abs.2 BGB nicht erforderlich gewesen sei. Die zusätzliche
gesamtschuldnerische Haftung für die Dauer eines Jahres sei eine für den Arbeitnehmer
gegenüber der Normalsituation günstigere gesetzliche Regelung. Für einen
Arbeitnehmer, der sich bereits entschieden habe, dem Übergang seines
Arbeitsverhältnisses nicht zu widersprechen, könne ein fehlender Hinweis auf die
gesamtschuldnerische Nachhaftung keine Bedeutung haben. Denn wenn ihm durch
Hinweis auf die gesamtschuldnerische Nachhaftung die Situation noch günstiger hätte
dargestellt werden können, hätte ihn dies sicherlich nicht dazu veranlasst, deshalb dem
Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen.
41
Das Arbeitsgericht habe auch unberücksichtigt gelassen, dass das
Informationsschreiben in enger Absprache mit den Arbeitnehmervertretungen verfasst
worden sei.
42
Die Beklagte hält ihre Auffassung aufrecht, dass keine Verpflichtung zur Information
über Details der finanziellen Ausstattung der Erwerberin bestanden habe.
43
Der vom Kläger erhobene Widerspruch sei jedoch selbst dann verspätet erfolgt, wenn
man fälschlicherweise annehmen wolle, die Information sei unzutreffend oder
unvollständig gewesen. Ein grenzenloses Widerspruchsrecht widerspräche den
Grundsätzen von Treu und Glauben und auch dem Regelungszweck des Gesetzes.
Zudem könnten die beteiligten Unternehmen andernfalls auf Dauer keinerlei
Rechtssicherheit erhalten, da ein Arbeitnehmer das Widerspruchsrecht noch nach
Jahren mit der Begründung ausüben könnte, die Informationen über den
Betriebsübergang seien unzulänglich gewesen. In der Literatur werde deshalb
zutreffend vertreten, dass in analoger Anwendung von § 5 Abs.3 S.2 KSchG eine
Höchstfrist von sechs Monaten ab Betriebsübergang für die Erklärung des Widerspruchs
gelten müsse. Wie sich aus den Gesetzgebungsunterlagen ergebe, sei eine inhaltliche
Auseinandersetzung mit dem Änderungsvorschlag, in das Gesetz eine sechsmonatige
Ausschlussfrist aufzunehmen, nicht erfolgt. Es dränge sich gerade zu der Eindruck auf,
die Vorschläge der Opposition seien deshalb abgelehnt worden, weil sie von der
Opposition stammten und nicht weil sie inhaltlich diskutiert worden wären.
44
Der Widerspruch des Klägers sei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts
jedenfalls verwirkt. Für das Zeitmoment sei von einem Zeitraum von acht Monaten
auszugehen. Anzuknüpfen sei an den Zeitpunkt des Zugangs des
Informationsschreibens beim Kläger, denn mit Zugang habe er erkennen können, dass
das Schreiben keine dezidierte Aussage über die gesamtschuldnerische Nachhaftung
gemäß § 613 a Abs.2 BGB enthielt. Da gerade die Frage nach dem Bestand des
Arbeitsverhältnisses besonders eilig klärungsbedürftig sei, seien an das Zeitmoment
keine hohen Anforderungen zu stellen. Für das Umstandsmoment sei es bei
zutreffender Beurteilung ausreichend, dass der Kläger bis zum Ende seines
Arbeitsverhältnisses seine Tätigkeit bei der Erwerberin aufgenommen und fortgeführt
habe. Zudem habe der Kläger in seinem Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit zur
Zahlung von Insolvenzgeld die Betriebserwerberin als Arbeitgeberin angegeben. Wenn
der Kläger das Bestehen des Arbeitsverhältnisses mit der Erwerberin zur Erlangung von
Leistungen verwende, müsse er sich dies im Rahmen des Umstandsmomentes für eine
Verwirkung zurechnen lassen.
45
Vorsorglich weist die Beklagte darauf hin, dass ihr ein Verstoß gegen Treu und Glauben
46
durch die zutreffenden Hinweise auf die Folgen eines ausgeübten Widerspruchs
entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht vorgeworfen werden könne. Dadurch
habe sie den Kläger nicht manipuliert , sondern vor möglichen Rechtsnachteilen im
Zusammenhang mit der Ausübung seines Widerspruchs bewahrt.
Ein Anspruch des Klägers auf Annahmeverzugslohn könne wenn überhaupt erst ab
Zugang des Widerspruchschreibens ab dem 27.06.2006 in Betracht kommen. Ein
Arbeitsangebot vor diesem Zeitpunkt sei nicht entbehrlich gewesen, da der Veräußerer
eine Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des Arbeitsangebotes erst dann
treffen könne, wenn er von dessen Existenz Kenntnis habe. Durch eine etwaige
Rückwirkung des Widerspruchs könne rückwirkend kein Leistungsverzug eintreten.
47
Auch eine Haftung aus § 613 a Abs.2 BGB scheide aus. Dies führt die Beklagte im
Einzelnen auf S.23-24 ihres Schriftsatzes vom 07.06.2006 (Bl.202-203 der Akte) aus.
48
Nach alledem habe das Arbeitsgerichts Solingen dem Klagebegehren des Klägers zu
Unrecht stattgegeben.
49
Die Beklagte beantragt,
50
das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 07.02.2006, 5 Ca 1532/05 lev,
abzuändern und die Klage abzuweisen.
51
Der Kläger beantragt,
52
die Berufung zurückzuweisen .
53
Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und vertritt im wesentlichen weiterhin
den Standpunkt, dass das Informationsschreiben bereits deshalb fehlerhaft sei, weil ein
Hinweis auf die Haftungsverteilung zwischen Veräußerer und Betriebserwerber fehle.
Der bloße Hinweis auf den Austausch eines Vertragspartners reiche insoweit nicht aus.
Unerheblich sei, ob die fehlende Information sich kausal auf die vom Arbeitnehmer zu
treffende Entscheidung auswirke, da die Beweggründe für die Ausübung des
Widerspruchsrechtes ohne Belang seien. Für die Beklagten bestehe die Verpflichtung,
die betroffenen Arbeitnehmer über die wirtschaftliche Situation objektiv, vollständig und
insbesondere wahrheitsgemäß zu informieren, was durch die Beklagte gerade nicht
erfolgt sei. Auch die Information, die B. GmbH sei Inhaberin der Markenrechte, sei
falsch. Diese gehörten vielmehr der B. Holding GmbH, die von der Insolvenz nicht
betroffen sei.
54
Das Widerspruchsrecht des Klägers sei weder verfristet noch verwirkt.
55
Entgegen der Auffassung der Beklagten gelte keine Höchstfrist für die Ausübung des
Widerspruchsrechtes. Wie sich aus der Begründung des Gesetzesentwurfs ergebe, sei
sich der Gesetzgeber seinerzeit der Fristenproblematik bewusst gewesen und habe
eine Höchstfrist dennoch ausdrücklich abgelehnt und damit klargestellt, dass es die
Unterrichtenden selbst in der Hand hätten, die Widerspruchsfrist in Gang zu setzen und
für Klarheit bei allen Beteiligten zu sorgen.
56
Hinsichtlich einer Verwirkung seien vorliegend weder das Zeit- noch das
Umstandsmoment erfüllt. Im Falle einer fehlerhaften Unterrichtung könne das
57
Zeitmoment frühestens ab Kenntnis der Unrichtigkeit der erteilten Unterrichtung
beginnen. Eine valide Kenntnis der maroden Finanzausstattung der Erwerberin und der
Markenrechtsproblematik sei frühestens seit den Berichten der Rechtsanwälte K. und S.
zur Gläubigerversammlung gegeben gewesen. Das für eine Verwirkung erforderliche
Umstandsmoment könne nicht aus der Weiterarbeit des Klägers bei der Erwerberin
hergeleitet werden. Der Kläger habe damit lediglich in Unkenntnis des fortbestehenden
Widerspruchrechts seine arbeitsvertraglichen Pflichten erfüllt. Aus den Angaben des
Klägers gegenüber der Bundesagentur für Arbeit könne kein Verzicht des Klägers auf
sein Widerspruchsrecht hergeleitet werden. In den von der Bundesagentur für Arbeit
vorgelegten Formularen sei die B. GmbH bereits als Arbeitgeberin eingetragen
gewesen. Am Schluss des Anschreibens sei darauf hingewiesen worden, dass das
Ausfüllen der Formulare keine negativen Auswirkungen auf die Ansprüche habe.
Abgesehen davon sei nicht ersichtlich, wie die Beklagte von den Angaben des Klägers
Kenntnis erlangt und infolge dessen ein schützenswertes Vertrauen gebildet haben will.
Schließlich schließe das unredliche und pflichtwidrige Verhalten der Beklagten aus,
dass diese sich auf einen sie begünstigenden Vertrauenstatbestand berufe.
Hinsichtlich der Zahlungsansprüche beruft der Kläger sich vorsorglich auf einen
Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs.1 S.1 BGB und trägt dazu vor, bei
rechtzeitiger zutreffender Information hätte er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses
sofort widersprochen.
