Urteil des LAG Düsseldorf vom 12.04.2005

LArbG Düsseldorf: wirklicher wille, arbeitsgericht, fahrplan, broschüre, arbeiter, vergütung, erstreckung, gewerkschaft, begriff, offenkundig

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 3 Sa 1951/04
Datum:
12.04.2005
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 Sa 1951/04
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Wuppertal, 2 Ca 2993/04
Schlagworte:
ohne
Normen:
ohne
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
kein Leitsatz vorhanden
Tenor:
1.Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Wuppertal vom 21.10.2004 – 2 Ca 2993/04 – wird kostenpflichtig
zurückgewiesen.
2.Die Revision wird nicht zugelassen.
3.Streitwert: 2.000,00 €.
T A T B E S T A N D :
1
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, die Wendezeiten der
Klägerin während der Dienstschicht als Arbeitszeit zu bewerten.
2
Die am 01.08.1960 geborene Klägerin ist seit dem 01.07.1997 als KOM-Fahrerin mit
einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden bei der Beklagten zu
einer monatlichen Vergütung von ca. 2.000,00 € brutto beschäftigt. Auf das
Arbeitsverhältnis fand zunächst Kraft beiderseitiger Tarifbindung der
Bundesangestelltentarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe
(BMT-G) nebst Anlagen Anwendung. Am 26.11.2003 schlossen die
Tarifvertragsparteien unter Beteiligung der Beklagten eine Anwendungsvereinbarung,
nach der seit dem 14.12.2003 bzw. 01.01.2004 der Spartentarifvertrag
Nahverkehrsbetriebe Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: TV-N NW) nebst dessen
Anlagen Anwendung findet.
3
In § 4 Abs. 1 der Anlage 3 zum TV-N NW lautet es:
4
„Für die Vorbereitungs- und Abschlussdienste sowie – bei Abrechnung und
Einzahlung – für den Weg zwischen der Ablösungs- und Abrechnungsstelle wird die
5
notwendige Zeit in die Arbeitszeit eingerechnet. Gleiches gilt für die sich aus dem
Dienst- und Fahrplan ergebenden Wendezeiten. Betrieblich können abweichende
Regelungen vereinbart werden. Soweit die planmäßigen Wendezeiten innerhalb
der Dienstschicht insgesamt 1 Stunde überschreiten, gilt die darüber
hinausgehende Zeit als Arbeitsbereitschaft. Sie wird gemäß § 11 Abs. 4 TV-N NW
entgolten. Die als pausenfähig angerechneten Wendezeiten werden hiervon nicht
berührt.“
Die Betriebsparteien haben unter dem 02.07.2003 eine Betriebsvereinbarung
geschlossen, deren § 5 wie folgt lautet:
6
㤠5 Wendezeiten
7
Die Betriebsparteien haben sich darauf geeinigt, dass im Rahmen der
Öffnungsklausel gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 der Anlage 3 zum TV-N NW planmäßige
Wendezeiten, die nicht bereits als unbezahlte Pausenzeit (Blockpausen)
angerechnet wurden, im Umfang von bis zu einer Stunde pro Dienst zu 50 % als
Arbeitszeit anzurechnen und zu vergüten sind. Dieses gilt ab dem Fahrplanwechsel
am 14.12.2003.“
8
Mit der am 08.07.2004 bei dem Arbeitsgericht Wuppertal eingegangenen Klage hat die
Klägerin die Feststellung begehrt, dass die gesamten Wendezeiten als Arbeitszeiten zu
berücksichtigen sind. Sie hat die Auffassung vertreten, bei den Wendezeiten handele es
sich um Arbeitszeiten im Sinne von § 2 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz. Soweit § 4 Anlage 3
TV-N NW eine Öffnung für betriebliche Regelungen enthalte, habe sich diese
Öffnungsklausel nach dem ausdrücklichen Willen der Tarifvertragsparteien - entgegen
der systematischen Stellung - ausschließlich auf die Vorbereitungs- und
Abschlussdienste beziehen sollen. Insofern sei die systematische Stellung des Satzes 3
ein Redaktionsversehen. Eine Öffnungsklausel hinsichtlich der Wendezeiten sei von
den Tarifvertragsparteien nicht gewollt gewesen.
