Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 07.02.2007

LArbG Berlin-Brandenburg: ordentliche kündigung, wichtiger grund, versetzung, betriebsrat, arbeitsbedingungen, rechtfertigung, widerklage, europa, abfindung, beweislast

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Gericht:
LArbG Berlin-
Brandenburg 18.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
18 Sa 753/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 KSchG, § 626 BGB
Betriebsbedingte Kündigung aus wichtigem Grund
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 07.
Februar 2007 - 31 Ca 11654/06, WK 31 Ca 508/07 - unter Zurückweisung der Berufung
im Übrigen teilweise abgeändert und aus Klarstellungsgründen wie folgt neu formuliert:
1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis
durch die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 14. Juni 2006 nicht
beendet worden ist.
2. Es wird festgestellt, dass die der Klägerin mit außerordentlicher, hilfsweise ordentlicher
Änderungskündigung vom 29. Juni 2006 angebotene Änderung der Arbeitsbedingungen
nicht sozial gerechtfertigt ist.
3. Im Übrigen werden die Klage und die Widerklage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu 57 Prozent und die Klägerin zu 43
Prozent zu tragen.
II. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen hilfsweise
außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung mit Auslauffrist vom 14. Juni 2006 sowie
über eine ordentliche hilfsweise außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung
mit Auslauffrist vom 29. Juni 2006, die die Klägerin unter dem Vorbehalt der sozialen
Rechtfertigung des Änderungsangebotes angenommen hat.
Die am ……. 1952 geborene Klägerin ist seit dem 01. August 1971 bei der Beklagten auf
Grundlage des Arbeitsvertrages vom 29. Juli 1971 (Bl. 70, 71 d. A.) beschäftigt. Sie war
zunächst als Teleprinter Operator in der Abteilung für Fernschreiber tätig und wechselte
nach betriebsbedingtem Wegfall dieses Arbeitsplatzes im Jahre 1973 in die
Reservierungsabteilung, wo sie bis 1988 tätig war. Von dort wechselte sie in die zentrale
Personalabteilung auf die Position einer Personal Assistant.
Im Jahr 1992 verlegte die Beklagte ihren Hauptsitz einschließlich der Personalabteilung
von Berlin nach Frankfurt. Die Klägerin wurde jedoch in Berlin weiterbeschäftigt, was in
einer Ergänzungsvereinbarung vom 16. April 1992 (Bl. 72 d. A.) niedergelegt worden ist.
Zuletzt ist die Klägerin als Human Resource Executive Europe zu einem
durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von 4674,58 Euro beschäftigt worden. Auf das
Arbeitsverhältnis findet kraft vertraglicher Vereinbarung der Manteltarifvertrag Nr. 13 für
die Arbeitnehmer der Beklagten vom 26. November 2003 Anwendung (Bl. 6 - 15 d. A.).
Die Klägerin ist der Abteilung Human Resource, Pay and Reward organisatorisch
zugeordnet.
Nach der Ausgliederung des Bereiches Customer Service auf die Firma G. Berlin GmbH
im Jahre 2004 sind in diesem Bereich in Berlin lediglich noch drei Mitarbeiter tätig.
Daneben werden noch Mitarbeiter der Beklagten in den Bereichen Engineering und
Fracht beschäftigt.
Infolge des Absinkens der Mitarbeiterzahl fanden im Jahre 2004 Betriebsratswahlen statt;
das Wahlergebnis wurde am 29. April 2004 bekannt gegeben. Der vom Betriebsrat in
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das Wahlergebnis wurde am 29. April 2004 bekannt gegeben. Der vom Betriebsrat in
Vorbereitung der Wahl im Jahre 2006 bestellte Wahlvorstand bestimmte zunächst Termin
für die Wahlversammlung auf den 30. Mai 2006 und verschob diesen Termin sodann am
29. Mai 2006 auf den 15. Juni 2006. Das Ergebnis dieser Wahl wurde am 15. Juni 2006
veröffentlicht.
Im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Berlin zum Aktenzeichen 24 BV 12054/06 machte
die Beklagte die Nichtigkeit/Unwirksamkeit der Wahl geltend. Im Termin am 11. August
2006 verständigten sich die Betriebsparteien dahingehend, dass eine neue
Betriebsratswahl durchgeführt werden soll und der (alte) Betriebsrat bis zur
Bekanntgabe des Wahlergebnisses im Amt bleiben soll. Das Wahlergebnis der Neuwahl
wurde im September 2006 bekannt gegeben.
Am 05. Mai 2006 versendete die Personalleiterin für Europa, Lateinamerika und die
Karibik Frau M. eine die Organisation der Abteilung Human Resource betreffende E-Mail
in englischer Sprache auf deren Inhalt (Bl. 100 - 102 d. A.) Bezug genommen wird.
Mit Schreiben vom 14. Juni 2006 erklärte die Beklagte die ordentliche Kündigung des mit
der Klägerin bestehenden Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2006 hilfsweise die
außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist zum 31. Dezember 2006 (Bl. 5 d. A.). Diese
Kündigung wurde unterzeichnet von Frau V. mit dem Zusatz „HR Manager Central
Europe“. Die Klägerin wies diese Kündigung mangels Vollmachtbeifügung zurück.
Mit bei Gericht am 21 Juni 2006 eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin
Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 14. Juni 2006 erhoben und darüber
hinaus beantragt, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses festzustellen und die
Beklagte zur Weiterbeschäftigung zu verurteilen.
Mit Schreiben vom 23. Juni 2006 (Bl. 370, 371 d. A.) hörte die Beklagte den in Berlin
gebildeten Betriebsrat zur ordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung der
Klägerin an. Nachdem der Betriebsrat am 24. Juni 2006 (Bl. 41 d. A.) hierzu Stellung
genommen hatte, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 29. Juni 2006 (Bl. 38 d. A.)
eine ordentliche hilfsweise außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit Auslauffrist
zum 31. Dezember 2006 und bot der Klägerin gleichzeitig die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses auf der Position des „IR Executive“ am Standort Frankfurt bei
ansonsten unveränderten Bedingungen an. Dieses Kündigungsschreiben war erneut von
Frau V. mit dem Zusatz „HR Manager Central Europe“ unterzeichnet und es war neben
der Stellungnahme des Betriebsrates und der Stellenbeschreibung „IR Executive“ auch
eine Vollmacht beigefügt.
