Urteil des LAG Düsseldorf vom 12.12.1997

LArbG Düsseldorf (bag, kläger, sachliche zuständigkeit, satzung, juristische person, kündigung, geschäftsführer, person, gesetzlicher vertreter, ordentliche kündigung)

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 11 Sa 1584/97
Datum:
12.12.1997
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 Sa 1584/97
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Wesel, 4 Ca 3247/96
Normen:
KSchG §§ 1 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG, ArbGG § 5 Abs. 1 S. 3,
HandwO §§ 53, 89 Abs. 1 Nr. 1
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Der Geschäftsführer einer Kreishandwerkerschaft, der diese kraft
Satzung in den laufenden Geschäften - nicht unbedingt alleine - vertritt,
kann sich nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht auf die Unwirksamkeit
einer Kündigung gem. § 1 Abs. 1 KSchG berufen. Das gilt unabhängig
davon, ob der zwischen den Parteien geschlossene Dienstvertrag ein
Arbeitsverhältnis begründet hat und ob die Kündigung erst nach
Abberufung von der Geschäftsführerposition erfolgt ist (in Anlehnung an
BAG v. 11.04.1997 - 5 AZB 32/96 - EzA § 5 ArbGG 1979 Nr. 23).
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel
vom 04.07.1997 - 4 Ca 3247/96 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten gegenüber dem
Kläger ausgesprochenen ordentlichen Kündigung.
2
Der am 26.05.1947 geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.01.1991
zunächst als Geschäftsführer und seit dem 01.01.1994 als Hauptgeschäftsführer zu
einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt DM 3.000,-- beschäftigt. Der zu Beginn des
Beschäftigungsverhältnisses zwischen den Parteien abgeschlossene
Dienstvertrag vom 01.10.1991 wurde durch den Dienstvertrag vom 18.05.1994
abgelöst. § 1 Abs. 2 dieses Dienstvertrages, auf dessen Inhalt im übrigen Bezug
genommen wird, lautet:
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"Grundlage des Dienst- und Beschäftigungsverhältnisses als
Hauptgeschäftsführer sind der Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT) vom
23.02.1961, die diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge und die
Satzung der Kreishandwerkerschaft des K.reis W.esein ihrer jeweils gültigen
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Fassung."
Die Beklagte, die regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt, ist eine
Körperschaft des öffentlichen Rechts. Ihre Aufgaben, ihre Verwaltung und die
Rechtsverhältnisse ihrer Mitglieder bestimmen sich nach ihrer gem. §§ 53 Satz 2,
55 Abs. 1, 56 Abs. 1 i.V. mit § 89 Abs. 1 Nr. 1 HandwO mit Genehmigung der
Handwerkskammer D.üsseldo vom 09.01.1995 ergangenen Satzung vom
08.12.1994. Nach § 10 ihrer Satzung sind Organe der Beklagten die
Mitgliederversammlung, der Vorstand sowie die Ausschüsse. Der Vorstand besteht
gem. § 18 Abs. 1 Satz 1 der Satzung aus dem Kreishandwerksmeister, drei
Stellvertretern und zehn weiteren Mitgliedern. Zur gerichtlichen und
außergerichtlichen Vertretung befugt sind nach § 21 Abs. 1 der Satzung
gemeinsam der Kreishandwerksmeister und der Geschäftsführer. Gem. § 22 Abs. 1
der Satzung führt der Vorstand die Geschäfte der Kreishandwerkerschaft, soweit
5
sie nicht gesetzlich oder durch Bestimmungen der Satzungen der
Mitgliederversammlung vorbehalten oder anderen Organen übertragen sind. Nach
§ 22 Abs. 2 Satz 1 der Satzung obliegt die Erledigung der laufenden Geschäfte der
Verwaltung sowie die Einstellung und Entlassung von Angestellten und Lehrlingen
dem Geschäftsführer. Insoweit vertritt er gem. § 22 Abs. 2 Satz 2 auch die
Kreishandwerkerschaft.
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Mit Schreiben vom 12.08.1996 kündigte die Beklagte das Beschäftigungsverhältnis
mit dem Kläger ordentlich zum 30.09.1996. Gegen diese Kündigung wendet sich
der Kläger mit seiner beim Arbeitsgericht Wesel am 02.09.1996 eingereichten und
der Beklagten am 16.09.1996 zugestellten Klage.
