Urteil des LAG Düsseldorf vom 24.09.2010

LArbG Düsseldorf (kläger, arbeitnehmer, bag, angebot, arbeitsvertrag, arbeitszeit, arbeitsbedingungen, höhe, juristische person, geldwerte leistung)

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 10 Sa 488/10
Datum:
24.09.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 Sa 488/10
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Düsseldorf, 13 Ca 6946/09
Schlagworte:
Gleichbehandlungsgrundsatz, Ungleichbehandlung, Entgelterhöhung,
Maßregelung,
Normen:
§ 611 BGB, § 612 a BGB § 4 Abs. 1 TzBfG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Es ist das Recht des Arbeitnehmers, eine vom Arbeitgeber angebotene
Änderung der Arbeitsbedingungen abzulehnen. Tut er dies, kann er
regelmäßig weder aus dem arbeitsrechtlichen
Gleichbehandlungsgrundsatz noch aus dem Maßregelungsverbot des §
612 a BGB noch aus dem Diskriminierungsverbot des § 4 Abs. 1 TzBfG
einen Anspruch darauf ableiten, hinsichtlich der mit dem Angebot
verbundenen Vorteile (Entgelterhöhung) mit denjenigen Arbeitnehmern
gleich gestellt zu werden, die das Änderungsangebot angenommen und
damit auch die Nachteile (Verzicht auf eine Bezugnahmeklausel) in Kauf
genommen haben. In solch einem Fall erscheint eine Differenzierung
zwischen Arbeitnehmern, die das Änderungsangebot angenommen und
solchen, die am bisherigen Arbeitsvertrag festgehalten haben,
sachgerecht, solange nicht die mit der Vertragsänderung für die
Arbeitnehmer verbundenen Vorteile Bedeutung und Wert der damit
einhergehenden Nachteile auf unangemessene Weise übersteigen.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Düsseldorf vom 29.01.2010 - 13 Ca 6946/09 - wird auf seine Kosten
zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
T A T B E S T A N D :
1
Mit der Klage begehrt der Kläger Teilhabe an einer Entgelterhöhung aus dem
Gesichtspunkt der Gleichbehandlung sowie wegen verbotener Maßregelung und
Diskriminierung als Teilzeitbeschäftigter.
2
Der Kläger war seit dem 01.03.1981 bei der I. GmbH mit Sitz in P. beschäftigt. Die I.
3
GmbH war und ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes der Hessischen Metallindustrie.
Unter Ziffer 7 des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 24.02. bzw. 03.03.1981, wegen
dessen vollständigem Inhalt auf die vom Kläger mit der Klageschrift zu den Akten
gereichte Kopie verwiesen wird, heißt es:
„Alle weiteren das Arbeitsverhältnis betreffenden Punkte richten sich nach den
jeweils gültigen Bestimmungen des Tarifvertrages der Hessischen
Metallindustrie und der Arbeitsordnung."
4
Mit Wirkung zum 01.04.2007 ging das Arbeitsverhältnis im Wege des
Betriebsübergangs gemäß § 613 a BGB auf die Beklagte über. Diese ist nicht Mitglied
eines Arbeitgeberverbandes und auch sonst nicht tarifgebunden. Sie verweigerte
deshalb die Anwendung neu abgeschlossener Tarifverträge der Hessischen
Metallindustrie auf das Arbeitsverhältnis des Klägers. Auf die hieraufhin vom Kläger
erhobene Klage ist mittlerweile höchstrichterlich festgestellt, dass die Beklagte
verpflichtet ist, die Gehaltstarifverträge bzw. Entgelttarifverträge für die Hessische
Metallindustrie in der jeweils gültigen Fassung auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden
und der Kläger Anspruch auf die sich aus dem Tarifabschluss der Hessischen
Metallindustrie ergebende Entgelterhöhung von 4,1 % ab Juni 2007 hat (BAG vom
21.10.2009 - 4 AZR 396/08).
5
Mit Schreiben vom 06.01.2009 bot die Beklagte dem Kläger und einer Reihe weiterer
Arbeitnehmer den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages an. Der genaue
Empfängerkreis ist unter den Parteien jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen
Verhandlung vor dem Berufungsgericht umstritten gewesen.
6
In dem Schreiben vom 06.01.2009, wegen dessen vollständigen Inhalt auf die von
Klägerseite mit Schriftsatz vom 25.01.2010 zu den Akten gereichte Kopie Bezug
genommen wird, heißt es auszugsweise:
7
"Sehr geehrter Herr ...,
8
anbei erhalten Sie das Angebot für einen neuen Arbeitsvertrag in 2-facher
Ausfertigung.
9
Mit Unterschrift unter diesen Arbeitsvertrag ist eine zweistufige Gehaltserhöhung
verbunden:
10
1.) Rückwirkend ab dem 1.4.2008 erhöht sich Ihr monatliches Bruttogehalt
um 3% von Euro 4.251,12 auf Euro 4.378,65.