Mit Schreiben vom 04. Juli 2006 wies die Klägerin erneut die Kündigung gemäß § 174
BGB zurück, da die Bevollmächtigung des die Vollmacht für Frau V. unterzeichnenden
Herrn G. nicht vorgelegt worden sei und erklärte gleichzeitig die Annahme des
Änderungsangebotes unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung.
Mit bei Gericht am 05. Juli 2006 eingegangenem Schriftsatz hat sich die Klägerin auch
gegen diese Kündigung gewandt.
Mit Schreiben vom 18. August 2006 (Bl.110, 222 f d. A.) hörte die Beklagte den in Berlin
gebildeten Betriebsrat zur Versetzung der Klägerin auf die Position „IR Executive“ in
Frankfurt mit Wirkung ab 01. September 2006 an. Der Betriebsrat verweigerte die
Zustimmung (Blatt 110, 111 d. A). Die Beklagte leitete daraufhin das
Zustimmungsersetzungsverfahren sowie das Verfahren nach § 100 Abs. 2 Satz 3
BetrVG ein.
Die Beklagte hörte zu der beabsichtigten Versetzung ebenfalls den in Frankfurt
gebildeten Betriebsrat an, dieser stimmte der Maßnahme zu.
Mit E-Mail vom 26. August 2006 (Bl. 64 d. A.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass
ihre Tätigkeit in Frankfurt bereits ab 01. September 2006 erforderlich sei. Mit Schreiben
vom 30. August 2006 teilte die Klägerin daraufhin mit, dass sie mit einer Versetzung
zum 01. September 2006 nach Frankfurt nicht einverstanden sei, jedoch im Falle eines
personellen Engpasses für einen begrenzten Zeitraum dort tätig werden könne. Die
Klägerin verständigte sich mit Frau V. zunächst darauf am 04. September 2006 für einen
Tag in Frankfurt tätig zu werden. Frau V. teilte der Klägerin mit, welche Aufgaben von ihr
zu erledigen seien und die Klägerin nahm die hierzu erforderlichen Unterlagen mit, um
diese Arbeiten von Berlin aus zu erledigen. Eine erneute Aufforderung zur Tätigkeit in
Frankfurt gab es bis 25. September 2006 nicht mehr. Mit E-Mail vom 25. September
2006 (Bl. 67 d. A.) forderte Frau V. sodann die Klägerin „letztmals“ auf ab 01. Oktober
2006 ihre Tätigkeit in Frankfurt aufzunehmen. Hierauf antwortete die Klägerin mit
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2006 ihre Tätigkeit in Frankfurt aufzunehmen. Hierauf antwortete die Klägerin mit
Schreiben vom 29. September 2006 (Bl. 68, 69 d. A.)
Mit bei Gericht am 29. September 2006 eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin die
Feststellung der Unwirksamkeit der Versetzung nach Frankfurt beantragt.
Die Klägerin hat die Meinung vertreten, die ausgesprochenen Kündigungen seien
unwirksam. Dies folge bereits aus § 174 BGB sowie daraus, dass der Berliner Betriebsrat
zur Kündigung vom 14. Juni 2006 überhaupt nicht, bezüglich der Kündigung vom 29. Juni
2006 lediglich zur ordentlichen Änderungskündigung angehört worden sei. Außerdem sei
die erfolgte Betriebsratsanhörung nicht ordnungsgemäß.
Die ausgesprochenen ordentlichen Kündigungen seien zudem deshalb unwirksam, da
diese gemäß § 24 Nr. 7 der MTV Nr. 13 ausgeschlossen seien.
Darüber hinaus sei ein Grund für die Kündigungen nicht gegeben. Die von der Beklagten
behauptete unternehmerische Entscheidung und Betriebsänderung sei mangels
konkreten Vortrages insoweit nicht überprüfbar und auch nicht umgesetzt worden.
Die Beendigungskündigung vom 14. Juni 2006 sei zudem auch unverhältnismäßig
mangels eines Angebotes einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf ihrem nach
Behauptungen der Beklagten nach London verlegten noch unbesetzten Arbeitsplatz
oder des Angebotes des Arbeitsplatzes als IR Executive in Frankfurt.
Das Änderungsangebot sei auch unzumutbar.
Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin zu der Beklagten zu 1. durch
die ordentliche Kündigung vom 14.06.2006 nicht aufgelöst ist, sondern ungekündigt über
den 31.12.2006 hinaus fortbesteht;
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin zu der Beklagten zu 1. durch
die außerordentliche Kündigung vom 14.06.2006 nicht aufgelöst ist, sondern über den
31.12.2006 hinaus fortbesteht;
3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin zu der Beklagten zu 1. auch
nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern über den 31.12.2006
hinaus fortbesteht;
4. die Beklagte zu 1. im Fall des Obsiegens zu 1. und 2. bzw. 3. und 4., zu
verpflichten, die Klägerin zu den bisherigen Arbeitsbedingungen über den 31.12.2006
hinaus weiterzubeschäftigen;
5. festzustellen, dass die mit ordentlicher Änderungskündigung vom 29.06.2006
durch die Beklagte zu 1. ausgesprochene Änderung der Arbeitsbedingungen sozial
ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist;
6. festzustellen, dass die mit außerordentlicher Änderungskündigung vom
29.06.2006 durch die Beklagte zu 1. ausgesprochene Änderung der Arbeitsbedingungen
sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist;
7. festzustellen, dass die mit ordentlicher Änderungskündigung vom 14.06.2006
durch die Beklagte zu 1. mit Schreiben vom 29.06.2006 ausgesprochene Änderung der
Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam
ist;
8. festzustellen, dass die mit ordentlichen Änderungskün-digungen der Beklagten zu
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8. festzustellen, dass die mit ordentlichen Änderungskün-digungen der Beklagten zu
1. vom 14.06. und 29.06.2006 ausgesprochene Änderung des Arbeitsverhältnisses vom
29.06.2006 sozial ungerechtfertigt ist oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist.
