Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 23.09.2015

betriebsrat, unternehmen, arbeitsgericht, passives wahlrecht

LArbG Baden-Württemberg Beschluß vom 23.9.2015, 21 TaBV 8/14
Wirksamkeit einer Betriebsratswahl
Leitsätze
1. Sind Beamte (Beamtinnen und Beamte) in einem Betrieb eines privatrechtlich
organsierten Unternehmens tätig, gelten sie gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG als
Arbeitnehmer iSd. Betriebsverfassungsgesetzes.
2. Voraussetzung des Tätigseins von Beamten iSd. § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG bei
Bestehen eines Dienstleistungsüberlassungsvertrags betreffend die Arbeits-
/Dienstleistung von Beamten zwischen einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und
einem privaten Unternehmen ist, dass das fachliche und organsatorische
Weisungsrecht iSd. § 106 GewO dem privatrechtlich organsierten Unternehmen
jedenfalls vertraglich zusteht und von diesem ausgeübt wird.
Sind die einem solchen Dienstleistungsüberlassungsvertrag zu Grunde liegenden
gesetzlichen Regelungen unwirksam, übt das private Unternehmen aber dennoch mit
Wissen und Wollen der Körperschaft des öffentlichen Rechts, zumindest aber mit
deren Billigung, das fachliche und organisatorische Weisungsrecht gegenüber den in
seinem Betrieb eingesetzten Beamten aus, liegt eine Integration der Beamten in den
organsierten Betrieb eines privatrechtlichen Unternehmens vor. Dass (allein) die
öffentlich-rechtliche Körperschaft die Disziplinargewalt über die beim
privatwirtschaftlich organsierten Unternehmen tätigen Beamten behält und diese nicht,
auch nicht teilweise, vom privaten Unternehmen kraft des
Dienstleistungsüberlassungsvertrags/ kraft Gesetzes direkt gegenüber den Beamten
ausgeübt werden kann, ändert daran nichts.
3. Eine Betriebsratswahl, die im Betrieb eines privatrechtlich organisierten
Unternehmens ohne Berücksichtigung von Wahlberechtigung und Wählbarkeit vom in
diesem Betrieb iSd. § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG tätigen Beamten durchgeführt wird, ist
anfechtbar.
Tenor
1. Die Beschwerde des Bet. zu 4 gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts
Stuttgart vom 20.11.2014 - Az: 30 BV 107/14 - wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird für den Bet. zu 4 zugelassen.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.
2 Bei den Beteiligten Ziffern 1, 2 und 3 (im Weiteren: Antragsteller) handelt es sich
um Landesbeamte, die bei der gGmbH eingesetzt sind. Bei der gGmbH fand am
06.05.2014 eine Betriebsratswahl statt, aus der der Beteiligte Ziffer 4 (im Weiteren:
Betriebsrat) hervorgegangen ist. Der Betriebsrat besteht derzeit aus neun
Mitgliedern. Bei der gGmbH sind insgesamt 400 bis 500 Personen beschäftigt, von
denen etwas weniger als die Hälfte Landesbeamte sind.
3 Die Firma gGmbH nimmt in B. landesweit die gesetzlichen Aufgaben der
Bewährungs- und Gerichtshilfe sowie des Täter-Opfer-Ausgleichs wahr. Grundlage
hierfür ist § 7 des Landesgesetzes über die Bewährungs- und Gerichtshilfe sowie
die Sozialarbeit im Justizvollzug (LBGS). Die Bewährungs- und Gerichtshilfe wird
zum einen von Angestellten der gGmbH und zum anderen von
Landesbediensteten (Angestellten und Beamten) durchgeführt. Nach § 8 Nr. 3
LBGS sind die Landesbediensteten den fachlichen Weisungen der gGmbH
unterworfen. Mit der Durchführungsverordnung des LBGS (DVO LBGS) wurden die
Niederlassungen der gGmbH und die Dienststellen des Landes B. insoweit
aufeinander abgestimmt, dass einheitliche Standorte bestehen. Der Tätigkeit der
Landesbediensteten bei der gGmbH liegt nach dem Wortlaut des § 8 Nr. 1 Satz 1
LGBS die Überlassung der Dienstleistungsergebnisse der Landesbeamten
zugrunde.