11
2.) Ab dem 1.1.2009 erhöht sich Ihre wöchentliche Arbeitszeit auf 39
Stunden. Damit verbunden erhalten Sie eine weitere Erhöhung um 1%, so
dass Ihr monatliches Bruttogehalt ab dem 1.1.2009 Euro 4.421,16 beträgt.
12
..."
13
Der dem Kläger angebotene neue Arbeitsvertrag enthält ausweislich der von
Klägerseite ebenfalls mit Schriftsatz vom 25.01.2010 zu den Akten gereichten Kopie
keine Bezugnahmeklausel auf Tarifverträge. Weitere Änderungen gegenüber den bis
dahin bestehenden Arbeitsbedingungen gingen mit dem Arbeitsvertragsangebot nicht
14
einher.
Der Kläger nahm das Angebot nicht an. Es verblieb für ihn deshalb bei der zuvor
geltenden wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden. Die mit dem Angebot verbundene
Entgelterhöhung um drei Prozent bekam er ebenso wenig, wie die für den Fall der
Verlängerung der Wochenarbeitszeit angebotene Erhöhung um ein Prozent.
15
Mit der im September 2009 erhobenen Klage begehrt der Kläger bezüglich der bei ihm
unterbliebenen Entgelterhöhung um drei Prozent Gleichbehandlung mit den
Arbeitskollegen, die das Angebot angenommen haben. Die mit dem Angebot ebenfalls
unterbreitete Entgelterhöhung von einem Prozent für eine Verlängerung der
Wochenarbeitszeit verlangt er nicht.
16
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein Festhalten an dem alten Arbeitsvertrag
könne ihm wegen § 612 a BGB nicht zum Nachteil gereichen und genüge zur
Rechtfertigung der Differenzierung bei der dreiprozentigen Entgelterhöhung nicht. Die
Beklagte diskriminiere ihn insoweit als Gewerkschaftsmitglied und als
Teilzeitarbeitnehmer.
17
Der Kläger hat beantragt:
18
1. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 127,53 € brutto nebst Zinsen in
Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.02.2009 zu zahlen.
19
2. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 127,53 € brutto nebst Zinsen in
Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.03.2009 zu zahlen.
20
3. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 127,53 € brutto nebst Zinsen in
Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.04.2009 zu zahlen.
21
4. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 127,53 € brutto nebst Zinsen in
Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.05.2009 zu zahlen.
22
5. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 127,53 € brutto nebst Zinsen in
Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.06.2009 zu zahlen.
23
6. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 127,53 € brutto nebst Zinsen in
Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.07.2009 zu zahlen.
24
7. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 127,54 € brutto nebst Zinsen in
Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.08.2009 zu zahlen.
25
8. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 127,54 € brutto nebst Zinsen in
Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.09.2009 zu zahlen.
26
9. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 127,54 € brutto nebst Zinsen in
Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.10.2009 zu zahlen.
27
10. Festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, gegenüber dem Kläger die
Lohnerhöhung vom 06.01.2009 in Höhe von 3 % über dem 01.10.2009 hinaus
weiterzugeben.
28
Die Beklagte hat beantragt,
29
die Klage abzuweisen.
30
Sie hat die Auffassung vertreten, eine Ungleichbehandlung müsse sie sich nicht
vorwerfen lassen, weil sie - so ihre ursprüngliche Behauptung - das Angebot auf
Abschluss des neuen standardisierten Arbeitsvertrages, zu dessen Einführung sie sich
nach Vollzug des Betriebsübergangs entschlossen habe, sämtlichen Mitarbeitern
unterbreitet habe. Jedenfalls liege in der fehlenden Unterzeichnung des neuen
Arbeitsvertrages durch den Kläger ein sachlicher Differenzierungsgrund. Auch der
Entschluss, einheitliche standardisierte Arbeitsverträge einzuführen, stelle einen
sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung dar. Mit der Beschränkung der
Lohnerhöhung auf die Arbeitnehmer mit dem neuen Arbeitsvertrag habe sie einen
Ausgleich für die mit dem neuen Arbeitsvertrag einhergehenden Verschlechterungen
der Arbeitsbedingungen bezweckt. Durch die einprozentige Erhöhung ab 01.01.2009
habe die auf 39 Stunden erhöhte wöchentliche Regelarbeitszeit ausgeglichen werden
sollen. Die dreiprozentige Gehaltssteigerung habe den Nachteil kompensieren sollen,
der den Mitarbeitern, die das Änderungsgebot angenommen haben, dadurch entstanden
sei, dass sie an künftigen Tariflohnerhöhungen nicht mehr teilnehmen würden.