58
Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien wird auf ihre in zweiter Instanz
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug
genommen.
59
Entscheidungsgründe:
60
I.
61
Die statthafte (§64 Abs.1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes
zulässige (§64 Abs. 2 ArbGG), form- und fristgerecht eingelegte und begründete
Berufung (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 Abs. 3 ZPO) ist
zulässig.
62
II.
63
Die Berufung der Beklagten ist jedoch unbegründet und war demgemäß
zurückzuweisen. Die Berufungskammer folgt den zutreffenden Gründen der
Entscheidung des Arbeitsgerichts Solingen. Die Angriffe der Beklagten gegen dieses
Urteil vermögen nicht durchzugreifen.
64
1.
65
Die auf Feststellung gerichtete Klage ist gemäß §§ 46 Abs.2 ArbGG, 256 Abs.1 ZPO
zulässig. Das Arbeitsgericht hat zu Recht das für eine Feststellungsklage gemäß § 256
ZPO erforderliche Rechtsschutzinteresse des Klägers bejaht.
66
Nach § 256 Abs.1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines
Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse
daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald
67
festgestellt werde. Das Bundesarbeitsgericht hat Klagen von Beschäftigten auf
Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht, also
gegenwartsbezogene Klagen, in ständiger Rechtsprechung für zulässig erklärt. Der
Kläger verfügt mithin über das zur Erhebung der Feststellungsklage notwendige
Feststellungsinteresse, denn die Beklagte stellt den Fortbestand des
Arbeitsverhältnisses und den sich daraus ergebenden Verpflichtungen in Abrede.
2.
68
Die Berufung ist auch begründet. Das Arbeitsverhältnis des Klägers besteht zu der
Beklagten fort. Zwar ist der Betriebsteil, in dem der Kläger beschäftigt war, gemäß § 613
a Abs.1 BGB auf die B. GmbH übergegangen. Der Kläger hat dem Übergang seines
Arbeitsverhältnisses jedoch rechtzeitig und wirksam gemäß § 613 a Abs.6 BGB
widersprochen, so dass das Arbeitsverhältnis zur Beklagten fortbesteht. Der
Widerspruch des Klägers mit Schreiben vom 10.06.2005 war noch rechtzeitig, da die
Beklagte den Kläger über den Betriebsteilübergang nicht ordnungsgemäß im Sinne des
§ 613 a Abs.5 BGB unterrichtet hat mit der Folge, dass die einmonatige
Widerspruchsfrist gemäß § 613 a Abs.6 BGB nicht in Lauf gesetzt worden ist. Eine
Verwirkung des Widerspruchsrechtes kann nicht festgestellt werden. Dem Kläger stehen
die geltend gemachten Zahlungsansprüche zu.
69
a)
70
Der Kläger hat dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses form- und fristgerecht
widersprochen. Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Monatsfrist des §
613 a Abs.6 BGB wegen fehlerhafter Unterrichtung der Beklagten über den
Teilbetriebsübergang noch nicht verstrichen war.
71
Durch das Gesetz zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze vom
23.März 2002 (BGBl. I S.1163) wurde § 613 a BGB mit Wirkung ab 1.April 2002 um die
Absätze 5 und 6 ergänzt. § 613 a Abs.5 BGB bestimmt, dass der bisherige Arbeitgeber
oder der neue Inhaber die von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer vor
dem Übergang in Textform über den (geplanten) Zeitpunkt des Übergangs, den Grund
für den Übergang, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs
für die Arbeitnehmer und die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen
Maßnahmen zu unterrichten hat. Gemäß § 613 a Abs.6 BGB kann der Arbeitnehmer
dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der
Unterrichtung nach Abs.5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber
dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden. Rechtsfolge der
unterbliebenen Unterrichtung nach § 613 a Abs.5 BGB ist, dass die Widerspruchsfrist
gemäß Abs.6 nicht zu laufen beginnt. Nach allgemeiner Ansicht, der sich die
Berufungskammer anschließt, gilt das auch für die unvollständige Unterrichtung (vgl.
BAG, Urteil vom 24.05.2005, 8 AZR 398/04 = NZA 2005, 1978 m.w.N.; BAG, Urteil vom
13.07.2006, 8 AZR 305/05).
72
Die Unterrichtung soll dem Arbeitnehmer eine ausreichende Wissensgrundlage für die
Ausübung oder Nichtausübung seines Widerspruchsrechtes geben (vgl. BT-Drucksache
14/7760 S.19). Auf der Grundlage der Information soll der Arbeitnehmer die Folgen des
Betriebsübergangs für sich abschätzen können. Die erteilten Informationen müssen
zutreffend sein. Ob die Unterrichtung ordnungsgemäß ist, kann vom Gericht überprüft
werden (vgl. BAG, Urteil vom 13.07.2006, 8 AZR 305/05).
73
Vorstehenden Anforderungen genügt das Unterrichtungsschreiben der Beklagten vom
22.10.2004 nicht, denn die Beklagte hat den Kläger jedenfalls nicht hinreichend über die
rechtlichen Folgen des Teilbetriebsübergangs unterrichtet.
74
Die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Betriebsübergangs ergeben
sich nach der Gesetzesbegründung vor allem aus den Absätzen 1 bis 4 des § 613 a
BGB. Der Gesetzgeber nennt insoweit unter Bezugnahme auf § 613 a Abs.1 4 BGB die
Fragen der Weitergeltung oder Änderung der bisherigen Pflichten aus dem
Arbeitsverhältnis, der Haftung des bisherigen Arbeitgebers und des neuen Inhabers
sowie des Kündigungsschutzes (BT-Drucksache 14/7760 S.19). Bereits aus der
Gesetzesbegründung ist mithin zu entnehmen, dass auch über das Haftungssystem des
613 a Abs.2 BGB zu unterrichten ist. Dass die Unterrichtung über die rechtlichen Folgen
auch Angaben zu der Haftung des bisherigen und des neuen Betriebsinhabers umfasst,
wird auch in der Literatur überwiegend vertreten (vgl. ErfK., § 613 a BGB, Rdnr.85;
Palandt, § 613 a BGB Rdnr.44; Willemsen/Müller Bonanni in Arbeitsrecht Kom., § 613 a
BGB Rdnr.328; Küttner, Personalhandbuch 2006, 123 Rdnr.32; Grau, Unterrichtungs-
und Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer bei Betriebsübergang, S.166). Nunmehr hat
auch das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 13.07.2006 (a.a.O.) entschieden, dass zur
Unterrichtung über die rechtlichen Folgen u.a. sowohl der Hinweis auf den Eintritt des
Übernehmers in die Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis (§
613 a Abs.1 S.1 BGB) als auch auf die gesamtschuldnerische Haftung des
Übernehmers und des Veräußerers nach § 613 a Abs.2 BGB gehört.
75
Diese Informationen sind dem Schreiben vom 22.10.2004 entgegen der Auffassung der
Beklagten nicht zu entnehmen.
76
Der Hinweis auf den Übergang der Arbeitsverhältnisse gibt lediglich die in § 613 a
Abs.1 BGB getroffene Regelung wieder und erschöpft sich letztlich in der Wiederholung
des gesetzlich vorgegebenen Begriffs Übergang . Die reine Wiederholung des
Gesetzeswortlauts genügt den Anforderungen des § 613 a BGB nicht. Erforderlich ist
vielmehr eine konkrete betriebsbezogene Darstellung in einer auch für juristische Laien
möglichst verständlichen Sprache (vgl. BAG a.a.O.) Selbst wenn der Auffassung der
Beklagten gefolgt würde, dass sich aus dieser Formulierung ein Austausch der
Vertragspartner entnehmen läßt, so wäre dadurch dennoch nichts über die
Haftungsregelung des Abs.2 des § 613 a BGB gesagt. Dies räumt auch die Beklagte
selbst ein. Sie kann sich indes nicht darauf berufen, der auch nach ihrem eigenen
Vorbringen unterlassene Hinweis auf die gesamtschuldnerische Haftung gehöre nicht
zu den zwingenden Informationen gemäß § 613 a Abs.5 BGB, weil es sich dabei um
eine für den Arbeitnehmer günstige Regelung handele, die diesen nach einem
entsprechenden Hinweis sicherlich nicht dazu veranlassen könnte, deshalb dem
Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen.
