Urteil des LAG Düsseldorf vom 15.03.2007

LArbG Düsseldorf: ordentliche kündigung, überwiegendes interesse, unwirksamkeit der kündigung, treu und glauben, juristische person, arbeitsgericht, verwaltungsakt, betriebsleiter, personenverkehr

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 11 Sa 1273/06
Datum:
15.03.2007
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 Sa 1273/06
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Essen, 1 Ca 2803/06
Normen:
BGB §§ 242, 611 Abs. 1, 613 Satz 1; VO über den Betrieb von
Kraftfahrtunternehmen im Personenverkehr (BO Kraft) vom 21.06.1975
(BGBl. I S. 1573)
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Ergeht im Kündigungsschutzprozess zugunsten des Arbeitnehmers in
erster, aber auch in zweiter Instanz ein obsiegendes Urteil, müssen
"besondere Umstände" hinzutreten, aus denen sich im Einzelfall ein
überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer
nicht zu beschäftigen (vgl. grundlegend BAG 27.02.1985 - GS 1/84 - EzA
§ 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9). 2. Derartige "besondere
Umstände" liegen, solange die zuständige Genehmigungsbehörde
einem Nahverkehrsunternehmen in Ausübung ihrer Aufsichtspflicht
gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 PBefG, gestützt auf § 3 Abs. 1 Satz 3 BO Kraft
vom 21.06.1975 (BGBl I S. 1573), nicht durch einen Verwaltungsakt
untersagt, den wegen Entzugs der innerbetrieblichen Fahrerlaubnis
gekündigten Arbeitnehmer (vgl. hierzu LAG Düsseldorf 24.08.2006 - 11
Sa 535/06 -) weiterhin als Omnibusfahrer bis zur rechtskräftigen
Entscheidung des Kündigungsschutzprozesses einzusetzen, nicht vor.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen
vom 16.11.2006 - 1 Ca 2803/06 - wird zurückgewiesen, wobei der Tenor
dieses Urteils in seinen Ziffern 1 und 2 wie folgt neu gefasst wird:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 29.707,44 ​
brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus jeweils 2.444,68 ​
seit dem 15.01., 15.02., 15.03., 15.04., 15.06., 15.07., 15.08., 15.09. und
15.10.2006, aus 4.478,30 ​ seit dem 15.11.2006, aus 450,-- ​ seit dem
15.05.2006 sowie 332,34 ​ seit dem 15.05.2006 sowie aus 332,34 ​ seit
dem 15.07.2006 zu zahlen, abzüglich an die Bundesagentur für Arbeit
zu erstattendes Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 43,56 ​ im Zeitraum
01.01. bis 30.11.2006 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränder-
ten Bedingungen als Busfahrer bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Rechtsstreits gleichen Rubrums - Arbeitsgericht Essen 4 Ca 4492/05 -
weiterzubeschäftigen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte mit Ausnahme
der Kosten, die durch die teilweise Klagerücknahme entstanden sind.
Diese trägt der Kläger.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
T A T B E S T A N D :
1
Der Kläger stand bei der Beklagten, die ein Nahverkehrsunternehmen in F. betreibt,
zunächst aufgrund des Ausbildungs-Arbeitsvertrag vom 01.09.1995 in einem
Ausbildungsverhältnis zum Omnibusfahrer. Nach § 6 dieses Vertrages war der Kläger
verpflichtet, bei Ausführung der ihm übertragenen Arbeiten die jeweils in Frage
kommenden gesetzlichen und behördlichen Vorschriften - z. B.
Unfallverhütungsvorschriften, die Dienstanweisungen des Arbeitgebers,
Betriebsvorschriften, das Arbeitszeitgesetz und die Anordnungen seiner Vorgesetzten -
zu beachten .
2
Ebenfalls am 01.09.1995 unterschrieb der Kläger eine Erklärung , in der er unter Ziffer 4
im ersten Satz bestätigt, nachstehende Vorschriften, Drucksachen usw. erhalten zu
haben ... . Als ausgehändigte Vorschriften ist am Ende dieser Ziffer 4 u. a. die
Dienstanweisung für den Fahrdienst (DFStrab, DFKraft bzw. DFSchiff) aufgeführt.
Schließlich unterschrieb der Kläger noch am 01.09.1995 eine Erklärung des Verband
öffentlicher Verkehrsbetriebe in der es u. a. heißt:
3
Die Tätigkeit im äußeren Betriebsdienst als Kraftomnibusfahrer ist nur
gestattet, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis zur
Fahrgastbeförderung gemäß Straßenverkehrs-Zulassungsordnung (StVZO)
und die Bestimmungen der Verordnung über den Betrieb von
Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr (BO-Kraft) erfüllt sind, d. h., wenn
4
1. gegen die persönliche Zuverlässigkeit keine Bedenken bestehen. Sie ist u.
a. nur dann gegeben, wenn das Führungszeugnis zur Vorlage bei einer
Behörde und das Verkehrszentralregister keine wesentlichen Eintragungen
enthalten.