9. festzustellen, dass die Versetzung der Klägerin durch die Beklagte zu 1. von Berlin
nach Frankfurt am Main weder mit Wirkung vom 01.09.2006, noch zum 01.10.2006 noch
zu einem späteren Zeitpunkt rechtmäßig ist;
10. die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin als Human Resource Executive Europe
(Pay & Reward Team) in Berlin ab dem 01.01.2007 zu beschäftigten;
eine Vorruhestandsregelung gemäß § 10 Abs. 1 a des Teilsozialplans vom
26.10.1991 abzuschließen;
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen
und im Wege der Widerklage beantragt,
das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die ausgesprochenen Kündigungen seien
wirksam.
Eine Unwirksamkeit der Kündigungen gemäß § 174 BGB scheide aus, da Frau V. seit 01.
April 2006 Personalleiterin für Zentraleuropa sei, was den Beschäftigten mit E-Mail im
Mai 2006 mitgeteilt worden und insbesondere auch der Klägerin bekannt gewesen sei,
da diese mit Frau V. in dieser Funktion auch kommuniziert habe.
Die ordentlichen Kündigungen seien auch nicht gemäß § 24 MTV Nr. 13 ausgeschlossen,
da sie infolge einer Betriebsänderung notwendig geworden seien. Die Betriebsänderung
folge aus der am 01. April 2006 getroffenen und am 05. Mai 2006 bekannt gemachten
Entscheidung der Personalleiterin für Europa M. im Bereich Human Resource eine
komplette Reorganisationsänderung durchzuführen. Im Zuge dessen sei auch
entschieden worden, die Arbeitsplätze des Bereiches Pay and Reward in London zu
zentralisieren, sodass der bislang noch in Berlin angesiedelte Arbeitsplatz der Klägerin
entfallen sei.
Die Beendigungskündigung vom 14. Juni 2006 sei auch nicht unverhältnismäßig, denn
einerseits habe sich die Klägerin auf den nach London verlagerten Arbeitsplatz nicht
beworben und andererseits von Frau V. darauf angesprochen dieser gegenüber klar
signalisiert, dass eine dauerhafte Tätigkeit in London oder Frankfurt für sie nicht in
Betracht komme, ohne jedoch die behauptete Pflegebedürftigkeit ihres Vaters zu
plausibilisieren oder zu konkretisieren.
Die Kündigung vom 14. Juni 2006 sei auch nicht gemäß § 102 BetrVG unwirksam, da zu
diesem Zeitpunkt in Berlin kein Betriebsrat existiert habe, denn die Amtszeit des
ohnehin unter Verkennung des Betriebsbegriffes gewählten Betriebsrates habe am 31.
Mai 2006 geendet. Die dann am 15. Juni 2006 durchgeführte Betriebsratswahl sei nichtig,
jedenfalls aber unwirksam gewesen, sodass auch hinsichtlich der Änderungskündigung
vom 29. Juni 2006 eine Betriebsratsanhörung nicht habe erfolgen müssen. Der am 11.
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vom 29. Juni 2006 eine Betriebsratsanhörung nicht habe erfolgen müssen. Der am 11.
August 2006 im Anfechtungsverfahren geschlossene Vergleich sei vorliegend ohne
Rechtswirkung, da dieser, so behauptet die Beklagte, ausdrücklich unter
Aufrechterhaltung des Rechtsstandpunktes der Beklagten erfolgt sei.
Jedenfalls sei das Arbeitsverhältnis gerichtlich aufzulösen, da die Klägerin entgegen
besseren Wissens Vollmachtsrüge erhoben habe, was den Rahmen der Wahrnehmung
berechtigter Interessen sprenge und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der
Klägerin unzumutbar mache.
Die Versetzung nach Frankfurt sei erforderlich gewesen auch schon als vorläufige
Maßnahme, da dort die ehemalige Stelle der Frau V. und eine weitere Stelle frei
geworden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf
den Inhalt der in der Eingangsinstanz zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze
Bezug genommen.
Durch Urteil vom 07. Februar 2007 hat das Arbeitsgericht Berlin der Klage insoweit
stattgegeben als sie sich gegen die Kündigung vom 14. Juni 2006, die
Änderungskündigung vom 29. Juni 2006 und die Versetzung der Klägerin nach Frankfurt
richtet, den ungekündigten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses festgestellt sowie die
Beklagte zur Beschäftigung der Klägerin als Personal Assistant in Berlin verurteilt. Im
Übrigen hat es die Klage und die Widerklage abgewiesen.
Wegen der Einzelheiten der Begründung der Entscheidung wird auf die dortigen Gründe
(Bl. 245 - 247 d. A.) verwiesen.
Gegen dieses ihr am 12. März 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 10. April
2007 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und
diese mit am Montag, dem 14. Mai 2007 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Die Beklagte ist weiter der Auffassung, die ausgesprochenen Kündigungen seien
wirksam.
Zunächst fände das Kündigungsschutzgesetz vorliegend zur Zeit des Ausspruches der
Kündigung keine Anwendung. Bei den in Berlin angesiedelten Bereichen Customer
Service, Engineering und Fracht handele es sich nämlich um selbstständige Betriebe.
Die Beklagte behauptet insoweit unter Verweis auf ihren diesbezüglichen Vortrag erster
Instanz, diese Bereiche verfügten über eigene Leiter, die der Zentrale unterstellt seien
und die eigenverantwortlich ihre jeweiligen Dienst-, Schicht- und Urlaubspläne erstellen
sowie Überstunden anordnen. Im Betrieb Customer Service, dem die Klägerin
zuzuordnen sei, seien zur Zeit der Kündigung jedoch weniger als sechs Mitarbeiter tätig
gewesen.
Die Kündigung vom 14. Juni 2006 sei auch bereits als ordentliche Kündigung wirksam,
denn § 24 Nr. 7 des MTV Nr. 13 lasse für den Fall der Betriebsänderung eine solche zu.
