Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 02.04.2017

LArbG Berlin-Brandenburg: rechtskräftiges urteil, gemeinsame einrichtung, maler, gas, unternehmen, baugewerbe, ausnahme, heizung, montage, form

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Gericht:
LArbG Berlin-
Brandenburg 15.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
15 Sa 1274/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 1 Abs 2 Abschn II VTV-Bau
Keine zwingende bauliche Prägung beim Ausbaugewerbe
Leitsatz
1. Aufgrund der ausgeführten Arbeiten unterfällt ein Betrieb nur unter zwei Voraussetzungen
dem § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV:
a) die Arbeiten müssen irgendwie - wenn auch nur auf einem kleinen und speziellen Gebiet -
der Vollendung eines Bauwerks zu dienen bestimmt sein (ständige Rechtsprechung).
b) Darüber hinaus müssen die Arbeiten auch "baulich geprägt" sein. Dies ist der Fall, wenn sie
nach Herkommen und Üblichkeit bzw. nach den verwendeten Arbeitsmitteln und
Arbeitsmethoden dem Baugewerbe zugerechnet werden können (ebenfalls ständige
Rechtsprechung).
2. Dies gilt auch für das so genannte Ausbaugewerbe. Eine bauliche Prägung kann hier nicht
ohne weiteres angenommen werden (a. A. zuletzt BAG vom 13.05.2004 - 10 AZR 120/03 - AP
265 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten zu 2) wird das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom
5. Februar 2009 - 62 Ca 63226/07 – teilweise abgeändert:
1. Soweit der Beklagte zu 2) zur Zahlung von 36.740,00 EUR verurteilt wurde, wird die
Klage abgewiesen.
2. Die Kosten für diesen Teil des Rechtsstreits bei einem Gesamtstreitwert von
86.910,00 EUR hat die Klägerin zu tragen mit Ausnahme der Kosten, die durch die
Säumnis des Beklagten zu 2) im Termin vom 1. Juni 2006 entstanden sind, die der
Beklagte zu 2 ) zu tragen hat.
II. Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten, soweit dies für die Berufungsinstanz noch von Relevanz ist,
ausschließlich über die Pflicht zu Beitragszahlungen für das Jahr 2003 in rechnerisch
unstreitiger Höhe von 36.740,-- €.
Ursprünglich stritten die Parteien auch über Auskünfte bzw. Beitragszahlungen für Januar
2002 bis Dezember 2002. Die Klägerin nahm entsprechende Anträge teilweise zurück.
Im Übrigen wies das Arbeitsgericht diese Ansprüche durch rechtskräftiges Urteil vom
05.02.2009 ab. Der Auskunftsanspruch für Dezember 2003 ist von den Parteien
übereinstimmend für erledigt erklärt worden.
Die Klägerin ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des
Baugewerbes. Sie zieht nach näherer tariflicher Regelung die Beiträge für die
Sozialkassen des Baugewerbes ein. Der Beklagte zu 2) betreibt mit dem Beklagten zu
1), über dessen Vermögen am 12. September 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet
wurde, ein Unternehmen. Dieses Unternehmen ist bei der Handwerkskammer unter
dem Begriff Heizung/Sanitär eingetragen. Der Beklagte zu 1) verfügt über einen
Meisterbrief des Gewerkes Gas- und Wasserinstallation.
Mit Schreiben vom 23. Juli 2004 (Kopie Bl. 15 d. A.) teilte die Klägerin den Beklagten mit,
dass das Beitragskonto geschlossen werde. Mit der am 21. Dezember 2005 zugestellten
Klage hat die Klägerin sich dann auf einen gegenteiligen Standpunkt gestellt und für die
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Klage hat die Klägerin sich dann auf einen gegenteiligen Standpunkt gestellt und für die
Zeit ab Januar 2002 bis August 2002 erstmals Beiträge in Höhe von 32.160,-- €
gefordert. Unter dem 23. November 2006 erkannte der Beklagte zu 2) außerprozessual
eine Beitragspflicht an (Kopie Bl. 78 der verbundenen Akte).