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2. die geistige und körperliche Eignung durch ein amts- oder
betriebsärztliches Zeugnis - auf Verlangen der Behörde ein fachärztliches
Zeugnis oder das Gutachten eines amtl. anerkannten med.psych. Institutes
(MPI) - nachgewiesen ist.
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3. durch ein Zeugnis die erfolgreiche Teilnahme an einem Lehrgang in Erster
Hilfe nachgewiesen ist.
7
...
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Nach erfolgreich abgelegter Prüfung wurde dem Kläger mit Ausbildungs- und
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Prüfungsnachweis vom 29.12.1995 die Erlaubnis durch den Betriebsleiter bzw.
Beauftragten des Betriebsleiters erteilt, die Tätigkeit als KOM-Fahrer mit
Personenbeförderung in eigener Verantwortung auszuüben. Ab dem 21.01.1996 wurde
der Kläger aufgrund des am gleichen Tag geschlossenen Arbeitsvertrages, der in § 7
eine mit § 6 des Ausbildungs-Arbeitsvertrag wörtlich übereinstimmende Regelung
enthält, als KOM-Fahrer eingesetzt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der
Tarifvertrag Nahverkehrsbetriebe (TV-N NW) in seiner jeweiligen Fassung Anwendung.
Am 22.11.2005 verrichtete der Kläger seinen planmäßigen Dienst als KOM-Fahrer auf
der Linie 166, Kurs 13, Wagennummer: 3734. In der Zeit von 08.54 Uhr bis 09.56 Uhr
führte der Fahrmeister der Beklagten, Herr G. L., eine Sonderbeobachtung des Klägers
durch.
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Über die Sonderbeobachtung des Klägers vom 22.11.2005 fertigte Herr L. einen Bericht.
Wegen der hierin aufgeführten straßenverkehrsrechtlichen Verstöße zog der zuständige
Betriebsleiter der Beklagten, Herr U. von E., den Kläger zunächst vom Fahrdienst
zurück. In einem zwei Tage später durchgeführten Sachverhaltsermittlungsgespräch mit
der Fachebene Arbeits- und Tarifrecht, zu dem der Kläger mit seinem Prozessvertreter
erschien, nahm ersterer zu den Ergebnissen der Sonderbeobachtung vom 22.11.2005
schriftlich Stellung.
11
Am 02.12.2005 überreichte der Betriebsleiter der Beklagten, Herr von E., deren
Mitarbeiterin für die Fachebene Arbeits- und Tarifrecht, Unternehmensbereich Personal
und Organisation, Frau L. C., ein Schreiben. In diesem teilte er u. a. mit:
12
...
13
Die sicherheitsrelevanten straßenverkehrsrechtlichen Verstöße des Herrn Q. -
hier sind im besonderen das Verlassen des vorgeschriebenen Fahrweges
nach der Haltestelle Porscheplatz (Fahrt über drei Spuren), die beiden
Rotlichtverstöße sowie die erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung von
mehr als 20 km/h zu nennen - waren so gravierend, dass ich Herrn Q. auf
Dauer für ungeeignet halte, einen KOM zu lenken.
14
Die von Herrn Q. vorgelegte Stellungnahme zu den Ergebnissen der
Sonderbeobachtung kann die ihm gemachten Vorwürfe nicht entkräften, da
ich sie als Schutzbehauptung ansehe. Vielmehr muss ich mich hier auf die
Aussagen des Fahrmeisters verlassen.
15
Herr Q. wird daher auf Dauer nicht mehr im Fahrdienst bei der F. Verkehrs-AG
eingesetzt.
16
Mit Schreiben vom 02.12.2005, der die Anlage 1 mit den Kündigungsgründen beigefügt
war, hörte die Beklagte ihren Betriebsrat zu einer von ihr beabsichtigten fristlosen,
hilfsweise fristgemäßen personenbedingten Kündigung des Klägers zum 30.06.2006
an. Mit Schreiben vom 06.12.2005 widersprach der Betriebsrat sowohl der
beabsichtigten fristlosen wie hilfsweise fristgemäßen Kündigung des Klägers.
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Mit Schreiben vom 06.12.2005, dem Kläger am gleichen Tag zugegangen, kündigte die
Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos (außerordentlich) aus wichtigem
Grund. Am 12.12.2005 kündigte die Beklagte darüber hinaus das Arbeitsverhältnis
18
hilfsweise fristgemäß zum 30.06.2006.
Das Arbeitsgericht Essen hat der gegen beide Kündigungen erhobenen
Kündigungsschutzklage des Klägers durch Urteil vom 08.03.2006 - 4 Ca 4492/05 -
stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das
Landesarbeitsgericht durch Urteil vom 24.08.2006 - 11 Sa 535/06 - zurückgewiesen und
zugleich die Revision zugelassen. Diese hat die Beklagte zwischenzeitlich beim
Bundesarbeitsgericht eingelegt. Sie wird dort unter dem Aktenzeichen 2 AZR 984/06
geführt.