4 Für die bei der gGmbH (im Weiteren : Beteiligte zu 5) am 06.05.2014 durchgeführte
Betriebsratswahl erließ der Wahlvorstand am 20.02.2014 das Wahlausschreiben,
bezüglich dessen Einzelheiten vollinhaltlich auf die Anlage ASt. 1(Bl. 9 f. der Akte-
Arbeitsgericht) verwiesen wird. In der zu diesem Wahlausschreiben gehörenden
Wählerliste vom 20.02.2014 (vgl. Bl. 11 bis 16 der Akte-Arbeitsgericht) sind die
Antragsteller und die übrigen bei der Beteiligten zu 5 tätigen Landesbeamten nicht
namentlich aufgeführt. An der am 06.05.2014 durchgeführten Wahl nahm keiner
der bei der Beteiligten zu 5 tätigen Landesbeamten unter Ausübung des aktiven
oder passiven Wahlrechts teil. Die Bekanntmachung des Wahlergebnisses der
Wahl vom 06.05.2014 erfolgte durch das Schreiben des Wahlvorstands vom
12.05.2014, bezüglich dessen Einzelheiten vollinhaltlich auf die Anlage ASt. 4 (Bl.
19 f. der Akte-Arbeitsgericht) verwiesen wird.
5 Mit am 23.05.2014 per Telefax und am 26.05.2014 im Original beim Arbeitsgericht
eingegangenen Schriftsatz (vgl. gerichtlicher Eingangsstempel Bl. 1 und 5 der
Akten-Arbeitsgericht) fochten die Antragsteller diese Betriebsratswahl wegen der
Nichtberücksichtigung der bei der Beteiligten zu 5 tätigen Landesbeamten und
einer daraus aus ihrer Sicht resultierenden Verletzung von § 5 BetrVG an.
6 Hinsichtlich des erstinstanzlich streitigen Vorbringens der Beteiligten Ziffer 1, 2, 3
und des Beteiligten zu 4 wird gemäß § 69 Abs. 3 Satz 2 ArbGG in entsprechender
Anwendung auf die Darstellung des Arbeitsgerichts auf den Seiten 3 und 4 des mit
der Beschwerde angefochtenen Beschlusses vom 20.11.2014 (Bl. 147, 148 der
Akten-ArbGG) verwiesen.
7 Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Antragsteller zu 1, 2 und 3,
8
die Betriebsratswahl vom 06.05.2014 für unwirksam zu erklären,
9 stattgegeben und ist dem Zurückweisungsantrag des Beteiligten zu 4 nicht gefolgt.
10 Es führt hierzu aus,
11 der Antrag, an dessen Zulässigkeit keine Bedenken bestünden, sei begründet. Die
Betriebsratswahl sei unter Verstoß gegen wesentliche Vorschriften des Wahlrechts
durchgeführt worden, da die bei der Beteiligten zu 5 beschäftigten Landesbeamten
an der Wahl nicht teilgenommen hätten. Zugleich sei damit unter Verstoß gegen
das Betriebsverfassungsgesetz ein um zwei Mitglieder zu kleiner Betriebsrat
gewählt worden. Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG gölten als Arbeitnehmer auch
Beamte sowie Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die in privatrechtlich
organisierten Unternehmen tätig seien. Sowohl arbeitsrechtliches Schrifttum als
auch das Bundesarbeitsgericht gingen davon aus, dass die in dieser Vorschrift des
Betriebsverfassungsgesetzes genannten Personen bei den an die
Belegschaftsstärke anknüpfenden organisatorischen Bestimmungen des
Betriebsverfassungsgesetzes zu berücksichtigen seien. Auch der Zweck des § 5
Abs. 1 Satz 3 BetrVG gebiete ein Verständnis dahingehend, dass Beamte und
Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die in privatrechtlichen Unternehmen tätig
seien, bei den Schwellenwerten der organisatorischen Vorschriften im
Betriebsverfassungsgesetz zu berücksichtigen seien. Die bei der Beteiligten zu 5
tätigen Landesbeamten seien deshalb bei der Wahl sowohl wahlberechtigt wie
wählbar. Dem könne nicht die Argumentation entgegengehalten werden, es würde
infolge dessen zu einer Doppelzuständigkeit von Betriebsrat und Personalrat für
die bei der Beteiligten zu 5 für die bei dieser tätigen Landesbeamten kommen.