Diese sei vorliegend in der grundlegenden Änderung der Betriebsorganisation zu sehen,
deren Umfang und Tragweite der E-Mail vom o5. Mai 2006 klar zu entnehmen sei. Teil
dieser europaweiten Reorganisationsmaßnahme sei die Aufgabe des isolierten
ausgelagerten Arbeitsplatzes der Klägerin in Berlin gewesen infolge der Entscheidung,
dass die Aktivitäten, die die Klägerin zuletzt durchführte künftig zentral von London aus
erledigt werden.
Ein Änderungsangebot sei entbehrlich gewesen, da die Klägerin sich in Kenntnis des
Wegfalles des Arbeitsplatzes weder auf die freie Position in London noch auf die zwei
freien Stellen in Frankfurt beworben habe. Die Beklagte behauptet, als Frau V. die
Klägerin darauf angesprochen habe, habe diese eine Bewerbung abgelehnt mit der
Begründung, dass ihr die Tätigkeitsaufnahme an einem anderen Ort wegen des von ihr
zu pflegenden Vaters nicht möglich sei.
Auch sei der Betriebsrat nicht anzuhören gewesen, da das Amt des Betriebsrates Berlin
31. Mai 2006 geendet habe.
Zu der Kündigung vom 29. Juli 2006, der die gleichen Gründe wie der Kündigung vom 14.
Juni 2006 zugrunde liegen, habe eine Betriebsratsanhörung nicht erfolgen müssen, da
ebenfalls ein Betriebsrat nicht existiert habe, da die Wahl vom 15. Juni 2006 nichtig
gewesen sei.
Schließlich sei jedenfalls dem Auflösungsantrag zu entsprechen.
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Auch die Versetzung der Klägerin vor dem 01. Januar 2007 nach Frankfurt sei wirksam.
Die Versetzungsmöglichkeit ergebe sich aus dem Arbeitsvertrag und auch
kollektivrechtlich stehe der Versetzung infolge der Durchführung einer Maßnahme nach §
100 BetrVG und der fristgemäßen Einleitung des Beschlussverfahrens nichts entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten in der Berufungsinstanz
wird auf ihren Berufungsbegründungsschriftsatz vom 14. Mai 2007 und ihre Schriftsätze
vom 15. Juni und 1. August 2007 verwiesen.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichte Berlin vom 07.02.2007,
Aktenzeichen 31 Ca 11654/06 und 31 Ca 508/07, die Klage abzuweisen
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 07.02.2007,
Aktenzeichen 31 Ca 11654/06 und 31 Ca 508/07, das Arbeitsverhältnis zwischen den
Parteien gegen Zahlung einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Abfindung
aufzulösen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und tritt den Ausführungen der Beklagten
in der Berufungsinstanz entgegen.
Sie meint das Kündigungsschutzgesetz fände Anwendung und bestreitet, dass es sich
bei den in Berlin angesiedelten Bereichen um eigenständige Betriebe handele. Sie
behauptet, in Berlin seien zur Zeit des Ausspruches der Kündigung außer ihr noch
weitere 12 Mitarbeiter tätig gewesen.
Sie bestreitet den Wegfall ihres Arbeitsplatzes und meint zudem, dass die Bezugnahme
auf eine E-Mail den Anforderungen an die Darlegungslast nicht genüge und sich aus
dieser zudem nicht erkennen ließe in welcher Art und Weise und zu welchem Zeitpunkt
welche Neuregelungen beschlossen und umgesetzt werden sollen. Es gebe auch kein
betriebliches Erfordernis nur ihren Arbeitsplatz in Berlin nach London zu verlagern, zumal
wie erstinstanzlich bereits von ihr behauptet ihre unmittelbare Vorgesetzte Frau Bordier-
Brulon weiterhin ihre Basis in Paris habe und lediglich tageweise nach Bedarf an anderen
Orten tätig sei.
Die Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung gemäß § 24 Nr. 7 MTV Nr. 13 lägen
erst recht nicht vor.
Auch fehle es an der ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrates in Berlin, der
wirksam im Amt gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin in der Berufungsinstanz
wird auf ihren Berufungsbeantwortungsschriftsatz vom 21. Juni 2007 und ihre
Schriftsätze vom 10. Mai und 02. August 2007 nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung ist zulässig.
Sie ist gemäß den §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 b, c ArbGG statthaft und frist- und
formgerecht i.S.d. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und
begründet worden.
II.
Die Berufung der Beklagten hat nur zum Teil Erfolg, im Übrigen war sie zurückzuweisen.
Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung vom
14. Juni 2006 nicht mit Ablauf des 31. Dezember 2006 wirksam aufgelöst worden, denn
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14. Juni 2006 nicht mit Ablauf des 31. Dezember 2006 wirksam aufgelöst worden, denn
die Kündigung ist unwirksam, sie ist jedenfalls mangels Angebotes der
Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz unverhältnismäßig. (1.)
Das zwischen Parteien bestehenden Arbeitsverhältnis ist auch nicht durch die
Änderungskündigung vom 29. Juni 2006, die die Klägerin unter Vorbehalt angenommen
hat, inhaltlich dahingehend abgeändert worden, dass die Klägerin ab 01. Januar 2007 als
IR Executive zu im Übrigen unveränderten Bedingungen in Frankfurt tätig sein muss,
denn diese Kündigung ist mangels ausreichenden Vortrages der Beklagten zu dem der
Kündigung zu Grunde liegenden betriebsbedingten Grund unwirksam.(2.)
Der Antrag der Beklagten auf Auflösung des mit der Klägerin bestehenden
Arbeitsverhältnisses war jedenfalls mangels Vorliegens von Auflösungsgründen
zurückzuweisen. (3.)