Die Klägerin hat bezogen auf das Jahr 2003 behauptet, die im beklagten Betrieb
beschäftigten Arbeitnehmer hätten überwiegend, d. h. zu mehr als 50 % der
persönlichen Arbeitszeit der gewerblichen Arbeitnehmer, die zusammengerechnet auf
mehr als 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausmachten, bauliche Leistungen im
Sinne von Trockenbauarbeiten, Malerarbeiten und Sanitärinstallationen erbracht. Auf die
Trockenbauarbeiten entfiele ein arbeitszeitlicher Anteil von 32 %, auf die Maler- und
Sanitärinstallationen ein Anteil von 18 % bzw. 17 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit.
Die Klägerin hat bezogen auf den hier noch offenen Rechtsstreit beantragt,
den Beklagten zu 2) zu verurteilen, an sie 36.740,-- € zu zahlen.
Der Beklagte zu 2) hat insofern beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat behauptet, im Jahr 2003 seien 1.862,56 Stunden der Arbeitsstunden auf den
Trockenbau, 8.563,09 Stunden auf den Bereich Heizung/Sanitär und 2.2.68,87 Stunden
auf den Bereich Ladenbau (insgesamt 12.694,52 Stunden) entfallen. Wegen des
außerprozessualen Schreibens vom 23. Juli 2004 hätte er nicht damit rechnen brauchen,
nochmals zu Beitragszahlungen herangezogen zu werden. Hierauf habe er seine
Preisgestaltung eingerichtet und dementsprechend keine Rücklagen gebildet. Die
Forderung der Klägerin sei daher rechtsmissbräuchlich.
Durch Teilurteil vom 5. Februar 2009 hat das Arbeitsgericht Berlin den Beklagten zu 2)
verurteilt, die Beitragsforderungen für den Zeitraum Januar bis November 2003 in Höhe
von 36.740,-- € zu zahlen. Es hat dies damit begründet, dass sowohl die
Zentralheizungsbauer- als auch Wasserinstallationsarbeiten bauliche Leistungen seien,
so dass der Beklagte zu 2) grundsätzlich unter den Verfahrenstarifvertrag falle. Seinem
Vorbringen könne auch nicht entnommen werden, dass der Betrieb gem. § 1 Abs. 2
Abschn. VII Ziff. 12 VTV vom Geltungsbereich des VTV ausgenommen wäre. Dies wäre
nur dann der Fall, wenn der Betrieb alternativ dem Gas- und Wasserinstallationsgewerbe
oder arbeitszeitlich überwiegend dem Zentralheizungsbauer- und Lüftungsbauergewerbe
zuzurechnen gewesen wäre. Weil der Beklagte zu 2) nur behauptet, so 80 % der
Gesamttätigkeit Arbeiten im Bereich der Heizung/Sanitär auszuführen, könne nicht
ausgeschlossen werden, dass sowohl im Bereich Gas- und Wasserinstallation als auch im
Bereich Zentralheizungsbau und Lüftungsbau jeweils nicht mehr als 50 % der
betrieblichen Gesamttätigkeit angefallen seien. Dann läge jedoch kein Ausnahmebetrieb
vor.
Dieses Urteil ist dem Beklagten zu 2) am 26. März 2009 zugestellt worden. Die Berufung
ging am 19. März 2009 beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg ein. Nach
Verlängerung bis zum 26. Juni 2009 erfolgte die Berufungsbegründung am 25. Juni 2009.
Der Beklagte zu 2) behauptet, im Jahre 2003 keinerlei Heizungsbauertätigkeiten
ausgeführt zu haben. Im Umfang von 8.563,09 Stunden seien ausschließlich
Wasserinstallationsarbeiten durchgeführt worden. Insofern seien nur Wasserleitungen
gebaut worden. Diese Arbeiten seien durch den Meister und ursprünglichen Beklagten zu
1) überwacht worden.