Zwar möge es zutreffend sein, dass bei aktiver und passiver Teilnahme der bei der
Beteiligten zu 5 tätigen Landesbeamten an der Wahl zum Betriebsrat und an der
Wahl zum Personalrat eine teilweise oder da eine vollständige Personenidentität in
beiden Gremien entstünde. Eine derartige Doppelzuständigkeit von Personalrat
und Betriebsrat führe jedoch nicht zur Unwählbarkeit und fehlende
Wahlmöglichkeit der bei der Beteiligten zu 5 tätigen Landesbeamten. Der Vorwurf
einer Doppelvertretung beziehungsweise Doppelzuständigkeit von Personalrat
und Betriebsrat sei schon deshalb nicht zwingend, weil die Beteiligungsrechte
dieser Gremien ebenso wie ihre Organisationsaufgaben gesetzlich verschieden
ausgestaltet seien und unterschiedliche Interessen schützten. Im Übrigen habe der
Gesetzgeber jedenfalls ein „doppeltes Wahlrecht“ bewusst in Kauf genommen. Es
könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die bei der Beteiligten zu 5
tätigen Landesbeamten nicht als bei dieser tätig im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 3
BetrVG anzusehen seien. Zwar sei richtig, dass diese aufgrund eines
Dienstleistungsüberlassungsvertrags zwischen dem Land und der Beteiligten zu 5
bei der Beteiligten zu 5 tätig seien. Dies führe jedoch nicht dazu, dass die
Landesbeamten nicht im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG bei der Beteiligten zu
5 tätig würden. Im LBGS sei nämlich klar geregelt, dass die Ausübung der
Fachaufsicht und des fachlichen Weisungsrechts der Beteiligten zu 5 obliege.
Dagegen verbliebe die unmittelbare Dienstaufsicht beim Land B.. Das
Organisationsermessen und der zweckmäßige Einsatz auch der Landesbeamten
obliege jedoch der Beteiligten zu 5. Lediglich der Status der Landesbeamten und
die Ausübung der Disziplinargewalt sei beim Land selbst verblieben. Aus den
Regelungen des LBGS gehe damit klar hervor, dass zwar der Status der
Landesbeamten und der Angestellten des Landes als solcher nicht verändert
werden solle; darüber hinaus zeigten diese Regelungen aber gerade auch, dass
sämtliche fachlichen und organisatorischen Weisungsbefugnisse auf die Beteiligte
zu 5 übergegangen seien. Damit stehe der Arbeitnehmerstellung der
Landesbeamten bei der Beteiligten zu 5 gerade nicht entgegen, dass ihr „nur“ das
Ergebnis der Dienstleistung der Beamten überlassen werde. § 5 Abs. 1 Satz 3
BetrVG verlange nämlich gerade nicht, dass das private Unternehmen vollständig
in die Arbeitgeberstellung der Landesbeamten einrücke. Es sei vielmehr die bloße
Tätigkeit der dort genannten Personengruppe bei dem privaten Unternehmen
erforderlich. Es möge zwar zutreffen, dass an den jeweiligen Standorten der
Beteiligten zu 5 entsprechend der DVO LBGS eine Doppelstruktur gebildet worden
sei, so dass sich dort auch jeweils Dienststellen des Landes B. befänden.
Entscheidend sei jedoch, dass sämtliche fachlichen und organisatorischen
Weisungsbefugnisse auf die Beteiligte zu 5 übergegangen seien und diese die
konkreten Abläufe auch für die Landesbeamten gestalte und organisiere. Es sei
gerade nicht so, dass das Land konkret gegenüber seinen Bediensteten
Weisungen erteile und organisatorisch in die Abläufe eingreife. Danach sei die
Betriebsratswahl unter Nichtbeteiligung der bei der Beteiligten zu 5 tätigen
Landesbeamten durchgeführt worden, obwohl dies nach Maßgabe der §§ 5, 7
BetrVG Arbeitnehmer der Beteiligten und damit der den Betriebsrat wählenden
betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheit seien. Dies stelle einen
Unwirksamkeitsgrund für die Betriebsratswahl dar. Hinzukomme, dass bei der
Beteiligten zu 5 unter Mitzählung der Landesbediensteten zwischen 400 - 500
Personen tätig seien; dennoch sei unter Missachtung von § 9 Satz 1 BetrVG iVm.
