Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 02.07.2013

schweizer recht, lugü, betriebsübergang, wirtschaftliche einheit

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 2.7.2013, 22 Sa 63/12
Annahmeverzugsprozess gegen den ausländischen Betriebserwerber
Leitsätze
Im Anschluss an einen Wechsel von Deutschland ins Ausland durch
Betriebsübergang kann sich das Arbeitsvertragsstatut ändern. Die internationale
Zuständigkeit der deutschen Gerichte im Annahmeverzugsprozess gegen den
ausländischen Betriebserwerber setzt in diesen Fall voraus, dass der
Betriebsübergang nach den Vorschriften des ausländischen Rechts dargelegt und
bewiesen wird.
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg,
Kammern Offenburg vom 24.07.2012 - 5 Ca 567/11 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über Annahmeverzug.
2 Der mittlerweile 47-jährige verheiratete Berufungsbeklagte (fortan: Kläger) war seit
09.06.1998 am Arbeitsort M. aufgrund Arbeitsvertrages vom 09.06.1998 bei der G.
GmbH (zwischenzeitlich umfirmiert in G. N. GmbH) als Sales Manager (zuletzt als
Gebietsverkaufsleiter Europa) gegen ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von
zuletzt 6666,66 EUR beschäftigt. Die G. N. GmbH hatte zum 28.02.2009 wegen
Betriebsstilllegung gekündigt. Diese Kündigung war nach rechtskräftiger
Entscheidung (zuletzt BAG 26.05.2011 - 8 AZR 37/10) im Zuge einer geplanten
Betriebsverlagerung ins nahe Ausland sozial nicht gerechtfertigt.
3 Die Berufungsklägerin (fortan: Beklagte) ist die vermeintliche
Betriebsübernehmerin und Teil der Unternehmensgruppe G. G. AG mit Sitz in B./S.
Sie gehört zum Segment „Process Engenieering“ und führt mit ca. 90
Arbeitnehmern einen Ingenieurbetrieb für die Entwicklung, die Konstruktion, die
Abwicklung und Herstellung von Granulations- und Trocknungsanlagen für die
Pharmaindustrie.
4 Im Arbeitsvertrag ist in Ziffer 13 vereinbart:
5
13. Sonstiges
13.1 Es gilt das Recht der Bundesrepublik Deutschland.
13.2 Gerichtsstand für alle Streitigkeiten aus diesem Arbeitsverhältnis ist 00000 M.
13.3 Mündliche Nebenabreden bestehen nicht. Änderungen und Ergänzungen
dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Dies gilt auch für
eine Änderung dieser Schriftformklausel.
6 Die G. N. GmbH beschäftigte Ende 2008 in etwas weniger als 60 km Entfernung
von B./S. im Betrieb M. 30 Arbeitnehmer, davon 22 im selbständigen
Geschäftsbereich B., der die Herstellung und den Vertrieb von Klappenventilen für
die Pharmaindustrie zum Gegenstand hatte. Dem Innendienst dieses Bereiches
war der Kläger zugeordnet, der teilweise von Zuhause aus arbeitete. Am
24.10.2008, dem Tag der ersten Kündigung, erhielt der Kläger wie 10 weitere
gekündigte Arbeitnehmer ein Arbeitsvertragsangebot der Beklagten. 6
Arbeitnehmer nahmen dieses Angebot an, 5 andere, darunter der Kläger, lehnten
es ab. Danach veräußerte die G. N. GmbH die für ihre Produktion und Montage im
Geschäftsbereich B. genutzten Anlagen, Maschinen und Werkzeuge sowie das
Lager an die Beklagte. Vom 17. bis 23.12.2008 erfolgten Abbau, Verladung und
der Abtransport nach B./S., wo alles wieder aufgebaut wurde. Die laufenden
Projekte der G. N. GmbH aus dem genannten Geschäftsbereich wurden auf die
Beklagte übertragen. Kunden und Lieferanten wurden dahin informiert, dass die
geschäftlichen Aktivitäten ab dem 01.01.2009 in B./S. konzentriert und alle
bestehenden Verträge nahtlos übernommen würden.
7 Im Kündigungsschutzverfahren (auf den Inhalt der beigezogenen Verfahrensakten
zum Aktenzeichen 8 AZR 37/10 wird Bezug genommen) hat die G. N. GmbH
behauptet, im September 2008 sei auf Konzernebene eine Restrukturierung der
Geschäftsbereiche beschlossen worden, die eine Zusammenlegung
verschiedener Produktgruppen an den Standorten B./S., W./B. und E./G.
beinhaltete. Zur Umsetzung dieser Restrukturierungsmaßnahme sei der
Geschäftsbereich B. zum 31.12.2008 stillgelegt worden. Seit Januar 2009 seien
keine Produktionsmittel mehr in M. vorhanden, die Mehrheit der betroffenen
Mitarbeiter sei freigestellt worden. Die Betriebsmittel aus M. seien in die
vorhandene betriebliche Einheit der Beklagten integriert worden, wo im Dezember
2008 bereits 97 Arbeitnehmer in einer eigenen Organisation beschäftigt gewesen
seien. Diese vorhandene Organisation werde auch für Arbeiten im
Geschäftsbereich B. mit genutzt, die Arbeitsorganisation der G. N. GmbH habe
sich die Beklagte nicht zu Eigen gemacht. Eine eigenständige betriebliche Einheit,
die dem Betriebsteil B. der G. N. GmbH entspräche, existiere in B./S. nicht, zumal
auch nicht alle Tätigkeiten, die bei der G. N. GmbH ausgeführt wurden, von der
Beklagten wahrgenommen würden. So seien insbesondere Konstruktions- und
Entwicklungsarbeiten an externe Dienstleister vergeben worden. Damit sei ein die
Identität wahrender Wiederaufbau des Betriebsteils im Sinne eines
Betriebsteilübergangs in B./S. nicht erfolgt.