9
Die Klägerin hat beantragt,
10
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die Wendezeiten pro
Dienstschicht, die eine Stunde nicht überschreiten und keine anrechnungsfähigen
Pausenzeiten darstellen, in vollem Umfang als Arbeitszeit zu bewerten;
11
hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Teil der planmäßigen
Wendezeiten in vollem Umfang als Arbeitszeit zu berücksichtigen sowie zu
vergüten, in der die Klägerin tatsächlich eine reine Fahrleistung erbracht hat.
12
Die Beklagte hat beantragt,
13
die Klage abzuweisen.
14
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Betriebsvereinbarung vom 02.07.2003
stehe im Einklang mit dem Spartentarifvertrag und sei von der dortigen Öffnungsklausel
gedeckt. Die tarifliche Regelung in § 4 Abs. 1 Satz 3 Anlage 3 TV-N NW sei eindeutig
und einer weiteren Auslegung im Sinne des Klagevortrages nicht zugänglich, ein
Redaktionsversehen liege nicht vor.
15
Durch Urteil vom 21.10.2004, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe
ergänzend Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht Wuppertal die Klage
kostenpflichtig abgewiesen und den Streitwert auf 2.000,00 € festgesetzt.
16
Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Wortlaut der
tarifvertraglichen Regelung in § 4 Abs. 1 Anlage 3 TV-N NW sei eindeutig, ein
anderslautender wirklicher Wille der Tarifvertragsparteien sei dem Tarifvertrag nicht zu
entnehmen. Der Hilfsantrag sei unzulässig, im Übrigen auch unbegründet.
17
Gegen das ihr am 17.11.2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am
13.12.2004 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung
eingelegt und diese, nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum
17.02.2005, mit einem am 15.02.2005 dem Gericht vorliegenden Schriftsatz begründet.
18
Mit der Berufung greift die Klägerin das Urteil in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht an
und hält unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens an der
Auffassung fest, die Öffnungsklausel habe sich ausschließlich auf die Vorbereitungs-
und Abschlussdienste beziehen sollen, der Regelung liege ein beachtliches
Redaktionsversehen zugrunde. Dies sei auch den Begleitumständen wie u. a. der
offenkundigen Interessenlage der Tarifvertragsparteien, der Entstehungsgeschichte der
tariflichen Regelung sowie der gesetzlichen Sperrwirkung in § 77 Abs. 3 BetrVG zu
entnehmen. Die Öffnungsklausel sehe keinerlei inhaltliche Vorgaben für eine etwaige
Betriebsvereinbarung vor. Auch sei eine Öffnung allenfalls für die Tarifvertragsparteien
selbst beabsichtigt gewesen, das Wort „betrieblich“ lasse nicht bereits den Rückschluss
auf eine Regelung zwischen den Betriebsparteien zu.
19
Die Klägerin beantragt,
20
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 21.10.2004 - 2 Ca
2993/04 –
21
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die Wendezeiten pro
Dienstschicht, die eine Stunde nicht überschreiten und keine anrechnungsfähigen
Pausenzeiten darstellen, in vollem Umfang als Arbeitszeit zu bewerten und zu
vergüten;
22
hilfsweise
23
festzustellen, dass § 5 „Wendezeiten“ der Betriebsvereinbarung vom 02.07.2003
wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG und § 4 Abs. 3 TVG unwirksam ist.
24
Die Beklagte beantragt,
25
die Berufung zurückzuweisen.
26
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.
27
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in beiden Rechtszügen wird auf den
vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und Unterlagen
verwiesen, §§ 525, 313 Abs. 2 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG.
28
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
29
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom
21.10.2004 ist zulässig, hingegen nicht begründet.
30
I.
31
Die Berufung ist an sich statthaft, § 64 Abs. 1 ArbGG, nach dem Wert des
Beschwerdegegenstandes zulässig, § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG sowie in gesetzlicher Form
und Frist eingelegt und innerhalb nachgelassener Fristverlängerung begründet worden
(§§ 519 Abs. 1 u. 2 ZPO, 520 Abs. 2 ZPO, 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG).
