Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 29.03.2017

LArbG Berlin-Brandenburg: tarifvertrag, vergütung, arbeitsgericht, unterliegen, unternehmen, muttergesellschaft, prämie, insolvenz, arbeitsbedingungen, rechtshängigkeit

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Gericht:
LArbG Berlin-
Brandenburg 23.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
23 Sa 491/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 611 Abs 1 BGB, Art 3 Abs 1
GG, § 1 TVG
Tarifauslegung - Absenkung der Vergütung durch einen
Haustarifvertrag
Leitsatz
Durch einen Haustarifvertrag kann bei Vorliegen eines sachlichen Grundes die
Arbeitsvergütung für Beschäftigte eines Betriebsbereiches herabgesenkt werden.
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten wegen der Absenkung von Arbeitsvergütung durch Tarifvertrag.
Die Beklagte gehört wie die Wohnungsbaugesellschaft F. mbH (künftig WBF) zur Gruppe
der dem Land Berlin gehörenden Wohnungsbaugesellschaft-M. (künftig WBM). Die
Klägerin ist am 1.1.1995 von der WBF als Wohnungsverwalterin eingestellt worden. In § 3
des Arbeitsvertrages vom 31.12.1994 ist vereinbart, dass für das Arbeitsverhältnis der
Manteltarifvertrag für die Beschäftigten in der Wohnungswirtschaft und der
Vergütungstarifvertrag für Arbeitnehmer der Wohnungswirtschaft in den neuen
Bundesländern sowie ein etwa an seine Stelle tretender Tarifvertrag, alle in der jeweils für
die Arbeitgeberin geltenden Fassung gelten.
Ab Ende Februar 2000 wurde die Klägerin als Verwalterin mit erweiterten Aufgaben in der
Abteilung WEG/Fremdverwaltung eingesetzt. Diese Abteilung ist gesondert in einem
Service-Center untergebracht, das seinen Sitz zunächst am E.-R.-Platz hatte und sich
nunmehr in der G.straße zu 1... Berlin befindet. Auf Grund einer dem Änderungsangebot
vom 22.10.2003 (Blatt 15 bis 16 der Akte) entsprechenden Vereinbarung wurde die
Klägerin von der Gehaltsgruppe IVa in die Gehaltsgruppe IV des
Vergütungstarifvertrages für die Beschäftigten der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft
zurückgruppiert. Mit der Übernahme des Betriebsteils Dienstleistungsaufgaben, zu der
die Fremdver-waltung gehörte, ging ihr Arbeitsverhältnis zum 1.1.2004 auf die Beklagte
über, bei der dieselben Tarifverträge wie bei der WBF zur Anwendung kommen.
Seit dem 1.1.2004 verwaltet die Beklagte alle Immobilienbestände der WBM-Gruppe. Bei
der Bestandsverwaltung wird nach den Gruppen konzerneigener Bestand (1),
Fondsbestand (2) sowie Wohnungseigentumsanlagen einschließlich Sondereigentum und
konzernfremder Bestand (3) unterschieden. In der letzten Gruppe wird die Beklagte im
Rahmen von Geschäftsbesorgungsverträgen bzw. auf Grund einer Bestellung zum WEG-
Verwalter tätig. Sie handelt im Namen und in Vollmacht des jeweiligen Eigentümers. Die
Bestände dieser Gruppe gehören organisatorisch ausschließlich dem Bereich des
Service-Centers „WEG-/Fremdverwaltung“ an, in dem die Klägerin tätig ist. Der Bereich
steht im Wettbewerb mit anderen Wohnungsunternehmen, die nicht wie die Beklagte
den Tarifverträgen der Wohnungswirtschaft unterliegen und ihre Leistungen günstiger
anbieten können. Er erwirtschaftete im Jahr 2004 eine Unterdeckung in Höhe von
377.000,00 Euro und im Jahr 2005 in Höhe von 315.000,00 Euro.