8 Der Kläger begehrte beim Arbeitsgericht nunmehr Annahmeverzugslohn für die
Zeit von April 2009 bis Dezember 2011. Er hat behauptet, das Arbeitsverhältnis sei
von der G. N. GmbH auf die Beklagte übergegangen. Der Betriebsübergang folge
bereits aus der Rechtskrafterstreckung gem. den §§ 265 Abs. 2, 325 Abs.1 und
727 ZPO analog. Die internationale Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Freiburg (O.)
folge aus Art. 19 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die
Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
vom 21.12.2007 (LugÜ). Die örtliche Zuständigkeit folge aus § 48 Abs. 1a ArbGG,
weil der Kläger als Außendienstmitarbeiter an ein bis zwei Tagen im Home Office
gearbeitet habe. Auf den Sachverhalt sei deutsches Recht anzuwenden. Die
Betriebsverlagerung sei identitätswahrend gewesen.
9
Der Kläger beantragte beim Arbeitsgericht
10 Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 59.778,35 EUR nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins der EZB aus
620,91 EUR seit dem 04.05.2009, sowie jeweils weiteren Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszins der EZB aus
11
1.241,82 EUR seit dem 02.06.2009, sowie aus
1.862,73 EUR seit dem 01.07.2009, sowie aus
3.066,54 EUR seit dem 03.08.2009, sowie aus
3.687,45 EUR seit dem 01.09.2009, sowie aus
4.308,36 EUR seit dem 01.10.2009, sowie aus
4.929,27 EUR seit dem 02.11.2009, sowie aus
11.087,59 EUR seit dem 01.12.2009, sowie aus
11.708,50 EUR seit dem 02.01.2009, sowie aus
12.329,41 EUR seit dem 01.02.2010, sowie aus
24.164,47 EUR seit dem 01.03.2010, sowie aus
24.785,38 e
seit dem 01.04.2010, sowie aus
25.406,29 EUR seit dem 03.05.2010, sowie aus
26.027,20 EUR seit dem 01.06.2010, sowie aus
26.648,11 EUR seit dem 01.07.2010, sowie aus
27.851,92 EUR seit dem 02.08.2010, sowie aus
28.472,83 EUR seit dem 01.09.2010, sowie aus
29.093,74 EUR seit dem 01.10.2010, sowie aus
29.920,45 EUR seit dem 02.11.2010, sowie aus
35.872,97 EUR seit dem 01.12.2010, sowie aus
36.493,88 EUR seit dem 03.01.2011, sowie aus
37.114,79 EUR seit dem 02.02.2011, sowie aus
48.949,85 EUR seit dem 01.03.2011, sowie aus
49.570,76 EUR seit dem 01.04.2011, sowie aus
50.081,67 EUR seit dem 02.05.2011, sowie aus
50.592,58 EUR seit dem 01.06.2011, sowie aus
51.103,49 EUR seit dem 01.07.2011, sowie aus
52.197,30 EUR seit dem 01.08.2011, sowie aus
52.708,21 EUR seit dem 01.09.2011, sowie aus
53.219,12 EUR seit dem 01.10.2011, sowie aus
53.935,83 EUR seit dem 02.11.2011, sowie aus
59.778,35 EUR seit dem 01.12.2011,
12 abzüglich am 01.02.2010 erworbener 4.125,00 EUR sowie abzüglich am
01.08.2011 erworbener 5.500,00 EUR zu zahlen.
13
Die Beklagte beantragte erstinstanzlich,
14 die Klage abzuweisen.
15 Das Arbeitsgericht Freiburg - Kammern O. sei weder international noch örtlich
zuständig, so dass die Klage unzulässig sei. Darüber hinaus sei Schweizer Recht
anzuwenden und es habe keinen Betriebsübergang gegeben. Mangels
Betriebsübergang lägen auch die Voraussetzungen der Art. 18 und 19 LugÜ nicht
vor. Selbst wenn jedoch eine arbeitsvertragliche Beziehung zwischen der
Beklagten und dem Kläger vorliegen würde, habe der Kläger keinen Arbeitsort in
Deutschland.
16 Das Arbeitsgericht hat mit dem angegriffenen Zwischenurteil die Zuständigkeit der
Deutschen Gerichte für Arbeitssachen bejaht. Die internationale Zuständigkeit der
Deutschen Gerichte folge aus Art. 19 Ziff. 2a i.V.m. Art. 18 Ziff. 1 LugÜ. Dabei habe
der Kläger seine Arbeit gewöhnlich in Deutschland verrichtet. Die Parteien seien
vertraglich verbunden weil ein Betriebsübergang vorliege.
17 Das Zwischenurteil des Arbeitsgerichts Freiburg - Kammern O. vom 24.07.2012
wurde der Beklagten am 16.08.2012 zugestellt. Deren Berufung ging am
22.08.2012 per Fax beim Landesarbeitsgericht ein und wurde nach
Fristverlängerung per Fax vom 16.11.2012 begründet. Die Berufung und deren
Begründung sind damit rechtzeitig.