77
Dazu ist zunächst festzustellen, dass einer Begrenzung des Unterrichtungsinhaltes
nach § 613 a Abs.5 Nr.3, 4 BGB auf lediglich objektiv nachteilige Auswirkungen wovon
die Beklagte offensichtlich ausgeht der Wortlaut und Zweck der Norm entgegensteht. §
613 a Abs.5 Nr.3 BGB spricht von Folgen und nicht von Nachteilen des Übergangs für
die Arbeitnehmer. Auch der Begriff der Maßnahmen im Sinne von § 613 a Abs.5 Nr.4
BGB ist insoweit neutral (vgl. dazu Grau, a.a.O. S.150). Danach hat der Arbeitgeber
bereits nach dem Wortlaut der Norm über alle Folgen des Betriebsübergangs zu
unterrichten, ohne dass ihm das Recht einer Bewertung der Folgen als günstig oder
78
ungünstig zusteht. Diese Auffassung steht auch in Einklang mit der
Gesetzesbegründung und der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der wie
bereits ausgeführt die Frage der Haftung des bisherigen Arbeitgebers und des neuen
Inhabers zu den Folgen gehört, über die der Arbeitgeber zu unterrichten hat.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht darüber hinaus darauf hingewiesen, dass es entgegen
der Auffassung der Beklagten - unerheblich ist, ob die Haftungsfrage bei der
Entscheidung des Arbeitnehmers für oder gegen den Betriebsübergang im Einzelfall
eine Rolle spielt. Es ist nicht erforderlich, dass eine Kausalität zwischen fehlerhafter
Unterrichtung und Erklärung des Widerspruchs festgestellt werden kann, denn aus
welchen Gründen der Arbeitnehmer sich weigert, das Arbeitsverhältnis mit dem neuen
Arbeitgeber fortzusetzen, ist grundsätzlich unerheblich. Die Angabe eines Grundes ist
für die Ausübung des Widerspruchsrechtes ebenso wenig von Belang wie das zugrunde
liegende Motiv des Arbeitnehmers (BAG, Urteil vom 30.10.2003, 8 AZR 491/02 = NZA
2004, 481). Eine ordnungsgemäße Unterrichtung i.S.d. § 613 a Abs.5 BGB setzt nach
dem Willen des Gesetzgebers und dem Wortlaut der Norm mithin immer eine
Darstellung der haftungsrechtlichen Folgen eines Betriebsübergangs voraus.
79
Abgesehen davon wird dem betroffenen Arbeitnehmer erst durch die Darstellung der
begrenzten Nachhaftung des bisherigen Arbeitgebers deutlich vor Augen geführt, dass
ein endgültiger Schuldnerwechsel eintritt und der bisherige Arbeitgeber nur noch
begrenzt haftet.
80
Die Beklagte hat den Kläger danach über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs
unvollständig unterrichtet. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in einer weiteren
Entscheidung vom 13.07.2006 (8 AZR 303/05) darauf hingewiesen, dass eine
Unterrichtung über komplexe Rechtsfragen im Rahmen des § 613 a Abs.5 BGB dann
nicht fehlerhaft ist, wenn der Arbeitgeber bei angemessener und gewissenhafter Prüfung
der Rechtslage rechtlich vertretbare Informationen gegenüber dem Arbeitnehmer
kundtut. Eine derartige Ausnahmesituation ist vorliegend bei der Frage über die
Belehrung der gesamtschuldnerischen Haftung ersichtlich nicht gegeben. Hierbei
handelt es sich schon nicht um eine komplexe Rechtsfrage. Abgesehen davon hat die
Beklagte die Rechtslage offensichtlich nicht gewissenhaft geprüft, denn schon in
Anwaltsformularbüchern (so z.B. in Bauer, Lingemann, Haussmann,
Anwaltsformularbuch 2004, Kap.56, MM 56.1) wird in einem Formulierungsvorschlag die
Haftungsregelung ebenfalls dargestellt. Zudem hat auch vor der Entscheidung des
Bundesarbeitsgerichts wie bereits ausgeführt die ganz herrschende Meinung den
Hinweis auf die Haftung für erforderlich gehalten. Hätte die Beklagte die Rechtslage
geprüft, hätte sie zu dem Ergebnis kommen müssen, dass eine gesonderte Belehrung
über die Haftung erforderlich ist. Der Rechtsstandpunkt der Beklagten ist auch nicht
vertretbar.
81
Abgesehen davon fehlt in dem Unterrichtungsschreiben jegliche Information zu § 613 a
Abs.4 BGB. Ausweislich des Inhalts des Unterrichtungsschreibens hat die Beklagte den
Kläger nicht darauf hingewiesen, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch
den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines
Betriebes oder eines Betriebsteils unwirksam ist. Ausweislich der Begründung zum
Regierungsentwurf (BT-Drucks. 14/7760, S.19) gehören zum Pflichtbestandteil der
Unterrichtung gemäß § 613 a Abs.5 Nr.3 BGB auch die kündigungsrechtlichen Folgen
des Betriebsübergangs. Dies entspricht auch der überwiegend in der Literatur
geäußerten Ansicht ( vgl. Hauck, Der Widerspruch beim Betriebsübergang, NZA
82
Sonderbeilage 1/2004, S.43 ff; Grau, a.a.O., m.w.N.). Auch das Bundesarbeitsgericht hat
in seiner Entscheidung vom 13.07.2006 darauf hingewiesen, dass zur Unterrichtung
über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs grundsätzlich auch ein Hinweis auf
die kündigungsrechtliche Information gehört, so denn Kündigungen im Raum stehen. Ob
das Bundesarbeitsgericht insoweit eine Einschränkung der Hinweispflicht vornehmen
will, kann vorliegend dahinstehen, denn die Unterrichtung ist bereits wegen der
fehlenden Unterrichtung über die Haftung fehlerhaft.
Ob die Beklagte darüber hinaus dazu verpflichtet war, die Arbeitnehmer über die
wirtschaftliche Situation der Erwerberin zu unterrichten oder die erfolgten Angaben dazu
mit oder ohne Berücksichtigung der außerhalb des Unterrichtungsschreibens erteilten
Informationen - sogar falsch waren, kann vorliegend ebenfalls offen bleiben, da die
Unterrichtung aus den bereits vorstehend dargelegten Gründen unvollständig und damit
fehlerhaft war.
83
Der Einwand der Beklagten, das Arbeitsgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass
der Inhalt des Informationsschreibens in enger Abstimmung mit der
Arbeitnehmervertretung verfasst worden sei, ist nicht nachvollziehbar, denn zum einen
besteht der Unterrichtungsanspruch des einzelnen Arbeitnehmers als individueller
Auskunftsanspruch unabhängig von Unterrichtungsrechten des Betriebsrates, zum
anderen wird ein objektiv fehlerhaftes Unterrichtungsschreiben durch Abstimmung mit
der Arbeitnehmervertretung nicht inhaltlich richtig.
84
b)
85
Der Widerspruch des Klägers ist nicht verfristet. Aufgrund der fehlerhaften Unterrichtung
ist die einmonatige Frist für die Ausübung des Widerspruchsrechtes nicht in Lauf gesetzt
worden.
86
Wie bereits dargelegt, ist Folge einer fehlerhaften Unterrichtung nach ganz herrschender
Meinung in Literatur und Rechtsprechung, dass die Widerspruchsfrist des § 613 a Abs.6
BGB nicht läuft. Es macht insoweit keinen Unterschied, ob und aus welchen Gründen
der Arbeitnehmer überhaupt nicht, nicht ausreichend bzw. ganz oder in Teilen fehlerhaft
informiert worden ist. Eine einschränkende Auslegung der Anforderungen für ein
Auslösen der Widerspruchsfrist wird weder der Entstehungsgeschichte noch Wortlaut
und Systematik von § 613 a Abs.5, 6 BGB gerecht. In der Gesetzesbegründung wird
ausdrücklich betont, dass die Erklärungsfrist für den Widerspruch erst nach vollständiger
und ordnungsgemäßer Unterrichtung zu laufen beginnt. Wird wie vorliegend festgestellt,
dass eine fehlerhafte Unterrichtung vorliegt, wird die Widerspruchsfrist somit nicht in
Gang gesetzt.
87
Eine zeitliche Begrenzung des Widerspruchsrechts in Form einer absoluten
Ausschlussfrist sieht das Gesetz nicht vor. Eine Analogie zu § 5 Abs.3 S.3 KSchG ist
nach herrschender Meinung im Schrifttum unzulässig (vgl. ErfK/Preis, § 613 a BGB
Rdnr.96; Staudinger/Annuß, § 613 a BGB, Rdnr.170; Franzen, RdA 2002, S.258; Grau
RdA 2005, S.367; Rieble, NZA 2004, S.1).
88
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist in den Fällen, in denen eine Unterrichtung
nicht oder nicht hinreichend stattgefunden hat, § 5 Abs.3 S.2 KSchG nicht entsprechend
anzuwenden. Die Berufungskammer folgt dieser in der Literatur geäußerten
Mindermeinung nicht.