Soweit durch das Urteil erster Instanz festgestellt worden ist, dass das Arbeitsverhältnis
zwischen den Parteien ungekündigt über den 31. Dezember 2006 hinaus fortbesteht,
dass die Versetzung der Klägerin zum 01. September 2006 oder zu einem späteren
Zeitpunkt rechtswidrig ist und die Beklagte verurteilt worden ist, die Klägerin als Personal
Assistant in Berlin zu beschäftigen, war auf die Berufung der Beklagten hingegen das
Urteil I. Instanz abzuändern und die Klage abzuweisen, denn insoweit war die Klage
mangels des erforderlichen Feststellungsinteresses bzw. des erforderlichen
Rechtsschutzinteresses der Klägerin unzulässig. (4.)
1. Die Kündigung vom 14. Juni 2006 ist sowohl als ordentliche als auch als
außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist unwirksam, denn sie ist sozial nicht
gerechtfertigt, da sie unverhältnismäßig ist, weil die Beklagte ihrer Verpflichtung der
Klägerin im Wege des milderen Mittels einer Änderungskündigung die unstreitig freien
Arbeitsplätze in London oder Frankfurt anzubieten nicht nachgekommen ist.
a) Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin fand zur Zeit des Ausspruches der Kündigung
das Kündigungsschutzgesetz Anwendung.
Die Beklagte hat nämlich nicht ausreichend vorgetragen, dass die Voraussetzungen des
§ 23 KSchG vorliegen. Da am Standort Berlin, an dem die unstreitig vor dem 31.
Dezember 2003 eingestellte Klägerin tätig war, insgesamt jedenfalls mehr als fünf
Arbeitnehmer beschäftigt waren, hätte es der Beklagten oblegen, ihre von der Klägerin
bestrittene Behauptung von drei selbstständigen Betrieben und die Zuordnung der
Klägerin zu einer dieser Betriebe mit weniger als fünf Arbeitnehmern darzulegen. Der
diesbezügliche Vortrag im Schriftsatz vom 20. November 2006 (dort S. 4, Bl. 91 d. A.)
reicht insoweit nach Auffassung des erkennenden Berufungskammer jedoch nicht aus.
Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen des betrieblichen Geltungsbereichs
des Kündigungsschutzgesetzes trifft zwar grundsätzlich den Arbeitnehmer. Der
Arbeitnehmer muss danach darlegen und gegebenenfalls beweisen, in einem Betrieb
tätig zu sein, in dem in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer
Berufsbildung Beschäftigten tätig sind. Nach den Grundsätzen der abgestuften
Darlegungs- und Beweislast, die auch für die Fragen des Betriebsbegriffs gelten, dürfen
aber keine strengen Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitnehmers gestellt
werden. Es reicht in der Regel aus, wenn der Arbeitnehmer die äußeren Umstände
schlüssig darlegt, die für die Annahme sprechen, dass die Betriebsstätte, in der er
beschäftigt ist, über keinen eigenständigen Leitungsapparat verfügt, diese vielmehr
zentral gelenkt wird. Hat der Arbeitnehmer schlüssig derartige Umstände behauptet, so
hat der Arbeitgeber hierauf gemäß § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen zu erklären, welche
rechtserheblichen Umstände gegen die Annahme eines einheitlichen Leitungsapparates
für mehrere Betriebsstätten sprechen. Nach dem Prinzip der Sachnähe ist regelmäßig
nur der Arbeitgeber in der Lage, nähere Auskunft über die betrieblichen
Führungsstrukturen zu geben. (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.03.2001, 2 AZR
151/00, NZA 2001, 831-833)
Für die Beurteilung, ob eine Betriebsstätte ein Betrieb ist, kommt es dabei maßgeblich
darauf an, ob die vom Arbeitgeber hergestellte organisatorische Einheit der Erreichung
eigener arbeitstechnischer Zwecke dient. Von Betrieben zu unterscheiden sind
Betriebsteile, die gegenüber dem Hauptbetrieb organisatorisch unselbstständig sind und
eine Teilfunktion von dessen arbeitstechnischem Zweck wahrnehmen. Betriebsteile
zeichnen sich dadurch aus, dass sie über einen eigenen Arbeitnehmerstamm, eigene
technische Hilfsmittel und eine durch die räumliche und funktionale Abgrenzung vom
übrigen Betrieb bedingte relative Selbstständigkeit verfügen. Andererseits fehlt ihnen
aber ein Leitungsapparat, um insbesondere in personellen oder sozialen
Angelegenheiten wesentliche Entscheidungen selbständig treffen zu können. (vgl.
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Angelegenheiten wesentliche Entscheidungen selbständig treffen zu können. (vgl.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.08.1998, 2 AZR 84/98, AP Nr. 50 zu § 2 KSchG
1969)
Der Vortrag der Beklagten war vorliegend nicht geeignet einen selbständigen Betrieb
anzunehmen, da die vorgetragene relative Selbständigkeit in organisatorischen
Alltagsfragen die Annahme eines eigenen Leitungsapparates nicht rechtfertigt. Es ist
nicht ersichtlich geworden, dass die Leiter der einzelnen Bereiche vor Ort wesentliche
Entscheidungen in personellen und sozialen Angelegenheiten selbständig treffen
können.
Hinzukommt, dass die Beklagte nicht vorgetragen hat, aus welchen Gründen die
Klägerin wie behauptet dem Bereich Customer Service zuzuordnen sein soll, obwohl sie
organisatorisch an die Personalabteilung, Bereich Pay und Reward angebunden ist.
b) Die ausgesprochene Kündigung vom 14. Juni 2006 ist sozial nicht gerechtfertigt, denn
sie ist unverhältnismäßig, da die Beklagte verpflichtet gewesen wäre der Klägerin die
Weiterbeschäftigung auf einem unstreitig vorhandenen freien Arbeitsplatz anzubieten.
Die ausgesprochene Beendigungskündigung war unter Beachtung des Gebots der
Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht als ultima ratio geboten. Da eine anderweitige
Beschäftigung zu veränderten Arbeitsbedingungen möglich war, musste die Beklagte
anstatt der Beendigungskündigung eine entsprechende Änderungskündigung
aussprechen. Für eine Beendigungskündigung lag deshalb kein dringendes betriebliches
Erfordernis i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG vor.
Es ist dem Arbeitnehmer nur dann verwehrt, den Arbeitgeber bei einer ausgesprochenen
Beendigungskündigung auf eine mögliche Änderungskündigung zu verweisen, wenn er
ein entsprechendes Änderungsangebot zuvor vorbehaltlos und endgültig abgelehnt hat.