Der Beklagte zu 2) beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin, Az. 62 Ca 63226/07, verkündet am 05.02.2009,
soweit der Beklagte zu 2 verurteilt wurde, aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Klägerin benennt nunmehr erstmals 10 Zeugen (Bl. 407 d. A.) für ihre
erstinstanzliche Behauptung, das überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten ausführt
wurden. Vorsorglich mache sie sich hilfsweise das Vorbringen des Beklagten zu 2) zu
Eigen und benenne gegenbeweislich die gewerblichen Arbeitnehmer des Beklagten als
Zeugen. Bei den Malerarbeiten hätten die Arbeitnehmer zu mehr als 50 % ihrer
persönlichen Arbeitszeit im Kalenderjahr 2003 Wände in verschiedenen Bauwerken zum
Anstrich vorbereitet und dann mit Lammfellwalzen und Ähnlichem mit Wandfarbe
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Anstrich vorbereitet und dann mit Lammfellwalzen und Ähnlichem mit Wandfarbe
versehen. Im Bereich Sanitär gelte gleiches mit der Maßgabe, dass dort Sanitärobjekte
einschließlich der zugehörigen Anschlüsse montiert und verlegt worden seien, wozu auch
Wasserleitungen zählten.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten zu 2) hat in vollem Umfang Erfolg. Er ist zu
Beitragszahlungen nicht verpflichtet. Insofern war das erstinstanzliche Urteil teilweise
abzuändern und die Klage abzuweisen.
I.
Die Berufung ist zulässig. Der Beklagte zu 2) hat die Berufung form- und fristgerecht
eingelegt und begründet.
II.
Die Klage ist für das Jahr 2003 nicht begründet. Die Klägerin kann von dem Beklagten zu
2) keine Zahlung in Höhe von 36.740,-- € verlangen, da der Betrieb des Beklagten zu 2)
vom betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren
im Baugewerbe (VTV) vom 20. Dezember 1999 nicht erfasst wird.
1. Die relevanten Regelungen des VTV - soweit sie hier von Interesse sind - lauten:
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts fallen Betriebe, in
denen überwiegend in den Beispielen des Abschnitts V genannte Tätigkeiten ausgeführt
werden, unter den Geltungsbereich des VTV, ohne dass die Erfordernisse der
allgemeinen Merkmale des Abschnitts I - III zu überprüfen sind (BAG vom 05.09.1990 - 4
AZR 82/90 - NZA 1991, 241).
Selbst wenn die Behauptung der Klägerin als zutreffend unterstellt wird, dann betreibt
der Beklagte zu 2) nur einen Betrieb, der zu 32 % Trockenbauarbeiten durchführt. Dies
reicht nicht aus, um ihn unter den VTV fallen zu lassen.
3. Auch wenn man mit der Klägerin weiterhin unterstellt, im Betrieb der Beklagten
würden zu 17 % bzw. 18 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit Malerarbeiten und
Sanitärinstallationsarbeiten durchgeführt werden, so kann hiermit nicht begründet
werden, dass der Betrieb des Beklagten dem VTV unterfällt. Im Gegensatz zur
Auffassung der Klägerin sind diese Arbeiten nicht dem Abschnitt II des § 1 Abs. 2 VTV
zuzuordnen.
3.1 Gemäß ständiger Rechtsprechung des BAG werden von § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV
Betriebe erfasst, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeit geprägten
Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche
Leistungen erbringen, die - mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen - u. a.
der Instandsetzung und Instandhaltung von Bauwerken dienen. Dazu gehören alle
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der Instandsetzung und Instandhaltung von Bauwerken dienen. Dazu gehören alle
Arbeiten, die irgendwie - wenn auch nur auf einem kleinen und speziellen Gebiet - der
Vollendung eines Bauwerks zu dienen bestimmt sind, d. h. der Herstellung oder
Wiederherstellung der bestimmungsgemäßen Nutzbarkeit. Für die den Betrieb prägende
Zweckbestimmung ist der Zweck der Gesamtleistung entscheidend. Daher muss darauf
abgestellt werden, welchem Zweck die vom jeweiligen Unternehmer erledigten Arbeiten
dienen (BAG vom 14.01.2004 - 10 AZR 182/03 - AP Nr. 263 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau
Rn. 54).