19
Mit seiner beim Arbeitsgericht Essen am 02.05.2006 eingereichten und der Beklagten
drei Tage später zugestellten Klage hat der Kläger zunächst sein Arbeitsentgelt für die
Monate Januar bis April 2006 in Höhe von jeweils 2.444,68 € brutto abzüglich eines
täglich bezogenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 43,56 € begehrt. Mit einem der
Beklagten am 06.09.2006 zugestellten Schriftsatz hat er seine Klage um einen
Weiterbeschäftigungsantrag erweitert. Mit einem der Beklagten am 31.08.2006
zugestellten Schriftsatz macht der Kläger auch noch das Arbeitsentgelt für die Monate
Mai bis August 2006 in Höhe von jeweils 2.444,68 € brutto abzüglich täglich bezogenen
Arbeitslosengeldes in Höhe von 43,56 € sowie eine im Mai 2006 fällig gewordene
Einmalzahlung in Höhe von 450,-- € brutto sowie das im Juli 2006 fällig gewordene
Urlaubsgeld in Höhe von 332,34 € brutto geltend. Letztmals hat der Kläger seine Klage
durch einen der Beklagten am 25.10.2006 zugestellten Schriftsatz um das Arbeitsentgelt
für die Monate September bis November 2006 abzüglich bezogenen Arbeitslosengeldes
in Höhe von täglich 43,56 €, um die am 15.11.2006 fällig gewordene Sonderzuwendung
in Höhe eines Monatsgehalts sowie um die Herausgabe dreier Tickets, die ihm nach
Ausspruch der Kündigungen vom 06.12.2005 und 12.12.2005 entzogen worden waren,
erhöht.
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Der Kläger hat beantragt,
21
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 30.118,50 € brutto nebst
22
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 2.444,68 € seit
dem 15.01., 15.02., 15.03., 15.04., 15.06., 15.07., 15.08., 15.09. und
15.10.2006, aus 4.889,36 € seit dem 15.11.2006, aus 450,-- € seit dem
15.05.2006 sowie aus 332,34 € seit dem 15.07.2006 zu zahlen,
abzüglich an die Bundesagentur für Arbeit zu erstattendes
Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 43,56 € im Zeitraum 01.01.2006 bis
30.11.2006;
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2. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedin-
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gungen als Busfahrer weiterzubeschäftigen;
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3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein Ticket 2000, Stufe C,
26
für ihn selbst, ein Ticket 1000, Stufe C, für seine Ehefrau
27
T. Q. und ein Schokoticket 2006 für die Tochter
28
D. Q. herauszugeben.
29
Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat im Wesentlichen die Ansicht vertreten:
32
Nach Entziehung der innerbetrieblichen Fahrerlaubnis könne sie den Kläger als
Busfahrer nicht mehr einsetzen. Die Entziehung sei zu Recht erfolgt. Mangels
Leistungsfähigkeit könne auch ein Annahmeverzug nicht gegeben sein. Sie könne den
Kläger mangels Vereinbarung im Arbeitsvertrag nicht versetzen. Gemäß den
tarifvertraglichen Vorschriften würden dem Kläger als Sonderzuwendung lediglich 82,14
% des Bruttomonatsentgelts i. H. v. 2.444,68 €, also 2.033,62 € brutto, zustehen.
33
Mit seinem am 16.11.2006 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht der Klage bis auf
die in Höhe eines Monatsentgelts geltend gemachte Sonderzuwendung für 2006 - diese
hat es dem Kläger zwar nicht im Tenor, jedoch in den Entscheidungsgründen
entsprechend dem einschlägigen Tarifvertrag nur in Höhe von 2.033,62 € zugesprochen
- stattgegeben und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:
34
Der Kläger habe Anspruch auf Zahlung von insgesamt 29.707,44 € brutto (26.891,48 €
brutto regelmäßiges Monatsentgelt in Höhe von 2.444,68 € brutto für die Zeit von Januar
bis November 2006, 450,-- € brutto Einmalzahlung, 332,34 € brutto Urlaubsgeld sowie
2.033,62 € brutto Sonderzuwendung 2006, wobei allerdings infolge des
Forderungsübergangs zu Gunsten der Agentur für Arbeit gemäß § 115 Abs. 1 SGB X
täglich bezogenes Arbeitslosengeld in Höhe von 43,56 € abzuziehen sei. Der
Zahlungsanspruch ergebe sich aus § 611 Abs. 1 BGB i. V. m. § 615 Satz 1 BGB. Infolge
der unwirksamen Kündigungen der Beklagten vom 06.12. und 12.12.2005 habe
zwischen den Parteien auch im streitbefangenen Zeitraum (01.01. bis 30.11.2006) ein
Arbeitsverhältnis bestanden. In diesem Zeitraum habe sich die Beklagte gemäß § 296
Satz 1 BGB in Annahmeverzug befunden. Dem stehe die Regelung in § 297 BGB nicht
entgegen, da der Kläger sehr wohl hätte seine Arbeitsleistung in diesem Zeitraum
erbringen können. Der Betriebsleiter der Beklagten habe dem Kläger nämlich zu
Unrecht die Betriebsfahrberechtigung entzogen. Ohne erfolglose Nachschulung könne
die Beklagte zudem dem Kläger keine Unzuverlässigkeit attestieren. In Ermangelung
von Gründen, die ein höherwertiges Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung
des Klägers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits zeigen
würden, stehe dem Kläger der begehrte Weiterbeschäftigungsanspruch gemäß den
Grundsätzen, wie sie der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Beschluss
vom 27.02.1985 - GS 1/84 - aufgestellt habe, zu. Da zwischen den Parteien nach wie
vor ein Arbeitsverhältnis bestehe, habe der Kläger auch Anspruch auf Herausgabe der
ihm seinerzeit nach Ausspruch der Kündigungen vom 06. und 12.12.2005 entzogenen
Fahrtickets.