§ 5 BetrVG nur aus neun und nicht ein aus elf Mitgliedern bestehender Betriebsrat
gewählt worden. Auch dies stelle einen erheblichen Verstoß gegen eine
wesentliche Wahlvorschrift dar. Es müsse auch davon ausgegangen werden, dass
durch die Nichtteilnahme bei der Beteiligten zu 5 tätigen Landesbeamten das
Wahlergebnis beeinflusst hätte werden können. Dies ergebe sich offensichtlich
bereits aus dem Umstand, dass bei einer ordnungsgemäßen Berücksichtigung der
Landesbeamten von einer Beschäftigungszahl zwischen 400 und 500
Arbeitnehmern ausgegangen hätte werden müssen. Danach sei der bei der
Beteiligten zu 5 zu bildende Betriebsrat schon mit zu wenig Mitgliedern besetzt.
Hinzukomme, dass die Nichtbeteiligung von fast der Hälfte der bei der Beteiligten
zu 5 tätigen Beschäftigten zu einer Beeinflussung des Wahlergebnisses geführt
habe, da diese sich weder aktiv noch passiv an der Wahl hätten beteiligten
können.
12 Gegen diesen dem Beteiligten zu 4 am 02.12.2014 zugestellte Beschluss (vgl.
Empfangsbekenntnis seines Verfahrensbevollmächtigten, Bl. 157 d. Akten-ArbG)
richtet sich seine mit anwaltlichem Schriftsatz am 29.12.2014 per Telefax und am
02.01.2015 im Original beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
eingegangene Beschwerde (vgl. gerichtliche Eingangsstempel Bl. 1 und 2 d.
Akten), die er mit am 02.03.2015 per Telefax und am 03.03.2015 im Original beim
Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz seines ihn vertretenden
Rechtsanwalts (vgl. gerichtliche Eingangsstempel Bl. 16 und 24 d. Akten)
begründet hat. Zuvor war ihm mit gerichtlicher Verfügung vom 03.02.2015 (vgl. Bl.
15 d. Akten) seine Beschwerdebegründungsfrist auf den am 02.02.2015 per
Telefax und am 10.02.2015 im Original mit Schriftsatz seines
Verfahrensbevollmächtigten beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Eintrag
(vgl. gerichtliche Eingangsstempel Bl. 11 und 13 d. Akten) bis zum 02.03.2015
verlängert worden.
13 Die Antragsteller tragen in der Beschwerde noch vor,
14 der Gesetzgeber habe ein doppeltes Wahlrecht der Landesbeamten für die sie
vertretenden Organe nicht bewusst in Kauf genommen. Lediglich im Rahmen einer
gesetzlichen Personalgestellung hätte der Gesetzgeber in anderen Regelungen
eine Vertretung der Beamten/Angestellten im öffentlichen Dienst durch den
Personalrat und den für den Betrieb, in dem sie tätig seien, zu wählenden
Betriebsrat erfolgen sollen. Im vorliegenden Fall handle es sich aber nicht um eine
Personalgestellung, sondern um die (bloße) Überlassung des
Dienstleistungsergebnisses an die Beteiligte zu 5 durch das Land. Die
Landesbeamten seien danach bei der Beteiligten zu 5 nicht tätig im Sinne des
Betriebsverfassungsgesetzes. Richtig sei zwar, dass im LGBS die Ausübung der
Fachaufsicht und des fachlichen Weisungsrechts der Beteiligten zu 5 obliege. Das
LGBS als öffentlich-rechtliche Norm regle das Weisungsrecht aber lediglich
bezogen auf die Dienststelle des Landes und nicht bezogen auf den Betrieb der
Beteiligten zu 5. Die Ausübung der Tätigkeit der Beamten erfolge daher nicht bei
der Beteiligten zu 5, sondern in der Dienststelle des Landes im öffentlichen-
rechtlichen Raum. Dies bestätige auch die Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts vom 28.11.2014 (Az: 2 C 24/13). Die Beteiligte zu 5
übe daher vorliegend keine aufgespaltene Arbeitgeberstellung aus, da ihr kein
Weisungsrecht gegenüber den Landesbeamten zustehe.
15
Der Beteiligte zu 4 beantragt,
16
den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 20.11.2014, Az. 30 BV
107/14, aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.
17
Die Beteiligten zu 1 und 2 beantragen,
18
die Beschwerde des Beteiligten zu 4 zurückzuweisen.