31
Mit Urteil vom 29.01.2010 hat das Arbeitsgericht die Klage als unbegründet
abgewiesen. Aus dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz
könne der Kläger einen Anspruch nicht herleiten, weil zwischen ihm und denjenigen
Arbeitnehmern, die die Vertragsänderung angenommen haben, zwar eine
Ungleichbehandlung vorliege, diese aber gerechtfertigt sei. Die Beklagte sei nicht
Mitglied eines Arbeitgeberverbandes und auch sonst nicht tarifgebunden. Deshalb
beruhe die Geltung von Tarifverträgen alleine auf arbeitsvertraglichen
Bezugnahmeklauseln, die aufgrund der Übernahme von Arbeitnehmern aus
unterschiedlichen Betrieben unterschiedlich ausgestaltet seien. Diese unterschiedlichen
Anknüpfungen habe die Beklagte mit dem Angebot geänderter, einheitlicher
Arbeitsverträge beseitigen dürfen. Da die Geltung der Tarifverträge allein auf der
arbeitsvertraglich vereinbarten Bezugnahmeklausel und nicht auf einer
Gewerkschaftszugehörigkeit des Klägers beruhe, sei dieser auch nicht wegen seiner
Gewerkschaftszugehörigkeit benachteiligt worden.
32
Die Differenzierung verstoße nicht gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG. Zwar sei die
Arbeitszeit des Klägers geringer als die derjenigen Arbeitnehmer, die der
Vertragsänderung zugestimmt haben. Die unterschiedliche Arbeitszeit beruhe jedoch
nicht darauf, dass einzelne Arbeitnehmer, wie etwa der Kläger, nicht ein
Vollzeitarbeitsverhältnis hätten, sondern sei eine Folge der unterschiedlichen Herkunft
der jeweiligen Arbeitnehmer und des Umstandes, dass infolge von Betriebsübergängen
gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB in einem Betrieb Vollzeitarbeitsverhältnisse mit
unterschiedlicher Arbeitszeit bestehen könnten.
33
Schließlich habe die Beklagte nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB
verstoßen. Zwar könne eine Benachteiligung i.S. dieser Vorschrift auch darin liegen,
dass dem Arbeitnehmer ein Vorteil vorenthalten werde. Die Herausnahme des Klägers
aus der Lohnerhöhung gründe aber nicht auf der Ablehnung des Änderungsvertrages
durch den Kläger, sondern auf der Geltung unterschiedlicher Arbeitsbedingungen im
Betrieb der Beklagten. Den durch die dynamische Bezugnahme auf einen Tarifvertrag
34
ohnehin bessergestellten Arbeitnehmern, welche an den regelmäßigen
Tariflohnerhöhungen teilnähmen, habe die Beklagte keine weiteren Vergünstigungen
zukommen lassen, sondern nur die Nachteile derjenigen Arbeitnehmer ausgleichen
wollen, die sich auf einen einheitlichen Arbeitsvertrag eingelassen hätten und deshalb
an künftigen Tariflohnerhöhungen nicht mehr teilnehmen würden.
Mit seiner Berufung wendet sich der Kläger gegen dieses Urteil.
35
Er bringt vor, entgegen der Begründung des Arbeitsgerichtes sei es nicht richtig, dass
die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung bei der Entgelterhöhung durch
das Bestreben gerechtfertigt sei, die Arbeitsbedingungen im Unternehmen zu
vereinheitlichen. Im Gegensatz zu ihren Behauptungen sei es der Beklagten nicht um
eine Angleichung unterschiedlicher Vergütungssysteme, sondern allein darum
gegangen, die übernommene Belegschaft der I. GmbH zu spalten.
36
Der Kläger behauptet, von den etwa 225 am 01.04.2007 übernommenen Arbeitnehmern
hätten nur diejenigen einen geänderten Arbeitsvertrag mit Anschreiben vom 06.01.2009
angeboten bekommen, die in ihren Altverträgen noch die Bezugnahmeklausel auf den
Tarifvertrag der Hessischen Metallindustrie gehabt hätten. Weder die Arbeitnehmer, die
beim Betriebsveräußerer schon keine Tarifbindung mehr gehabt hätten, noch die ca. 80
Arbeitnehmer, die schon vor dem Betriebsübergang bei der Beklagten beschäftigt
gewesen seien, hätten ein Änderungsangebot erhalten.
37
Durch die Vorenthaltung der Gehaltserhöhung habe die Beklagte auch gegen das
Maßregelungsverbot des § 612 a BGB verstoßen. Im Anschreiben vom 06.01.2009 sei
die Weitergabe der Gehaltserhöhung unmittelbar an die Aufgabe des alten
Arbeitsvertrages geknüpft worden. Damit habe eine unmittelbare Verknüpfung zwischen
Nicht-Aufgabe des Altvertrages und der Vorenthaltung eines Vorteils, nämlich der
Gehaltserhöhung ab 01.04.2008 stattgefunden.
38
Der Kläger beantragt,
39
das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 29.01.2010, Az: 13 Ca 6946/09,
abzuändern und entsprechend den Schlussanträgen des Klägers in der 1. Instanz
zu entscheiden.
40
Die Beklagte beantragt,
41
die Berufung zurückzuweisen.