18 Im Berufungsrechtszug rügt die Beklagte
19 (1) einen Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters. Das Arbeitsgericht
Freiburg - Kammern O. sei nach Maßgabe des Geschäftsverteilungsplanes des
Arbeitsgerichts Freiburg für das Jahr 2012 nicht zuständig. Der Kläger habe seine
Arbeit überwiegend in M. erbracht, so dass die Kammern Freiburg zuständig seien.
Dies habe zur Folge, dass nach § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO das Zwischenurteil
aufzuheben und das Verfahren an die nach dem Geschäftsverteilungsplan an sich
zuständige 11. Kammer des Arbeitsgerichts Freiburg zurückzuverweisen sei.
20 (2) dass unabhängig davon das Berufungsgericht nach § 538 Abs. 2
Einleitungssatz ZPO in Verbindung mit § 535 Abs. 1 ZPO die Klage insgesamt als
unzulässig abzuweisen habe, weil sich die Unzulässigkeit bereits aus dem
Tatsachenvortrag des Klägers ableiten lasse. Die deutschen Arbeitsgerichte seien
für die vorliegende Klage international nicht zuständig, weil der Kläger die
Voraussetzungen der Art. 18, 19 LugÜ weder dargelegt noch unter Beweis gestellt
habe.
21 (3) Art. 18, 19 LugÜ setzten voraus, dass zwischen den Parteien ein
Arbeitsverhältnis bestanden habe, was der Kläger darlegen und beweisen müsse.
Dem Kläger sei substantiierter Vortrag zu diesem Punkt nicht gelungen. Es liege
insbesondere kein Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte nach § 613
a BGB vor. Das Arbeitsgericht nehme das Vorliegen eines Betriebsüberganges nur
deshalb an, weil es sich an die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts anhänge.
Jenes habe aber nur entschieden, dass im Oktober 2008 die Absicht bestanden
habe, einen Betriebsübergang herbeizuführen. Ob dies tatsächlich stattgefunden
habe, besage das unzulässig (wird ausgeführt) herangezogene Urteil nicht.
22 (4) § 613 a Abs. 1 BGB sei auf grenzüberschreitende Sachverhalte nicht
anwendbar. Es führe zu paradoxen Ergebnissen, wenn mit dem Vollzug des
grenzüberschreitenden Betriebsüberganges ein Statutenwechsel stattfinde. Die
Vorschrift setze ja gerade die Fortgeltung des seitherigen Rechts voraus.
Anderenfalls sei Arbeitnehmerschutz im Falle von Betriebsverlagerungen ins
Ausland nicht zu gewährleisten.
23 (5) § 613 a Abs. 1 BGB sei vorliegend auch nicht auf Grund einer Rechtswahl-
oder Gerichtsstandsvereinbarung auf die Auslandsverlagerung anwendbar. Die
zwischen der G. N. GmbH und dem Kläger vereinbarte Gerichtsstandsklausel sei
unwirksam, da die Voraussetzungen der §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 38 ZPO nicht
vorlägen. Beide Vertragsparteien hätten bei Abschluss des Arbeitsvertrages einen
inländischen Allgemeinen Gerichtsstand gehabt. Deshalb habe auch das
Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass eine Rechtswahlklausel nicht vorliege. In
der Schweiz sei die Wahl eines beliebigen Rechts nach Art. 121 Abs. 3 IPRG nicht
zulässig. Es liege keiner der Ausnahmetatbestände im Sinne des Art. 212 IPRG
vor, so dass die in Ziffer 13.1 des Arbeitsvertrages getroffene Rechtswahl infolge
des vermeintlichen Betriebsüberganges unwirksam sei. Die Tatsache, dass ein
Arbeitsvertrag zwischen dem deutschen Betriebsveräußerer und dem deutschen
Arbeitnehmer deutsches Recht für anwendbar erkläre, könne nicht maßgeblich für
die Beurteilung der Frage sein, welcher Rechtsordnung ein ausländischer
Erwerber unterliege.
24 (6) Darüber hinaus liege auch tatsächlich kein Teilbetriebsübergang vor. § 613 a
BGB könne nur dann Anwendung finden, wenn der Erwerber von dem Veräußerer
einen funktionsfähigen Organisationszusammenhang übernehme und so von dem
Vorteil einer vom Vorgänger geschaffenen Betriebsorganisation profitiere. Es sei
von entscheidender Bedeutung, ob der Betriebsteil von dem Erwerber
identitätswahrend fortgeführt werde. Eine wirtschaftliche Einheit wahre dann nicht
ihre Identität, wenn die Tätigkeiten auf Grund einer andersartigen
Organisationsstruktur wesentlich geändert worden seien. So liege der Fall hier.
Bereits die Auslandsverlagerung stelle ein beachtliches Indiz für eine
Betriebsstilllegung dar. Darüber hinaus habe die Beklagte von der G. N. GmbH
einzelne Produktionsmittel erworben, um damit deren Produkte in die vorhandene
Betriebsstruktur zu integrieren. Die Beklagte habe weder Gegenstände aus dem
Verwaltungsbereich übernommen, noch Leitungsfunktionen oder Konstruktions-
und Entwicklungsarbeiten fortgeführt.
25 (7) Selbst wenn man der Argumentation des Klägers folge, sei das
Arbeitsverhältnis des Klägers nicht auf die Beklagte übergegangen. Der Kläger sei
dem Vertriebsbereich der G. N. GmbH zugeordnet gewesen, den die Beklagte
keinesfalls übernommen habe. Damit sei der Kläger nicht dem vermeintlich
übergegangen Teilbetrieb zuzuordnen gewesen.