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Der Kläger hat geltend gemacht:
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Zum einen sei die Kündigung aus formellen Gründen unwirksam. Aufgrund
analoger Anwendung des § 11 Abs. 2 Nr. 8 der Satzung hätte er vor Ausspruch der
streitbefangenen Kündigung durch die Mitgliederversammlung abgewählt werden
müssen. Darüber hinaus sei die Kündigung aber auch gem.
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§ 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 KSchG in Ermangelung irgendwelcher
Kündigungsgründe unwirksam.
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Der Kläger hat beantragt
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festzustellen, daß der Arbeitsvertrag zwischen den Parteien durch die
ordentliche Kündigung vom 12.08.1996, zugestellt per Boten am 13.08.1996
und per Briefpost am 14.08.1996, nicht mit ordentlicher Frist zum 30.09.1996
beendet wird.
12
Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
14
Sie hat ferner hilfsweise beantragt,
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das Arbeitsverhältnis der Parteien nach den §§ 14 Abs. 2, 9 Abs. 1 Satz 2
16
KSchG aufzulösen.
Der Kläger hat insoweit beantragt,
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den Hilfsantrag zurückzuweisen.
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Die Beklagte hat die Ansicht vertreten:
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Für die Beendigung des Anstellungsvertrages mit einem Geschäftsführer sei nicht
die Mitgliederversammlung zuständig. Die Beendigung erfolge durch den Vorstand.
Zum anderen finde das Kündigungsschutzgesetz auf den Kläger entweder
überhaupt keine Anwendung (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG) oder sei nur eingeschränkt
anwendbar (§ 14 Abs. 2 KSchG). Im übrigen seien Kündigungsgründe i.S. des § 1
Abs. 2 Satz 1 KSchG jedenfalls nach dem für leitende
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Angestellte anzuwendenden Maßstab gegeben. So sei u.a. die Haushalts- führung,
für die der Kläger als Geschäftsführer verantwortlich gewesen sei,
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desolat gewesen.
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Das Arbeitsgericht, das durch rechtskräftigen Beschluß vom 05.02.1997, auf
dessen Gründe ausdrücklich Bezug genommen wird, seine sachliche
Zuständigkeit festgestellt hat, hat die Klage mit seinem am 11.07.1997 verkündeten
Urteil abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
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Die durch rechtskräftigen Beschluß vom 05.02.1997 festgestellte sachliche
Zuständigkeit des angerufenen Gerichts habe keine Bindungswirkung für die
materiell-rechtliche Frage, ob zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis
bestanden habe und somit § 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 KSchG zur Anwendung
komme. Im Streitfall stehe der Annahme der Arbeitnehmereigenschaft des Klägers
eine in § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG enthaltene Fiktion entgegen. Denn die vom
Bundesarbeitsgericht in seinem Beschluß vom 11.04.1997 - 5 AZB 35/96 - zu § 5
Abs. 1 Satz 3 ArbGG getroffene Feststellung, der Geschäftsfüh-
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rer der Kreishandwerkerschaft gelte nicht als Arbeitnehmer i.S. des
Arbeitsgerichtsgesetzes, wenn er die Kreishandwerkerschaft kraft Satzung in den
laufenden Geschäften vertrete, müsse auch auf § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG, dessen
Wortlaut § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG entspreche, übertragen werden. Im übrigen
könne die Frage der Unwirksamkeit der streitbefangenen Kündigung wegen
möglicherweise fehlender Abwahl durch die Mitgliederversammlung von den
Arbeitsgerichten nicht überprüft werden.
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Gegen das ihm am 05.09.1997 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Wesel hat der
Kläger mit einem beim Landesarbeitsgericht am 02.10.1997 eingegangenen
Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 29.10.1997 bei Gericht
eingereichten Schriftsatz begründet.