89
Eine Analogie in Form einer Gesetzes- oder Rechtsanalogie ist nur möglich, wenn eine
planwidrige Regelungslücke und ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt (vgl. BAG,
Urteil vom 02.03.2006, 8 AZR 124/05 = BB 2006, 1339). Vorliegend fehlt es in
Anbetracht der Entstehungsgeschichte der Neuregelung des § 613 a BGB bereits an
einer planwidrigen Regelungslücke. Wie das Arbeitsgericht bereits ausgeführt hat, sind
die Änderungsanträge der Fraktionen von CDU/CSU und FDP zur Verankerung einer
absoluten Höchstfrist diskutiert und schließlich von der Ausschussmehrheit verworfen
worden (vgl. BT-Drucks, 14/8128 S.4). Daraus muss der Schluss gezogen werden, dass
der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen hat, in § 613 a Abs.6 BGB eine zeitliche
Ausschlussregelung zu verankern. Die Behauptung der Beklagten, der Antrag der
Fraktionen sei gar nicht diskutiert, sondern lediglich deshalb verworfen worden, weil er
eben von der Opposition vorgeschlagen worden sei, ist eine Vermutung, die durch
keinerlei Tatsachen zu belegen ist. Die Kammer verkennt nicht, dass das Fehlen einer
absoluten Höchstfrist insbesondere für die Parteien der Betriebsübertragung
risikobehaftet und unter dem Gesichtspunkt von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit
problematisch ist. Die Rechtsprechung ist jedoch nicht dazu befugt, sich über die
gesetzgeberische Entscheidung im Wege der Gesetzes- oder Rechtsanalogie
hinwegzusetzen ( BAG, a.a.O.).
90
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der alte und der neue Betriebsinhaber einem
derart unbeschränkten Widerspruchsrecht nicht schutzlos ausgeliefert sind. So können
inhaltlich fehlerhafte oder unvollständige Angaben durch Ergänzung bzw. Ersetzung mit
Wirkung für die Zukunft durch die Unterrichtungsschuldner ohne weiteres richtig gestellt
werden mit der Folge, dass der Anspruch weiterer Arbeitnehmer aus § 613 a Abs.5 BGB
erlischt, wenn die nach dem Gesetz notwendigen Angaben in der Zusammenschau zum
ersten Mal vollständig vorliegen (vgl. Grau a.a.O., S.221). Die Unterrichtungsschuldner
haben es mithin in der Hand, die Folgen eines Unterrichtungsfehlers zeitlich zu
begrenzen. Stellen sie sich wie vorliegend die Beklagte auf den Standpunkt, die
Unterrichtung sei fehlerfrei erfolgt und holen auch nicht zumindest vorsorglich eine
fehlerfreie Unterrichtung nach, so müssen sie unter Berücksichtigung des
gesetzgeberischen Willens hinnehmen, dass weitere Arbeitnehmer zeitlich unbegrenzt
dem Betriebsübergang widersprechen können.
91
Es ist mithin davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer im Falle einer fehlerhaften
Unterrichtung von seinem Widerspruchsrecht grundsätzlich unbefristet Gebrauch
machen kann. Danach war der Kläger dazu berechtigt, noch mit Schreiben vom
10.06.2005 sein Widerspruchsrecht auszuüben.
92
c)
93
Das Widerspruchsrecht des Klägers ist auch nicht verwirkt.
94
Nach herrschender Meinung findet das Widerspruchsrecht seine Begrenzung in
zeitlicher Hinsicht nur durch das allgemeine Rechtsinstitut der Verwirkung (vgl. Grau,
a.a.O., S.295 mit einer Vielzahl weiterer Hinweise). Streitig ist dabei im Einzelnen, wie
viel Zeit vergangen sein muss und welche Umstände gegeben sein müssen, damit von
einer Verwirkung des Widerspruchsrechts ausgegangen werden kann.
95
Ein Anspruch verwirkt, wenn der Anspruchsberechtigte erst nach Ablauf eines längeren
Zeitraums den Anspruch erhebt (Zeitmoment) und dadurch beim Verpflichteten einen
96
Vertrauenstatbestand geschaffen hat, er werde nicht mehr in Anspruch genommen
(Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten
des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die
Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist (BAG, Urteil vom 22.07.2004, 8 AZR
350/03).
Für die Erfüllung des Zeitmoments sind im Schrifttum zu § 613 a Abs.5, 6 BGB
verschiedentlich Mindest- bzw. Höchstfristen genannt worden. Die in Betracht
gezogenen Fristen schwanken zwischen 1 Monat und 1 Jahr. Eine Festlegung auf
abstrakte Fristen ist nach Auffassung der Berufungskammer jedoch ausgeschlossen,
weil sich die Tatsache, ab wann ein Untätigsein als vertrauensbildend und damit als für
eine Verwirkung relevant gewertet werden kann, letztlich nur bei einzelfallbezogener
Abwägung der Umstände ermitteln lässt. Der Verwirkungstatbestand ist als
außerordentlicher Rechtsbehelf ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung. In der
illoyal verspäteten Geltendmachung eines Rechts liegt ein Verstoß gegen Treu und
Glauben (vgl. Palandt/Heinrichs, § 242 BGB Anm. 87). Die Frage des
Rechtsmissbrauchs lässt sich daher nur für den Einzelfall klären. Eine schematisierende
Betrachtungsweise wird dem nicht gerecht (BAG, Urteil vom 20.05.1988, 2 AZR 711/87
= DB 1988, 2156). Zur Bestimmung der Dauer des Zeitmoments ist daher nicht auf eine
starre Höchst- oder Regelfrist abzustellen, sondern auf die konkreten Umstände des
Einzelfalls (BAG, Urteil vom 27.01.2000, 8 AZR 106/99, n.v.).
97
Für die Beantwortung der Frage, ob das Zeitmoment erfüllt ist, ist zunächst zu klären, ab
wann der Lauf des Zeitmoments überhaupt beginnt. Dabei ist als wesentliches Kriterium
zu berücksichtigen, dass die Widerspruchsfrist nach § 613 a Abs.6 BGB nicht mehr wie
nach der früheren Rechtsprechung zu § 613 a BGB an die Kenntnis des Arbeitnehmer
vom Betriebsübergang anknüpft, sondern an die Unterrichtung nach Abs.5. Unter
Berücksichtigung dieses sich daraus ergebenden Gesetzeszweckes, nämlich das
Interesse des Arbeitnehmers an einer hinreichenden Informationsbasis für die
Ausübung der Widerspruchsentscheidung und dem Ziel des Gesetzgebers, die
ordnungsgemäße Unterrichtung des Arbeitnehmers durch ein ansonsten unbefristetes
Widerspruchsrecht abzusichern , kann nach Auffassung der Berufungskammer das
Zeitmoment nicht wie die Beklagte meint ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs,
sondern wenn überhaupt - frühestens ab dem Zeitpunkt beginnen, zu dem der
Arbeitnehmer Kenntnis davon erlangt, dass die Unterrichtung fehlerhaft war (so auch
Willemsen/Müller-Bonanni in Arbeitsrecht Komm., § 613 a BGB Rdnr.340).
98
Diese Auffassung wird durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom
24.05.2005, 8 AZR 398/04 (= NZA 2005, 1302) gestützt. In dieser Entscheidung hat das
Bundesarbeitsgericht ausgeführt, die unvollständige Unterrichtung nach § 613 a Abs.5
BGB hindere den Lauf der Widerspruchsfrist gemäß § 613 a Abs.6 S.1 BGB. Dadurch
sei der Arbeitnehmer ausreichend geschützt, er sei nicht im Zugzwang . Er könne
abwarten und z.B. seinen Unterrichtungsanspruch nach § 613 a Abs.5 BGB verfolgen.
Es bestehe kein Grund für ihn, das Widerspruchsrecht auf einer unzureichenden
Tatsachenbasis auszuüben. Ist somit die Auffassung richtig, dass der Arbeitnehmer bei
einer unvollständigen Unterrichtung in Kenntnis des Betriebsübergangs - nicht im
Zugzwang ist, sondern abwarten darf, kann der Lauf des Zeitmoments der Verwirkung
frühestens ab Kenntnis des Arbeitnehmers von der Unvollständigkeit der Unterrichtung
beginnen.
99
Der dieser Bewertung zugrunde liegende Rechtsgedanke ergibt sich auch aus § 124
100
BGB. Nach § 124 BGB beginnt die Jahresfrist für die Anfechtung im Falle der arglistigen
Täuschung in dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung
entdeckt. Dieser Rechtsgedanke übertragen auf das Widerspruchsrecht bedeutet, dass
das Zeitmoment für die Verwirkung in dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Arbeitnehmer
die Fehlerhaftigkeit der Unterrichtung entdeckt. Die Übertragung des Rechtsgedankens
des § 124 BGB auf den Beginn des Zeitmoments für die Verwirkung des
Widerspruchsrechtes wird nach Auffassung der Kammer sowohl der gesetzgeberischen
Intention, den Arbeitgeber zu einer vollständigen und richtigen Unterrichtung
anzuhalten, gerecht als auch dem Grundsatz, dass jedes Recht der Verwirkung
unterliegt. Schließlich führt die Auffassung, das Zeitmoment bereits ab dem
Betriebsübergang beginnen zu lassen, entgegen dem gesetzgeberischen Willen, dem
Arbeitnehmer bei fehlerhafter Unterrichtung ein unbefristetes Widerspruchsrecht zu
gewähren, im Endeffekt dazu, durch das Zeitmoment der Verwirkung doch eine
Höchstfrist für den Widerspruch einzuführen.
