Urteil des LAG Düsseldorf vom 27.01.2000

LArbG Düsseldorf: betriebsrat, anspruch auf beschäftigung, zweigstelle, arbeitsgericht, kreis, einheit, arbeitsmarkt, eingliederung, ausbildung, wiederholung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Normen:
Sachgebiet:
Leitsätze:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 11 TaBV 73/99
27.01.2000
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
11. Kammer
Beschluss
11 TaBV 73/99
Arbeitsgericht Krefeld, 3 BV 13/99
BetrVG §§ 5 Abs. 1, 7, 19; §§ 260 Abs. 1, 262 Abs. 1 SGB III
Arbeitsrecht
Die Teilnehmer der von einem Träger von Arbeitsbeschaffungsmaß-
nahmen in eigener Regie durchgeführten Wiedereingliederungsmaß-
nahmen (vgl. § 262 Abs. 1 Satz 2 SGB III) sind, auch wenn mit ihnen
Arbeitsverhältnisse begründet worden sind (vgl. § 260 Abs. 1 Nr. 2 SGB
III), mangels Betriebszugehörigkeit nicht nach § 7 BetrVG wahl-
berechtigt.
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss
des Arbeitsgerichts Krefeld vom 22.07.1999 3 BV 13/99
wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird für den Antragsgegner zuge-
lassen.
G r ü n d e
I.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.
Die antragstellende Arbeitgeberin ist eine Bildungseinrichtung, die sich mit der
Durchführung von Projekten mit dem Ziel, wechselnden Personenkreisen, die von
Arbeitslosigkeit betroffen sind und deren erwerbswirtschaftliche Eingliederung unter den
üb-lichen Bedingungen erschwert ist, den Übergang in den regulären Arbeitsmarkt zu
ermöglichen und gegebenenfalls auf Dauer Arbeitsplätze bei den vorgenannten Projekten
zu schaffen. Für diese Maßnahmen erhält die Arbeitgeberin öffentliche Mittel der
Bundesanstalt für Arbeit, des Landes Nordrhein-Westfalen sowie der Europäischen Union.
Die von der Arbeitgeberin durchgeführten Projekte sind befristet und räumlich voneinander
abgegrenzt. Jedes Projekt richtet sich nach der Zielgruppe (Jugendliche,
Berufsrückkehrerinnen, Langzeitarbeitslose, Personen mit Vermittlungshemmnissen) aus,
für das es initiiert wird. Die einzelnen Projekte werden von einem bestimmten
Mitarbeiterstamm (sog. Stammbelegschaft) aus Anleitern und Sozialpädagogen betreut. Im
Rahmen der in S., B. und G. angesiedelten Projekte sind acht Sozialpädagogen/Stützlehrer
und neun Anleiter tätig. Davon sind befristet beschäftigt die Herren W., S., D., K., K., K., N.,
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H., V., L., M. sowie Frau K. und Frau P.. In unbefristeten Verträgen sind tätig Frau S., Frau
A., Herr W. und Herr E.. Diese Mitarbeiter sind projektbezogen von der in A. bei B.
ansässigen Hauptverwaltung der Arbeitgeberin, der jedenfalls die kaufmännische Leitung
sowie die Personalverwaltung obliegt, eingestellt worden.
Mit den ihr vom Arbeitsamt zugewiesenen Personen schließt die Arbeitgeberin durch ihre
Hauptverwaltung Arbeitsverträge im Rahmen von Teilzeit-Arbeitsbeschaffungs-
maßnahmen für die von ihr durchgeführten Projekte ab. Die Teilzeit-Arbeitsbe-
schaffungsmaßnahme ist kombiniert mit einer Teilzeitqualifizierung, worüber ein
gesonderter Vertrag (sog. Beschulungsvertrag) zwischen den jeweiligen Parteien des
vorgenannten Arbeitsvertrages geschlossen wird. Wegen des näheren Inhalts eines
solchen Arbeits- und Beschulungsvertrages wird beispielhaft ausdrücklich auf die in der
Gerichtsakte befindlichen Verträge zwischen der Arbeitgeberin und Herrn de A. verwiesen.