Die WBM-Gruppe befindet sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation am Rande
der Insolvenz. Zwar hat das Land Berlin als Gesellschafter jeweils die zur Fortführung des
Betriebes erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt. Von den Unternehmen wurden
jedoch eigene Anstrengungen und Kosteneinsparungen erwartet. Es wurden daher mit
der ver.di Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft mehrere Firmentarifverträge
vereinbart, die für einen befristeten Zeitraum von den Vorschriften des Mantel- und des
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vereinbart, die für einen befristeten Zeitraum von den Vorschriften des Mantel- und des
Vergütungstarifvertrages für die Beschäftigten in der Wohnungs- und
Immobilienwirtschaft abweichen. In dem am 1.1.2006 in Kraft getretenen Tarifvertrag für
die Beschäftigten des Bereichs WEG-/Fremdverwaltung der Beklagten vom 25.11.2005
ist geregelt, dass neben der Streichung des Urlaubsgeldes, der Halbierung des 13.
Monatsgehalts, der Anhebung der wöchentlichen Arbeitszeit von 37 auf 39,5 Stunden,
der Beschränkung der Zahlung von Überstundenzuschlägen auf angeordnete
Überstunden sowie dem Ausschluss von Tarifanhebungen die vereinbarte monatliche
Vergütung auf 95 % des Vergütungstarifvertrages abgesenkt wird und die
Kündigungsfristen gekürzt werden. Weiterhin ist festgelegt, dass bei Erzielen eines
positiven Jahresergebnisses im Bereich WEG-Fremdverwaltung bis zu 50 % für die
Zahlung einer Prämie an die Mitarbeiter dieses Bereichs verwendet wird, die bis zu 100
% einer Monatsvergütung beträgt. Der Tarifvertrag ist vorläufig bis zum 31.12.2008
befristet und im Falle einer erheblich abweichenden wirtschaftlichen Entwicklung oder
erheblicher Veränderungen auf Grund eines Verkaufs der Gesellschaft vorzeitig kündbar.
Ähnliche Tarifverträge wurden für die Hauswarte und die übrigen Arbeitnehmer der
Beklagten abgeschlossen, allerdings ohne die Absenkung der Arbeitsvergütung und
Abkürzung der Kündigungsfrist.
Die Absenkung der Vergütung führt bei der Klägerin zu einer Verdienstminderung von
145,00 Euro pro Monat, der sie mit Schreiben vom 23.1.2006 widersprochen hat und
gegen die sie sich mit der am 10.5.2006 bei Gericht eingegangenen Klage zur Wehr
setzt. Zuletzt machte die zwischenzeitlich zum 31.12.2006 ausgeschiedene Klägerin nur
noch die Zahlung der Vergütungsdifferenz für die Monate Januar 2006 bis Oktober 2006
in Höhe von 1.450,00 Euro zuzüglich Zinsen geltend. Im Verlauf des Rechtsstreits wurde
die WEG-/Fremdverwaltung, in der zuletzt 25 Arbeitnehmer beschäftigt waren, zum
alleinigen Betriebszweck der Beklagten. Alle anderen betrieblichen Aktivitäten wurden
ausgegliedert und auf die Muttergesellschaft verschmolzen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 22.11.2006 mit der Be-gründung
kostenpflichtig zurückgewiesen, dass der auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin
anzuwendende Tarifvertrag für die Beschäftigten des Bereichs WEG-/Fremdverwaltung
wirksam sei. Er verstoße nicht gegen Art 3 Abs. 1 GG. Bei der Vereinbarung des
persönlichen Geltungsbereichs eines Tarifvertrages bestehe keine unmittelbare Bindung
an Art. 3 Abs. 1 GG. Die Tarifvertragsparteien seien vielmehr bis zur Grenze der Willkür
frei, den persönlichen Geltungsbereich festzulegen. Diese Grenze sei nicht überschritten
worden, da die Absenkung der Vergütung dem koalitionspolitisch beachtenswerten
Aspekt der Erhaltung von Arbeitsplätzen diene.