Welche Anforderungen an die Kenntnis des Arbeitnehmers zu stellen sind, d.h. ob die
Kenntnis der Fehlerhaftigkeit an sich ausreicht oder ob positive Kenntnis darüber
vorliegen muss, worin die Fehlerhaftigkeit besteht, kann vorliegend offen bleiben. Die
Darlegungs- und Beweislast für das Eingreifen des Verwirkungstatbestandes, mithin
auch für das Vorliegen des Zeitmoments, obliegt der Beklagten. Die Beklagte hat keine
Umstände dafür vorgetragen, dass der Kläger vor seinem Widerspruch Kenntnis von der
Fehlerhaftigkeit des Unterrichtungsschreibens hatte und dennoch einen längeren
Zeitraum zugewartet hat, bevor er sein Widerspruchsrecht ausübte. Der Kläger hat
seinen Widerspruch mit Schreiben vom 10.06.2005, mithin ca. vier Wochen nach
Stellung des Insolvenzantrages durch die B. GmbH, erklärt. Erst zu diesem Zeitpunkt
konnten bei den Arbeitnehmern Zweifel dahingehend aufkommen, dass die
Unterrichtung möglicherweise fehlerhaft gewesen sein könnte. Entgegen der
Auffassung der Beklagten besteht für einen Arbeitnehmer keine Pflicht, sich zeitnah
nach Erhalt des Widerspruchschreibens durch Einholen von Rechtsrat darüber
informieren zu lassen, ob das Informationsschreiben den rechtlichen Anforderungen
genügt oder nicht. Er darf sich zunächst darauf verlassen, dass die ihm erteilten
Auskünfte richtig und vollständig sind. Die Pflicht zur ordnungsgemäßen und
fehlerfreien Unterrichtung liegt insofern in der Risikosphäre des Arbeitgebers. Dies
ergibt sich - wie bereits ausgeführt - aus dem gesetzgeberischen Willen, die
Widerspruchsfrist erst dann beginnen zu lassen, wenn die Unterrichtung fehlerfrei erfolgt
ist und der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.07.2006 (8 AZR 303/05),
dem Unterrichtungspflichtigen eine angemessene und gewissenhafte Prüfung der
Rechtslage aufzuerlegen.
101
Danach fehlt es vorliegend für den Tatbestand der Verwirkung bereits an der Erfüllung
des Zeitmoments.
102
Selbst wenn dieser vorliegend dargelegten Auffassung nicht zu folgen wäre, fehlt es
jedenfalls worauf bereits das Arbeitsgericht zu Recht hingewiesen hat - an dem
Vorliegen des Umstandsmomentes.
103
Das Umstandsmoment muss so beschaffen sein, dass der bisherige und der neue
Betriebsinhaber im Zusammenspiel mit dem Zeitmoment berechtigt darauf vertrauen
dürfen, der Arbeitnehmer werde sich dem in § 613 a Abs. 1 S.1 BGB angeordneten
Vertragspartnerwechsel nicht mehr durch einen Widerspruch widersetzen (vgl. Grau,
a.a.O. S.302). Das Vorliegen des Zeitmomentes indiziert dabei nicht das sogenannte
104
Umstandsmoment, sondern es bedarf darüber hinausgehender besonderer Umstände
für die berechtigte Erwartung des Schuldners, dass er nicht mehr in Anspruch
genommen wird. Dabei ist im Hinblick auf das Widerspruchsrecht ein besonders
strenger Maßstab anzulegen, denn schließlich haben es der neue und der alte
Arbeitgeber in der Hand, durch vollständige und ordnungsgemäße Unterrichtung die
Widerspruchsfrist in Gang zu setzen. Informieren sie ob bewusst oder unbewusst
fehlerhaft, müssen schon besondere Umstände vorliegen, damit ein Vertrauen
dahingehend entstehen kann, der Arbeitnehmer werde trotz des Informationsdefizits
dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht widersprechen (so auch LAG
München, Urteil vom 30.06.2005, 2 Sa 1169/04 = LAGE § 613 a BGB 2002 Nr.7).
Die tatsächliche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem neuen Arbeitgeber reicht
angesichts der im Falle der fehlerhaften Unterrichtung nicht laufenden Widerspruchsfrist
nicht aus, um daraus auf eine Zustimmung des Arbeitnehmers zum Arbeitgeberwechsel
zu schließen. Dies ergibt sich bereits als Konsequenz aus der gesetzlich zwingend
vorgeschriebenen Überlegungsfrist, die in Fällen fehlerhafter Unterrichtung eben noch
nicht läuft. Die Tatsache der Vertragsfortführung mit dem neuen Betriebsinhaber kann
mithin grundsätzlich vor Ablauf der Widerspruchsfrist nicht als Zustimmung des
Arbeitnehmers zum Arbeitgeberwechsel oder als stillschweigender
Widerspruchsrechtsverzicht gewertet werden mit der Folge der Erfüllung des
Umstandsmomentes der Verwirkung. In diesem Fall ist mit der Weiterarbeit kein
irgendwie gearteter Erklärungsinhalt verbunden. Zu Recht hat der Kläger darauf
hingewiesen, dass er damit nur seiner Arbeitspflicht nachgekommen ist. Zudem stellt die
Weiterarbeit beim Erwerber eine geeignete Maßnahme dar, den Vorwurf des
böswilligen Unterlassens anderweitigen Erwerbs gemäß § 615 S.2 BGB zu vermeiden.
105
Ob es in Einzelfällen denkbar sein kann, dass ein Arbeitnehmer durch sein Verhalten in
Bezug auf das Arbeitsverhältnis zum neuen Arbeitgeber trotz nicht laufender
Widerspruchsfrist vertrauensbildende Umstände setzen kann, braucht vorliegend nicht
entschieden werden, da für derartige Umstände im Falle des Klägers keine
Anhaltspunkte vorliegen.
106
Ein solcher vertrauensbildender Umstand ist jedenfalls nicht darin zu sehen, dass der
Kläger in der Bescheinigung zur Vorlage beim Arbeitsamt die Erwerberin als
Arbeitgeberin angegeben hat. Abgesehen davon, dass die schwierige rechtliche
Bewertung, wer unter den gegebenen Umständen tatsächlich Arbeitgeber des Klägers
ist, nicht auf diesen verlagert werden kann, ist für die Kammer nicht ersichtlich, wieso
aus diesem Umstand ein schutzwürdiges Vertrauen auf Seiten der Beklagten entstehen
konnte, denn der Beklagten war vor dem Widerspruch des Klägers gar nicht bekannt,
wen der Kläger in der Bescheinigung als Arbeitgeber angegeben hatte.
107
Danach ist das Widerspruchsrecht des Klägers nicht verwirkt.
108
Im Ergebnis ist damit festzustellen, dass der Kläger dem Übergang seines
Arbeitsverhältnisses auf die Erwerberin rechtzeitig und ordnungsgemäß widersprochen
hat mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis zur Beklagten fortbesteht.
109
d)
110
Die geltend gemachten Zahlungsanträge stehen dem Kläger zu.
111
aa)
112
Sowohl der Anspruch auf die Bonuszahlung als auch der Anspruch auf die
Jahressonderzahlung sind der Höhe nach zwischen den Parteien unstreitig. Sie sind
auch dem Grunde nach berechtigt. Dem Grunde nach hat die Beklagte diese
Zahlungsverpflichtungen nur deshalb bestritten, weil sie davon ausging, dass zwischen
den Parteien wegen des Betriebsübergangs mit Wirkung ab dem 01.11.2004 kein
Arbeitsverhältnis mehr bestanden hat.
113
Wie vorstehend ausgeführt ist diese Auffassung der Beklagten unrichtig. Da das
Arbeitsverhältnis nicht auf die Erwerberin übergegangen ist, sondern die Beklagte
aufgrund der ex tunc Wirkung des Widerspruchs Arbeitgeberin des Klägers geblieben
ist, ist sie aufgrund der zwischen den Parteien bestehenden arbeitsvertraglichen
Vereinbarungen zur Zahlung des Bonus und der Jahressonderzahlung verpflichtet. Die
Zahlungsansprüche ergeben sich unmittelbar aus dem zwischen den Parteien
bestehenden Arbeitsverhältnis.
114
bb)
115
Dem Kläger stehen auch die ab Mai 2005 geltend gemachten Entgeltansprüche gemäß
§ 615 BGB zu. Die Voraussetzungen des Annahmeverzuges liegen vor. Die Beklagte
muss sich nach Auffassung der Berufungskammer das gegenüber der Erwerberin
unstreitig abgegebene Arbeitsangebot des Klägers zurechnen lassen.
116
Lohnansprüche aus Annahmeverzug setzen zunächst das Bestehen eines
Arbeitsverhältnisses voraus. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt, da aufgrund der
Rückwirkung des Widerspruchs des Klägers auch über den Zeitpunkt des
Betriebsübergangs hinaus ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat.
Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestand mithin auch für den für die
Zahlungsansprüche streitgegenständlichen Zeitraum ab Mai 2005.