26 (8) Der Kläger habe schließlich dem Betriebsübergang ausdrücklich
widersprochen. Im Rahmen des gegen die G. N. GmbH geführten
Kündigungsschutzverfahrens habe er durchweg vorgetragen, dass er dem
Übergang seines Arbeitsverhältnisses mit Erhebung der Klage entgegengetreten
sei. Dies müsse der Kläger gegen sich gelten lassen. Im Falle der wesentlichen
Änderung des Arbeitsortes gingen nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts zudem nur diejenigen Arbeitnehmer über, die die
Bereitschaft zur Arbeit am neuen Arbeitsort bekundet hätten. Vorliegend sei dem
Kläger noch vor der Verlagerung der Betriebsmittel ein Arbeitsplatz in der Schweiz
angeboten worden, was der Kläger ausdrücklich abgelehnt habe.
27 (9) Nicht zuletzt bestünde selbst, wenn man vom Vorliegen eines
Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien ausgehe, kein gewöhnlicher Arbeitsort
des Klägers in Deutschland. Maßgeblicher und damit gewöhnlicher Arbeitsort des
Klägers im Sinne des Art. 19 Ziffer 2a 1. Alt LugÜ sei der Betriebssitz der Beklagten
in B./S. Unterstelle man mit dem Kläger eine Verlagerung des Teilbetriebs aus M.,
so habe sich der Arbeitsplatz des Klägers mit einem solchen Teilbetriebsübergang
in die Schweiz verlagert. Überdies enthalte der Arbeitsvertrag des Klägers mit der
G. N. GmbH eine Versetzungsklausel. Ein Home Office habe der Kläger nicht
unterhalten und seine wesentlichen Tätigkeiten seien im Betrieb im M. erbracht
worden.
28
Die Beklagte beantragt im Berufungsrechtszug
29 das Zwischenurteil des Arbeitsgerichts Freiburg - Kammern O. - vom 24.07.2012,
Az. 5 Ca 567/11, abzuändern und die Klage abzuweisen.
30 Hilfsweise für den Fall, dass das Berufungsgericht dem Antrag nicht stattgibt,
31
beantragte die Beklagte
,
32 den Rechtsstreit an die 11. Kammer des Arbeitsgerichts Freiburg - Kammern O. -
zurückzuweisen.
33
Der Kläger beantragt,
34 die Berufung zurückzuverweisen.
35 Die Antragsstellung der Beklagten sei unklar und gehe ins Leere. Unabhängig
davon sei das Zwischenurteil richtig und vom richtigen Gericht erlassen worden.
Das Landesarbeitsgericht habe bereits im Vorprozess (11 Sa 40/09) festgestellt,
dass der Kläger für die G. N. GmbH im Home Office gearbeitet habe.
36 Der Kläger lässt sich auf die Berufung zur Sache wie folgt ein:
37 (1) Die behauptete Unterteilung der Beklagten in „Divisionen“ sei belanglos. Bereits
das Bundesarbeitsgericht habe festgestellt, dass es auf die Beibehaltung der
seitherigen Organisationsstruktur nicht entscheidend ankomme; dies gelte erst
recht für die heutigen Strukturen.
38 (2) Die Beklagte wolle mit ihren Strukturausführungen nur Verwirrung stiften. Was
den Arbeitsplatz/Arbeitsort des Klägers betreffe, wolle die Beklagte offenbar keine
Kenntnis davon haben, dass der Kläger mit der G. N. GmbH eine Vereinbarung
über die Möglichkeit der Dienstleistung im Home Office getroffen habe. Das sei
umso befremdlicher, als dass der Geschäftsführer der Beklagten mit dem Kläger
am 06.11.2008 das Angebot des Schweizer Arbeitsvertrages verhandelt habe und
das Home Office Gegenstand gewesen sei.
39 (3) Zur Richtigstellung des Hintergrundes der Kündigungsstreitigkeit sei auf die
Rechtskrafterstreckung des LAG-Urteils zu verweisen, auf welches das
Arbeitsgericht im angegriffenen Zwischenurteil Bezug genommen habe. Soweit die
Beklagte noch einmal versuche, eine Betriebsstilllegung der G. N. GmbH zu
begründen, mache sich der Kläger die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts
zu eigen. Die Beklagte behaupte diffus, sie nutze eine bereits vorhandene
Organisation. Das sei nicht richtig. Nur durch den Nachfolger des Klägers, den
Zeugen G. P., sei es der Beklagten möglich gewesen, nahtlos die
Lieferverpflichtungen aus der Produktlinie B. von B. aus zu erfüllen.
40 (4) Der Vortrag der Beklagten zu den Strukturen vom Jahreswechsel 2008/2009
sei falsch und widersprüchlich. Wie sonst, wenn nicht durch die einheitliche
Verwendung der übernommenen Anlagen und Maschinen, der sie bedienenden
Mitarbeiter, des Lagers, der Kunden- und Lieferantenbeziehungen, sowie des
know hows könne die Beklagte in der Schweiz die gleichen Klappenventile
produzieren, wie damals die G. N. GmbH? Darauf komme es nach der
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jedoch auch gar nicht an.
Entscheidend sei, dass der Funktions- und Zweckzusammenhang beibehalten
werde, was dem Erwerber gestatte, die übernommenen Produktionsfaktoren zu
nutzen.