42
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Wegen der Einzelheiten ihres
Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbeantwortung vom 14.06.2010 verwiesen.
43
Während der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat die
Beklagtenvertreterin zur Frage, an welchen Empfängerkreis das mit Schreiben vom
06.01.2009 ausgebrachte Angebot zum Abschluss eines neuen, geänderten
Arbeitsvertrages gerichtet war, erklärt, zum Zeitpunkt des Angebots vom 06.01.2009
habe sich die Arbeitnehmerschaft der Beklagten aus verschiedenen Gruppen
zusammengesetzt, die unterschiedlicher betrieblicher Herkunft gewesen seien. Darunter
hätten sich auch Arbeitnehmergruppen befunden, die Unternehmensbereichen
zugeordnet gewesen seien, deren Wiederveräußerung im Januar 2009 schon absehbar
44
gewesen sei ("Fa. X." und "Fa. B & S") entstammten. Deshalb sei diesen Mitarbeitern im
Januar 2009 kein Angebot zum Abschluss eines neuen geänderten Arbeitsvertrages
unterbreitet worden. Zusammenfassend könne gesagt werden, dass ein Angebot auf
Änderung des Arbeitsvertrages nur die Arbeitnehmer bekommen hätten, die aus der I.
GmbH herausgelöst worden seien. Im Hinblick auf die übrigen Arbeitnehmer sei
beabsichtigt, auch diesen neue Arbeitsverträge zu unterbreiten. Dies vor dem
Hintergrund, dass darunter wiederum einige seien, die entweder eine
Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag hätten oder sogar ohne Bezugnahme mit Erfolg
die Anwendung der Tarifverträge eingeklagt hätten.
Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des zugrundeliegenden Sachverhalts
sowie des widerstreitenden Sachvortrags und der unterschiedlichen
Rechtsauffassungen der Parteien ergänzend Bezug genommen auf den Akteninhalt,
insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die
Protokolle der mündlichen Verhandlungen aus beiden Instanzen.
45
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
46
I.
47
Die den Anforderungen der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 1, 2, 6 ArbGG in Verbindung mit §§
519, 520 ZPO genügende und deshalb zulässige Berufung konnte in der Sache keinen
Erfolg haben.
48
Das Arbeitsgericht hat die Klage sowohl hinsichtlich der Zahlungsanträge als auch
bezüglich des Feststellungsantrages zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der Kläger
hat keinen Anspruch auf ein um drei Prozent erhöhtes Entgelt.
49
1. Ein solcher Anspruch folgt nicht aus dem arbeitsgerichtlichen
Gleichbehandlungsgrundsatz.
50
a) Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder
Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung
einer selbst gesetzten Regel gleich zu behandeln. Damit verbietet der
Gleichbehandlungsgrundsatz nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner
Arbeitnehmer innerhalb der Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Im
Bereich der Arbeitsvergütung ist er trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit anwendbar,
wenn Arbeitsentgelte durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben
werden und der Arbeitgeber die Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und
generalisierenden Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke
festlegt (BAG vom 17.03.2010 - 5 AZR 168/09, Rn. 14 unter Hinweis auf: BAG vom
15.07.2009 - 5 AZR 486/08 , Rn. 11; BAG vom 14.03.2007 - 5 AZR 420/06, Rn. 19; BAG
vom 31.08.2005 - 5 AZR 517/04, allesamt vollständig dokumentiert bei juris). Dem
Arbeitgeber ist es verwehrt, einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von ihnen aus
unsachlichen Gründen von einer Erhöhung der Arbeitsentgelte auszuschließen. Eine
sachfremde Benachteiligung liegt nicht vor, wenn sich nach dem Leistungszweck
Gründe ergeben, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, diesen
Arbeitnehmern die den anderen gewährte Leistung vorzuenthalten. Die
Zweckbestimmung ergibt sich vorrangig aus den tatsächlichen und rechtlichen
Voraussetzungen, von deren Vorliegen und Erfüllung die Leistung abhängig gemacht
wird (BAG vom 17.03.2010 - 5 AZR 168/09, Rn. 15 unter Hinweis auf: BAG vom
51
15.07.2009 - 5 AZR 486/08 , Rn. 12; BAG vom 01.04.2009 - 10 AZR 353/08 - Rn. 14;
BAG vom 28.03.2007 - 10 AZR 261/06 - Rn. 14, allesamt vollständig dokumentiert bei
juris). Die Differenzierung zwischen der begünstigten Gruppe und den benachteiligten
Arbeitnehmern ist dann sachfremd, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine
billigenswerten Gründe gibt. Die Gründe müssen auf vernünftigen, einleuchtenden
Erwägungen beruhen und dürfen nicht gegen höherrangige Wertentscheidungen
verstoßen. Die Gruppenbildung ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Unterscheidung
einem legitimen Zweck dient und zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich und
angemessen ist. Die unterschiedliche Leistungsgewährung muss stets im Sinne
materieller Gerechtigkeit sachgerecht sein (BAG vom 17.03.2010 - 5 AZR 168/09, Rn.