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Gegen das am 16.11.2006 verkündete und ihr am 05.12.2006 zugestellte Urteil hat die
Beklagte mit einem bei Gericht am 27.11.2006 eingegangenen Schriftsatz Berufung
eingelegt und diese mit einem bei Gericht am 05.02.2007 eingereichten Schriftsatz
begründet.
36
Die Beklagte macht unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens
im Wesentlichen geltend:
37
Ihre Interessen an einer unterbleibenden Weiterbeschäftigung des Klägers würden im
Streitfall ausnahmsweise deshalb überwiegen, weil man sie als Arbeitgeberin des
öffentlichen Personenverkehrs einer Situation aussetzen würde, in der sie sich nicht
rechtstreu verhalten könne. Der Zwangsvollstreckung des Weiterbeschäftigungstitels
könne sie nur dadurch entgehen, dass sie dem Beschäftigungsbegehren des Klägers
nachkomme. Dann sei aber damit zu rechnen, dass die zuständige Aufsichtsbehörde,
die Bezirksregierung Düsseldorf, ihr kraft Weisungsrechts untersagen werde, den Kläger
als Omnibusfahrer einzusetzen, um so die Sicherheit der Personenbeförderung zu
gewährleisten, bzw. anderweitige Sanktionen gegen sie verhängen. Hinzu komme
noch, dass sie gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 BOKraft i. V. m. § 61 PBefG ordnungswidrig
handeln würde, wenn sie den Betrieb entgegen § 3 Abs. 1 Satz 2 BOKraft zulasse,
obwohl ihr bekannt sei, dass Mitglieder des Fahr- oder Betriebspersonals nicht befähigt
und geeignet seien, eine sichere und ordnungsgemäße Beförderung zu gewährleisten.
Jedenfalls aufgrund der übereinstimmenden Bewertung ihrerseits und ihres
Betriebsleiters sei es ihr nicht zumutbar, den Kläger als Fahrer einzusetzen. Da der
Kläger durch seine Fahrweise am 22.11.2005 eindeutig bewiesen habe, dass er die an
einen Berufskraftfahrer gestellten Anforderungen nicht ansatzweise erfüllen würde,
könnten die durch einen Unfall des Klägers verursachten Schäden an Leib und Leben
ihrer Fahrgäste nicht rückgängig gemacht und nicht mit Geld kompensiert werden. Da
ihr auch nur eine vorläufige Weiterbeschäftigung des Klägers insbesondere aufgrund
der damit verbundenen öffentlich-rechtlichen Implikationen absolut unzumutbar sei,
könne der Kläger seine Leistung nicht wirksam anbieten i. S. von § 297 BGB, so dass
sie auch nicht in Annahmeverzug habe geraten können.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Essen - 1 Ca 2803/06 - vom 16.11.2006
abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
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Essen vom 16.11.2006 - 1 Ca 2803/06 - zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt in erster Linie das angefochtene Urteil und führt unter teilweiser
Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens ergänzend aus:
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Das Gericht habe in seinem Beschluss vom 07.12.2006, mit dem es den Antrag der
Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Urteil einzustellen,
zurückgewiesen habe, zu Recht darauf hingewiesen, es stehe überhaupt nicht
rechtskräftig fest, dass er auf Dauer nicht befähigt und geeignet sei, eine sichere und
ordnungsgemäße Beförderung des von ihm gesteuerten Omnibusses zu gewährleisten.
Selbstverständlich sei die Beklagte nicht an einer offensichtlich rechtswidrigen
Beurteilung seiner Fahrfähigkeiten gebunden. Im Hinblick auf eine sicherlich
bestehende Unfallversicherung bei verkehrswidrigem Verhalten ihrer Omnibusfahrer
könne sich die Beklagte keinesfalls auf unzumutbare Haftungsrisiken im Fall seiner
Weiterbeschäftigung berufen. Die Erbringung seiner Arbeitsleistung sei ihm in der Zeit
vom 01.01. bis zum 30.11.2006 nicht unmöglich gewesen, weil der Betriebsleiter der
Beklagten ihm rechtswidrig und damit unverbindlich die betriebliche Fahrerlaubnis
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entzogen habe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den mündlich
vorgetragenen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
47
A.