41 (5) Auch die c. c. belege den Transfer der Betriebsmittel und die weiter bestehende
Betriebsidentität. Aus der Not fehlender Einwendungen gegen den
Teilbetriebsübergang steigere die Beklagte ihren ohnehin schon nebulösen
Vortrag, indem sie den Klägervortrag bewusst fehlinterpretieren wolle. Der Zeuge
G. P. habe bei der Beklagten den know how Transfer über die
Kundenbeziehungen und den Stand der Aufträge einarbeiten müssen, so dass die
beharrliche Behauptung der Beklagten zur Betriebsstillegung vor dem Hintergrund
der rechtskräftigen Entscheidung in keinster Weise nachvollziehbar sei.
42 (6) Durch die rechtskräftige Abweisung des Feststellungsantrages zum
Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses mit der G. N. GmbH ergebe sich zwanglos,
dass das Arbeitsverhältnis auf die Beklagte übergegangen sei. Mit wem sonst,
wenn nicht mit der Beklagten sollte denn der Kläger bei unwirksamer Kündigung im
Arbeitsverhältnis stehen? Diesen Zusammenhang habe der aus taktischem Kalkül
gestellte Feststellungsantrag untermauert.
43 (7) Die Beklagte habe gegen das Zwischenurteil keine rechtlich relevanten Angriffe
landen können. Keinesfalls habe die 5. Kammer des Arbeitsgerichts O. eine
willkürliche Entscheidung getroffen. Sie stelle nach dem Klägervortrag zum Home
Office den gesetzlichen Richter da.
44 (8) Die Parteien hätten im Arbeitsvertrag die Anwendung deutschen Rechts, damit
auch § 613 a BGB vereinbart, so dass die internationale Zuständigkeit bejaht
werden müsse. Wenn die Beklagte die Anwendbarkeit des § 613 a BGB auf
grenzüberschreitende Sachverhalte verneine, verschließe sie die Augen vor der
gegenteiligen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Das Bundesarbeitsgericht
habe sogar unabhängig von dem ausdrücklich vereinbarten deutschen Recht die
Geltung von § 613 a BGB im Nicht-EU-Land entschieden.
45 (9) Der Kläger habe dem übergegangenen Betriebsteil angehört und seine
fehlende Bereitschaft zur Annahme des Schweizer Arbeitsangebots sei nicht als
generelle Ablehnung zu werten. Der Kläger habe nach dem Stand der
Rechtsprechung davon ausgehen können, dass sein Arbeitsverhältnis auf die
Beklagte übergegangen sei und damit schlechtere Vertragsangebote ablehnen
können. Man sehe an dem Arbeitsvertragsangebot, dass der Kläger der Beklagten
als know how Träger fehlte, weshalb er seinen Nachfolger P. habe einarbeiten
müssen.
46 (10) Der Kläger habe den Betriebsübergang zu keinem Zeitpunkt widersprochen.
Im Übrigen sei er auch weder von der G. N. GmbH noch von der Beklagten vom
Betriebsübergang informiert worden.
47 (11) Für den Gerichtsstand komme es nach Art.19 Ziffer 2 a LugÜ nur darauf an,
wo der Kläger seine Leistung zuletzt gewöhnlich erbracht habe. Wenn die Beklagte
ihr Direktionsrecht gegenüber dem Kläger antizipiere, lege sie in hypothetischen
Gedankenspielen den Vortrag des Klägers zu Grunde. Die anderweitigen
Gedankenspiele seien Ausdruck einer eigenartigen und nicht zeitgemäßen
Denkungsart.
48 Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt
der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlägen und Bezugnahmen
sowie auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
49 Die bereits nach dem Beschwerdewert statthafte (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) sowie
form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung (§§ 66 Abs. 1 Satz 1,
64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 280 Abs. 2, 519 Abs. 1 und 2, 520 Abs. 3 ZPO) ist
zulässig.
50 Das vom Arbeitsgericht erlassene Zwischenurteil ist ausnahmsweise nach § 280
Abs. 2 S. 1 ZPO mit dem Rechtsmittel der Berufung angreifbar. Der Streit betrifft die
Frage der internationalen Zuständigkeit des angegangenen Gerichtes.
II.
51 Die Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Die Klage ist unzulässig, weil
die Beklagte der deutschen Gerichtsbarkeit nicht unterworfen ist.
52 1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt sich unabhängig
vom vermeintlichen Betriebsübergang nicht aus Ziff. 13.2. des Arbeitsvertrages
zwischen dem Kläger und der G. N. GmbH vom 09.06.1998.
53 Nach Ziff. 13.2. des Arbeitsvertrages zwischen dem Kläger und der G. N. GmbH ist
Gerichtsstand für alle Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis D-00000 M. Auf die
Rechtswirksamkeit dieser Gerichtsstandsvereinbarung nach geltendem
innerstaatlichem Recht kommt es vorliegend nicht an, weil die Bestimmungen des
Lugano-Übereinkommens vom 30.10.2007 gegenüber § 38 Abs. 2 Satz 1 ZPO
vorrangig sind (vgl. BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 562/08 - EzA ZPO 2002 § 38
Nr. 1 mwN. in Juris Rn. 15; Geimer 5. Aufl. Rn. 1643). Nach Art. 17 Nr. 1 LugÜ
kann von den Vorschriften des 4. Abschnitts nur abgewichen werden, wenn die
Vereinbarung nach Entstehen der Streitigkeit getroffen wird. Dies ist hier nicht der
Fall, weil die Gerichtsstandsvereinbarung bereits Gegenstand des Arbeitsvertrages
vom 09.06.1998 war. Die internationale Zuständigkeit richtet sich danach nach
dem LugÜ, wobei dort die Art. 18 und 19 maßgeblich sind.
54 2. Vorliegend hat die Beklagte ihren Geschäftssitz in B./S. mit der Folge, dass Art.