Für die Projekte S., B. und G. bzw. für die Zweigstelle der Arbeitgeberin in V. wurde im Mai
1999 ein aus fünf Personen bestehender Betriebsrat, der Antragsgegner dieses Verfahrens,
gewählt. Der Wahlvorstand ging für die Betriebsratswahl, deren Ergebnis am 04.05.1999
bekannt gemacht wurde, von insgesamt 119 wahlberechtigten Beschäftigten bei der
Arbeitgeberin aus, unterteilt in 23 Angestellte und 96 Arbeiter. Bei den Arbeitern handelte
es sich ausschließlich um Teilnehmer an den von der Arbeitgeberin auf der Grundlage der
mit ihnen abgeschlossenen Arbeits- und Beschulungsverträgen durchgeführten
Wiedereingliederungsmaßnahmen.
Mit ihrem am 18.05.1999 bei dem Arbeitsgericht Krefeld eingereichten Antrag macht die
Arbeitgeberin hauptsächlich die Nichtigkeit der Betriebsratswahl geltend.
Die Arbeitgeberin hat geltend gemacht:
Die von ihr in S., B.und G. durchgeführten Projekte würden allenfalls den Charakter einer
Betriebsabteilung, nicht aber eines betriebsratsfähigen Betriebsteils i.S. von § 4 Satz 1
BetrVG haben. Die einzelnen Projekte seien nämlich vor dem Hintergrund ihrer
unterschiedlichen Bildungsinhalte weder organisatorisch zusammengefasst, noch unter
eine einheitliche Leitung gestellt. Vor Ort sei jeweils ein Projektleiter tätig, dessen
Befugnisse jedoch wiederum nicht ausreichen würden, um eine eigenständige
Organisation und eigene Leitung der einzelnen Projekte bejahen zu können. Hinzu komme,
dass der gewählte Betriebsrat nur aus drei Personen hätte gebildet werden dürfen. Denn
die Teilnehmer der in den Projekten S., B. und G.durchgeführten
Wiedereingliederungsmaßnahmen seien nicht wahlberechtigt nach § 7 BetrVG gewesen.
Der Zweck ihres Betriebes sei nämlich allein auf die Vermittlung einer berufspraktischen
Ausbildung beschränkt, weshalb die Maßnahmeteilnehmer nicht in vergleichbarer Weise
wie übrige Arbeitnehmer oder Angestellten in ihrem Betrieb integriert seien.
Die Arbeitgeberin hat hauptsächlich beantragt
festzustellen, dass die am 04.05.1999 in ihren Betriebsstätten
S., B. und G. durchgeführte Betriebsratswahl
insgesamt nichtig ist.
Hilfsweise hat sie beantragt
festzustellen, dass die am 04.05.1999 in ihren Betriebsstätten
S., B.und G. durchgeführte Betriebsratswahl
ungültig ist.
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Der Betriebsrat hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Betriebsrat hat ausgeführt:
Die Bildungsstätte der Arbeitgeberin in V. sei, wie sich aus den von ihm zur Gerichtsakte
gereichten drei Anweisungen ergebe, als Betriebsteil i.S. von § 4 Satz 1
BetrVG anzusehen, der zudem aufgrund seiner räumlichen Entfernung vom Sitz der
Arbeitgeberin in A. als betriebsratsfähig nach § 4 Satz 1 Nr. 1 BetrVG anzusehen sei. Bei
den Teilnehmern an den von der Arbeitgeberin durchgeführten
Wiedereingliederungsmaßnahmen handele es sich, wie schon aus den mit ihnen
geschlossenen Arbeitsverträgen folge, um Arbeitnehmer i.S. des § 5 Abs. 1 BetrVG, die
damit auch wahlberechtigt nach § 7 BetrVG gewesen seien.