19
Die Beteiligte zu 3 stellt keinen Antrag.
20 Die Beteiligten zu 1, 2 und 3 tragen weiter vor,
21 bei der Frage des Tätigseins der Landesbeamten im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 3
BetrVG komme es nicht darauf an, dass der Landesgesetzgeber erklärt habe, nur
Arbeitsergebnisse überlassen zu wollen; es komme vielmehr auf die tatsächliche
Arbeitsweise bzw. auf die tatsächliche Eingliederung an. Auch aus der
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.11.2014 (Az: 2 C 24/13)
ergebe sich nichts anderes, da dieses Gericht auch deutlich gemacht habe, dass
die bestehenden Regelungen bis Ende 2016 hinzunehmen seien. Die
Leitungsbefugnis der Beteiligten zu 5 gegenüber den Beamten würde mit diesem
Urteil nicht ausgehebelt. Die Weisungen müssten vorher nur mit dem Land
abgestimmt werden. Das Justizministerium habe allen Landesbeamten auch
mitgeteilt, dass die bestehende Praxis bis Ende 2016 gölte. Unter anderem sei
auch das Qualitätshandbuch der Beteiligten zu 5 für die Beamten weiterhin
verbindlich. Das bedeute insgesamt, dass die Beamten auch weiterhin nach
Vorgabe der Beteiligten zu 5 arbeiten müssten. Dementsprechend stehe ihm auch
ein aktives und passives Wahlrecht zu.
22 Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird vollinhaltlich auf die
zwischen ihren Verfahrensbevollmächtigten im Laufe des Verfahrens erst- und
zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze samt den dazu vorgelegten
Unterlagen/Anlagen und auf ihre Äußerungen in den mündlichen
Anhörungsterminen vor dem Gericht in erster und zweiter Instanz (vergleiche
Gerichtsprotokolle Bl. 142, 143 d. Akten-ArbG; Bl. 63, 64 der Akten) verwiesen.
23 Das Beschwerdegericht hat mit Verfügung vom 12.01.2015 die Beteiligte zu 5 am
vorliegenden Verfahren beteiligt und ihr die Beschwerdeschrift des Beteiligten zu 4
sowie eine Kopie des mit dieser Beschwerde angefochtenen Beschlusses des
Arbeitsgerichts vom 20.11.2014 zur Verfügung gestellt (vgl. im Einzelnen:
gerichtliche Verfügung vom 12.01.2015, Bl. 5 d. Akten). Die Beteiligte zu 5 hat sich
im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht geäußert und nahm den
Anhörungstermin vor dem Beschwerdegericht am 23.09.2015 nicht wahr.
Entscheidungsgründe
24 Die zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 4 ist nicht begründet.
25
A. Zulässigkeit der Beschwerde
26 1. Die Beschwerde des Betriebsrats ist gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft. Sie ist
auch form- und fristgerecht im Sinne der §§ 87 Abs. 2, 90 Abs. 1, 66 Abs. 1 Satz 1
ArbGG, 519 Abs. 1 und 3, 520 Abs. 1 und 3 ZPO eingelegt und nach innerhalb der
gesetzlichen Beschwerdebegründungsfrist eingegangenem
Fristverlängerungsantrag anschließend innerhalb der vom Gericht verlängerten
gesetzlichen Frist begründet worden.
27 2. Die Beschwerde ist im Hinblick auf die Anforderungen des § 89 Abs. 2 Satz 2
ArbGG ebenfalls zulässig. Der Beteiligte zu 4 setzt sich in hinreichendem Maße mit
den Gründen auseinander, mit denen das Arbeitsgericht dem Antrag der
Antragsteller stattgegeben hat.
28 3. Im Übrigen bestehen keine anderweitigen Bedenken an der Zulässigkeit der
Beschwerde.
29
B. Begründetheit der Beschwerde
30
I. Zulässigkeit des Antrags
31 1. Für den streitgegenständlichen Antrag der Antragsteller findet das
Beschlussverfahren gemäß § 2 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ArbGG statt. Die
Antragsteller machen im Betrieb der gGmbH, für die der Betriebsrat gewählt ist,
Einwände gegen die Wirksamkeit der Betriebsratswahl geltend.