Gegen das ihr am 7.2.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 6.3.2007 Be-rufung
eingelegt und sie am 10.4.2006 (Dienstag nach Ostern) begründet.
Die Klägerin hält die Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen für unwirksam. Es treffe
nicht zu, dass sie dem Bereich WEG-/Fremdverwaltung angehöre. Sie sei rein zufällig in
diesem Bereich beschäftigt worden. Ihre Tätigkeit unter-scheide sich in keiner Weise von
der einer Verwalterin mit erweiterten Aufgaben im Bereich der firmeneigenen
Verwaltung. Die gegenüber diesen Verwalterinnen bestehende Ungleichbehandlung
verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es gäbe keinen sachlichen Grund für die
Differenzierung bei inhaltlich gleicher Tätigkeit. Sie lasse sich nicht durch die in dem
Bereich Fremdverwaltung erwirtschafteten Verluste rechtfertigten. Die Verluste seien
nicht auf die Mitarbeiter, sondern auf die Auftraggeber bzw. die Firmenleitung
zurückzuführen. Selbst im Fall der völligen Schließung des Bereichs WEG-
/Fremdverwaltung wäre es der Beklagten nicht möglich, nur Mitarbeiter dieser Abteilung
zu kündigen. Im Rahmen der Sozialauswahl müssten auch die in der Eigenverwaltung
tätigen Mitarbeiter in Betracht gezogen werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 22.11.2006 - 40 Ca 911/06 -
abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.450,00 Euro brutto nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 580,00 Euro seit
Rechtshängigkeit zuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, dass die Klägerin dem Bereich WEG-/Fremdverwaltung angehöre.
Die Absenkung der Arbeitsvergütung für die Beschäftigten beruhe auf der defizitären
Arbeit dieses Geschäftsfeldes, in dem keine kostendeckende Vergütung zu erzielen
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Arbeit dieses Geschäftsfeldes, in dem keine kostendeckende Vergütung zu erzielen
gewesen sei. Es habe nur die Alternative bestanden, den Bereich stillzulegen oder die
Wirtschaftlichkeit deutlich zu steigern. Der Tarifvertrag vom 25.11.2005 diene dem
Zweck, Arbeitsplätze zu erhalten, zu deren Abbau sie andernfalls gezwungen gewesen
wäre. Die Absenkung sei maßvoll und zumutbar und werde durch eine Prämienregelung
ergänzt. Die Tarifvertrags-parteien hätten den persönlichen Geltungsbereich des
Tarifvertrages nicht willkürlich, sondern an Sachkriterien orientiert festgelegt. Es sei
durchaus zweifelhaft aber unerheblich, ob im Fall einer Schließung der WEG-
/Fremdverwaltung die Klägerin nach den Grundsätzen der Sozialauswahl ihren
Arbeitsplatz behalten hätte.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht
abgewiesen, weil die der Klägerin nach dem Vergütungstarifvertrag der
Wohnungswirtschaft in den neuen Bundesländern zustehende Arbeitsvergütung durch
den im Streit stehenden Tarifvertrag für die Beschäftigten des Bereichs WEG-
/Fremdverwaltung der Beklagten vom 25.11.2005 (künftig Haustarifvertrag) wirksam
gekürzt worden ist.