32
II.
33
Die Berufung hatte hingegen in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit in jeder
Weiser zutreffender Begründung ist das Arbeitsgericht Wuppertal zur Klageabweisung
gelangt. Mit den Angriffen der Berufung vermochte die Klägerin nicht zu einer
Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu gelangen. Unter Bezugnahme auf die
erstinstanzlichen Entscheidungsgründe gemäß §§ 540 Abs. 1 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG ist
zur Vermeidung von Wiederholungen in Auseinandersetzung mit dem Berufungsvortrag
lediglich folgendes festzustellen:
34
Soweit die Klägerin auch mit der Berufung an der Auffassung festgehalten hat, § 4 Abs.
1 Anlage 3 zu TV-N NW enthalte keine Öffnungsklausel für die streitgegenständlichen
Wendezeiten, vermochte sie hiermit nicht durchzudringen. Zu Recht ist das
Arbeitsgericht unter zutreffender Anwendung der zur Auslegung von Tarifverträgen
entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze (statt vieler: BAG vom 12.09.1984, AP Nr. 135
zu § 1 TVG Auslegung; BAG vom 12.12.2001, AP Nr. 179 zu § 1 TVG Auslegung) zu
der Feststellung gelangt, dass sich die Öffnungsklausel in Satz 3 der Tarifbestimmung
sowohl auf die Vorbereitungs- und Abschlussdienste als auch die Wendezeiten bezieht.
35
Die Tarifbestimmung ist eindeutig und unmissverständlich gefasst. Für einen darüber
hinaus gehenden vom Tarifwortlaut abweichenden wirklichen Willen der
Tarifvertragsparteien liefert die tarifliche Norm keinerlei Anhaltspunkte. Insbesondere ist
für das von der Klägerin auch mit der Berufung erneut behauptete Redaktionsversehen
bezüglich der Fassung und Stellung der Sätze 2 und 3 der Tarifbestimmung nichts
ersichtlich. Der Wortlaut ist eindeutig und klar.
36
Worin eine Unklarheit in der tariflichen Regelung bestehen soll, war auch dem
zweitinstanzlichen Vorbringen der Klägerin nicht zu entnehmen. Dass hier – anders als
in § 4 der Anlage 1 zum BMT-G für Arbeiter im Fahrdienst von Nahverkehrsbetrieben
vom 23.08.1995 – auch die Wendezeiten mit einbezogen worden sind, liefert in keiner
Weise Anhaltspunkte für eine versehentlich falsche Formulierung. Soweit die Klägerin
mit der Klage sowie Berufungsbegründung erneut selbst von einer Öffnungsklausel im
Sinne von § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG ausgegangen ist und erstinstanzlich allein eine
versehentliche Vertauschung der Sätze 2 und 3 in ihrer Reihenfolge angeführt hat, hat
das Arbeitsgericht bereits zu Recht darauf hingewiesen, dass sich auch bei
entsprechender Umstellung an der Erstreckung der Öffnungsklausel auch auf die
Wendezeiten bereits vom Wortlaut her nichts ändern würde. Soweit die Berufung
nunmehr auch eine völlig andere Wortwahl für Satz 3 als einzige Alternative einer
zutreffenden Formulierung anführt - „die sich aus dem Dienst- und Fahrplan ergebenden
37
Wendezeiten werden in die Arbeitszeit eingerechnet“ -, finden sich hierfür keinerlei
Anhaltspunkte, bewegt sich die Klägerin vielmehr im spekulativen Bereich.
Auch vermochte die Berufung mit der Erwägung, die Formulierung „betrieblich können
abweichende Regelungen vereinbart werden“ stelle sich nicht als Öffnungsklausel für
die Betriebsparteien dar, lasse nämlich nicht den Schluss auf eine Regelung durch
Betriebsvereinbarung, sondern allein durch die Tarifvertragsparteien zu, nicht
durchzudringen. Die Tarifpartner haben gerade nicht das Wort „bezirklich“ verwendet,
sondern mit dem Begriff „betrieblich“ eine Regelung der Betriebsparteien selbst und
nicht der Tarifpartner angesprochen, mithin gerade deutlich gemacht, dass
abweichende Vereinbarungen der Regelungskompetenz der betrieblichen Ebene
übertragen werden sollten. Es kommt von daher nicht darauf an, dass mit
entsprechendem Wortlaut ein Verweis auf die betriebliche Ebene u. a. auch in §§ 7 Abs.