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Die Berufung der Beklagten, gegen deren Zulässigkeit keinerlei Bedenken bestehen, ist
nach der teilweisen Klagerücknahme des Klägers, was die Dauer seines
Weiterbeschäftigungsverlangens betrifft, unbegründet.
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I. Der Kläger kann für den Zeitraum vom 01.01. bis zum 30.11.2006 von der Beklagten
die Zahlung eines monatlichen Arbeitsentgelts in Höhe von 2.444,68 € brutto, insgesamt
also 26.891,48 € brutto abzüglich des an die Bundesagentur für Arbeit zu erstattenden
Arbeitslosengeldes von täglich 43,56 € sowie die sonst noch in dem genannten
Zeitraum fällig gewordenen Arbeitsentgelte in einer Gesamthöhe von 2.815,96 € brutto
nebst Zinsen und die drei Fahrttickets verlangen.
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1. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung seines regelmäßigen, der Höhe nach
zwischen den Parteien nicht streitigen Arbeitsentgelts für die Monate Januar bis
November 2006 über 26.891,48 € brutto abzüglich eines täglichen Arbeitslosengeldes
von 43,56 € (vgl. § 115 Abs. 1 SGB X) ergibt sich aus § 611 Abs. 1 BGB i. V. m. § 615
Satz 1 BGB.
51
a) Da § 615 Satz 1 BGB dem Arbeitnehmer trotz fehlender Arbeitsleistung die
vereinbarte Vergütung sichern, ihm also lediglich den originären Vergütungsanspruch
aus § 611 Abs. 1 BGB aufrecht erhalten will (BAG 28.04.1993 - 4 AZR 329/92 - EzA §
611 BGB Croupier Nr. 2; BAG 05.09.2002 - 8 AZR 702/01 - EzA § 615 BGB Nr. 109), ist
erste Voraussetzungen für einen auf diese Norm gestützten Zahlungsanspruch ein
bestehendes Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten (vgl. auch
BVerfG 20.01.1990 - 1 BvR 42/82 - DB 1990, 1042). Hiervon ist für die Zeit vom 01.01.
bis 30.11.2006 auszugehen, da die erkennende Kammer - wenn auch bisher nicht
rechtskräftig - durch Urteil vom 24.08.2006 - 11 Sa 535/06 - entschieden hat, weder die
außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 06.12.2005 noch ihre hilfsweise
ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 12.12.2005 zum 30.06.2006 hätten das
Arbeitsverhältnis der Parteien beenden können.
52
b) Auch die zweite Voraussetzung für den auf § 611 Abs. 1 BGB i. V. m. § 615 Satz 1
BGB gestützten Vergütungsanspruch des Klägers für den vorgenannten Zeitraum,
nämlich der Annahmeverzug der Beklagten, ist erfüllt.
53
aa) Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs richten sich auch für das
Arbeitsverhältnis nach den §§ 293 ff. BGB. Danach muss der Schuldner in der Regel die
geschuldete Leistung tatsächlich (§ 294 BGB) oder wörtlich (§ 295 Satz 1 BGB)
anbieten. Ist allerdings für die vom Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach
dem Kalender bestimmt, bedarf es ausnahmsweise überhaupt keines Angebots, wenn
der Gläubiger die Handlung nicht rechtzeitig vornimmt (§ 296 Satz 1 BGB).
54
bb) Im Streitfall bedurfte es aufgrund der Regelung in § 296 Satz 1 BGB weder eines
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tatsächlichen noch eines wörtlichen Angebots seitens des Klägers, die von ihm
geschuldete Arbeitsleistung für die Zeit vom 01.01. bis 30.11.2006 zu erbringen. Nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt,
ist die nach dem Kalender bestimmte Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers darin zu
sehen, dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen
und ihm die laut Arbeitsvertrag geschuldete Betätigung zuzuweisen ( BAG 24.11.1994 -
2 AZR 179/94 - EzA § 615 BGB Nr. 83; BAG 06.12.2001 2 AZR 422/00 EzA § 1 KSchG
Interessenausgleich Nr. 9; BAG 11.01.2006 - 5 AZR 98/05 - EzA § 615 BGB 2002 Nr.
11). Dem ist die Beklagte nach dem Zugang ihrer außerordentlichen Kündigung vom
06.12.2005 bei dem Kläger nicht nachgekommen.
cc) Allerdings kommt der Arbeitgeber nach § 297 BGB nicht in Annahmeverzug, wenn
der Arbeitnehmer zur Zeit des Angebots oder im Falle des § 296 BGB zu der für die
Handlung des Gläubigers bestimmten Zeit außer Stande ist, die Leistung zu bewirken.