1. Der Haustarifvertrag findet auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin auf Grund
einzelvertraglicher Vereinbarung Anwendung. In § 3 des Arbeitsvertrages haben die
Parteien auf den Manteltarifvertrag und den Vergütungstarifvertrag der
Wohnungswirtschaft sowie einen an seine Stelle tretenden Tarifvertrag in der jeweils
geltenden Fassung verwiesen. Die Verweisung auf die für das Arbeitsverhältnis
einschlägigen Tarifverträge in der jeweiligen Fassung wird als Gleichstellungsabrede
angesehen, wenn andere für die Auslegung der Bezugnahme bedeutende Umstände
dem nicht entgegenstehen. Die Tarifverträge sollen auf das Arbeitsverhältnis mit dem
Inhalt angewandt werden, wie er für die tarifgebundenen Arbeitnehmer gilt (vgl. BAG
Urteil vom 14.12.2005 - 4 AZR 536/04 - in AP Nr. 39 zu § 1 TVG Bezugnahme auf
Tarifvertrag). Die Verweisung kann auch die Anwendung von Haustarifverträgen
beinhalten (vgl. BAG Urteil vom 25.6.2003 - 4 AZR 495/02 - in AP Nr. 1 zu § 1 TVG
Beschäftigungssicherung).
Im vorliegenden Fall haben die Parteien die Verweisung auf den Manteltarifvertrag und
den Vergütungstarifvertrag weit gefasst. Es sollten nicht nur diese Tarifverträge in der für
die Beklagte geltenden Fassung Anwendung finden, sondern auch die an ihre Stelle
tretenden Tarifverträge. Der Haustarifvertrag tritt zwar nicht vollständig sondern nur in
einzelnen Bereichen und zudem nur be-fristet an die Stelle der beiden Tarifverträge. Die
Gleichstellungsabrede verlangt aber keine vollständige Ablösung. Sie hat eine
weitestgehende Gleichstellung der Klägerin mit den auf Grund ihrer
Organisationszugehörigkeit tarifge-bundenen Arbeitnehmern zum Ziel. Auf sie sollte kein
unterschiedliches Tarifrecht Anwendung finden. Damit wäre es nicht vereinbar, den
Haustarifvertrag von der Gleichstellungsabrede auszunehmen.
2. Die Klägerin fällt unter den persönlichen Geltungsbereich des Haustarifvertrages.
Gemäß § 1 gilt er für alle Beschäftigten, die im Bereich WEG-/Fremdverwaltung der
Beklagten beschäftigt sind bzw. beschäftigt werden. Die Klägerin ist seit Ende Februar
2000 in diesem Bereich beschäftigt. Das ist unstreitig. Zwar hat sie mit der Berufung
geltend gemacht, dass das Arbeitsgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, sie
gehöre unstreitig dem Bereich WEG-/Fremdverwaltung an. Damit bestreitet sie aber
nicht ihre Beschäftigung in diesem Bereich, die sie selbst nicht nur in der Klageschrift
sondern auch mit der Berufungsbegründung vorträgt. Sie wehrt sich lediglich gegen ihre
Zuordnung zum Bereich WEG-/Fremdverwaltung, weil sie dort rein zufällig tätig sei,
ebenso gut in der Eigenverwaltung tätig sein könnte und kein Unterschied zwischen der
Tätigkeit in der Fremdverwaltung und der in der Eigenverwaltung besteht.
Darauf stellt der persönliche Geltungsbereich des Haustarifvertrages nicht ab. Er gilt
vielmehr für jeden Beschäftigten, so lange er in dem Bereich der WEG-/Fremdverwaltung
beschäftigt ist. Eine weitergehende Bindung an den Bereich oder eine Differenzierung in
der Tätigkeit sieht die Regelung des persönlichen Geltungsbereichs nicht vor.
3. Die Absenkung der monatlichen Arbeitsvergütung in § 3 des Haustarifver-trages ist
wirksam. Die Vertragschließenden konnten gemäß § 2 Abs. 1, § 1 Abs. 1 TVG, Art. 9 Abs.
3 GG die Arbeitsvergütung tarifvertraglich regeln. Die durch den allgemeinen
Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gezogene Regelungsgrenze ist eingehalten worden.