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Der Kläger macht im wesentlichen geltend:
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Das Arbeitsgericht habe sich einer eingehenden Prüfung der Anwendbarkeit des
Kündigungsschutzgesetzes dadurch entzogen, daß es kurzerhand die
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Anwendungsbereiche des § 5 Abs. 1 ArbGG und § 14 Abs. 1 KSchG gleichgesetzt
habe. Dies sei insofern ausgeschlossen, als § 14 KSchG auf der Vorstellung des
Gesetzgebers beruhe, daß die dort genannten Personengruppen nicht sozial
schutzbedürftig seien, weil sie i.d.R. nicht in einem persönlichen
Abhängigkeitsverhältnis zum Arbeitgeber ständen. Er selbst sei aber in der
praktischen Ausübung der ihm satzungsmäßig nach §§ 21 Abs. 2 Satz 2, 22 Abs. 2
u. Abs. 3 übertragenen Vertretungsbefugnisse durch die Beklagte in einem solchen
Maße eingeschränkt worden, daß er im tatsächlichen Sinne nicht einmal die
Befugnisse eines Handlungsbevollmächtigten gehabt habe. Aber selbst dann,
wenn man der Ansicht wäre, er wäre während seiner Tätigkeit als
Hauptgeschäftsführer gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht vom
Kündigungsschutzgesetz erfaßt worden, gelte dies nicht mehr seit seiner am
21.06.1996 erfolgten Abberufung als Hauptgeschäftsführer. Seit diesem Tag sei er
- unstreitig - freigestellt worden. Durch Schreiben ihrer früheren
Prozeßbevollmächtigten vom 05.07.1996 habe die Beklagte noch einmal im
Rahmen einer ausdrücklichen Arbeitgeberweisung bestimmt, daß er sich von allen
Dienstgeschäften nach innen und nach außen fernzuhalten habe.
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Der Kläger beantragt,
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die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ihn entsprechend seinen
Schlußanträgen erster Instanz zu
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bescheiden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen
Vorbringens das angefochtene Urteil.
35
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der
Akte ergänzend Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
37
A.
38
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom
04.07.1997 ist zulässig.
39
Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des
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Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 ArbGG) sowie in gesetzlicher
Form (§ 518 Abs. 1 u. Abs. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG) und Frist (§ 66
41
Abs. 1 Satz 1 ArbGG) eingelegt und innerhalb der Frist (§ 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO
i.V. mit §§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) begründet worden.
42
B.
43
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet.
44
I.
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Zunächst ist festzustellen, daß die Kammer nach § 65 ArbGG an der Überprüfung
gehindert ist, ob das Arbeitsgericht, wenn es die in § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG
enthaltene negative Fiktion (BAG v. 13.05.1996 - 5 AZB 27/95 - EzA § 5 ArbGG
1979 Nr. 14; BAG v. 11.04.1997 - 5 AZB 32/96 - EzA § 5 ArbGG 1979 Nr. 23) im
Rahmen seines Vorabentscheidungsverfahrens nach § 17 Abs. 3 Satz 1 GVG i.V.
mit § 48 Abs. 1 Satz 1 ArbGG berücksichtigt hätte, den zu ihm beschrittenen
Rechtsweg - das Verhältnis der Gerichte für Arbeitssachen zur ordentlichen
Gerichtsbarkeit ist seit der Änderung des ArbGG durch das Vierte Änderungsgesetz
zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vom 17.12.1990 (BGBl. I
S. 2809) keine Frage der sachlichen Zuständigkeit mehr (BAG v. 26.03.1992 - 2
AZR 443/91 - EzA § 48 ArbGG 1972 Nr. 5; BAG v. 28.10.1997 - 9 AZB 35/97 - in
der Fachpresse noch unveröffentlicht) - hätte annehmen dürfen (hierzu näher BAG
v. 18.12.1996 - 5 AZB 25/96 - EzA § 2 ArbGG 1979 Nr. 35; BAG v. 25.06.1997 - 5
AZB 41/96 - EzA
46
§ 2 ArbGG 1979 Nr. 37).
47
II.
48
Im Ergebnis zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage als unbegründet
abgewiesen. Denn ein Unwirksamkeitsgrund für die streitbefangene Kündigung der
Beklagten vom 12.06.1996 ist nicht ersichtlich mit der Folge, daß das zwischen den
Parteien bestehende Dienstverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist mit dem
30.09.1996 sein Ende gefunden hat.
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1. Allerdings hätte das Arbeitsgericht, nachdem es den zu ihm beschrittenen
Rechtsweg mit Bindungswirkung für andere Gerichtszweige (§ 17 a Abs. 1 GVG
i.V. mit § 48 Abs. 1 ArbGG) angenommen hatte, die Frage der Wirksamkeit der
Kündigung vom 12.06.1996 im Hinblick auf die vom Kläger aufgeworfene Frage
einer analogen Anwendung des § 11 Abs. 2 Nr. 8 der Satzung der Beklagten nicht
unbeantwortet lassen dürfen. Dieses Versäumnis ist jedoch zweitinstanzlich
irrelevant. Zum einen hat der Kläger insoweit das erstinstanzliche Urteil nicht
angegriffen, zum anderen hätte die vom Kläger in erster Instanz geforderte analoge
Anwendung des § 11 Abs. 2 Nr. 8 der Satzung zwar die Notwendigkeit der
"Zustimmung" zur streitbefangenen Kündigung seitens der Mitgliederversammlung
bedeutet. Derartige in Satzungen vorgesehene "Zustimmungen" anderer Organe,
hier der Mitgliederversammlung, haben aber zumeist nicht die Bedeutung von
Wirksamkeitsvoraussetzungen, sondern nur von Beschränkungen der
Geschäftsführungsbefugnisse ohne Außenwirkung (BAG v. 28.04.1994 - 2 AZR
730/93 - RzK I 2 b Nr. 20; MünchKomm - Schramm, 3. Aufl., 1993, Vor § 182 Rz.
17). Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, daß § 11 Abs. 2 Nr. 8 der Satzung
in seiner unmittelbaren Anwendung eine andere Bedeutung hätte. Für die vom
Kläger geforderte Analogie kann demzufolge nichts anderes gelten.
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2. Die Feststellung der Unwirksamkeit der streitbefangenen Kündigung nach § 1
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Abs. 1 KSchG ist deshalb ausgeschlossen, weil diese Norm vorliegend nach § 14
Abs. 1 Nr. 1 KSchG keine Anwendung findet.
a) Gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG gilt der allgemeine Kündigungsschutz nicht in
Betrieben einer juristischen Person für die Mitglieder des Organs, das zur
gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist. Hierzu zählen auch die
vertretungsberechtigten Organe von juristischen Personen des öffentlichen Rechts
(Hueck/von Hoyningen-Huene, KSchG, 12. Aufl. 1997, § 14 Rz. 10; KR-Rost, 4.
Aufl. 1996, § 14 KSchG Rz. 7). Die Bestimmung gilt allerdings nur im unmittelbaren
Verhältnis der juristischen Person zu ihrem Organvertreter, d.h. also für
Kündigungen, die die juristische Person ihren unmittel- baren Organvertretern
ausspricht (BAG v. 15.04.1982 - 2 AZR 1101/79 - EzA § 14 KSchG Nr. 2; KR-Rost,
a.a.O., § 14 KSchG Rz. 6). § 14 KSchG geht von der Vorstellung aus, daß die in
Abs. 1 aufgeführten Personengruppen ohnehin nicht unter den in § 1 Abs. 1 KSchG
genannten Begriff "Arbeitnehmer" fallen, die Rechtsverhältnisse, auf denen die
Stellung des Organvertreters beruht, also keine Arbeitsverträge sind. Die Vorschrift
hat insofern nur klarstellende Bedeutung (BAG v. 15.04.1982 - 2 AZR 1101/79 -
a.a.O.; Hueck/von Hoyningen-Huene, a.a.O., § 14 Rz. 2; KR-Rost, a.a.O., § 14
KSchG Rz. 6). Der Gesetzgeber hat jedoch, wie in § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG (hierzu
BAG v. 11.04.1997 - 5 AZB 32/96 - a.a.O.), die gesetzestechnische Ausgestaltung
einer negativen Fiktion gewählt, d.h. er hat die dort genannten Personengruppen
aus dem Anwendungsbereich des allgemeinen Kündigungsschutzes ohne
Rücksicht auf die Qualifizierung des der Organstellung zugrunde liegenden
Dienstverhältnisses als Arbeitsverhältnis herausgenommen (BAG v. 15.04.1982 - 2
AZR 1101/79 - a.a.O.; BAG v. 12.03.1987 - 2 AZR 336/86 - EzA § 5 ArbGG 1979
Nr. 4).
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b) Im Streitfall hat die Beklagte, die nach § 53 i.V. mit § 89 Abs. 1 Nr. 1 HandwO
den Status einer rechtsfähigen Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzt und
damit eine juristische Person des öffentlichen Rechts darstellt (BAG v. 11.04.1997 -
5 AZB 32/96 - a.a.O.), ihrem unmittelbaren Vertretungsorgan gekündigt. Der Kläger
war kraft Satzung und damit aufgrund eines Ge-
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setzes im materiellen Sinne (BAG v. 11.04.1997 - 5 AZB 32/96 - a.a.O.; Rudolf, in:
Erichsen/Martens, Allg. VerwR, 9. Aufl. 1992, § 7 Rz. 65) allein zur Vertretung der
Beklagten berufen. Das folgt aus § 22 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 der Satzung der
Beklagten, wonach der Geschäftsführer die Geschäfte der laufenden Verwaltung
erledigt und insoweit auch die Kreishandwerkerschaft vertritt, und zwar auch bei
der Einstellung und Entlassung von Angestellten und Auszubildenden. Hierbei
handelt es sich um eine Alleinvertretungsberechtigung des Geschäftsführers.