19 Nr. 2a LugÜ Anwendung findet (Art. 2 Abs.1, 60 Abs. 1 LugÜ). Danach kommt
es für die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für Arbeitssachen
unter anderem darauf an, ob zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht.
55 a. Das LugÜ ist von den Gerichten der Mitgliedstaaten anzuwenden, wenn die
maßgeblichen Bezugspunkte über den Kreis der Mitgliedstaaten hinausführen und
auf einen Lugano-Staat weisen. Diese Grundregel führt Art. 64 Abs. 2 LugÜ (früher
Art. 54b Abs. 2) für die drei Bereiche Zuständigkeit, Rechtshängigkeit sowie
Anerkennung und Vollstreckung weiter aus. Danach ist das LugÜ insbesondere
anzuwenden, wenn die beklagte Partei ihren Wohnsitz in einem sog. „Lugano-
Staat“ hat. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Arbeitsgerichte käme für
die vorliegende Klage nur in Betracht, soweit sich eine solche aus den
besonderen Vorschriften des LugÜ ergäbe. Einschlägig sind die Vorschriften der
Art. 18, 19 Nr. 2a LugÜ. Gemäß Art. 18 LugÜ bestimmt sich die internationale
Zuständigkeit von Arbeitsgerichten nach der Regelung in Art. 19 ff. LugÜ soweit
wie hier Ansprüche aus einem individuellem Arbeitsvertrag tangiert sind. Nach Art.
19 Nr.1 LugÜ kann ein Arbeitgeber grundsätzlich nur vor den Gerichten des
Mitgliedstaates verklagt werden, in dem er seinen Unternehmenssitz hat. In einem
anderen Mitgliedsstaat kann ein Arbeitgeber nach Art. 19 Nr.2 a LugÜ allenfalls
vor dem Gericht des Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit
verrichtet oder zuletzt verrichtet hat, verklagt werden.
56 b. Damit ist zwingende Voraussetzung für eine Zuständigkeit der deutschen
Arbeitsgerichte, (1) dass der Kläger in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten steht
oder gestanden hat, (2) dass der Kläger Ansprüche aus eben diesem
Arbeitsverhältnis geltend macht und schließlich (3) dass der Kläger seine
Arbeitsleistung für die Beklagte in dem Vertragsstaat in dem er nunmehr seine
Klage erhebt, gewöhnlich erbringt oder dort zuletzt gewöhnlich erbracht hat. Der
Kläger ist für diese Voraussetzungen darlegungs- und beweispflichtig. Aus diesem
Grund hat das Arbeitsgericht dem Kläger unter Nr. 4 der Verfügung vom
01.02.2012 aufgegeben, vorzutragen und unter Beweis zu stellen, wann durch
welche rechtsgeschäftlichen Erklärungen welche betriebliche Einheit mit welchen
materiellen, immateriellen und personellen Betriebsmitteln von wem auf die
Beklagte übertragen worden sein soll. Das Arbeitsgericht hat den Kläger auf die
Anforderungen für die Annahme des Betriebsteilüberganges hingewiesen. Dem
Kläger wurde im letzten Satz der genannten Verfügung deutlich gemacht, dass
sich die Rechtskraftwirkung des Urteils des BAG vom 26.05.2011 - 8 AZR 793/09 -
nicht auf die am dortigen Verfahren nicht beteiligte Beklagte erstreckt.
57 3. Der Kläger hat es nicht geschafft, den Übergang des mit der G. N. GmbH
bestehenden Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte nach § 613 a BGB darzulegen.
58 a. Zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreites besteht und bestand
zu keinem Zeitpunkt ein Arbeitsverhältnis. Der Kläger hat nicht in erforderlichem
Maße Tatsachen vorgetragen, aus denen das Vorliegen eines
Betriebsteilüberganges gefolgert werden könnte. Die vom Kläger vielfach in Bezug
genommenen Entscheidungen in Sachen B. gegen G. N. GmbH ersetzen
mangels Rechtskraftwirkung im vorliegenden Prozess gegen die Beklagte keinen
Tatsachenvortrag zum Betriebsübergang: Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner
Entscheidung vom 26.05.2011 - 8 AZR 37/10 lediglich rechtskräftig festgestellt,
dass die G. N. GmbH im Zeitpunkt der dort streitigen Kündigung nicht die Absicht
hatte, den Betriebsteil B. dauerhaft stillzulegen. Vielmehr hatte die G. N. GmbH
nach den Entscheidungsgründen des oben genannten Urteils im Oktober 2008
beabsichtigt, den organisatorisch abgegrenzten Bereich B. im Wege des
Teilbetriebsüberganges im Sinne des § 613 a BGB auf die hiesige Beklagte in B./
S. zu übertragen. Zu dieser Betrachtung kommt das Bundesarbeitsgericht mit dem
Landesarbeitsgericht aufgrund einer Gesamtwürdigung aller den betreffenden
Vorgang kennzeichnenden Teilaspekte (zur Vermeidung von Wiederholungen
wird insbesondere auf Rn. 32, juris, a.a.O. verwiesen).