Unmöglichkeit der Arbeitsleistung und Annahmeverzug schließen sich gegenseitig aus
(BAG 06.12.2001 2 AZR 422/00 a.a.O.). Vorliegend war dem Kläger die Erbringung
seiner Arbeitsleistung für die Zeit vom 01.01. bis zum 30.11.2006 nicht unmöglich. Denn
die Beklagte hatte ihm, wie durch das bereits erwähnte Urteil der erkennenden Kammer
vom 24.08.2006 festgestellt, rechtswidrig und damit unverbindlich die betriebliche
Fahrerlaubnis entzogen mit der Folge, dass er sehr wohl ab dem 07.12.2005 (Zugang
der außerordentlichen Kündigung) bzw. nach dem 30.06.2006 (Ablauf der
Kündigungsfrist) in der Lage war, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung, nämlich
einen Omnibus im Fahrbetrieb der Beklagten zu führen, nachkommen konnte.
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2. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt ohne weiteres, dass der Kläger gemäß §
611 Abs. 1 BGB i. V. m. § 615 Satz 1 BGB auch Anspruch auf die übrigen in der Zeit
vom 01.01. bis 30.11.2006 fällig gewordenen Arbeitsentgelte, nämlich 450,-- € brutto
(Einmalzahlung), 332,34 € brutto (Urlaubsgeld) sowie 2.033,62 € brutto (tarifliche
Sonderzuwendung 2006), insgesamt also 2.815,96 € brutto, hat.
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3. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. mit § 284 Abs. 2 Nr. 1
BGB, § 614 Satz 1 BGB.
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II. Zu Recht hat die Vorinstanz dem Kläger auch einen Weiterbeschäftigungsanspruch
zugesprochen, der allerdings nach der teilweisen Klagerücknahme des Klägers in
zweiter Instanz auf den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft des Urteils des
Arbeitsgerichts Essen vom 08.03.2006 - 4 Ca 4492/05 - zu beschränken war. Dieser
Anspruch ergibt sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
(grundlegend Beschluss vom 27.02.1985 - GS 1/84 - EzA § 611 BGB
Beschäftigungspflicht Nr. 9) aus §§ 611 Abs. 1, 613 Satz 1 BGB i. V. m. § 242 BGB unter
Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen der Art. 1 und 2 GG.
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1. Der vorgenannte Beschäftigungsanspruch besteht für jeden Arbeitnehmer,
unabhängig davon, ob er höher- oder geringwertige Arbeiten verrichtet, ob er für seine
Arbeit eine spezielle Vor- oder Ausbildung benötigt oder nicht. Es kommt auch nicht
darauf an, ob der Arbeitnehmer durch die Nichtbeschäftigung einen konkreten Schaden
erleidet. Da der allgemeine Beschäftigungsanspruch aus einer sich aus Treu und
Glauben (§ 242 BGB) ergebenden Pflicht des Arbeitgebers folgt, muss er zurücktreten,
wo überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Hierzu
bedarf es einer Interessenabwägung. Das gilt bereits im ungestörten bestehenden
Arbeitsverhältnis. Wird das Arbeitsverhältnis, wie im Streitfall, seitens des Arbeitgebers
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gekündigt und erhebt der Arbeitnehmer, wie hier der Kläger, Kündigungsschutzklage,
verändert sich die Interessenlage der Arbeitsvertragsparteien. Das beiderseitige Risiko
des ungewissen Prozessausgangs kann bei der Prüfung des
Weiterbeschäftigungsanspruchs nicht außer Betracht gelassen werden. Dies führt dazu,
dass zunächst das berechtigte und schutzwerte Interesse des Arbeitgebers wegen des
für ihn damit verbundenen hohen Risikos, den Arbeitnehmer während des
Kündigungsschutzprozesses nicht zu beschäftigen, stärker und dringender erscheint.
Diese Interessenlage ändert sich jedoch, wenn im Kündigungsschutzprozess ein die
Instanz abschließendes Urteil ergeht, das die Unwirksamkeit der Kündigung und damit
den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses feststellt. Ist dies der Fall, müssen zu der
Ungewissheit des Prozessausgangs zusätzliche Umstände hinzukommen, aus denen
sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den
Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen. Zu denken ist hierbei etwa an solche Umstände,
die auch in streitlos bestehenden Arbeitsverhältnissen den Arbeitgeber zur vorläufigen
Suspendierung des Arbeitnehmers berechtigen. Besteht z. B. gegen den Arbeitnehmer
der Verdacht des Verrats von Betriebsgeheimnissen, kann der Arbeitgeber die
Beschäftigung dieses Arbeitnehmers schon während des bestehenden
Arbeitsverhältnisses verweigern, um das Ausspionieren weiteren betrieblichen
Geschehens zu verhindern. Aber auch aus der Stellung des gekündigten Arbeitnehmers
im Betrieb und der Art seines Arbeitsbereichs kann sich ein überwiegendes
schutzwertes Interesse des Arbeitgebers ergeben, den betreffenden Arbeitnehmer
wegen der Ungewissheit des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses von seinem
Arbeitsplatz fernzuhalten (BAG 27.02.1985 - GS 1/84 - a. a. O., zu C. II. 3 c der Gründe;
Hess. LAG 15.12.2006 - 3 Sa 283/06 - NZA-RR 2007, 192, 193).