Hinsichtlich der Geschäfte der laufenden Verwaltung bedarf seine
Vertretungstätigkeit keiner Mitwirkung einer anderen Person. Selbst wenn man
annehmen wollte, daß die Vertretungsmacht des Geschäftsführers in Geschäften
der laufenden Verwaltung keine ausschließliche sei, sondern daß daneben auch
eine Vertretung nach Maßgabe des § 21 Abs. 1 Satz 1 der Satzung, wonach der
Kreishandwerksmeister und der Geschäftsführer gemeinsam die Beklagte
gerichtlich und außergerichtlich vertreten, erfolgen könne, stünde dies der
Annahme einer Alleinvertretung nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG durch den
Geschäftsführer in Geschäften der laufenden Geschäfte nicht entgegen. § 14 Abs. 1
Nr. 1 KSchG verlangt, ebensowenig wie § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG (hierzu BAG v.
11.04.1997 - 5 AZB 32/96 - a.a.O.), nach seinem Wortlaut nicht das Vorliegen einer
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ausschließlichen Vertretungsmacht. Für § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG genügt auch die
Übertragung von Teil-Vertretungsbefugnissen. Die Vorschrift stellt, ebensowenig
wie § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG (hierzu BAG v. 11.04.1997 - 5 AZB 32/96 - a.a.O.;
BAG v. 15.10.1997 - 5 AZB 32/96 - in der Fachpresse noch unveröffentlicht), nicht
darauf ab, in welchem Umfang jemand vertretungsberechtigt ist.
c) Entgegen der Auffassung des Klägers steht im Streitfall der Anwendung des § 14
Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht entgegen, daß er nach seiner Behauptung derart in
seinen Vertretungsbefugnissen durch die Beklagte eingeschränkt war, daß er im
tatsächlichen Sinne nicht einmal die Befugnisse eines Handlungsbevollmächtigten
hatte. Es entspricht gerade der Rechtsnatur einer negativen gesetzlichen Fiktion,
daß das Organmitglied selbst dann von den arbeitsrechtlichen
Schutzbestimmungen, hier des Kündigungsschutzgesetzes, ausgeschlossen ist,
wenn es im Einzelfall aufgrund seiner Weisungsabhängigkeit einem Arbeitnehmer
gleichzustellen ist (vgl. BAG v. 12.03.1987 - 2 AZR 336/86 - a.a.O.; BAG v.
11.04.1997 - 5 AZB 32/96 - a.a.O.; Henssler, RdA 1992, 289, 293).
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d) § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG ist auch dann anzuwenden, wenn man zugunsten des
Klägers davon ausginge, daß er mit Schreiben vom 21.06.1996 von seiner
Geschäftsführerposition abberufen worden wäre und dadurch bzw. durch das
Schreiben der früheren Prozeßbevollmächtigten der Beklagten vom 05.07.1996
seine Vertretungsbefugnisse verloren hätte. Auch dann würde sich die Wirksamkeit
der Kündigung des Anstellungsverhältnisses, welches der Organstellung bzw. der
Vertretungsbefugnis zugrunde lag, nicht nach § 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 KSchG
richten. Es bliebe bei der Fiktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG, wonach der
Vertreter einer juristischen Person nicht unter den Anwendungsbereich des
Kündigungsschutzgesetzes fällt (vgl. für § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG BAG v.
11.04.1997 - 5 AZB 32/96 - a.a.O.).
56
e) Eine Arbeitnehmerstellung des Klägers und damit die Anwendbarkeit des
Kündigungsschutzgesetzes ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Vorliegen
eines weiteren, unterscheidbaren Beschäftigungsverhältnisses.
57
aa) Nach der Rechtsprechung des BAG kann neben einem freien Dienstverhältnis
als Grundlage der Vertreterstellung ein Arbeitsverhältnis fort-bestehen (BAG v.