59 b. Die Berufung rügt zu Recht, dass das Arbeitsgericht das Vorliegen eines
Betriebsüberganges nur annehme, indem es die gesetzlich gesperrte
Rechtskraftwirkung des Urteils B./G. N. GmbH dadurch herstelle, dass es sich „die
Ausführungen“ zu Eigen mache. In den dortigen Entscheidungsgründen wird
jedoch unabhängig von einer Rechtskrafterstreckung die Frage, ob die im Oktober
2008 bestehende Absicht auch umgesetzt wurde überhaupt nicht angesprochen
bzw. entschieden. Die Urteile enthalten Feststellungen zur
Betriebsstilllegungsabsicht der G. N. GmbH, nicht jedoch dazu, (1) ob ein
Teilbetriebsübergang auf die Beklagte tatsächlich bewirkt wurde, (2) ob das
Arbeitsverhältnis des Klägers der übergegangenen Einheit zugeordnet war und (3)
ob der Kläger einem Betriebsübergang widersprochen hat. Dabei kann offen
bleiben, ob § 613 a Abs. 1 BGB auf grenzüberschreitende Sachverhalte in ein
Nicht-EU-Land überhaupt anwendbar ist (mit guten Gründen dagegen s. die Nw.
S. 35/ 36 der Berufungsbegründung).
60 c. In Abgrenzung zu einem Betriebsübergang liegt eine Betriebs(teils)-Stilllegung
vor, wenn die Identität der wirtschaftlichen Einheit dadurch aufgehoben wird, dass
der Betrieb(steil) nicht unerheblich räumlich verlegt sowie die alte
Betriebsgemeinschaft tatsächlich aufgelöst wird und der Aufbau einer
wesentlichen neuen Betriebsgemeinschaft erfolgt (vgl. BAG, Urteil vom 12.2.1987
- 2 AZR 247/86, NZA 1988, 170, 171. Ein Zwangseintritt des Erwerbers gemäß §
613 a BGB in alle bestehenden Arbeitsverhältnisse ist nach Sinn und Zweck der
Norm daher nur dann gewollt, wenn dieser einen funktionsfähigen
Organisationszusammenhang als solchen übernimmt und so von dem Vorteil
einer vom Vorgänger geschaffenen Betriebsorganisation profitiert
(Willemsen/Hohenstatt/Schweibert, Umstrukturierung und Übertragung von
Unternehmen, 4. Auflage, 2011, G, Rn. 99). Der „Erwerber eines Betriebs oder
Betriebsteils muss sich folglich geradezu „ins gemachte Bett" legen (BAG, Urteil
vom 6.4.2006 - 8 AZR 249/04, NZA 2006, 1039, 1042). Ohne die Nutzung der vom
Vorgänger konkret geschaffenen Arbeitsorganisation kann es daher letztlich
keinen Betriebsübergang geben (ständige Rspr., vgl. BAG, Urteil vom 6.4.2006 - 8
AZR 249/04, NZA 2006, S. 1039, 1040; BAG, Urteil vom 18.2.1999 - 8 AZR
485/97, NZA 1999, S. 648, 649; BAG, Urteil vom 18.3.1999 - 8 AZR 196/98, NZA
1999, S. 869, 870; Willemsen/Hohenstatt/Schweibert, Umstrukturierung und
Übertragung von Unternehmen, 4. Auflage, 2011, G, Rn. 99).
61 Eine wirtschaftliche Einheit wahrt demnach insbesondere dann nicht ihre Identität,
wenn die Tätigkeiten aufgrund eines erheblich veränderten Konzepts und einer
andersartigen Arbeits- oder Organisationsstruktur als wesentlich geändert
angesehen werden müssen (BAG, Urteil vom 4.5.2006 - 8 AZR 299/05, NZA
2006, 1096, 1098). Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ist ein
Betriebsübergang regelmäßig schon abzulehnen, weil von einer erheblichen
lokalen Veränderung und der Auflösung der alten Betriebsgemeinschaft
ausgegangen werden muss, womit eine Betriebsstilllegung und kein
Betriebsübergang mehr gegeben ist (MünchArbR/Cohnen/Tepass, 3. Auflage,
20012, § 50, Rn. 64; vgl. zur erheblichen lokalen Veränderung und der Ablehnung
eines Betriebsübergangs aus der Rechtsprechung: BAG, Urteil vom 16.5.2002 - 8
AZR 319/02, NZA 2003, 93 LAG Düsseldorf, Urteil vom 16.2.1995 - 12 Sa
1925/94, LAGE Nr. 45 zu § 613 a BGB; LAG Hamburg, Urteil vom 22.5.2003 - 8
Sa 29/03, AfP 2004, 377).
62 d. Vorliegend hat die Beklagte behauptet, lediglich einzelne Betriebsmittel auf der
Grundlage eines in der Schweiz geschlossenen Kaufvertrages nach
schweizerischem Recht erworben zu haben. Dort seien sie in die
Organisationsstruktur des von der Beklagten in B. unterhaltenen Betriebes
eingegliedert worden. Die Beklagte habe sich demnach keinerlei
Arbeitsorganisation der G. N. GmbH im Sinne des § 613 a BGB zu Eigen gemacht.
Die Berufung rügt zu Recht, dass dergleichen von dem Kläger, der insofern
darlegungs- und beweisbelastet ist, auch nicht behauptet worden sei. Vor diesem
Hintergrund fehlten der Berufungskammer belastbare Anhaltspunkte für das
Vorliegen eines Betriebsübergangs im Sinne der Übernahme und Fortführung
einer betrieblichen Einheit, wie sie die Rechtsprechung für die Auslösung der
Rechtsfolgen des § 613 a BGB voraussetzt.
63 Soweit sich der Kläger auf die Tatbestandsfeststellungen des Urteils des
Bundesarbeitsgerichts (BAG 26.05.2011, aaO, juris Rn. 8) bezieht, fehlen sowohl
Vortrag als auch Beweisangebote dafür, dass sich die Beklagte nach der
Eingliederung der Produktionsmittel die ursprüngliche Arbeitsorganisation zu
Eigen machte und fortführte. Das Gericht hat versucht, durch vorsorgliche Ladung
der vom Kläger „diffus“ behaupteten Tatsachengrundlagen zum
Teilbetriebsübergang den Sachverhalt in seinem Sinne weiter aufzuklären.