Sie ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht deswegen verletzt, weil nur die in der
WEG-/Fremdverwaltung nicht aber die übrigen Arbeitnehmer der Beklagten von der
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WEG-/Fremdverwaltung nicht aber die übrigen Arbeitnehmer der Beklagten von der
Vergütungsabsenkung betroffen sind. Dabei kann dahinstehen, ob die Frage der
Ungleichbehandlung an dem persönlichen Geltungsbereichs des Tarifvertrages oder an
seiner inhaltlichen Regelung festzumachen ist.
3.1 Die Begrenzung tarifvertraglicher Regelungen durch den allgemeinen Gleichheitssatz
des Art 3 Abs. 1 GG wird nicht einheitlich behandelt. Der Auffassung einer unmittelbaren
Grundrechtsbindung wird entgegengehalten, dass die Tarifvertragsparteien keine
Staatsgewalt seien und daher nicht unmittelbar an die Grundrechte gebunden seien.
Gleichwohl müssten sie die Grundrechte wegen ihrer Schutzpflichtfunktion beachten.
Dies führt nach Auffassung des 6. Senats des Bundesarbeitsgerichts bei der Prüfung
tarifvertraglicher Regelungen auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG zu keinem
anderen Prüfungsmaßstab als bei einer unmittelbaren Grundrechtsbildung. Das soll
unabhängig davon gelten, ob es sich um die Regelung materieller Arbeitsbedingungen
oder um solche zur Festlegung des persönlichen Geltungsbereichs eines Tarifvertrages
handelt (vgl. BAG Urteil vom 27.5.2004 - 6 AZR 129/03 - in AP Nr. 5 zu § 1 TVG
Gleichbehandlungssatz). Im vorliegenden Fall kann die Frage der mittelbaren oder
unmittelbaren Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien dahinstehen, weil die
Regelung der Vergütungsabsenkung in dem Haustarifvertrag auch bei unmittelbarer
Grundrechtsbindung nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.
3.2 Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem
Gesetz gleich zu behandeln. Wesentlich Gleiches ist gleich und wesentlich Ungleiches
entsprechend seiner Verschiedenheit und Eigenart ungleich zu behandeln. Er ist verletzt,
wenn die Regelung willkürlich ist, weil be-zogen auf den jeweils in Rede stehenden
Sachbereich und seine Eigenart ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung
fehlt. Das ist in Bezug auf die Eigenart des konkreten Sachverhalts festzustellen, der
geregelt werden soll. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen
ergeben sich unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer
strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Bei der
Ungleichbehandlung von Personengruppen oder von Sachverhalten, die mittelbar eine
Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt, ist der allgemeine Gleichheitssatz
verletzt, wenn zwischen den Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem
Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung recht-fertigen können (vgl. BVerfG
Beschluss vom 4.4.2001 - 2 BvL 7/98 - in AP Nr. 19 zu § 19 BAT – O).
3.3 Im vorliegenden Fall liegt eine Ungleichbehandlung von Personengruppen vor. Die
Gruppe der Beschäftigten in dem Bereich WEG-/Fremdverwaltung hat mit der
Vergütungsabsenkung stärkere Nachteile hinzunehmen, als die Gruppe der Übrigen
Arbeitnehmer der Beklagten, die von dem Geltungsbereich des Haustarifvertrages nicht
erfasst wird. Die Ungleichbehandlung ist aber mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, obwohl sich
die Tätigkeit der Wohnungsverwalter in der WEG-/Fremdverwaltung von denen in der
Eigenverwaltung nicht unterscheidet.
Die Beschäftigten der WEG-/Fremdverwaltung waren in einem räumlich separierten,
organisatorisch eigenständigen Bereich mit eigener wirtschaftlicher Zielsetzung tätig.