Das Arbeitsgericht Krefeld hat durch seinen Beschluss vom 22.07.1999 die
Betriebsratswahl vom 04.05.1999 in den Betriebsstätten S., B. und G. für unwirksam erklärt
und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Betriebsratswahl vom 04.05.1999 sei nicht nichtig gewesen. Die von der Arbeitgeberin
geltend gemachte Verkennung der Wahlberechtigung der Teilnehmer an der
ABM-Maßnahme und des Betriebsbegriffs würden nicht auf groben und offensicht-
lichen Verstößen gegen wesentliche gesetzliche Wahlregeln beruhen. Allerdings sei die
Betriebsratswahl, die die Arbeitgeberin innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 19
Abs. 2 Satz 2 BetrVG angefochten habe, unwirksam. Denn die Objekte der Arbeitgeberin in
S., B. und G. seien zusammen kein Betrieb i.S. des § 1 BetrVG und auch kein Betriebsteil
i.S. des § 4 Satz 1 BetrVG, so dass gegen wesentliche Vorschriften über das
Wahlverfahren i.S. des § 19 Abs. 1 BetrVG verstoßen worden sei. Die von dem Betriebsrat
vorgelegten drei Anweisungen würden nichts über eine organisatorische Einheit der
Objekte S., B. und G. i.S. eines Betriebs bzw. eines einheitlichen Betriebsteils im Sinne der
vorgenannten Normen aussagen. Auch die mündlichen Ausführungen des Betriebsrats im
Anhörungstermin vom 22.07.1999, wonach Arbeitskräfte innerhalb der Objekte
ausgetauscht worden seien, würde noch nichts über eine organisatorische Einheit
aussagen.
Gegen den ihm am 09.08.1999 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts hat der
Betriebsrat mit einem 08.09.1999 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz
Beschwerde eingelegt und diese mit einem bei Gericht eingegangenen am 05.10.1999
eingereichten Schriftsatz Beschwerde eingelegt.
Der Betriebsrat macht unter teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens
im Wesentlichen geltend:
Im streitgegenständlichen Verfahren gehe es um den Betriebsrat der Zweigstelle V.. Über
diese Zweigstelle würden sämt-liche Projekte der Arbeitgeberin im Kreise V. durchgeführt
und geleitet. Aus den von ihm mit der Beschwerdebegründung und auch mit dem weiteren
Schriftsatz vom 13.12.1999 eingereichten Urkunden folge, dass die Zweigstelle V.
budgetiere, Abmahnungen sowie Zeugnisse erteile und an sämtliche Anleiter, die die
einzelnen Projekte beaufsichtigen und führen würden, Arbeitsanweisungen herausgebe.
Zudem erfolge der Einsatz vor Ort nicht durch die Hauptverwaltung der Arbeitgeberin in A.,
sondern durch ihre einzelnen Zweigstellen. Die einer Zweigstelle zugeordneten Anleiter
und Sozialarbeiter würden deren Direktionsrecht unterstehen. Bei der Zweigstelle V.
handele es sich demnach zumindest um einen Betriebsteil i.S. von § 4 Satz 1 BetrVG. Des
weiteren seien die Teilnehmer an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen i.S. von § 260 Abs. 1
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SGB III als Arbeitnehmer i.S. von § 5 Abs. 1 BetrVG anzusehen. Mit ihnen würden nämlich
zusätzliche und im öffentlichen Interesse liegende Arbeiten durchgeführt.
Der Betriebsrat beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Krefeld
vom 22.07.1999 den Antrag der Arbeitgeberin zurückzuweisen.
Die Arbeitgeberin beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Krefeld vom 22.07.1999 auf-
rechtzuerhalten und den Antrag des Betriebsrats zurückzuweisen.
Die Arbeitgeberin verteidigt den angefochtenen Beschluss und führt unter teilweiser
Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ergänzend aus:
Das Arbeitsgericht habe zu Recht angenommen, dass die Betriebsratswahl wegen der
Verkennung des Begriffes des Betriebsteils unwirksam sei. Die Projekte in S., B. und G.
seien weder organisatorisch zusammengefasst noch unter eine einheitliche Leitung
gestellt. Gegenteiliges würde sich auch nicht aus den von dem Betriebsrat vorgelegten
Urkunden ergeben. Soweit diese auf G.-Briefpapier erstellt seien, handele es sich um alte
Briefbögen, die die betriebliche Struktur nicht zu-
treffend wiedergeben würden. Die Befugnisse der vor Ort eingesetzten Projektleiter
würden nicht ausreichen, um eine eigenständige Organisation und Leitung bejahen zu
können. Im Übrigen würden die Teilnehmer an den von ihr im Kreis V. durchgeführten
Wiedereingliederungsmaßnahmen nicht zu den Arbeitnehmern i.S. von § 5 Abs. 1 BetrVG
zählen. Sie seien nämlich weder in ihren Betrieb eingegliedert noch vollziehe sich ihre
Ausbildung im Rahmen des arbeitstechnischen Zwecks eines Produktions- oder
Dienstleistungstriebes. Die Teilnehmer an den Wiedereingliederungsmaßnahmen seien
nur Objekte und nicht Subjekte ihres - der Arbeitgeberin Betriebszwecks.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Beteiligten
gewechselten Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde des Betriebsrats ist erfolglos.