09.05.1985 - 2 AZR 330/84 - EzA § 5 ArbGG 1979 Nr. 3; BAG v. 07.10.1993 - 2
AZR 260/93 - EzA § 5 ArbGG 1979 Nr. 9; BAG v. 18.12.1996 - 5 AZB 25/96 - EzA §
2 ArbGG 1979 Nr. 35). Entsprechend mag neben einem Arbeitsverhältnis im
materiellen Sinne, welches für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes
wegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht als Arbeitsverhältnis gilt, ein weiteres
Arbeitsverhältnis (fort-)bestehen, mit der Folge, daß nach Beendigung der
Organstellung die Sperre des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG für die Anwendbarkeit des
Kündigungsschutzgesetzes gefallen wäre. Selbst wenn nicht bereits eine
Vermutung dafür sprechen würde, daß Parteien, die, wie im Streitfall, einen neuen
Dienstvertrag abschließen, damit im Zweifel den alten Arbeitsvertrag aufheben
wollten (hierzu BAG v. 07.10.1993 - 2 AZR 260/93 - a.a.O.), gilt dies im Zweifel
jedenfalls dann, wenn ein Arbeitnehmer einer privatrechtlichen juristischen Person
zu deren Geschäftsführer bestellt und im Hinblick darauf ein Dienstvertrag mit
höheren Bezügen abgeschlossen wird (vgl. BAG v. 12.03.1987 - 2 AZR 336/86 -
EzA § 5 ArbGG 1979 Nr. 4; BAG v. 28.09.1995 - 5 AZB 4/95 - EzA § 5 ArbGG 1979
Nr. 12; BAG v. 18.12.1996 - 5 AZB 25/96 - EzA § 2 ArbGG 1979 Nr. 35).
58
bb) Entsprechendes muß gelten, wenn ein Arbeitnehmer einer juristischen Person
des öffentlichen Rechts zu deren Geschäftsführer und damit zu deren
satzungsmäßigem Vertreter bestellt wird. Danach ist jedenfalls mangels
gegenteiliger Anhaltspunkte von einer Aufhebung des als Arbeitsvertrag zu
qualifizierenden Dienstvertrages vom 01.10.1991 durch den deutlich besser
dotierten Dienstvertrag vom 18.05.1994, der die Tätigkeit des Klägers als
59
gesetzlicher Vertreter der Beklagten zum Inhalt hatte, auszugehen.
60
C.
61
Die Kosten der Berufung waren gem. § 97 Abs. 1 ZPO i.V. mit § 64 Abs. 6 ArbGG
dem Kläger als der unterlegenen Partei aufzuerlegen.
62
Die Kammer hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung nach § 72 Abs. 2 Nr.
1 ArbGG beigemessen und deshalb die Revision an das Bundesarbeitsgericht
zugelassen.
63
Rechtsmittelbelehrung:
64
Gegen dieses Urteil kann von dem Kläger
65
REVISION
66
eingelegt werden.
67
Für die Beklagte ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Revision muß
69
innerhalb einer Notfrist von einem Monat
70
nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
71
Bundesarbeitsgericht,
72
Graf-Bernadotte-Platz 5,
73
34119 Kassel,
74
eingelegt werden.
75
Die Revision ist gleichzeitig oder
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innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung
77
schriftlich zu begründen.
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Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem
deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
79
gez.: Dr. Vossen gez.: Schöps gez.: Wegener
80
Geschäfts-Nr.:
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11 Sa 1584/97
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LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF
83
BERICHTIGUNGSBESCHLUSS
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des Assessors A.
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- Kläger und Berufungskläger -
86
Prozeßbevollmächtigte(r): Rechtsanwälte H.
87
g e g e n
88
die Kreishandwerkerschaft des K. W.
89
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
90
Prozeßbevollmächtigte(r): Rechtsanwälte Dr. W.
91
wird das Urteil des LAG Düsseldorf vom 12.12.1997 - 11 Sa 1584/97 - in den
Entscheidungsgründen auf Seite 8 in der ersten Zeile dahingehend berichtigt,
daß es statt begründet richtig heißen muß: unbegründet .
92
G r ü n d e :
93
Wie nicht zuletzt aus dem Sinnzusammenhang des ersten Satzes auf Seite 8 des o.g.
Urteils folgt, handelt es sich bei dem Wort begründet um einen offensichtlichen
Schreibfehler i.S. von § 319 Abs. 1 ZPO i.V. mit § § 523 ZPO, § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG.
Dieser war daher gemäß der zuerst genannten Vorschrift nach Anhörung der Parteien
von Amts wegen zu berichtigen.
94
Rechtsmittelbelehrung:
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Gegen diesen Beschluß ist kein Rechtsmittel gegeben (vgl. § 70 S. 1 ArbGG).
96
Düsseldorf, den 09.02.1998
97
Der Vorsitzende der 11. Kammer
98
gez.: Dr. Vossen
99
( Dr. Vossen )
100
Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht
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