16 unter Hinweis auf: BAG vom 15.07.2009 - 5 AZR 486/08 , Rn. 13; BAG vom
14.03.2007 - 5 AZR 420/06, Rn. 26, allesamt vollständig dokumentiert bei juris).
b) Die Anwendung dieser Grundsätze ergibt, dass die Beklagte den
Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt hat.
52
aa) Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist anwendbar.
53
Der Kläger gründet seinen Anspruch auf die Behauptung, dass die Beklagte nur
denjenigen der etwa 225 am 01.04.2007 übernommenen Arbeitnehmern mit
Anschreiben vom 06.01.2009 einen geänderten Arbeitsvertrag angeboten habe, die in
ihren Altverträgen noch die Bezugnahmeklausel auf die Tarifverträge der Hessischen
Metallindustrie gehabt hätten. Weder die Arbeitnehmer, die beim Betriebsveräußerer
schon keine Tarifbindung mehr gehabt hätten, noch die ca. 80 Arbeitnehmer, die schon
vor dem Betriebsübergang bei der Beklagten beschäftigt gewesen seien, hätten ein
Änderungsangebot erhalten.
54
Über diese tatsächlichen Grundlagen besteht in Ansehung der Erläuterungen, die die
Prozessbevollmächtigte der Beklagten während der mündlichen Verhandlung vor dem
Berufungsgericht abgegeben hat, jedenfalls insoweit kein Streit mehr, als auch nach
dem Sachvortrag der Beklagten davon auszugehen ist, dass entgegen ihrer
ursprünglichen Behauptung zwar nicht schlechterdings alle Arbeitnehmer, die am
06.01.2009 bei der Beklagten beschäftigt waren, ein Angebot erhielten, sicher aber jene,
die von der I. GmbH übernommen worden waren und in ihrem Arbeitsvertrag eine
Bezugnahme auf die Tarifverträge der Hessischen Metallindustrie hatten. Damit steht
fest, dass die Beklagte eine Gruppenbildung vorgenommen und die Entgelterhöhung
erkennbar und generalisierend von der Zugehörigkeit zu der einen oder anderen
Gruppe abhängig gemacht hat.
55
Auf der einen Seite existiert die Gruppe der Arbeitnehmer, die das Änderungsangebot
angenommen haben. Ungeachtet der vom Kläger nicht begehrten und im Hinblick auf
die Ausweitung der Wochenarbeitszeit angebotenen Erhöhung des Arbeitsentgelts um
ein Prozent hat diese Arbeitnehmergruppe eine dreiprozentige Entgelterhöhung
erhalten, dafür aber die bisher zum Inhalt des Arbeitsvertrages zählende Bezugnahme
auf die Tarifverträge der Hessischen Metallindustrie aufgegeben.
56
Auf der anderen Seite gibt es die Gruppe der Arbeitnehmer, die das Änderungsangebot
nicht angenommen haben. Diese Gruppe, zu der der Kläger zählt, ist infolge der
Ablehnung des Angebots nicht in den Genuss einer dreiprozentigen Entgelterhöhung
gekommen, dafür ist die Bezugnahme auf die Tarifverträge der Hessischen
Metallindustrie weiterhin Bestandteil ihres Arbeitsvertrages.
57
bb) Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers liegt in dieser Gruppenbildung und in
der unterschiedlichen Behandlung der beiden Gruppen bezüglich der dreiprozentigen
Entgelterhöhung weder eine willkürliche Schlechterstellung noch eine sachfremde
Gruppenbildung. Die Ungleichbehandlung der beiden Gruppen ist vielmehr durch
billigenswerte Gründe sachlich gerechtfertigt. Die Beklagte durfte die Ablehnung des
neuen, geänderten Arbeitsvertrages zum Anlass dafür nehmen, dieser
Arbeitnehmergruppe die Entgelterhöhung vorzuenthalten. Weder die Tatsache, dass die
Beklagte an einen bestimmten Teil ihrer Arbeitnehmerschaft mit einem Angebot des hier
gegebenen Inhalts herantrat, noch die sich aus teilweiser Annahme und Ablehnung des
Angebots ergebende Konsequenz der Zweiteilung einer vormals homogenen
Arbeitnehmergruppe erweist sich als illegitim.