1. Allerdings ist die Beschwerde des Betriebsrats zulässig. Sie ist nämlich an sich statthaft
(§ 87 Abs. 1 ArbGG) sowie in gesetzlicher Form (§ 89 Abs. 1 und 2 Satz 1 ArbGG, § 518
Abs. 1 und 2 ZPO i.V.m. §§ 64 Abs. 6 Satz 1, 87 Abs. 2 Satz 1 ArbGG) und fristgerecht (§
66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 87 Abs. 2 Satz 1 ArbGG) eingelegt worden.
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
a) Zunächst ist dem Arbeitsgericht darin zu folgen, dass die formellen Voraussetzungen der
Wahlanfechtung vorliegend erfüllt sind. Die Arbeitgeberin ist nach § 19 Abs. 2 Satz 1
BetrVG anfechtungsberechtigt. Sie hat die streitbefangene Betriebsratswahl, deren
Ergebnis am 04.05.1999 bekanntgemacht worden ist, mit einem am 18.05.1999 beim
Arbeitsgericht Krefeld eingereichten Schriftsatz innerhalb der 2-Wochen-Frist des § 19 Abs.
2 Satz 2 BetrVG angefochten.
b) Jedenfalls im Ergebnis zu Recht hat das Arbeitsgericht erkannt, dass ein
Wahlanfechtungsgrund nach § 19 Abs. 1 BetrVG vorliegt.
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aa) Zunächst ist die Vorinstanz zu Recht davon ausgegangen, dass die Arbeitgeberin im
Kreis Viersen keinen nach § 4 Satz 1 Nr. 1 BetrVG betriebsratsfähigen Betriebsteil
unterhält.
(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Betrieb i.S. des
BetrVG eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Unternehmer allein oder
zusammen mit den von ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische
Zwecke fortgesetzt verfolgt. Dazu müssen die in einer Betriebsstätte vorhandenen
materiellen und immateriellen Betriebsmittel für den oder die verfolgten arbeitstech-nischen
Zwecke zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt und die mensch-liche
Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden (BAG v. 29.05.1991
7 ABR 54/90 EzA § 4 BetrVG 1972 Nr. 6; BAG v. 14.05.1997
- 7 ABR 26/96 EzA § 8 BetrVG 1972 Nr. 8). Demgegenüber ist ein Betriebsteil zwar auf den
Zweck des Hauptbetriebs ausgerichtet und in dessen Organisation eingegiedert, ihm aber
demgegenüber räumlich und organisatorisch abgrenzbar. Für ihn ist
ein eigener Betriebsrat nur unter den Voraussetzungen des § 4 Satz 1 BetrVG zu wählen.
Kennzeichnend für das Vorliegen einer in sich geschlossenen einheitlichen
arbeitstechnischen Organisation und damit für das Vorliegen eines abgrenzbaren
Betriebsteils ist die jeweilige institutionell gesicherte Leitungsmacht. Dafür ist auch bei
räumlich weiter Entfernung erforderlich, dass eine den Einsatz der Arbeitnehmer
bestimmende Leitung eingerichtet ist, von der das Weisungsrecht des Arbeitgebers
ausgeübt wird (BAG v. 20.06.1995 7 ABR 59/94 AP Nr. 8 zu § 4 BetrVG 1972).