Insbesondere seine Behauptung, dass der Zeuge G.P. die Produktion in B./S.
nahtlos sichergestellt habe, hätte ja für eine Aufrechterhaltung der ursprünglichen
Arbeitsorganisation sprechen können. Nun ergab jedoch just die Ladung der vom
Kläger benannten ehemaligen Arbeitskollegen und Zeugen gerade nicht deren
Weiterarbeit und Eingliederung in B./S. Die Zeugen konnten sämtlich über die
Beklagte deshalb nicht geladen werden, weil sie nie für sie arbeiteten.
64 e. Vor diesem Hintergrund gelingt es der Berufungserwiderung nicht, den
Ausführungen der Beklagten wirksam entgegen zu treten: Soweit sich der Kläger
auf die Möglichkeit der Dienstleistung im Home Office beruft, verkennt er, dass er
schon nach seinem eigenen Vortrag seinen gewöhnlichen Arbeitsort im Sinne von
Art. 19 Nr. 2a LugÜ nicht an seinem Wohnort haben konnte. Verlangt wird, dass
der Arbeitnehmer wenigstens 60% seiner Arbeit an diesem Ort verrichtet (siehe die
Nachweise bei MüKoZPO/Gottwald, 4. Auflage 2013, EuGVO Art. 19 Rn. 2 Fn. 5).
Der Kläger verkennt auch, dass die rechtskräftige Abweisung des
Feststellungsantrages zum Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses mit der G. N.
GmbH nicht automatisch bedeutet, dass das Arbeitsverhältnis auf die Beklagte
übergegangen sein muss. Denn selbst wenn man unterstellt, dass die dem Urteil
des Bundesarbeitsgerichts zugrunde liegende Absicht der Teilbetriebsübertragung
auch wie geplant durchgeführt wurde, sind die deutschen Gerichte für
Arbeitssachen nicht automatisch für Klagen gegen den ausländischen Erwerber
zuständig. Eine Verurteilung des Schweizer Unternehmens auf Beschäftigung der
in Deutschland zuvor beschäftigten Arbeitnehmer könnte selbst in diesem Fall nur
dann erfolgen, wenn das Schweizerische Recht dies vorsehen würde. Mit der
Änderung des Arbeitsplatzes (Verlagerung in die Schweiz durch
Betriebsübergang) ist das deutsche Recht abgelöst worden durch das Recht, das
am neuen Arbeitsplatz gilt (nach Leuchten, ZESAR 2012, 411, 414).
65 4. Es ist dem auch insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Kläger nicht
gelungen, die Voraussetzungen für eine Zuständigkeit der deutschen
Arbeitsgerichte dadurch darzulegen, dass der Übergang des mit der G. N. GmbH
bestehenden Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte nach Vorschriften des
schweizerischen Rechts erfolgt wäre.
66 Nach der Verfügung des Arbeitsgerichts vom 01.02.2012 sollte der Kläger unter
Berücksichtigung der rechtlichen Ausführungen des genannten Urteils des
Bundesarbeitsgerichts vom 26.05.2011 seinen Anspruch nach Schweizerischem
Recht begründen. Das hat der Kläger nicht einmal versucht. Insofern dürfte er die
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts missverstanden haben. Das
Bundesarbeitsgericht hat hervorgehoben, dass zwischen dem Betriebsübergang
als solchem und der möglichen Verlagerung des Betriebes strikt zu unterscheiden
ist. Dennoch spielt der Ortswechsel eine Rolle für die Frage der Wahrung der
Identität des übernommenen Betriebsteils. Das Bundesarbeitsgericht stellte dazu
aufgrund ausführlicher Ermittlung des Sachverhalts fest, dass die Kriterien für den
Betriebsübergang, die der EuGH entwickelt habe, sämtlich erfüllt seien. Für die
Frage, ob ein Betriebsübergang nach § 613 a BGB vorliegt, kam es jedoch
zusätzlich - was der Kläger möglicherweise verkennt - auf das Arbeitsvertragsstatut
an. Dieses ist in Deutschland unabhängig von der Rechtswahl in aller Regel
Deutsches Recht, was für den Ausgangsrechtsstreit und das Verhältnis von der G.
N. GmbH zum Kläger offensichtlich war. Mit dem Wechsel des Arbeitsortes in das
Ausland ist nach der Entscheidung ein Wechsel des Arbeitsvertragsstatutes
verbunden. Im neuen Betrieb gilt unabhängig von einer etwaigen
Rechtswahlklausel oder Gerichtsstandsvereinbarung in jedem Fall Schweizer
Recht (auch nach den Art. 8 und 9 der Rom-I-VO, siehe Leuchten, aaO). Hiernach
hätte der Kläger zur Begründung der internationalen Zuständigkeit der Deutschen
Gerichte für Arbeitssachen unter Heranziehung von Schweizer Recht begründen
müssen, dass er nach der Produktionsverlagerung in einem Arbeitsverhältnis mit
der Beklagten steht. Nur dann wären die Voraussetzungen des Art. 19 Nr. 2 a
LugÜ erfüllt. Da dies nicht der Fall ist, war die Klage durch Prozessurteil
abzuweisen.
III.
67 Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger nach § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen.
IV.
68 Die Revision war für den Kläger nach § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zuzulassen.