32 2. Die Antragsteller sind auch antragsberechtigt im Sinne des § 81 Abs. 1 ArbGG,
da die Antragsteller sich als Wahlberechtigte verstehen und auch, sieht man
zunächst von der Frage der Arbeitnehmereigenschaft ab, im Übrigen
wahlberechtigt im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG sind. Darüber hinaus
haben drei Wahlberechtigte den Antrag gestellt. Dabei genügt aus Sicht der
erkennenden Kammer, dass die drei anfechtenden natürlichen Personen sich
einer Arbeitnehmereigenschaft iSd. § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG im Betrieb der
gGmbH berühmen und dies nicht völlig fernliegend ist. Die von der
Rechtsprechung entwickelte Antragsbefugnis als
Sachentscheidungsvoraussetzung soll Popularklagen ausschließen (BAG 22. Juli
2014 - 1 ABR 94/12 - Rn. 12 - juris). Sie entspricht insoweit der
Prozessführungsbefugnis im Zivilprozess. Danach bedarf es einer besonderen
Prüfung in all denjenigen Fällen nicht, in denen der Antragsteller ausweislich
seines Antrags ein eigenes und keine fremdes Recht geltend macht. Soweit das
(materielle) Gesetz bestimmte Personen als antragsberechtigt bezeichnet, wird
diesen die Befugnis eingeräumt, gestaltend auf die betriebsverfassungs-,
personalvertretungs- oder unternehmensverfassungsrechtliche Ordnung
einzuwirken. Eine solche gestaltende Einflussnahme soll aber einer
beteiligungsfähigen Person oder Stelle nur dann nicht eröffnet sein, wenn diese
von vornherein aussichtslos erscheint (BAG 15. Oktober 2014 - 7 ABR 53/12 - Rn.
23 in NZA 2015, 1014). Danach sind die Antragsteller vorliegend antragsbefugt, da
ihre Einordnung/ihr Status als Arbeitnehmer iSd. § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht
von vornherein aussichtlos ist.
33 3. Der Antrag der Antragsteller ist auch im Übrigen zulässig. Sie formulieren ihren
Antrag so bestimmt, dass erkenntlich ist, welche konkrete Betriebsratswahl für
unwirksam erklärt werden soll. Im Übrigen entspricht der Antrag der Formulierung,
die von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für die Anfechtung von
Betriebsratswahlen anerkannt ist.
34
II. Begründetheit des Antrags
35 Der Antrag der Antragsteller ist auch begründet. Nachdem die im Betrieb der
Arbeitgeberin tätigen Landesbeamten an der Betriebsratswahl nicht teilgenommen
haben, obwohl sie wahlberechtigte und wählbare Arbeitnehmer im Sinne der §§ 5,
7 BetrVG waren, stellt dies einen Unwirksamkeitsgrund für die Betriebsratswahl
dar.
36 1. Auch die Beschwerdekammer geht davon aus, dass die Antragsteller als
Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG für die Wahl des Beteiligten
zu 4 wahlberechtigt und wählbar im Sinne der §§ 7 Satz 1, 8 Abs. 1 BetrVG zur
streitgegenständlichen Betriebsratswahl waren. Dabei verweist das
Beschwerdegericht zunächst zur Vermeidung bloßer Wiederholungen auf die
zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in den Entscheidungsgründen
seines Beschlusses unter II. B. (Seiten 6 bis 9 des Beschlusses; Bl. 150 bis 153
der Akten-Arbeitsgericht). Das Beschwerdegericht macht sich diese Ausführungen
vollinhaltlich zu eigen und verzichtet im Hinblick darauf gemäß § 69 Abs. 3 Satz 2
ArbGG in entsprechender Anwendung auf die nochmalige Wiedergabe in lediglich
anderen Worten.