(2) Dementsprechend können die Zweigstelle der Arbeitgeberin in V. und die von ihr im
Kreis V. betreuten Projekte einen Betriebsteil i.S. des § 4 Satz 1 BetrVG sein und als
selbständiger Betrieb gelten, wenn ein dort den Einsatz der Arbeitnehmer steuernder und
Arbeitgeberfunktionen wahrnehmender Leitungsapparat vorhanden ist. Dies ist jedoch
entgegen der Auffassung des Betriebsrats nicht der Fall. Zwar mögen vereinzelte
Arbeitgeberfunktionen, wie Erteilung eines Zeugnisses oder einer Abmahnung, auf die
Zweigstelle V. seitens der Hauptverwaltung, wo unstreitig die Personalverwaltung der
Arbeitgeberin liegt, delegiert worden sein. Der Einsatz der Anleiter und Sozialarbeiter
sowie der Teilnehmer an den von der Arbeitgeberin durchgeführten
Wiedereingliederungsmaßnahmen im Kreis V. erfolgt jedoch ausweislich der mit den
vorgenannten Personenkreisen geschlossenen Arbeitsverträgen von der Hauptverwaltung
in A. bei B.aus. Denn in den jeweiligen von der Hauptverwaltung der Arbeitgeberin in A.
geschlossenen Arbeitsverträgen ist der Einsatzort - jeweils in
§ 1 - ausdrücklich genannt. Die Zuweisung eines anderen Einsatzortes wäre für die
jeweiligen Arbeitnehmer unverbindlich, da sie einen vertraglich gesicherten Anspruch auf
Beschäftigung an dem in ihrem jeweiligen Arbeitsvertrag genannten Einsatzort haben.
Allerdings hat sich die Arbeitgeberin jedenfalls in den mit den Anleitern geschlossenen
Arbeitsverträgen - beispielhaft sei der in der Akte befindliche Arbeitsvertrag von Herrn D. K.
genannt - das Recht vorbehalten, den Anleiter bei Bedarf auch in anderen betrieblichen
Bereichen und bei anderen Arbeiten einzusetzen . Dieses Recht ist allerdings nicht auf den
Leiter der Zweigstelle V. übertragen, kann also auch nur von der in A.sitzenden
Hauptverwaltung der Arbeitgeberin geschehen. Der Zweigstellenleiter hat allein ein
Mitspracherecht bei der Festlegung der konkreten täglichen Arbeitszeit. Diese erfolgt
ausweislich von § 1 Abs. 1 letzter Satz des Arbeitsvertrages von Herrn K. in Absprache mit
dem Zweigstellenleiter.
bb) Aber selbst wenn man die Zweigstelle der Arbeitgeberin in V. und die ihr zugeordneten
Projekte im Kreis Viersen nach den hierfür maßgeblichen Kriterien als Betriebsteil ansehen
und sie wegen ihrer räumlich weiten Entfernung von der Hauptverwaltung der
Arbeitgeberin in A. bei B. gemäß § 4 Satz 1 Nr. 1 BetrVG als selbständigen Betrieb ansähe,
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läge doch ein weiterer Wahlanfechtungsgrund nach § 19 Abs. 1 BetrVG vor. Denn es ist
insofern bei der streitbefangenen Betriebsratswahl gegen wesentliche Vorschriften über
das Wahlrecht verstoßen worden, als die Teilnehmer der von der Arbeitgeberin
durchgeführten Wiedereingliederungsmaßnahmen in den Projekten S., B.und G. nicht
wahlberechtigt nach § 7 BetrVG waren.
(1) Wahlberechtigt nach § 7 BetrVG sind nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts, der sich die erkennende Kammer anschließt, nur die
betriebszugehörigen Arbeitnehmer i.S. des § 5 Abs. 1 BetrVG, soweit sie das 18.