Seine wirtschaftlichen Bedingungen waren wesentlich anders als die der übrigen
Bereiche. Zwar befand sich die Beklagte insgesamt in einer schwierigen, von der
Insolvenz bedrohten wirtschaftlichen Lage, die die Tarifvertragsparteien veranlasst hat,
mit den verschiedenen Haustarifverträgen gegenzusteuern. Ein erheblicher Unterschied
besteht darin, dass der Bereich WEG-/Fremdverwaltung sich im Gegensatz zu den
übrigen Bereichen dem Wettbewerb mit anderen Unternehmen stellen muss, die nicht
wie die Beklagte den Tarifverträgen der Wohnungswirtschaft unterliegen und ihre
Leistungen daher günstiger anbieten können. Die ungünstige Position der Beklagten im
Wettbewerb mit diesen Unternehmen wird anhand der Personalkosten deutlich, die um
ca. 30 % über dem Bundesdurchschnitt liegen. Die Beklagte stand damit vor der
Notwendigkeit, ihre Wettbewerbssituation in dem Bereich WEG-/Fremdverwaltung zu
verbessern, um nicht zu unterliegen und letztlich den Bereich völlig aufzugeben. Dies ist
ein sachlicher Grund für die beanstandete Ungleichbehandlung. Die wirtschaftliche
Verhältnisse können ein sachlicher Grund für eine ungleiche tarifliche Behandlung von
Arbeitnehmern mit gleicher Tätigkeit sein (vgl. BVerfG Beschluss vom 9.8.2000 - 1 BvR
514/00 in AP Nr. 16 zu § 1 BAT – O). Im vorliegenden Fall haben die Tarifvertragsparteien,
gestützt auf die Beurteilung von Sachverständigen, sie für so gravierend gehalten, dass
sie sich veranlasst sahen, den Bereich WEG-/Fremdverwaltung durch die zusätzliche
Vergütungsabsenkung zu stärken. Die Maßnahme ist nicht unverhältnismäßig. Sie ist
geeignet, die Wettbewerbssituation und die wirtschaftliche Lage des Bereiches zu
verbessern. Sie ist an diesem Ziel ausgerichtet bis zum 31.12.2008 befristet. Eine
Verlängerung ist bis zum 31.12.2010 möglich, aber davon abhängig, dass die Sanierung
der Beklagten noch nicht abgeschlossen ist. Entsprechen ihrer Zielorientierung sieht der
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der Beklagten noch nicht abgeschlossen ist. Entsprechen ihrer Zielorientierung sieht der
Haustarifvertrag zur Abmilderung der Vergütungsabsenkung vor, dass ein positives
Jahresergebnis den Arbeitnehmern durch Zahlung einer Prämie zu Gute kommen soll.
Die Vergütungsabsenkung ist damit insgesamt verhältnismäßig.
Die Klägerin kann dem nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass bei einer an-sonsten
notwendig werdenden Schließung des Bereiches sie nach den Grundsätzen der sozialen
Auswahl nicht zu den dann zu entlassenden Arbeitnehmern gehören müsste. Die weitere
Unternehmensentwicklung zeigt, dass es auf diese Frage nicht ankommen kann,
unabhängig davon, ob sie lediglich den Aspekt der Einzelfallgerechtigkeit betrifft, der bei
der Überprüfung eines Tarifvertrages nicht entscheidend sein kann. Hätte die Beklagte
bereits vor Abschluss des Haustarifvertrages die übrigen Bereiche ausgegliedert und auf
die Muttergesellschaft verschmolzen, hätte sich die Frage der Einbeziehung der
Wohnungsverwalter aller Bereiche in die sozialen Auswahl bei Aufgabe der
Fremdverwaltung nicht gestellt. Ebenso wenig hätte sich die Frage eines Verstoßes des
Haustarifvertrages gegen das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG gestellt,
weil dann alle Beschäftigten der Beklagten von der Ver-gütungsabsenkung betroffen
gewesen wären.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Revision ist zugelassen worden, weil
die zu entscheidende Frage der Grundrechtsbindung von grundsätzlicher Bedeutung ist.
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