Hat der Arbeitnehmer erkennen lassen, dass er das Änderungsangebot in keinem Fall
annehmen werde, ist sein Verhalten widersprüchlich, wenn er sich später auf eine
mögliche Änderungskündigung beruft.
Für eine vorbehaltlose und endgültige Ablehnung in diesem Sinne ist erforderlich, dass
der Arbeitnehmer bei der Ablehnung des Änderungsangebots unmissverständlich zu
erkennen gibt, dass er unter keinen Umständen bereit ist, zu den geänderten
Arbeitsbedingungen zu arbeiten. Allein die Ablehnung eines der Kündigung
vorangegangenen Angebots auf einvernehmliche Abänderung des Arbeitsverhältnisses
durch den Arbeitnehmer enthebt den Arbeitgeber hingegen grundsätzlich nicht von der
Verpflichtung, das Änderungsangebot mit einer nachfolgenden Beendigungskündigung
erneut zu verbinden. Denn die Ablehnung der einverständlichen Abänderung schließt
nicht aus, dass der Arbeitnehmer bereit ist, zu den geänderten Bedingungen
weiterzuarbeiten, wenn sich in einem Änderungsschutzverfahren die Berechtigung der
Änderung herausstellt. Deshalb ist der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, trotz der
Ablehnung einer freiwilligen Änderung eine Änderungskündigung auszusprechen. Nur für
den Fall, dass der Arbeitnehmer bei der Ablehnung des Änderungsangebots
unmissverständlich zu erkennen gibt, dass er unter gar keinen Umständen - auch nicht
unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung - bereit ist, zu den geänderten
Arbeitsbedingungen zu arbeiten, kann der Arbeitgeber eine Beendigungskündigung
aussprechen. Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzverfahren die Darlegungs- und
Beweislast dahingehend, dass der Arbeitnehmer definitiv und endgültig das
Änderungsangebot abgelehnt hat, d.h., dass dieser weder einvernehmlich noch unter
dem Vorbehalt der Prüfung der sozialen Rechtfertigung i.S.d. § 2 KSchG bereit war, zu
den geänderten Bedingungen zu arbeiten. (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom
21.04.2005, 2 AZR 244/04, AP Nr. 80 zu § 2 KSchG 1969 m.w.N.)
Nach dem Vortrag der Beklagten war eine vorbehaltslose und endgültige Ablehnung
eines konkreten Änderungsangebotes vorliegend nicht gegeben, denn die Klägerin soll
die von der Beklagten behauptete und von ihr bestrittene Ablehnung einer Tätigkeit
außerhalb Berlins nicht auf ein konkretes Änderungsangebot hin getätigt haben, sondern
in einem Gespräch, in dem Frau V. sie darauf angesprochen habe, warum sie sich nicht
auf die freien Stellen beworben habe. Auch fehlt es nach dem Vortrag der Beklagten an
der unmissverständlichen Ablehnung auch im Falle einer Kündigung ein entsprechendes
Änderungsangebot nicht, auch nicht unter Vorbehalt, annehmen zu werden.
2. Auch die Änderungskündigung vom 29. Juni 2006 ist unwirksam.
a) Hinsichtlich der ordentlichen Änderungskündigung vom 29. Juni 2006 folgt dies aus §
24 Nr. 7 Abs. 2 MTV Nr. 13, wonach nach Beendigung (einer Beschäftigungszeit) von 22
und mehr Jahren - wie hier - die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist und dies
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und mehr Jahren - wie hier - die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist und dies
lediglich bei Vorliegen eines wichtigen Grundes und einer Betriebsänderung i.S.d. § 111
BetrVG nicht gilt. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.
aa) Die Beklagte hat das Vorliegen einer Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG nicht
ausreichend dargelegt.
Die Beklagte beruft sich insoweit auf das Vorliegen einer grundlegenden Änderung der
Betriebsorganisation durch eine europaweite Reorganisation des Bereiches Personal
(Human Resource), deren Umfang und Tragweite sich aus der eingereichten E-Mail in
englischer Sprache vom 05. Mai 2006 ergeben soll.
Dieser E-Mail ist mit Ausnahme einer Zentralisierung aller Aktivitäten im Bereich Pay and
Reward, People Systems and Communication in London jedoch keine Änderung der
Betriebsorganisation mit der erforderlichen Klarheit zu entnehmen gewesen. Jedenfalls
fehlt es an den erforderlichen Informationen um zu beurteilen, ob etwaige Änderungen
grundlegend sind.
Zwar werden in der E-Mail die Organisationsstrukturen des Frau M. unterstehenden
Personalbereiches Europa, Lateinamerika und der Karibik dargestellt, ob dies jedoch
tatsächlich eine Änderung der bisherigen Organisationsstrukturen darstellt, gar um eine
grundlegende, kann der E-Mail nicht entnommen werden. Zwar ist dort von einem
Wechsel, einer Änderung (change) einleitend die Rede, ob es sich hierbei jedoch um eine
Änderung der Organisation oder lediglich um eine Änderung in personeller Hinsicht
handelt, ist der E-Mail nicht zu nehmen. Auch fehlt es an jeglichem Vortrag der
Beklagten zu der betrieblichen Organisation dieses Personalbereiches vor der
behaupteten Änderung, so dass ein Vergleich der Organisationsstrukturen
„vorher/nachher“ und damit die erforderliche Prüfung nicht möglich war.
bb) Es liegt auch kein wichtiger Grund für den Ausspruch einer Kündigung vor.
Die Voraussetzungen einer auf betriebliche Gründe gestützten Änderungskündigung aus
wichtigem Grund gehen über die Anforderungen an eine ordentliche
Änderungskündigung hinaus.
Mit dem Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit geht der Arbeitgeber gegenüber dem
Arbeitnehmer eine besondere Verpflichtung nicht nur hinsichtlich des Bestandes,
sondern auch in Bezug auf den Inhalt des Arbeitsverhältnisses ein. Dem müssen sowohl
die materiellen Anforderungen an den wichtigen Grund als auch die Anforderungen an
die Darlegungslast im Prozess Genüge tun.