5 Satz 3, 25 Abs. 1 Ziff. 5 TV-N NW erfolgt ist. Dass an anderer Stelle ausdrücklich von
„Betriebsvereinbarungen“ und „Zustimmung des Betriebsrats“ die Rede ist, lässt in
keiner Weise den von der Klägerin gezogenen Schluss zu, alsdann sei „betrieblich“ in §
4 Abs. 1 Satz 3 Anlage 3 zu TV-N NW als „bezirklich“ zu verstehen bzw. als Vorbehalt
für weitere Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien selbst.
38
Dass im Übrigen die vertragsschließende Gewerkschaft selbst den fraglichen Passus
als Öffnungsklausel für Betriebsvereinbarungen verstanden hat und ihr der Wortlaut der
in Rede stehenden Tarifbestimmungen geläufig war, ist überdies der überreichten
Broschüre der ÖTV aus Juni 2000 „Fakten zum Spartentarifvertrag Nahverkehr NW“ (Bl.
156 ff. d. A.) zu entnehmen, in welcher den Mitgliedern „das unterschriftfertige Ergebnis“
der Tarifverhandlungen vorgestellt und um Zustimmung geworben worden ist. Der
Spartentarifvertrag datiert sodann auf den 25.05.2001, ohne dass von der im Entwurf
einleitend genannten Möglichkeit redaktioneller Änderung in der
Redaktionsverhandlung Gebrauch gemacht worden ist. In der Broschüre lautet es auf
Seite 2 u. a.:
39
„Aufgrund der unterschiedlichen Situationen der ÖPNV-Unternehmen lässt der TV-
N zahlreiche Gestaltungsräume für Betriebsvereinbarungen (z. B.
Arbeitszeitgestaltung) zu“.
40
Von daher war auch dem Berufungsvortrag nicht zu entnehmen, inwieweit – wie
behauptet – die in Rede stehende Regelung in Anbetracht der ergriffenen
Restrukturierungsmaßnahmen unter Arbeitsplatzsicherung nach Maßgabe von § 2 TV-N
NW bis Ende 2009 offenkundig widersinnig sei und dem erklärten und eindeutigen
Willen der Tarifvertragsparteien zuwider liefe.
41
Soweit die Klägerin mit der Berufung geltend gemacht hat, die Öffnungsklausel decke §
5 der Betriebsvereinbarung auch deshalb nicht ab, weil dort „planmäßige Wendezeiten“,
in der Öffnungsklausel hingegen „sich aus dem Dienst- und Fahrplan ergebende
Wendezeiten“ genannt würden, vermochte dem nicht gefolgt zu werden. Dass mit
„planmäßigen“ Wendezeiten begrifflich die sich aus dem Dienst- und Fahrplan
ergebenden mit umfasst sind, ergibt sich u. a. auch bereits aus Satz 4 der
Tarifbestimmung. Entsprechend knüpft § 5 der Betriebsvereinbarung auch ausdrücklich
an die planmäßigen Wendezeiten „gemäß Satz 3“ der Tarifbestimmung an.
42
Soweit die Klägerin weiterhin mit der Berufung angeführt hat, der Wirksamkeit von § 5
der Betriebsvereinbarung stehe der Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG
43
entgegen, die Regelung in § 4 Abs. 1 Anlage 3 zu TV-N NW sei von § 77 Abs. 3 Satz 2
BetrVG nicht abgedeckt, konnte dem nicht beigetreten werden.