117
Für den Annahmeverzug gelten auch im Arbeitsverhältnis die Bestimmungen der §§ 293
ff BGB. Danach muss der Arbeitnehmer in der Regel die geschuldete Leistung
tatsächlich anbieten. Dabei muss die Leistung so, wie sie geschuldet wird, am rechten
Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Weise angeboten werden. Seiner Rechtsnatur
nach ist das tatsächliche Angebot ein Realakt. Die Vorschriften über die
Willenserklärungen sind nicht anwendbar, insbesondere nicht die über den Zugang
gemäß § 130 BGB (vgl. ErfK-Preis, § 615 BGB Rdnr.17). Nach § 295 BGB genügt ein
wörtliches Angebot, wenn der Arbeitgeber erklärt hat, er werde die Leistung nicht
annehmen, oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Arbeitgebers
erforderlich ist. Ist für die vom Arbeitgeber vorzunehmende Handlung eine Zeit nach
dem Kalender bestimmt, bedarf es ausnahmsweise überhaupt keines Angebots des
Arbeitnehmers, wenn der Arbeitgeber die Handlung nicht rechtzeitig vornimmt (§ 296
BGB). Gemäß § 297 2.Alternative BGB kommt der Arbeitgeber im Falle des § 296 BGB
allerdings nicht in Verzug, wenn der Arbeitnehmer zu der für die Handlung des
Arbeitgebers bestimmten Zeit außerstande ist, die Leistung zu bewirken. Unmöglichkeit
der Leistung und Unvermögen des Arbeitnehmers schließen den Annahmeverzug
mithin grundsätzlich aus. Da der Arbeitgeber in der Regel nicht erkennen kann, wann er
in diesem Fall dem Arbeitnehmer Arbeit zuzuweisen hat, muss der Arbeitnehmer ihn
zumindest auffordern, ihm Arbeit zuzuweisen. Eines Leistungsangebotes des
Arbeitnehmers bedarf es danach in allen Fällen, in denen der Arbeitgeber nicht
118
erkennen kann, ob und von welchem Zeitpunkt an der Arbeitnehmer leistungsbereit und
leistungswillig ist. Der Annahmeverzug endet, wenn der Gläubiger der Arbeitsleistung
diese als Erfüllung aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis annimmt bzw. die
Mitwirkungshandlung vornimmt (vgl. ErfK-Preis § 615 BGB Rdnr.67 m.w.N.).
Ein tatsächliches Angebot im Sinne von § 294 BGB ist unstreitig nur der Erwerberin
gegenüber erfolgt. Da der Kläger seine Arbeitsleistung ausschließlich bei der
Erwerberin erbracht hat, konnte die Beklagte vor Zugang des Widerspruchs nicht
erkennen, dass der Kläger das Arbeitsverhältnis mit ihr fortsetzen wollte und daher ihr
gegenüber leistungsbereit und leistungswillig war. Sie war danach auch nicht dazu in
der Lage, ihrer Mitwirkungshandlung, nämlich Zuweisung eines Arbeitsplatzes,
nachzukommen, um damit einen eingetretenen Annahmeverzug zu beenden.
119
Die Frage, ob der Veräußerer dennoch für den Zeitraum zwischen dem Stichtag der
Betriebsübernahme und dem Zugang des (zurückwirkenden) Widerspruchs in
Annahmeverzug geraten kann, wird in Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich
beurteilt (vgl. dazu einerseits Annahmeverzug bejahend Franzen RdA 2002, 258 Seite
271, andererseits verneinend Worzalla, NZA 2002, Seite 358, Rieble, NZA 2004, Seite
7; Grau a.a.O. S.380; LAG L., Urteil vom 11.06.2004, 12 Sa 374/04 = ZIP 2005, 591).
Das Problem der Rückwirkung des Widerspruchs liegt letztlich darin, dass tatsächliche
Arbeitsleistung und das Arbeitsverhältnis als Rechtsgrundlage auseinander fallen.
120
Franzen (a.a.O.) lässt unter Hinweis darauf, dass es sich bei dem Angebot im Sinne von
§ 294 BGB um einen Realakt handelt, auf den die Vorschriften der Willenserklärung
nicht anwendbar sind, in diesem Fall das Arbeitsangebot des Arbeitnehmers gegenüber
dem Betriebserwerber ausreichen. Erscheine der Arbeitnehmer nach Betriebsübergang
an seinem Arbeitsplatz und erbringe er mit oder ohne Kenntnis über den neuen
Betriebsinhaber die geschuldete Arbeitsleistung, könne darin ein tatsächliches Angebot
gegenüber dem bisherigen Betriebsinhaber erblickt werden, sofern dieser wegen der
späteren Ausübung des Widerspruchsrechts schließlich Arbeitgeber werde. Ein
tatsächliches Angebot könne wie z.B. bei der Leiharbeit - durchaus auch einem Dritten
gegenüber erbracht werden, wenn diesem die Leistung nach der vertraglichen Abrede
erbracht werden müsse. Vor Erklärung des Widerspruchs sei das Arbeitsverhältnis
zunächst auf den Erwerber übergegangen, so dass die Arbeitsleistung vertraglich ihm
gegenüber erbracht werden müsse, obwohl dieser wegen des später erklärten,
rückwirkenden Widerspruchs niemals Gläubiger der Arbeitsleistung geworden sei. In
solchen Fällen werde der Annahmeverzug nicht aufgrund der Entgegennahme der
Arbeitsleistung durch den Erwerber ausgeschlossen, denn der Annahmeverzug des
Arbeitgebers werde nur dann beendet, wenn dieser die Arbeitsleistung als Erfüllung aus
dem bestehenden Arbeitsverhältnis entgegennehme. Da zwischen Betriebserwerber
und widersprechendem Arbeitnehmer aber wie sich später herausstellt von Anfang an
nur ein fehlerhaftes Arbeitsverhältnis bestanden habe, genüge die Entgegennahme der
Arbeitsleistung auf einer solchen Grundlage nicht. Der Arbeitnehmer müsse sich auf
seine Annahmeverzugsansprüche gegen den Veräußerer allerdings die Vergütung, die
er beim Betriebserwerber erhalten habe, gemäß § 615 S.2 BGB anrechnen lassen.
121
Demgegenüber wird eingewandt (vgl. Grau, a.a.O. S.380 ff), es fehle bereits an einem
nach § 294 BGB notwendigen Angebot der Arbeitsleistung am richtigen Ort, (d.h. dem
Betriebssitz des Veräußerers, nicht des Erwerbers), wenn der Arbeitnehmer zunächst für
den neuen Betriebsinhaber an seinem bisherigen Arbeitsplatz gearbeitet habe. Die
geschuldete Arbeitsleistung sei dann gerade nicht dem Arbeitgeber, sondern dem
122
Betriebsnachfolger angetragen worden, der widerspruchsbedingt nie
Arbeitsvertragspartner gewesen sei. Die Auffassung Franzens, wonach ein Angebot im
Sinne von § 294 BGB auch einem Dritten gegenüber erbracht werden könne, überzeuge
nicht, denn in diesem Fall müsse konsequenterweise auch berücksichtigt werden, dass
der neue Betriebsinhaber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers vor dessen
Widerspruch ja auch tatsächlich entgegengenommen habe. Im Übrigen scheide ein
Annahmeverzug des Veräußerers aus, weil dem Arbeitnehmer unter dem Gesichtspunkt
des absoluten Fixschuldcharakters der Arbeitspflicht eine Leistungserbringung (neben
der Arbeit für den Betriebserwerber) unmöglich wäre. Es verbleibe also dabei, dass der
Betriebsveräußerer nicht in Annahmeverzug gerate, wenn der Arbeitnehmer vor Zugang
der Widerspruchserklärung bewusst oder unbewusst für den Erwerber in dem
übertragenen Betrieb oder Betriebsteil Dienste geleistet habe.
Für die Zurechnung des Arbeitsangebotes dürfte sich wohl auch Annuß (vgl.
Staudinger/Annuß § 613 a Rdnr. 186) aussprechen. Nach Auffassung von Annuß rückt
der Erwerber bis zum Widerspruch bzw. bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist auch nicht
vorübergehend in die Stellung des Arbeitgebers ein. Dieses Ziel könne jedoch nicht
dadurch erreicht werden, dass der Widerspruchserklärung schlicht ex tunc Wirkung
beigelegt werde, sondern nur durch einen aufschiebend bedingten Übergang des
Arbeitsverhältnisses, so dass dieses zunächst (bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist
bzw. einer abschließenden Erklärung des Arbeitnehmers) mit dem bisherigen
Arbeitgeber fortbestehe. Dieser könne die betroffenen Arbeitnehmer allerdings
konkludent anweisen, auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz und damit im Rahmen der
nunmehr vom Erwerber getragenen Betriebsorganisation tätig zu werden. Dies verstoße
nicht gegen grundrechtliche Wertungen, da dem Arbeitnehmer kein anderer
Vertragspartner aufgezwungen werde. Darüber hinaus erscheine dies vom
Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt, da es hergebrachter Auffassung entspräche,
dass die zu leistende Arbeit regelmäßig im wesentlichen von dem Betrieb und nicht von
der Person des Betriebsinhabers bestimmt werde.