Bereits eine betriebsbedingte ordentliche Änderungskündigung kann nur dann wirksam
sein, wenn sich der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlass darauf
beschränkt hat, lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer
billigerweise hinnehmen muss. Im Rahmen der §§ 1, 2 KSchG ist dabei zu prüfen, ob das
Beschäftigungsbedürfnis für den betreffenden Arbeitnehmer zu den bisherigen
Vertragsbedingungen entfallen ist. Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der
Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen
hat. Die die ordentliche Änderungskündigung sozial rechtfertigenden dringenden
betrieblichen Erfordernisse i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1, § 2 KSchG setzen voraus, dass das
Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb zu den bisherigen
Bedingungen entfallen ist. Dies kann auf einer unternehmerischen Entscheidung zur
Umstrukturierung des gesamten oder von Teilen eines Betriebs oder einzelner
Arbeitsplätze beruhen.
Eine solche Organisationsentscheidung unterliegt im Kündigungsschutzprozess nur einer
Missbrauchskontrolle. Sie ist lediglich dahingehend zu überprüfen, ob sie offenbar
unvernünftig oder willkürlich ist und ob sie ursächlich für den vom Arbeitgeber geltend
gemachten Änderungsbedarf ist.
Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss,
ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln: Die Änderungen müssen
geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten
Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle
Vertragsänderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung,
d.h. die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom Inhalt des bisherigen
Arbeitsverhältnisses entfernen, als zur Erreichung des angestrebten Zieles erforderlich
ist.
Für die betriebsbedingte Änderungskündigung aus wichtigem Grund müssen
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Für die betriebsbedingte Änderungskündigung aus wichtigem Grund müssen
demgegenüber verschärfte Maßstäbe gelten. Anderenfalls bliebe der vereinbarte
Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit wirkungslos.
Für die außerordentliche betriebsbedingte Beendigungskündigung nimmt das
Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung an, dass sie, da dringende
betriebliche Erfordernisse regelmäßig nur eine ordentliche Arbeitgeberkündigung nach §
1 KSchG rechtfertigen können, nur ausnahmsweise zulässig sein kann, weil zu dem vom
Arbeitgeber zu tragenden Unternehmerrisiko auch die Einhaltung der ordentlichen
Kündigungsfrist gehört. Die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers kann dem
Arbeitgeber aber insbesondere dann unzumutbar sein, wenn eine ordentliche
Kündigungsmöglichkeit ausgeschlossen ist und der Arbeitgeber deshalb dem
Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum hin sein Gehalt weiterzahlen müsste,
obwohl er z.B. wegen Betriebsstilllegung für dessen Arbeitskraft keine Verwendung mehr
hat. Dem entsprechend müssen auch bei der Änderungskündigung aus wichtigem Grund
gegenüber der ordentlichen Kündigung gesteigerte Anforderungen gestellt werden.
Entscheidender Gesichtspunkt ist hierbei, ob das geänderte unternehmerische Konzept
die vorgeschlagene Änderung erzwingt oder ob es im Wesentlichen auch ohne oder mit
weniger einschneidenden Änderungen im Arbeitsvertrag des Gekündigten durchsetzbar
bleibt. Außerdem muss der Arbeitgeber bereits bei Erstellung des unternehmerischen
Konzepts die in Form von vereinbarten Kündigungsausschlüssen bestehenden
arbeitsvertraglich übernommenen Garantien ebenso wie andere schuldrechtliche
Bindungen berücksichtigen. Dabei kann auch der zeitliche Aspekt eine Rolle spielen. Der
Arbeitgeber ist mit dem Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit eine weitreichende
Verpflichtung und - damit einhergehend - ein hohes Risiko eingegangen. Dieser Bindung
muss er insbesondere bei Prüfung der Frage, welche Vertragsänderungen er dem
Arbeitnehmer mit dem Änderungsangebot zumutet, gerecht werden. Deshalb kann nicht
jede mit dem Festhalten am Vertragsinhalt verbundene Last einen wichtigen Grund zur
Änderungskündigung bilden.
Im Prozess wirkt sich die übernommene Verpflichtung auch bei der Darlegungslast aus.
Aus dem Vorbringen des Arbeitgebers muss erkennbar sein, dass er auch unter
Berücksichtigung der vertraglich eingegangenen besonderen Verpflichtungen alles
Zumutbare unternommen hat, die durch die unternehmerische Entscheidung notwendig
gewordenen Anpassungen auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken. (vgl.
zum Ganzen Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 02.03. 2006,2 AZR 64/05, AP Nr. 84 zu §
2 KSchG 1969 m.w.N.)
Reduziert sich eine unternehmerische Entscheidung zudem praktisch auf den
Kündigungsentschluss, sind beide Entscheidungen ohne nähere Konkretisierung nicht
voneinander zu unterscheiden. Deshalb kann wegen der Nähe zum bloßen
Kündigungsentschluss, dessen Durchsetzung nicht bloß auf Unsachlichkeit und Willkür zu
überprüfen ist, die Vermutung die Unternehmerentscheidung sei aus sachlichen
Gründen erfolgt, nicht von vornherein greifen. Je näher die eigentliche
Organisationsentscheidung also an den Kündigungsentschluss rückt, umso mehr muss
der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass ein
Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist. (vgl. Bundesarbeitsgericht,
Urteil vom 17. Juni 1999, 2 AZR 141/99, AP Nr. 101 zu § 1 KSchG 1969 betriebsbedingte
Kündigung)
Diesen Anforderungen an den Vortrag für einen wichtigen Grund wird das Vorbringen der
Beklagten nicht einmal im Ansatz gerecht.
Grundsätzlich konnte dem Vortrag der Beklagten zwar entnommen werden, dass ein
Entschluss, die Aktivitäten HR, Pay and Reward in London zu zentralisieren getroffen
worden ist. Der insoweit von der Beklagten in Bezug genommenen E-Mail vom 05. Mai
2006 war jedoch nicht in ausreichendem Maße zu entnehmen, dass hierdurch außer
dem Wegfall des Arbeitsplatzes der Klägerin in Berlin weitere/andere betriebliche
Auswirkungen eingetreten sind.