58
(1) Gerade wenn die Beklagte entsprechend dem Sachvortrag des Klägers mit dem
Änderungsangebot ausschließlich an solche ehemaligen Arbeitnehmer der I. GmbH
herangetreten ist, deren Arbeitsvertrag (noch) die Bezugnahme auf die Tarifverträge der
Hessischen Metallindustrie enthielt, liegt eine sachlich nachvollziehbare und auf
einleuchtenden Kriterien beruhende Gruppenbildung vor. Denn für den so abgegrenzten
Empfängerkreis lag die maßgebliche Bedeutung des Änderungsangebotes - ungeachtet
der vom Kläger nicht beanspruchten, mit Blick auf die angestrebte Ausweitung der
wöchentlichen Arbeitszeit angebotenen einprozentigen Entgelterhöhung - eben darin,
die in den Arbeitsverträgen der betroffenen Arbeitnehmergruppe noch enthaltene
tarifliche Bezugnahmeklausel abzubedingen. Denn unstrittig gingen mit dem
Vertragsangebot keine anderen Änderungen einher als eben diese. Aus der Perspektive
der Arbeitnehmer war die dreiprozentige Entgelterhöhung also nicht mehr und nicht
weniger als der Preis, den die Beklagte bereit war für den Verzicht auf die
Bezugnahmeklausel zu zahlen.
59
An diesem Angebot vermag die Berufungskammer nichts Anstößiges zu entdecken.
Insbesondere liegt darin kein Verstoß gegen höherrangige Wertentscheidungen.
60
Mit der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel wurden Tarifverträge in Bezug
genommen, die im Betrieb der Beklagten sowohl mangels Tarifgebundenheit der
Beklagten als auch mangels örtlicher Einschlägigkeit nicht auf kollektivrechtlicher
Grundlage zur Anwendung kommen konnten. Die individualrechtliche Inbezugnahme
von Tarifverträgen in ihrer jeweiligen Fassung ist Ausdruck privatautonomer
Gestaltungsmacht der Arbeitsvertragsparteien. Auch in seinen Folgewirkungen bleibt
dieser individualvertragliche Charakter erhalten. Die privatautonom getroffene
Vereinbarung über die Inbezugnahme von Tarifverträgen kann jederzeit einvernehmlich
und frei abgeändert werden, auch zu Lasten des Arbeitnehmers. Eines sachlichen
Grundes hierfür bedarf es nicht (so ausdrücklich BAG vom 21.10.2009 - 4 AZR 396/08
Rn. 37 unter Hinweis auf BAG vom 07.11.2007 - 5 AZR 1007/06, beide vollständig
dokumentiert bei juris).
61
(2) Erweist sich damit das auf den künftigen Wegfall der individualrechtlich vereinbarten
Inbezugnahme der Tarifverträge der Hessischen Metallindustrie gerichtete
Änderungsangebot der Beklagten als legitimer Akt privatautonomer Gestaltung von
Arbeitsbedingungen, so ist auch die aus dieser Gestaltung ggf. erwachsende
Konsequenz nicht zu beanstanden. Diese liegt aber jedenfalls dann, wenn sich die
betroffenen Arbeitnehmer nicht geschlossen für oder gegen das Änderungsangebot
entscheiden, zwangsläufig darin, dass eine vormals homogene Arbeitnehmergruppe in
62
zwei Gruppen aufgespalten wird, für die fortan jeweils unterschiedliche
Arbeitsbedingungen gelten. Dieses Ergebnis kann der Beklagten gerade deshalb, weil
sie die ebenso autonome Entscheidung eines jeden Arbeitnehmers über Annahme oder
Ablehnung ihres Angebots akzeptieren muss und keine Handhabe hat, die
individualvertraglich vereinbarte Bezugnahmeklausel einseitig zu beseitigen, nicht
vorgeworfen werden. Letztlich hat jeder Arbeitnehmer für sich eine Gesamtbetrachtung
vornehmen müssen und offenbar auch vorgenommen, um die Vor- und Nachteile
gegeneinander abzuwägen. Das hat auch der Kläger getan und dabei offenbar den
bisherigen Arbeitsvertrag mit der darin enthaltenen Bezugnahme auf die Tarifverträge
der Hessischen Metallindustrie als vorteilhafter angesehen. Das ist legitim und von der
Beklagten so hinzunehmen. Konnte sich aber der Kläger nicht dazu bereitfinden, den
mit dem Angebot einhergehenden Nachteil des Wegfalls der Tarifbindung zu
akzeptieren, so erscheint es der Berufungskammer im Sinne materieller Gerechtigkeit
sehr wohl sachgerecht, dass der Kläger auch nicht die Vorteile des von ihm
abgelehnten Angebotes, namentlich also die dreiprozentige Entgelterhöhung
beanspruchen kann.
(3) Anders lägen die Dinge, wenn die mit der Vertragsänderung für die Arbeitnehmer
verbundenen Vorteile Bedeutung und Wert der damit einhergehenden Nachteile auf
eine solch augenfällige Weise übersteigen würden, dass auch unter Beachtung eines
den jeweiligen Arbeitsvertragspartnern zuzugestehenden Spielraums bei der
Beurteilung des konkreten "Wertes" einer bestimmten Vertragsbedingung nicht mehr
von einem plausiblen Verhältnis zwischen "Leistung und Gegenleistung" ausgegangen
werden könnte. In diesem Fall müsste sich die Beklagte vorwerfen lassen, dass die von
ihr gewährten Vorteile zur Erlangung des mit dem Änderungsangebotes verfolgten
Zwecks nicht erforderlich waren und deshalb auch nicht die unterschiedliche
Behandlung der beiden Arbeitnehmergruppen rechtfertigen können, die durch teilweise
Annahme und Ablehnung des Änderungsangebotes entstanden sind.