Maler- und Sanitärinstallationsarbeiten dienen der Herstellung oder Wiederherstellung
der bestimmungsgemäßen Nutzbarkeit eines Bauwerkes. Hierfür reicht nicht nur der
Rohbau aus, sondern es müsse auch Sanitärinstallationen vorhanden sein und die
Anstricharbeiten bzgl. der Wände etc. muss vollendet sein.
3.2 Als weitere Voraussetzung verlangt das BAG aber auch, dass sie „baulich geprägt“
sein müssen. Das ist eine weitere Voraussetzung dafür, dass die Arbeiten § 1 Abs. 2
Abschnitt II VTV unterfallen können. Arbeiten sind nur dann baulich geprägt, wenn sie
nach Herkommen und Üblichkeit bzw. nach den verwendeten Arbeitsmitteln und den
Arbeitsmethoden dem Baugewerbe zugerechnet werden (BAG a. a. O. Rn. 55; BAG vom
15.11.2006 - 10 AZR 698/05 - juris Rn. 25). Insofern hat das BAG früher festgestellt, dass
eine bauliche Prägung fehlt, wenn die Werkstoffe, Arbeitsmittel und Arbeitsmethoden z.
B. des Maler-, Schlosser- und Elektrikerhandwerks angewendet werden (BAG vom
25.02.1987 - 4 AZR 230/86 - BAGE 55, 67 ff.).
Hier kann eine bauliche Prägung nicht festgestellt werden. Die von der Klägerin
geschilderten Tätigkeiten des Anstreichens von Wänden sind typische Malertätigkeiten
und nicht solche des Baugewerbes. Ähnliches gilt für die Installation von Sanitärobjekten
einschließlich der Montage der dazugehörigen Anschlüsse. Dies sind die typischen
Arbeiten des Wasserinstallationsgewerbes, die nicht auch automatisch dem Baugewerbe
zugerechnet werden können.
3.3 Soweit das Bundesarbeitsgericht für die Gewerbe des Ausbaugewerbes eine
Ausnahme hinsichtlich der baulichen Prägung vornimmt, folgt die erkennende Kammer
dem ausdrücklich nicht.
Nach Ansicht des BAG haben die Tarifvertragsparteien mit ihrer weitgehenden
Formulierung in § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV nicht nur das so genannte Bauhauptgewerbe
erfassen wollen, sondern auch das so genannte Ausbaugewerbe und das
Bauhilfsgewerbe. Dies werde daran deutlich, dass sie in § 1 Abs. 2 Abschnitt VII VTV eine
Reihe von Betrieben des Ausbaugewerbes ausdrücklich vom Geltungsbereich wieder
ausnehmen. Dies wäre überflüssig, wenn sie schon ohne diese Ausnahmeregelung nicht
unter den Geltungsbereich des VTV fallen würden (BAG vom 05.09.1990 - 4 AZR 82/90 -
NZA 1991, 241 zu II. 3. a) d. Gr.). Insofern prüfte das BAG die bauliche Prägung nicht
mehr als eigenständiges Tatbestandsmerkmal.
Später stellt das BAG apodiktisch fest, dass Tätigkeiten des Ausbaugewerbes z. B.
Maler- und Tischlerarbeiten auch baulich geprägt seien (BAG vom 03.12.2003 - 10 AZR
107/03 - juris Rn. 59). Hierbei beruft sich das BAG auf eine Entscheidung vom 11. Juni
1997 (10 AZR 525/96 - NZA 1997, 1353). In dieser Entscheidung hatte das BAG bezogen
auf Brandschutzarbeiten nicht mehr thematisiert, ob das weitere Merkmal der baulichen
Prägung von diesen Arbeiten erfüllt worden ist.