2. Eine Anwendung dieser Grundsätze ergibt, dass hier entgegen der Rechtsauffassung
der Beklagten neben der Ungewissheit des Ausgangs des beim Bundesarbeitsgericht
anhängigen Kündigungsrechtsstreits gleichen Rubrums - 2 AZR 984/06 - keine
zusätzlichen Umstände vorliegen, die zu einem im Einzelfall überwiegenden Interesse
der Beklagten an der Nichtbeschäftigung des Klägers führen.
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a) Entgegen der Auffassung der Beklagten führt die Weiterbeschäftigung des Klägers im
gekündigten Arbeitsverhältnis nicht zu einem Rechtsbruch, da das von ihr angeführte
Spannungsverhältnis zwischen dem öffentlichen Recht einerseits und dem Arbeitsrecht
andererseits tatsächlich nicht besteht.
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aa) Die Beklagte ist eine juristische Person des Privatrechts und unterliegt damit
sämtlichen für Arbeitsverhältnisse geltenden Rechtsnormen und Rechtsgrundsätzen.
Diese sehen, wie oben dargestellt, grundsätzlich eine Weiterbeschäftigung des
Arbeitnehmers im gekündigten Arbeitsverhältnis vor, sobald ein Arbeitsgericht, wenn
auch noch nicht rechtskräftig, im Kündigungsschutzprozess festgestellt hat, dass das
Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber wegen
Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung nicht aufgelöst worden ist (vgl. § 4
Satz 1 KSchG).
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bb) Allerdings unterliegt die Beklagte gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 PBefG u. a. hinsichtlich
der Erfüllung der Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) sowie der
hierzu erlassenen Rechtsverordnungen der Aufsicht der Genehmigungsbehörde.
Demnach hat die zuständige Genehmigungsbehörde, hier die Bezirksregierung
Düsseldorf, darüber zu wachen, dass die Beklagte nicht entgegen der §§ 3 Abs. 1 Satz
3 bzw. 3 Abs. 2 Satz 3 der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrtunternehmen im
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Personenverkehr (BOKraft) vom 21.06.1975 (BGBl. I, S. 1573), zuletzt geändert durch
Artikel 4 der Verordnung vom 22.01.2004 (BGBl. I, S. 117), einen Arbeitnehmer im
Busbetrieb einsetzt, von dem sie weiß oder wissen muss, dass er nicht befähigt und
geeignet ist, eine sichere und ordnungsgemäße Beförderung zu gewährleisten bzw.
sein Einsatz gegen die gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 BOKraft erlassene Dienstanweisung
(DFBus) verstößt. Dieser Pflicht ist die Beklagte - jedenfalls zunächst - nachgekommen,
indem sie dem Kläger aufgrund dessen aus ihrer Sicht bestehenden Unfähigkeit, eine
sichere und ordnungsgemäße Personenbeförderung mit dem von ihm gesteuerten
Omnibus durchzuführen, durch ihren Betriebsleiter die innerbetriebliche Fahrerlaubnis
entzogen hat. Diese Lizenzentziehung und das damit verbundene Beschäftigungsverbot
halten allerdings den rechtsstaatlichen Anforderungen nur stand, sofern der Kläger die
Möglichkeit hat, die inhaltliche Richtigkeit dieses Beschäftigungsverbots, das, wie die
von der Beklagten ausgesprochenen Kündigungen zeigen, ein schwerwiegender
Eingriff in seine Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG) darstellt (vgl. schon
LAG Düsseldorf 24.08.2006 - 11 Sa 535/06 -, zu A. I. 2. cc. dd. der Gründe), wie von Art.
19 Abs. 4 GG gefordert (vgl. nur BVerfG 20.04.1982 - 2 BvL 26/81 - BVerfGE 60, 253,
268 f.), überprüfen zu lassen (vgl. BAG 15.06.2004 - 9 AZR 483/03 - NZA 2005, 462,
465). Diese Möglichkeit ist dem Kläger jedenfalls durch die in § 4 Satz 1 KSchG i. V. m.
§ 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG (außerordentliche Kündigung) bzw. in § 4 Satz 1 KSchG
(ordentliche Kündigung) geregelte Kündigungsschutzklage eingeräumt. Hiervon hat er
in dem Rechtsstreit gleichen Rubrums - LAG Düsseldorf 11 Sa 535/06 - auch Gebrauch
gemacht.