63
Von einem solchen Missverhältnis kann hier aber keine Rede sein. Im Gegenteil: Es
darf ganz generell bezweifelt werden, ob es aus Sicht eines betroffenen Arbeitnehmers
je ein "gutes Geschäft" sein kann, auf die dynamische Inbezugnahme von Tarifverträgen
zu verzichten. Immerhin wird damit die Entwicklung der individuellen
Arbeitsbedingungen, namentlich des Arbeitsentgelts, jedenfalls rechtlich von den sich
mehr oder minder automatisch weiterentwickelnden Tarifbedingungen abgekoppelt. Aus
dieser Perspektive betrachtet mag der Kläger mit seinem Festhalten an den alten
Vertragsbedingungen das bessere Geschäft gemacht haben als die Gruppe der
Arbeitnehmer, die das Änderungsangebot angenommen und damit auf die
Bezugnahmeklausel verzichtet hat. Das unterstreicht aber nur die Erkenntnis, dass der
mit der einmaligen dreiprozentigen Entgelterhöhung von der Beklagten gezahlte Preis
keinesfalls in einem aus Sicht der Beklagten schlechten Verhältnis zu Bedeutung und
Wert des Verzichts auf die Bezugnahmeklausel steht.
64
2. Die Beklagte hat unabhängig davon, ob es sich überhaupt um eine
Anspruchsgrundlage handelt, das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB nicht verletzt.
65
a) Gemäß § 612 a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung
oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise
seine Rechte ausübt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes liegt
eine Benachteiligung nicht nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer eine Einbuße erleidet,
dh. wenn sich seine Situation gegenüber dem bisherigen Zustand verschlechtert,
66
sondern auch dann, wenn ihm Vorteile vorenthalten werden, welche der Arbeitgeber
anderen Arbeitnehmern gewährt, wenn diese entsprechende Rechte nicht ausgeübt
haben (BAG vom 17.03.2010 - 5 AZR 168/09, Rn. 16 unter Hinweis auf: BAG vom
15.07.2009 - 5 AZR 486/08 , Rn. 22; BAG vom 14.03.2007 - 5 AZR 420/06, Rn. 34; BAG
vom 12.06.2002 - 10 AZR 340/01; BAG vom 23.02.2000 - 10 AZR 1/99, allesamt
vollständig dokumentiert bei juris). Eine Maßregelung i.S.d. § 612 a BGB kann deshalb
auch darin liegen, dass der Arbeitgeber den Adressatenkreis einer freiwilligen Leistung
um diejenigen Mitarbeiter verringert, die zuvor in zulässiger Weise ihre vertraglichen
Rechte ausgeübt haben (BAG vom 12.06.2002 - 10 AZR 340/01, dokumentiert bei juris).
b) Nach diesen Grundsätzen liegt im Streitfall kein Verstoß gegen das
Maßregelungsverbot des § 612 a BGB vor.
67
Bei vordergründiger Betrachtung resultiert der Nachteil des Klägers in Gestalt der
Vorenthaltung der dreiprozentigen Entgelterhöhung daraus, dass er das
Änderungsangebot der Beklagten nicht angenommen hat. Gleichwohl hat dieses
Ergebnis nichts mit einer Maßregelung zu tun, vor der § 612 a BGB schützen will. Denn
die Gewährung einer Entgelterhöhung ohne jedwede Gegenleistung stand hier nie im
Raume. Die Beklagte hatte sich nur deshalb dazu entschlossen, einer bestimmten
Mitarbeitergruppe eine Entgelterhöhung anzubieten, weil sie die Angehörigen dieser
Gruppe dazu bewegen wollte, auf die vereinbarte Inbezugnahme der Tarifverträge der
Hessischen Metallindustrie zu verzichten. Jeder Betroffene konnte autonom für sich
entscheiden, ob er das Angebot annimmt und damit Vor- und Nachteile in seinem
Vertragsverhältnis gelten würden. Gerade nach dem Sachvortrag des Klägers gibt es
keinen Fall, in dem einem Arbeitnehmer die dreiprozentige Entgelterhöhung isoliert
ohne den damit einhergehenden Nachteil des Verzichts auf die Bezugnahmeklausel
angeboten worden wäre oder aber ein Arbeitnehmer die Entgelterhöhung erhalten hätte,
obgleich er das Angebot abgelehnt hatte. Es kann also keine Rede davon sein, dass die
Beklagte den Adressatenkreis einer freiwilligen Leistung in einer den Kläger
benachteiligenden Weise um solche Mitarbeiter verringert hätte, die zuvor in zulässiger
Weise ihre vertraglichen Rechte ausgeübt haben. Die Nichtgewährung des Vorteils
beruht allein auf der Entscheidung des Klägers, das Angebot in seiner Gesamtheit nicht
anzunehmen. Die Beklagte wollte nicht einem wie auch immer abgegrenzten Teil der
Arbeitnehmerschaft eine Vergünstigung zukommen lassen und den Kläger hiervon aus
sachfremden Motiven ausschließen, weil er das Änderungsgebot nicht angenommen
hatte. Die Entgelterhöhung war vielmehr integraler Bestandteil eines in sich
geschlossenen Angebotes zur Abänderung der bestehenden Arbeitsbedingungen und
diente allein in diesem Kontext dem Zweck, die mit dem Angebot einhergehenden
Nachteile zu kompensieren. Weitergehende eigenständige Zwecke verfolgte die
Beklagte damit nicht. Die Rechtfertigung ihrer Einschätzung war im Rahmen des
Gleichbehandlungsgrundsatzes zu überprüfen (vgl. BAG vom 14.03.2007 - 5 AZR
420/06, Rn. 34).