123
Bei dieser Sichtweise, die während der Schwebezeit eine Verdoppelung des
Arbeitsverhältnisses in ein faktisches und ein rechtliches Arbeitsverhältnis sowie einen
Austausch des Arbeitgebers vermeidet, wäre das Arbeitsangebot während der
Schwebezeit dem Veräußerer zuzurechnen, denn der Arbeitnehmer hat seine
Arbeitsleistung sodann am richtigen Ort und zur richtigen Zeit, wenn auch in dem vom
Erwerber geführten Betrieb, angeboten. Annuß gibt allerdings zu bedenken, dass einer
solchen Zuweisung die Bestimmungen des AÜG entgegenstehen könnten.
124
Für beide Auffassungen sprechen erwägenswerte Gründe. Allerdings ist der Auffassung
von Franzen und Annuß unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts zur Rückwirkung des nunmehr gesetzlich vorgesehenen
Widerspruchsrechts und dessen Schutzzweck nach Auffassung der Berufungskammer
der Vorzug zu geben.
125
Das Bundesarbeitsgericht hat dazu ausgeführt, der Arbeitnehmer, der dem Übergang
seines Arbeitsverhältnisses widersprochen habe, verhindere die Rechtsfolge des § 613
a Abs.1 S.1 BGB, d.h. die Auswechslung des Arbeitgebers. Bei dem Widerspruch
handele es sich um ein Gestaltungsrecht in der Form eines
Rechtsfolgenverweigerungsrechts. Der Widerspruch sei nämlich darauf gerichtet, die
gesetzlich vorgesehene Rechtsfolge, den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den
Betriebsübernehmer, nicht eintreten, sondern stattdessen das Arbeitsverhältnis mit dem
126
bisherigen Arbeitgeber fortbestehen zu lassen. Dies gelte auch dann, wenn der
Widerspruch aufgrund fehlerhafter Unterrichtung und nicht in Gang gesetzter
Widerspruchsfrist erst nach dem Betriebsübergang erklärt werde. Zwar wirke die
Ausübung von Gestaltungsrechten regelmäßig nur für die Zukunft. Dies sei darin
begründet, dass eine Rückwirkung den Grundsätzen rechtlicher Klarheit in dem
zurückliegenden Zeitraum widersprechen und eine Rückabwicklung bereits lange
vollzogener Rechtsverhältnisse zu Schwierigkeiten führen könne. Entscheidend sei
jedoch, dass die Rückwirkung des Widerspruchs zum Schutz des Ausübungsbefugten
geboten sei. Das Widerspruchsrecht solle verhindern, dass dem Arbeitnehmer ein
anderer Arbeitgeber aufgezwungen werde, und zwar auch nicht vorübergehend durch
eine verspätete Unterrichtung. Werde der Unterrichtungspflicht durch Veräußerer und
Erwerber nicht ausreichend und ordnungsgemäß Genüge getan, sei der Arbeitnehmer
schutzwürdig (vgl. BAG, Urteil vom 13.07.2006, 8 AZR 305/05). Dem Arbeitnehmer soll
damit auch kein Schuldnerwechsel für die Vergangenheit aufgezwungen werden (vgl.
so schon BAG, Urteil vom 22.04.1993, 2 AZR 50/92 = NZA 1994, 360).
Durch diese Ausführungen wird die von Annuß vertretene Auffassung des aufschiebend
bedingten Übergangs des Arbeitsverhältnisses gestützt. Die Berufungskammer neigt
dazu, sich dieser Auffassung anzuschließen. Angesichts des vorstehend dargestellten
Schutzzwecks der Rückwirkung ist es nur konsequent, den Veräußerer bis zur
endgültigen Entscheidung des Arbeitnehmers in der Position des Arbeitgebers zu
belassen. Nur so kann eine Verdoppelung der Arbeitsverhältnisse in ein faktisches zum
Erwerber und ein rechtliches zum Veräußerer, was dem Arbeitnehmer entgegen dem
Schutzzweck der Rückwirkung zumindest faktisch für einen gewissen Zeitraum einen
anderen Arbeitgeber aufdrängen würde, vermieden werden. Auch die von Rieble
(a.a.O., S.7-8) befürchtete Verdoppelung von Ansprüchen besteht sodann nicht. Ebenso
wenig besteht die von Grau (a.a.O., S.381) als Argument gegen die Zurechnung des
Annahmeverzuges vorgebrachte Unmöglichkeit der Leistungserbringung des
Arbeitnehmers (neben der Arbeit für den Betriebserwerber), weil der Arbeitnehmer die
Arbeitsleistung nur in einem Arbeitsverhältnis erbringt. Dabei muss nach der
Neufassung des § 613 a BGB als Konsequenz der nicht in Gang gesetzten
Widerspruchsfrist im Falle einer fehlerhaften Unterrichtung hingenommen werden, dass
der Schwebezustand ggf. über einen längeren Zeitraum besteht, der letztlich wie
ausgeführt nur durch das Rechtsinstitut der Verwirkung begrenzt wird. Insoweit hat das
Bundesarbeitsgericht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Arbeitnehmer in
diesem Fall schutzwürdig ist. Die Vorschriften des AÜG können einschränkend keine
Berücksichtigung finden, da es sich letztlich nicht um eine Arbeitnehmerüberlassung
handelt, sondern um eine rechtliche Konstruktion, die sich aus der Besonderheit der
Rückwirkung des Widerspruchs ergibt und nicht an den Vorschriften des AÜG zu
messen ist.
127
Unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen muss sich mithin der bisherige
Arbeitgeber bei wirksamem Widerspruch die tatsächlich eingetretenen Gegebenheiten
in dem zunächst zum Erwerber ohne Rechtsgrund gelebtem Arbeitsverhältnis, also auch
ein tatsächliches Arbeitsangebot des Arbeitnehmers, zurechnen lassen.
128
Auch die von Franzen vertretene Ansicht führt letztlich zu diesem Ergebnis. Ihr kann
nicht entgegengehalten werden, der neue Betriebsinhaber habe die Arbeitsleistung ja
tatsächlich angenommen, woraus nach Auffassung von Grau wohl hergeleitet werden
soll, dass der Annahmeverzug durch Entgegennahme der Arbeitsleistung beendet
worden ist. Zu Recht weist Franzen (a.a.O.) insoweit darauf hin, dass der Erwerber die
129
Arbeitsleistung nicht als Erfüllung aus dem bestehenden Arbeitverhältnis
entgegengenommen haben kann, weil zwischen diesen nach Ausübung des
Widerspruchs von Anfang an allenfalls ein faktisches Arbeitsverhältnis bestanden hat.
Die Entgegennahme der Arbeitsleistung auf einer solchen Grundlage reicht nicht aus,
um den Annahmeverzug zu beenden. Es ist vielmehr erforderlich, dass die
Rechtsgrundlage feststeht, aufgrund derer die Leistung erbracht wird. So reicht es auch
nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Beendigung des
Annahmeverzuges nicht aus, dass der Arbeitgeber für die Dauer des
Kündigungsschutzprozesses ein bloß faktisches Arbeitsverhältnis anbietet (vgl. dazu
BAG, Urteil vom 14.11.1985, 2 AZR 98/94 = NZA 1986,637). Danach ist festzustellen,
dass der Annahmeverzug des Betriebserwerbers nicht durch Annahme der
Arbeitsleistung des Arbeitnehmers durch den Betriebserwerber beendet werden kann,
weil letzterer aufgrund der Rückwirkung des Widerspruchs zu keiner Zeit Gläubiger der
Arbeitsleistung geworden ist und diese daher auch nicht als Erfüllung entgegennehmen
konnte.
Schließlich spricht für die Zurechnung des tatsächlichen Arbeitsangebots gemäß § 294
BGB auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für den umgekehrten Fall,
wonach der neue Inhaber den gegenüber dem früheren Inhaber eingetretenen
Annahmeverzug aufgrund des Schutzzweckes des § 613 a BGB gegen sich gelten
lassen muss.
130
Das Bundesarbeitsgericht hat dazu im Urteil vom 21.03.1991 (2 AZR 577/90 = NZA
1991, 726 m.w.N.) ausgeführt, der vollständige Eintritt des Betriebsübernehmers in die
Rechte und Pflichten des bisherigen Arbeitgebers bedeute nicht nur eine Nachfolge in
rechtliche Beziehungen, der Übernehmer müsse sich auch Gegebenheiten zurechnen
lassen, die als Tatbestandsmerkmal für spätere Rechtsfolgen von Bedeutung seien. Das
gelte z.B. für eine Angebot, das der Arbeitnehmer gegenüber seinem früheren
Arbeitgeber zur Begründung von Annahmeverzug gemacht habe. Dies entspräche dem
Zweck des § 613 a BGB, der unter anderem darin bestehe, eine Regelung der Haftung
des alten und neuen Betriebsinhabers zu schaffen. Der Arbeitnehmer solle eines
Anspruchs nicht nur deshalb verlustig gehen, weil der Betrieb übergeht, obwohl er der
Arbeitnehmer - vorher alle Voraussetzungen für einen Anspruch gegen den alten
Inhaber des Betriebes geschaffen habe.