Damit hätte es der Beklagten nicht nur, weil ein wichtiger Grund zum Ausspruch einer
Änderungskündigung vorliegend erforderlich ist, sondern auch, weil die getroffene
Entscheidung nahezu identisch mit dem Kündigungsentschluss ist, oblegen mindestens
die betrieblichen Motive darzulegen, die diesen Entschluss aus unternehmerischer Sicht
begründet haben, also das zugrunde liegende unternehmerische Konzept vorzutragen.
Nur auf diese Weise kann nämlich wie erforderlich überprüft werden, ob die Beklagte die
gegenüber der ordentlich unkündbaren Klägerin übernommene Verpflichtung bei ihrer
Konzeption überhaupt angemessen berücksichtigt hat und ob tatsächlich die etwaige
unternehmerische Konzeption die der Klägerin angebotene Vertragsänderung erzwingt
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unternehmerische Konzeption die der Klägerin angebotene Vertragsänderung erzwingt
oder ob diese auch ohne oder mit weniger einschneidenden Änderungen des
Arbeitsvertrages hätte durchgehalten werden können.
Mangels entsprechenden Vortrags der Beklagten konnte die erkennende
Berufungskammer vorliegend die notwendige Überprüfung jedoch nicht vornehmen, so
dass vom Vorliegen jedenfalls eines wichtigen Grundes für die ausgesprochene
Änderungskündigung nicht ausgegangen werden kann.
b) Die Kündigung vom 29. Juni 2006 ist auch als außerordentliche Änderungskündigung
mit Auslauffrist unwirksam.
aa) Dies folgt nach Auffassung der erkennenden Berufungskammer bereits aus dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, denn im Falle des Vorliegens eines wichtigen Grundes
lässt § 24 Nr. 7 Abs. 2 MTV Nr. 13 den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung zu, so
dass der Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung, wenn auch mit einer der
ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist, unverhältnismäßig ist.
bb) Außerdem ist der erforderliche wichtige Grund nicht gegeben. Insoweit kann auf die
Ausführungen unter 2. a) bb) verwiesen werden.
3. Das Arbeitsverhältnis war auch nicht gemäß §§ 9, 10 KSchG gegen Zahlung einer
Abfindung aufzulösen, denn die Beklagte hat jedenfalls keine Gründe vorgetragen, die
eine den Betriebszwecken dienende weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien
nicht erwarten lassen.
Soweit sich die Beklagte insoweit auf die von der Klägerin - nach Behauptung der
Beklagten wider besseren Wissens - erhobenen Vollmachtsrügen gemäß § 174 BGB
bezieht, reicht dies nicht aus.
Denn insoweit hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin einerseits lediglich von einem
ihr grundsätzlich gemäß § 174 BGB zustehenden Recht Gebrauch gemacht und es ist
andererseits nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht vorgetragen, wie sich
dieses Vorgehen auf die weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien auswirken soll,
zumal die Klägerin im Prozessverlauf den Ausführungen der Beklagten hinsichtlich der
Position von Frau V. und Herrn G. nicht weiter entgegengetreten ist.
4. Im Übrigen war das Urteil erster Instanz jedoch abzuändern und die Klage als
unzulässig abzuweisen.
a) Soweit die Klägerin Feststellung des ungekündigten Fortbestandes ihres
Arbeitsverhältnisses über den 31. Dezember 2006 hinaus begehrt, fehlt ihr das gemäß §
256 ZPO erforderliche rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung, denn es ist
nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht vorgetragen, dass außer den
Kündigungen vom 14. und 29. Juni 2006 weitere Beendigungstatbestände im Streit
stehen oder entstehen könnten oder aus welchen solchen sonstigen Gründen ein
berechtigtes Interesse an der beantragten Feststellung bestehen soll.
b) Gleiches gilt für die beantragte Feststellung, dass die Versetzung der Klägerin zum
01. September 2006 oder zu einem späteren Zeitpunkt rechtswidrig ist.
Da die Klägerin ab 01. Januar 2007 infolge der Vorbehaltsannahme vertraglich zur
Aufnahme die Tätigkeit in Frankfurt verpflichtet war, hätte es ihr oblegen darzulegen
aufgrund welcher Tatsachen ihrerseits ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der
Nichtrechtmäßigkeit der Versetzungsanordnung in der Vergangenheit also für den
Zeitraum vom 01. September/01. Oktober bis 31. Dezember 2006 besteht. Dies hat sie
jedoch trotz entsprechenden Hinweises in der mündlichen Verhandlung am 09. August
2007 nicht getan.
Soweit die Klägerin die entsprechende Feststellung für einen jeglichen „späteren
Zeitpunkt“ begehrt, fehlt ihr jedenfalls für diesen uneingeschränkten Antrag ebenfalls
das Feststellungsinteresse.
c) Soweit die Klägerin Verurteilung der Beklagten zur Beschäftigung - nicht
Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens
- in Berlin begehrt, fehlt ihr nach Auffassung der erkennenden Berufungskammer das
erforderliche Rechtsschutzinteresse, da die Beklagter zu keiner Zeit und in keiner Weise
zu erkennen gegeben hat, dass sie auch im Falle rechtskräftigen Unterliegens mit den
ausgesprochenen Kündigungen nicht bereit wäre die Klägerin vertragsgemäß zu
beschäftigen.
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Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten das Urteil erster Instanz teilweise
abzuändern, die Berufung im Übrigen jedoch zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92, 97 ZPO.
IV.
Gegen diese Entscheidung ist für die Klägerin ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Für die Zulassung der Revision gemäß § 72 ArbGG gegen die soweit die Klägerin unterlag
am Einzelfall orientierte und unter Beachtung höchstrichterlicher Rechtsprechung
ergangene Entscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung bestand kein rechtlich
begründeter Anlass.
Für die Beklagte war hingegen gemäß § 72 ArbGG die Revision zuzulassen.
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