cc) Allerdings wäre eine rechtsstaatliche Kontrollmöglichkeit des Entzugs der
innerbetrieblichen Fahrerlaubnis für den Kläger auch gegeben, wenn die zuständige
Genehmigungsbehörde, hier die Bezirksregierung Düsseldorf, in Ausübung ihrer
Aufsichtspflicht gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 PBefG, gestützt auf § 3 Abs. 1 Satz 3 BOKraft,
der Beklagten durch einen Verwaltungsakt untersagen würde, den Kläger jedenfalls
solange nicht als Omnibusfahrer einzusetzen, bis über seine Kündigungsschutzklage
rechtskräftig entschieden ist. An dem hierfür notwendigen Verwaltungsverfahren der
Aufsichtsbehörde müsste der Kläger im Hinblick auf die für ihn rechtsgestaltende
Wirkung der Untersagungsverfügung - mit ihr wäre für ihn ein Beschäftigungsverbot als
Omnibusfahrer bei der Beklagten verbunden - gemäß § 13 Abs. 2 Satz 2 VerFG auch
ohne Antrag (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl. 2005, § 13 Rz. 39 a. E.) beteiligt
werden. Hierdurch würde der Kläger nicht nur sämtliche Rechte und Pflichten eines
Verfahrensbeteiligten erhalten (vgl. z. B. §§ 28 Abs. 1, 29 Abs. 1 VwVfG), sondern er
hätte auch die Möglichkeit gegen eine von der Aufsichtsbehörde ausgesprochene, ihm
gegenüber gemäß §§ 41 Abs. 1, 43 Abs. 1 VwVfG ordnungsgemäß bekannt gegebene
Untersagungsverfügung Widerspruch und im Falle der Nichtabhilfe Anfechtungsklage
gemäß § 42 Abs. 1 VWGO beim örtlich zuständigen Verwaltungsgericht zu erheben.
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dd) Hat aber die Aufsichtsbehörde, hier die Bezirksregierung Düsseldorf, eine
Untersagungsverfügung erlassen, haben alle Behörden und Gerichte aufgrund der mit
jedem Verwaltungsakt verbundenen Tatbestandswirkung (vgl. näher Erichsen in:
Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 13 Rn. 4) die Tatsache, dass ein
Verwaltungsakt ergangen ist, und die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung
auch weiteren Entscheidungen - sofern der Verwaltungsakt nicht ausnahmsweise
nichtig ist - zugrunde zu legen, d. h. ohne die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes
nochmals überprüfen zu dürfen oder zu müssen, und zwar selbst dann, wenn dieser
noch nicht bestandskräftig ist (vgl. nur BAG 02.03.2006 - 2 AZR 46/05 - NZA 2006,
1211, 1213; BAG 18.05.2006 - 2 AZR 245/05 - AP Nr. 143 zu § 1 Betriebsbedingte
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Kündigung). Erst wenn eine derartige Untersagungsverfügung seitens der
Genehmigungsbehörde i. S. von § 54 Abs. 1 Satz 1 PBefG erlassen worden ist, würde
der Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers entfallen bzw. die Zwangsvollstreckung
des Weiterbeschäftigungstitels aus dem erstinstanzlichen Urteil wäre nach näherer
Maßgabe des § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG einzustellen.
b) Entgegen der Auffassung der Beklagten kann sie auch keine Unzumutbarkeit der
Weiterbeschäftigung des Klägers daraus herleiten, dass sie gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2
BOKraft i. V. m. § 61 Abs. 1 Nr. 4 PBefG ordnungswidrig handeln würde, wenn sie den
Einsatz des Klägers als Omnibusfahrer im Personenverkehr zulassen würde, obwohl sie
ihn für ungeeignet hält, eine sichere und ordnungsgemäße Personenbeförderung zu
gewährleisten. Jedenfalls solange nicht in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren
eigenständig festgestellt worden ist, dass der Kläger tatsächlich unfähig ist, einen
Omnibus im Personenverkehr zu steuern, und die Beklagte dies zumindest fahrlässig
zugelassen hat, ist die Ordnungswidrigkeitsbehörde an das vorinstanzliche Urteil des
Arbeitsgerichts Essen, was die dort ausgesprochene Verpflichtung der Beklagten zur
Weiterbeschäftigung des Klägers betrifft, jedenfalls bis zum Eintritt der Rechtskraft des
Kündigungsschutzprozesses - Arbeitsgericht Essen 4 Ca 4492/05 gebunden (vgl. nur
Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 121 Rnr. 5).
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III. Da zwischen den Parteien nach wie vor ein Arbeitsverhältnis besteht, hat der Kläger
auch Anspruch auf die ihm als Naturalvergütung gemäß § 611 Abs. 1 BGB vertraglich
zustehenden Fahrtickets für sich selbst, seine Ehefrau und seine Tochter.
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B.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG
und aus § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO i. V. m. § 525 ZPO, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG.
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Die Kammer hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen und deshalb
die Revision an das Bundesarbeitsgericht gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG zugelassen.
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R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :
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Gegen dieses Urteil kann nur von der Beklagten
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REVISION
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eingelegt werden.
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Der Kläger wird wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde auf
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§ 72 a ArbGG hingewiesen.
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Die Revision muss von der Beklagten
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innerhalb einer Notfrist von einem Monat
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nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
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Bundesarbeitsgericht,
81
Hugo-Preuß-Platz 1,
82
99084 Erfurt,
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Fax: (0361) 2636 - 2000
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eingelegt werden.
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Die Revision ist gleichzeitig oder
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innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils
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schriftlich zu begründen.
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Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem
deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
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gez.: Dr. Vossen gez.: Rodeck gez.: Kemmerlings
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