131
Übertragen auf den Fall des widersprechenden Arbeitnehmers, der fehlerhaft
unterrichtet worden ist und sein Widerspruchsrecht erst nach Kenntnis von der
Unrichtigkeit der Unterrichtung ausübt, bedeutet dies, dass er seines Anspruchs auf
Annahmeverzugslohn gegenüber seinem Arbeitgeber, dem Betriebsveräußerer, nicht
deshalb verlustig gehen darf, weil er nicht dem früheren, sondern dem neuen Inhaber
gegenüber alle Voraussetzungen für einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn
geschaffen hat. So wie sich der neue Inhaber annahmeverzugsbegründende
Handlungen gegenüber dem alten Inhaber zurechnen lassen muss, muss sich bei
fehlerhafter Unterrichtung und nicht in Gang gesetzter Widerspruchsfrist der frühere
Betriebsinhaber nach Ausübung des Widerspruchsrechts und daraus folgender ex tunc
Wirkung annahmeverzugsbegründende Handlungen gegenüber dem neuen Inhaber
zurechnen lassen.
132
Die Beklagte muss sich danach das Arbeitsangebot des Klägers gegenüber der
Erwerberin annahmeverzugsbegründend zurechnen lassen mit der Folge, dass dem
Kläger die geltend gemachten Differenzansprüche beginnend mit dem Monat Mai 2005
133
zustehen.
Abgesehen davon kann die Beklagte sich nicht darauf berufen, ein Angebot der
Arbeitsleistung des Klägers ihr gegenüber sei erforderlich gewesen, damit sie eine
Entscheidung über dessen Annahme treffen konnte. Zu Recht hat das Arbeitsgericht
darauf hingewiesen, dass die Beklagte bereits im Unterrichtungsschreiben eindeutig
zum Ausdruck gebracht hat, dass sie eine Weiterbeschäftigung des Klägers ablehnt.
134
Der Arbeitgeber gerät ausnahmsweise auch ohne Kenntnis von dem Leistungswillen
und der Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers in Annahmeverzug, wenn er
gegenüber dem Arbeitnehmer eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, er lehne unter allen
Umständen eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers ab. In diesem Fall verstößt der
Arbeitgeber gegen das sich aus Treu und Glauben ergebende Verbot des
widersprüchlichen Verhaltens, wenn er sich später darauf beruft, der Arbeitnehmer habe
ihn nicht zur Zuweisung von Arbeit aufgefordert. (vgl. dazu die frühere Rechtsprechung
des BAG im Urteil vom 08.04.1988, 2 AZR 681/87, n.v., zur Frage des
Annahmeverzuges des Arbeitgebers bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nach
Ausspruch einer Kündigung).
135
Die Beklagte hat dem Kläger im Unterrichtungsschreiben ausdrücklich erklärt, es
bestehe für ihn nach dem Betriebsübergang im Falle der Ausübung seines
Widerspruchrechtes keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit mehr. Dass dieser Hinweis
inhaltlich völlig zutreffend war, hat die Beklagte auch im vorliegenden Verfahren (S.19
des Schriftsatzes vom 15.11.2005, Bl.89 der Akte) nochmals bestätigt. Sie hat
vorgetragen, dass die Position des Klägers als Leiter des Bereichs Presse und Public
Relations seit dem 01.11.2004 bei ihr nicht mehr bestehe und auch nicht neu
eingerichtet worden sei. Sie hat damit selbst vorgetragen, den Kläger selbst bei
unterstelltem Arbeitsangebot tatsächlich nicht beschäftigen zu können. Die Beklagte
verhält sich widersprüchlich, wenn sie sich nunmehr auf ein fehlendes Arbeitsangebot
des Klägers beruft, obwohl sie nach ihrem eigenen Vortrag die Arbeitskraft des Klägers
mangels einer bestehenden Beschäftigungsmöglichkeit nicht annehmen konnte und
dies auch dem Kläger gegenüber erklärt hat.
136
Die vorstehende Beurteilung wird nach Auffassung der Berufungskammer durch die
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Teilbetriebsübergängen und den
Anforderungen an das Angebot einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit gestützt. Im Fall
eines bevorstehenden Teilbetriebsübergangs weiß der Arbeitgeber, dass das
Beschäftigungsbedürfnis für die vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer entfallen wird,
falls sie von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch machen. Er befindet sich in keiner
anderen Lage als der Arbeitgeber, der den Wegfall der bisherigen
Beschäftigungsmöglichkeit auf Grund einer Reorganisation vorhersieht. Deshalb muss
er dem Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die
Weiterbeschäftigung auf einem vorhandenen und zumutbaren freien Arbeitsplatz - ggf.
auch zu veränderten Bedingungen - anbieten, wenn er mit dem Widerspruch des
Arbeitnehmers rechnen muss (vgl. BAG, Urteil vom 15.08.2002, 2 AZR 195/01 = NZA
2003, 430). Da das Widerspruchsrecht als Ausdruck des Umstandes, dass dem
Gläubiger ein Schuldnerwechsel nicht gegen seinen Willen aufgedrängt werden kann,
an keine besonderen Gründe gebunden ist (BAG 18. März 1999 - 8 AZR 190/98 - BAGE
91, 129; 19. März 1998 - 8 AZR 139/97 - BAGE 88, 196; KR-Pfeiffer 6. Aufl. § 613 a BGB
Rn. 109), muss der Arbeitgeber grundsätzlich jedenfalls ab dem Zeitpunkt mit dem
Widerspruch rechnen, in dem er den Arbeitnehmer von dem bevorstehenden
137
Betriebsübergang unterrichtet, der Arbeitnehmer also Kenntnis von dem
Betriebsübergang hat. Der Arbeitgeber ist danach bei einem Teilbetriebsübergang dazu
verpflichtet, eine für den Arbeitnehmer bestehende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu
prüfen und diese dem Arbeitnehmer mitzuteilen. Teilt er dem Arbeitnehmer wie
vorliegend geprüft oder ungeprüft - mit, dass keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit
besteht, erklärt er damit gleichzeitig, dass er seine Mitwirkungshandlung, nämlich das
Zurverfügungstellen eines Arbeitsplatzes, nicht erbringen wird mit der Folge, dass ein
Arbeitsangebot des Arbeitnehmers entbehrlich ist.
Die vorstehende Beurteilung führt auch nicht zu unbilligen Ergebnissen. Zum einen hat
es der Veräußerer in der Hand, eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des
Arbeitnehmers zu überprüfen und diese dem Arbeitnehmer anzubieten. Zum anderen
beschränkt sich das Risiko des Veräußerers bei ordnungsgemäßer Unterrichtung auf
den Zeitraum von einem Monat ab Zugang des Unterrichtungsschreibens. Unterrichtet
der Veräußerer den Arbeitnehmer rechtzeitig, also wie gesetzlich vorgesehen vor dem
Betriebsübergang, entfällt jegliches Risiko für den Veräußerer. Der Veräußerer ist selbst
bei einer verspäteten Unterrichtung durch § 615 S.2 BGB hinreichend geschützt, weil
der Arbeitnehmer sich den bei dem Erwerber erzielten bzw. böswillig unterlassenen
Verdienst anrechnen lassen muss. Unterrichtet der Veräußerer allerdings wie
vorliegend fehlerhaft und wird die Widerspruchsfrist dadurch nicht in Gang gesetzt, muss
der Veräußerer das Risiko tragen, das dadurch entstanden ist, dass er fehlerhaft
unterrichtet und eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers abgelehnt hat.
138
Die Berufung war mithin insgesamt zurückzuweisen.
139
III.
140
Die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels waren gemäß §§ 64 Abs.6 ArbGG,
97 Abs. 1 ZPO der Beklagten aufzugeben.
141
IV.
142
Die Revision war gemäß § 72 Abs.2 Nr.1 ArbGG zuzulassen, da
entscheidungserhebliche Rechtsfragen vorliegen, die grundsätzliche Bedeutung haben,
für die Einheitlichkeit der Rechtsordnung von allgemeiner Bedeutung und
höchstrichterlich noch nicht entschieden sind.
143
Rechtsmittelbelehrung:
144
Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten
145
REVISION
146
eingelegt werden.
147
Für den Kläger ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
148
Die Revision muss
149
innerhalb einer Notfrist von einem Monat
150
nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
151
Bundesarbeitsgericht,
152
Hugo-Preuß-Platz 1,
153
99084 Erfurt,
154
Fax: (0361) 2636 - 2000
155
eingelegt werden.
156
Die Revision ist gleichzeitig oder
157
innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils
158
schriftlich zu begründen.
159
Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem
deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
160
Paßlick Becker Meyer
161