68
3. Der Kläger hat keinen Anspruch wegen eines Verstoßes gegen das
Diskriminierungsverbot des § 4 Abs. 1 TzBfG.
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a) Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter
behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn,
dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem
teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte
Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an
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der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht (§ 4
Abs. 1 Satz 1 und 2 TzBfG). Teilzeitbeschäftigt ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 TzBfG ein
Arbeitnehmer, dessen regelmäßige Wochenarbeitszeit kürzer ist als die eines
vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Vergleichbar ist ein
vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer des Betriebs mit derselben Art des
Arbeitsverhältnisses und der gleichen oder einer ähnlichen Tätigkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 3
TzBfG).
b) Der Kläger ist nicht Teilzeitbeschäftigter im Sinne der genannten Vorschriften. Zwar
arbeitet er im Gegensatz zu den Arbeitnehmern, die das Änderungsangebot
angenommen, nur 35 statt 39 Wochenstunden. Mit diesen ist er jedoch aufgrund der
unterschiedlicher Herkunft und Entwicklung der Arbeitszeitmodelle nicht vergleichbar.
Vergleichbar sind vielmehr nur die Arbeitnehmer, die wie er (noch) auf der Grundlage
der ursprünglichen Arbeitsbedingungen beschäftigt werden, die vor der
Betriebsübernahme durch die Beklagte galten. Nach der Art seines Arbeitsverhältnisses
war der Kläger stets Vollzeitarbeitnehmer. Er blieb es auch nach dem Betriebsübergang
und er ist es immer noch. Das gilt gerade, weil er das Änderungsangebot abgelehnt hat.
Denn aus diesem Grunde gilt für ihn weiterhin das Arbeitszeitmodell der Tarifverträge
der Hessischen Metallindustrie, das für Vollzeitbeschäftigte eine regelmäßige
wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden vorsieht.
71
c) Im Übrigen läge auch kein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 TzBfG vor, wenn der Kläger als
Teilzeitbeschäftigter anzusehen wäre. Denn in diesem Fall würde es an der
erforderlichen Kausalität zwischen Teilzeitbeschäftigung und Benachteiligung fehlen.
72
Durch § 4 Abs. 1 TzBfG wird ausschließlich die nicht gerechtfertigte
Ungleichbehandlung sanktioniert, die auf die Teilzeitarbeit an sich zurückzuführen ist.
Ist die Ungleichbehandlung demgegenüber anders als mit der Dauer der Arbeitszeit
begründet, liegt keine Ungleichbehandlung wegen Teilzeitarbeit vor (vgl. ErfK/Preis, 8.
Aufl. § 4 TzBfG Rn. 33). So liegen die Dinge hier.
73
Auch nach dem Sachvortrag des Klägers diente die hier umstrittene dreiprozentige
Entgelterhöhung der Kompensation des mit dem Vertragsangebot einhergehenden
Verzichts auf die Bezugnahmeklausel. Mit der Verlängerung der wöchentlichen
Arbeitszeit stand diese Komponente in keinem Zusammenhang. Auf diese bezog sich
vielmehr die ab dem 01.01.2009 angebotene weitere Entgelterhöhung von einem
Prozent.
74
II.
75
Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 97 Abs. 1
ZPO.
76
III.
77
Die Revision an das Bundesarbeitsgericht war wegen grundsätzlicher Bedeutung
gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
78
RECHTSMITTELBELEHRUNG
79
Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
80
R E V I S I O N
81
eingelegt werden.
82
Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
83
Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim
84
Bundesarbeitsgericht
85
Hugo-Preuß-Platz 1
86
99084 Erfurt
87
Fax: 0361-2636 2000
88
eingelegt werden.
89
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
90
Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
91
1.Rechtsanwälte,
92
2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder
Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
93
3.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer
der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person
ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und
ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit
vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung
durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
94
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift
unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
95
Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
96
* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
97
MailänderHinterberg Franke
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