37 2. Im Hinblick auf die Ausführungen des Beteiligten zu 4 in der Beschwerde,
insbesondere im Hinblick auf das insoweit inzwischen mit schriftlichen Gründen
vorliegende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.11.2014 (Az. 2 C 24/13)
ist darüber hinaus noch Folgendes auszuführen:
38 a) Zwar geht das Bundesverwaltungsgericht (im Weiteren: BVerwG) in der
genannten Entscheidung davon aus, dass die Antragsteller auch im Hinblick auf
das LBGS nicht in die Organisation der Beteiligten zu 5 (im Weiteren:
Arbeitgeberin) eingegliedert worden sind, sondern weiterhin an einer Dienststelle
des Landes verwendet werden. Ebenfalls geht es davon aus, dass die
Vorschriften des LGBS nicht geeignet sind, Weisungsbefugnisse der
Arbeitgeberin gegenüber den Antragstellern - rechtmäßig - zu begründen. Dies
ändert aus Sicht der erkennenden Kammer aber nichts daran, dass zwischen den
Beteiligten des vorliegenden Verfahrens unstreitig ist, dass die Arbeitgeberin
gegenüber den Antragstellern und den übrigen bei ihr tätigen Landesbeamten
fachlich, organisatorisch und insbesondere im Sinne des § 106 GewO Weisungen
in zeitlicher, örtlicher und inhaltlicher Hinsicht erteilt. Insoweit wird tatsächlich der
Arbeitgeberin auch nicht (nur) das Arbeitsergebnis der Landesbeamten im Sinne
des LBGS überlassen. Vielmehr bestimmt die Arbeitgeberin sogar den Inhalt der
Dienstleistung, deren Ergebnis gemäß § 8 Nr. 1 LBGS zur Verfügung gestellt
werden soll. Darüber hinaus bestimmt die Arbeitgeberin auch die konkret - im
Rahmen der Bewährungs- und/oder Gerichtshilfe zu erbringende (tägliche)
Dienstleistung, deren Ergebnis - erbracht von den Landesbeamten - ihr vom Land
überlassen wird. Die Dienstleistung haben die Antragsteller faktisch nach dem
Organisationskonzept der Arbeitgeberin (vgl. hierzu Anlage ASt. 7 - Bl. 69 bis 98
der Akten-Arbeitsgericht) zu erbringen und haben sie auch tatsächlich in diesem
Sinne erbracht. Ebenso erbrachten und erbringen sie ihre Dienstleistungen
inhaltlich nach dem Qualitätshandbuch der Arbeitgeberin (vgl. hierzu etwa Anlage
1 zur VwV des Justizministeriums des Landes B. vom 08.05.2009 (Bl. 66-81 der
Akten). Darüber hinaus haben die Landesbeamten mit Wissen und Wollen des
Landes an allen Besprechungen teilgenommen, die von der Arbeitgeberin
anberaumt worden sind. Auch die Lage der Arbeitszeit wurde von der
Arbeitgeberin gegenüber den Landesbeamten konkret bestimmt. Daraus ergibt
sich aus Sicht der erkennenden Kammer, dass eine Eingliederung in den
Geschäftsbetrieb der Arbeitgeberin - im arbeitsrechtlichen Sinne - tatsächlich
stattgefunden hat und derzeit auch stattfindet. Sofern die tatsächliche Ausübung
des Direktionsrechts durch die Arbeitgeberin gegenüber den Landesbeamten auf
einer rechtwidrigen Regelung beruhen sollte bzw. beruht haben sollte - so
versteht das Beschwerdegericht das Bundesverwaltungsgericht - und deshalb die
Landesbeamten die von der Arbeitgeberin erteilten Weisungen tatsächlich nicht
hätten akzeptieren müssen, ändert sich aus Sicht der Beschwerdekammer für die
Wahlberechtigung und Wählbarkeit der Antragsteller im Sinne der §§ 7, 8 BetrVG
nichts. Das Land hat im Übrigen auch seine bei der Arbeitgeberin tätigen
Beamten mit Schreiben vom 21.04.2015 (Bl. 57 bis 59 der Akten) ausdrücklich
darauf hingewiesen, dass sich "an der bisherigen Praxis bis zum Ende des
Jahres 2016 für Sie nichts ändern wird". Danach liegt aus Sicht der erkennenden
Kammer auch weiterhin eine tatsächliche Integration der Landesbeamten im
Sinne eines Tätigwerdens von Beamten im Betrieb der Arbeitgeberin im Sinne
des § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG vor. Allein die - möglicherweise rechtswidrig -
erteilten Weisungen der Arbeitgeberin gegenüber den Landesbeamten führen
nicht zu einem nichtbetrieblichen Tätigsein der Landesbeamten für die
Arbeitgeberin.