Später hat das BAG die Wartung, Überprüfung, Instandsetzung und Reparatur von Gas-
und Wasserinnenanlagen dem § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV zugeordnet. Es hat dies erneut
mit Ausnahmevorschrift nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 12 VTV begründet. Hierbei
wurde die Ansicht vertreten, dass die dort genannten Tätigkeiten im Grundsatz vom
betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst sein müssten, weil anderenfalls diese
Ausnahme überflüssig wäre. Hinsichtlich der baulichen Prägung hat es ausgeführt, dass
die verwendeten Arbeitsmittel und -methoden (auch) zu denjenigen des Baugewerbes
gehörten (BAG vom 13.05.2004 - 10 AZR 120/03 - zitiert nach juris Rn. 21).
Nach hiesiger Ansicht ist die Auffassung des BAG zum so genannten Ausbaugewerbe in
zweifacher Hinsicht nicht zutreffend. Insbesondere berücksichtigt das BAG nicht seine
Rechtsprechung zu den so genannten „Sowohl-als-auch-Tätigkeiten“ (BAG vom
20.04.2005 - 10 AZR 282/04 - zitiert nach juris).
Soweit das BAG annimmt, die Ausnahmevorschrift nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII VTV
wäre überflüssig, wenn die Betriebe des Ausbaugewerbes nicht unter § 1 Abs. 2
Abschnitt II fielen, ist dies nicht überzeugend. Ein Elektrobetrieb kann z. B. zu mehr als
50 % seiner Arbeitszeit in Gebäuden und baulichen Anlagen vorgefertigte Kabeltrassen,
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50 % seiner Arbeitszeit in Gebäuden und baulichen Anlagen vorgefertigte Kabeltrassen,
Kabelkanäle und Kabelleiter als Trägersysteme für die Verlegung von Elektro- und
Datenkabeln montieren, wobei mit dem BAG unterstellt werden soll, dass derartige
Arbeiten baulich geprägt sind (BAG vom 20.04.2005 a. a. O.). Diese Arbeiten hat das
BAG als so genannte „Sowohl-als-auch-Tätigkeiten“ eingeordnet, die sowohl bauliche
Leistungen im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV darstellen, die aber auch von
Elektroinstallationsbetrieben vorgenommen werden (BAG a. a. O. Rn. 23). Gerade an
diesem Beispiel zeigt sich aber auch, dass die Ausnahmevorschrift in § 1 Abs. 2
Abschnitt VII Ziff. 12 VTV hinsichtlich des Elektroinstallationsgewerbes nicht überflüssig,
sondern in hohem Maße relevant ist. Ein solcher Betrieb ist nämlich dann nach der
Rechtsprechung des BAG u. a. vom VTV nicht erfasst, wenn die Arbeitnehmer des
Unternehmers zu mindestens 20 % ihrer Arbeitszeit für das Elektroinstallationsgewerbe
typische Installationsarbeiten verrichtet hätten (BAG a. a. O. Rn. 24). Als typisch für das
Elektroinstallationsgewerbe sieht das BAG die Verlegung elektrischer Leitungen, das
Bauen von Transformatorenstationen und die Errichtung von Freileitungen und
Antennenanlagen an (BAG a. a. O. Rn. 21). Hätte dieses Unternehmen also nicht nur zu
mehr als 50 % Kabeltrassen etc. montiert, sondern in Gebäuden elektrische Leitungen
im Umfang von mindestens 20 % der Arbeitszeit verlegt, dann wäre dieses
Unternehmen entsprechend der Ausnahmeregelung nicht dem VTV unterfallen. Ließe
man die Betriebe des Ausbaugewerbes, die z. B. nichts anderes als typische
Elektroinstallationsarbeiten durchführen, von vornherein nicht unter § 1 Abs. 2 Abschnitt
II VTV fallen, dann wäre die Ausnahmevorschrift nicht überflüssig, sondern für diejenigen
Unternehmen des Elektroinstallationsgewerbes weiterhin von Relevanz, die zu mehr als
50 % ihrer Arbeitszeit „Sowohl-als-auch-Tätigkeiten“ ausführen.