Lebensjahr vollendet haben (BAG v. 29.01.1992 7 ABR 27/91 EzA § 7 BetrVG 1972 Nr. 1;
BAG v. 20.03.1996 7 ABR 34/95 EzA § 5 BetrVG 1972 Nr. 60). Die Betriebszugehörigkeit
setzt voraus, dass eine tatsächliche Eingliederung des Arbeitnehmers in die jeweilige
Betriebsorganisation stattgefunden hat (BAG v. 18.01.1989 7 ABR 21/88 EzA § 9 BetrVG
1972 Nr. 4; BAG v. 20.03.1996 - 7 ABR 34/95 a.a.O.). Hierfür ist maßgebend, dass der
Arbeitnehmer zusammen mit den im Betrieb bereits beschäftigten Arbeitnehmern eine
Tätigkeit verrichtet, die ihrer Art nach weisungsgebunden ist und der Verwirklichung des
arbeitstechnischen Zwecks des Betriebes dient (BAG v. 18.10.1994 1 ABR 9/94 EzA § 99
BetrVG 1972 Nr. 124). Für die Betriebszugehörigkeit ist demnach kennzeichnend die
Verwirklichung eines arbeitstechnischen Betriebszwecks durch weisungsgebundene
Tätigkeiten. Beide Merkmale müssen nebeneinander vorliegen. Fehlt es an einem, ist die
Wahlberechtigung insgesamt zu verneinen (BAG v. 20.03.1996 7 ABR 34/95 a.a.O.).
(2) Im Streitfall leisten zwar die 96 Teilnehmer an den von der Arbeitgeberin im Kreis V.auf
der Grundlage der §§ 260 Abs. 1, 262 Abs. 1 Satz 2 SGB III durchgeführten
Wiedereingliederungsmaßnahmen, wie die mit ihr geschlossenen Arbeitsverträge zeigen,
weisungsgebundene Arbeit auf arbeitsvertraglicher Grundlage. Sie werden jedoch von der
Arbeitgeberin nicht innerhalb der betrieblichen Organisation zur Erfüllung des von der
Arbeitgeberin verfolgten Betriebszwecks eingesetzt. Der Betriebszweck der Arbeitgeberin
ist allein darauf gerichtet, Personen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind und deren
erwerbswirtschaftliche Eingliederung unter den üblichen Bedingungen erschwert ist, den
Übergang in den regulären Arbeitsmarkt zu ermöglichen und gegebenenfalls auf Dauer
Arbeitsplätze bei den Projekten zu schaffen, in denen diese Personen eingesetzt werden.
Damit ist dieser Personenkreis nicht in vergleichbarer Weise wie die übrigen Angestellten
der Arbeitgeberin in deren Zweigstelle in V., sofern man sie zugunsten des Betriebsrats als
betriebsratsfähigen Betrieb i.S. von § 4 Satz 1 Nr. 1 BetrVG ansieht, integriert. Ihre aufgrund
des Arbeitsvertrages erbrachte Arbeitsleistung und ihre aufgrund des sog.
Beschulungsvertrages erfolgte Qualifizierung vollzieht sich nicht im Rahmen der
arbeitstechnischen Zwecksetzung eines Produktions- oder Dienstleistungsbetriebes.
Vielmehr ist ihre durch Arbeitsleistung und Weiterqualifizierung gekennzeichnete
Heranführung an den regulären Arbeitsmarkt selbst Gegenstand des Betriebszwecks der
Arbeitgeberin. Daraus folgt, dass die vom Wahlvorstand für die streitbefangene
Betriebsratswahl berücksichtigten 96 Arbeiter als Teilnehmer der von der Arbeitgeberin
durchgeführten Wiedereingliederungsmaßnahmen, die nach § 262 Abs. 1 Satz 2 SGB III in
eigener Regie der Arbeitgeberin (vgl. § 260 Abs. 1 SGB III) eingesetzt werden, mangels
Betriebszugehörigkeit nicht zu den nach § 7 BetrVG wahlberechtigten Arbeitnehmern
zählten.
III.
Die Kammer hat nach §§ 72 Abs. 2 Nr. 1, 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG die Rechtsbeschwerde
an das Bundesarbeitsgericht für den Betriebsrat zugelassen.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diesen Beschluss kann von dem Betriebsrat
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Für die weiteren Beteiligten ist gegen die Entscheidung kein Rechtsmittel gegeben.
Die Rechtsbeschwerde muss
innerhalb einer Notfrist von einem Monat
nach der Zustellung dieses Beschlusses schriftlich beim
Bundesarbeitsgericht,
Hugo-Preuß-Platz 1,
99084 Erfurt
eingelegt werden.
Die Rechtsbeschwerde ist gleichzeitig oder
innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung
schriftlich zu begründen.
Die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen von einem
bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
gez. Dr. Vossen gez. Faber gez. Lemmen