39 b) Auch soweit die Disziplinargewalt gegenüber den Antragstellern und anderen
Beamten - auch nach dem LBGS - weiterhin beim Land verbleibt, ändert sich an
einem Tätigsein der Landesbeamten im Betrieb eines privatrechtlich organisierten
Unternehmens im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nichts. Richtig ist zwar,
dass zum Wesen einer Eigenschaft als Arbeitgeber und für das Tätigsein für
einen Arbeitgeber in der Regel nicht nur die Erteilung von Weisungen, sondern
auch die Berechtigung gehört, die erbrachte Arbeitsleistung zu kontrollieren, zu
bewerten und auf Fehlverhalten des Beschäftigten disziplinarisch reagieren zu
können. Diese der Arbeitgeberin nicht unmittelbar zur Verfügung stehende
Möglichkeit führt hingegen nicht dazu, dass ein Tätigsein im Sinne des § 5 Abs. 1
Satz 3 BetrVG von Beamten in einem privatrechtlich organisierten Betrieb eines
Unternehmens nicht möglich wäre. Dies liegt zum einen schon in der Natur der
Sache, nachdem die Disziplinargewalt gegenüber Beamten kraft Gesetzes
grundsätzlich beim Dienstherrn liegt. Richtig ist auch, dass, wie vom
Bundesverwaltungsgericht ebenfalls ausgeführt, dadurch nicht auflösbare
Widersprüche entstehen können. Der eigentliche Kern des Tätigwerdens eines
Arbeitgebers im Vertragsverhältnis mit einem Arbeitnehmer, nämlich dessen
Möglichkeit, Weisungen in fachlicher, inhaltlicher, örtlicher und zeitlicher Hinsicht
zu erteilen, wird hiervon jedoch nicht berührt. Insoweit ist auch darauf
hinzuweisen, dass auch einem Arbeitgeber die unmittelbare Durchsetzung seines
Weisungsrechts gemäß § 888 Abs. 3 ZPO nicht möglich ist.
40 c) Im Hinblick darauf kommt es aus Sicht des Beschwerdegerichts auf die
tatsächliche Durchführung der Eingliederung an, selbst wenn diese rechtlich nicht
möglich gewesen sein sollte. Dafür streitet aus Sicht der erkennenden Kammer
auch, dass das Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung, um die
Funktionsfähigkeit der Bewährungs- und Gerichtshilfe in B. nicht zu gefährden
und das Regelungsdefizit für die in diesem Bereich notwendigen Weisungen nicht
zu vertiefen, ausführt, der Zustand, der sich in der Praxis auf Grundlage des
LBGS herausgebildet habe, könne noch für einen Übergangszeitraum, längstens
aber bis Ende 2016 hingenommen werden (vgl. Rdnr. 53 der
Entscheidungsgründe des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom
27.11.2014). Im Hinblick darauf und auf das Anschreiben des Landes vom
21.4.2015 an seine Beamten, somit auch an die Antragsteller, besteht aus Sicht
der Beschwerdekammer keine Veranlassung, kein Tätigsein der Antragsteller für
die Arbeitgeberin im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG - und zwar weder zum
Zeitpunkt der Durchführung der Betriebsratswahl noch zum Zeitpunkt der
vorliegenden Entscheidung der Beschwerdekammer - anzunehmen.
41 3. Nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten waren zum Zeitpunkt der
Betriebsratswahl unter den 400 bis 500 bei der Arbeitgeberin tätigen Personen
knapp die Hälfte Landesbeamte. Daraus ergibt sich ohne Weiteres, dass gegen
wesentliche Vorschriften der Wahlberechtigung und Wählbarkeit verstoßen worden
ist und diese ohne Weiteres geeignet waren, bei einer hypothetischen
Betrachtungsweise eine Wahl zu ändern oder zu beeinflussen. Hinzu kommt, dass
durch die Nichtberücksichtigung der Wahlberechtigung der Landesbeamten unter
Missachtung von § 9 Satz 1 BetrVG ein nur aus neun und nicht aus elf Mitgliedern
bestehender Betriebsrat gewählt worden ist. Auch dies stellt einen erheblichen
Verstoß gegen eine wesentliche Wahlvorschrift dar, der die Anfechtung der
Betriebsratswahl rechtfertigt und zur Unwirksamkeit der vorliegend
streitgegenständlichen Betriebsratswahl führt.
42
C. Nebenentscheidungen
43 1. Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf die §§ 1 Abs. 2 Nr. 4, 2 Abs. 2 GKG
nicht veranlasst.
44 2. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht war gemäß §§ 92 Abs. 1 Satz
2, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.