Folgt man hingegen der Rechtsprechung des BAG, wonach die bauliche Prägung der
Arbeiten des Ausbaugewerbes automatisch immer vorhanden sei, weil diese „auch“ zu
denjenigen des Baugewerbes gehörten (BAG vom 13.05.2004 a. a. O.), dann wäre
allerdings umgekehrt die Ausnahmevorschrift in § 1 Abs. 2 Abschnitt VIII VTV überflüssig.
Mit dieser Ansicht verwandelt das BAG selbst typische Arbeiten des
Elektroinstallationsgewerbes zu so genannten „Sowohl-als-auch-Tätigkeiten“, da solche
Arbeiten auch zu denjenigen des Baugewerbes, in Form des Ausbaugewerbes gehörten.
Eine typische Tätigkeit z. B. des Elektroinstallationsgewerbes könnte dann nicht mehr
festgestellt werden.
Aus diesen beiden Gründen ist die erkennende Kammer der Ansicht, dass die Klägerin
auch und gerade bei Tätigkeiten des Ausbaugewerbes im Einzelnen vortragen muss,
woraus sich eine bauliche Prägung ergeben soll. Hieran fehlt es vorliegend.
4. Soweit der Beklagte zu 2) der Ansicht ist, wegen des vorprozessualen Schreibens vom
23. Juli 2004 sei jedenfalls eine Beitragsforderung verwirkt, kann offen bleiben, ob dies
zutrifft. Dagegen dürfte sprechen, dass hier Beiträge für das Jahr 2003 erhoben werden,
insofern die Kalkulation des Beklagten schon vor dem Schreiben der Klägerin
abgeschlossen war. Rückstellungen hätten jedoch auch nach Zustellung der Klageschrift
im Dezember 2005 noch gebildet werden können.
III.
Vorliegend hatte eine Teilkostenentscheidung zu ergehen.
Grundsätzlich ist allerdings über die Kosten des Rechtsstreits einheitlich zu entscheiden.
Scheidet jedoch ein Streitgenosse aus dem Rechtsstreit aus (hier der Beklagte zu 1)
wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen) dann ist anerkannt,
dass insofern eine Teilkostenentscheidung ergehen kann (BGH vom 25.11.1959 - V ZR
82/58 - NJW 1960, 484; BGH vom 25.01.2001 - V ZR 22/00 - NJW-RR 2001, 642; LAG
Sachsen vom 27.04.2009 - 4 Ta 53/09 - juris).
Der Klägerin waren daher insgesamt die Kosten aufzuerlegen. Dies ergibt sich daraus,
dass sie hinsichtlich des Jahres 2002 ihre Anträge entweder zurückgenommen hat oder
diese Ansprüche für rechtskräftig abgewiesen wurden. Durch das hiesige Urteil wurden
auch die Ansprüche für das Jahr 2003 abgewiesen. Soweit der Auskunftsanspruch für
Dezember 2003 übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, ist ebenfalls davon
auszugehen, dass eine entsprechende Klage keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.
Hiervon ausgenommen waren nur die Kosten, die durch die Säumnis des Beklagten zu
2) im Termin vom 1. Juni 2006 entstanden sind, denn diese hat der Beklagte zu 2) gem.
§ 344 ZPO zu tragen. Erstinstanzlich ist von einem Streitwert in Höhe von 86.910,00 EUR
auszugehen. Zweitinstanzlich beträgt der Streitwert noch 36.740,00 EUR.
IV.
43 Die Revision war für die Klägerin gem. § 72 Abs. 2 Ziff. 2 ArbGG zuzulassen, da
vorliegend von der so genannten Ausbaurechtsprechung des BAG abgewichen wird.
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