Gemäß der von den Tarifvertragsparteien ausdrücklich und unmissverständlich
aufgenommenen tariflichen Öffnungsklausel (zum Erfordernis der „ausdrücklichen“
Zulassung i. S. v. § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG vgl. LAG Düsseldorf vom 02.03.1982 – 24
TaBV 95/81) können betrieblich „abweichende“ Regelungen vereinbart werden. Der
Ausdruck „abweichende“ umfasst nach allgemeinem Sprachgebrauch sowohl
Änderungen zu Gunsten als auch zu Ungunsten der Arbeitnehmer. Hätten die
Tarifvertragsparteien nur günstigere Betriebsvereinbarungen ermöglichen wollen, hätte
es nahe gelegen, dies entsprechend klar zu stellen (vgl. BAG vom 11.07.1995, AP Nr.
10 zu § 1 TVG Tarifverträge: Versicherungsgewerbe, zu II 1 a der Gründe). Auch haben
die Tarifvertragsparteien den Umfang der Ermächtigung zu ungünstigeren
Betriebsvereinbarungen ausreichend bestimmt bzw. eingegrenzt (vgl. hierzu BAG vom
18.08.1987, AP Nr. 23 zu § 77 BetrVG 1972), in dem sie sich ihrer Regelungskompetenz
aus § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG insoweit allein bezüglich der vergütungsmäßigen
Behandlung planmäßiger Wendezeiten und dort der insgesamt ersten maximal 60
Minuten pro Dienst zu Gunsten der Betriebsparteien begeben haben, während die eine
Stunde überschreitenden Zeiten wieder unmittelbarer tariflicher Regelung unterworfen
wurden. Von der ihnen eröffneten Regelungsbefugnis haben die Betriebsparteien vor
dem Hintergrund einer gesicherten Restrukturierungsphase bis 31.12.2009 in zulässiger
Weise Gebrauch gemacht. Von daher bedurfte es im Streitfall einer Entscheidung über
die rechtlichen Grenzen einer Verlagerung der Regelungsbefugnis der
Tarifvertragsparteien auf die Betriebspartner nicht (vgl. zur Tariföffnungsklausel auch
BAG vom 18.08.1987, AP Nr. 23 zu § 77 BetrVG 1972; BAG vom 29.10.2002, AP Nr. 18
zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt; vgl. auch LAG Düsseldorf vom 02.03.1982 - 24
TaBV 95/81 -; ErfKom-Schaub, 5. Aufl., § 4 TVG Rz. 48 f.; Fitting, 21. Aufl., § 77 BetrVG
Rz. 117 ff. m. w. N.).
44
Auch sind konkrete Tatsachen, wonach die Beklagte mit den Dienstschichtzeiten gegen
die gesetzlichen täglichen oder wöchentlichen Höchstarbeitszeiten verstieße, von der
Klägerin nicht vorgetragen worden. Aus den gesetzlichen Arbeitszeitbegriffen lässt sich
eine Regelung für die Art und Weise der Vergütung der Wendezeit bzw. deren
Anrechnung auf die vertraglich geschuldete Arbeitszeit im Streitfall nicht herleiten. Dass
die Regelung in § 5 Betriebsvereinbarung, wonach planmäßige, nicht bereits als
unbezahlte Pausenzeit angerechnete Wendezeiten bis zu einer Stunde pro Dienst nur
anteilsmäßig zu 50 % als zu vergütende Arbeitszeit bewertet werden, gegen
höherrangiges Recht verstieße, ist nicht dargetan.
45
III.
46
Die Berufung war nach alledem auch in der Fassung des zweitinstanzlich gestellten
Haupt- wie Hilfsantrages zurückzuweisen.
47
Die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels waren gem. §§ 64 Abs. 6 ArbGG,
97 Abs. 1 ZPO der Klägerin aufzuerlegen.
48
Für die Zulassung der Revision an das Bundesarbeitsgericht bestand keine
Veranlassung, da dem vorliegenden Rechtsstreit weder eine grundsätzliche Bedeutung
beigemessen werden kann, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, noch die Voraussetzungen für
eine Divergenzrevision ersichtlich sind, § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG.
49
VI.
50
R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :
51
Gegen diese Entscheidung ist für die Parteien kein Rechtsmittel gegeben. Gegen die
Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann von der Klägerin
Nichtzulassungsbeschwerde bei dem Bundesarbeitsgericht eingelegt werden.
Hinsichtlich der Einzelheiten der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72 a ArbGG
hingewiesen.
52
Dr. WesthoffBoeckerBlum
53