Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 07.05.2014

ordentliche kündigung, betriebsrat, vernehmung von zeugen, anhörung

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 7.5.2014, 21 Sa 67/13
Betriebsbedingte Kündigung - freier Arbeitsplatz
Leitsätze
1. Das Merkmal der Dringlichkeit betrieblicher Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2
Satz 1 KSchG ist Ausdruck des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, aus dem sich
ergibt, dass der Arbeitgeber vor jeder ordentlichen Beendigungskündigung von sich
aus dem Arbeitnehmer eine sowohl diesem als auch ihm selbst objektiv mögliche
anderweitige Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz, gegebenenfalls zu
geänderten Bedingungen, anbieten muss (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 809/12 -).
Spricht der Arbeitgeber ohne vorheriges oder gleichzeitiges Angebot der geänderten
Arbeitsbedingungen sofort eine Beendigungskündigung aus, so ist diese Kündigung
regelmäßig sozialwidrig (BAG 21. April 2005 - 2 AZR 132/04 -).
2. Als frei sind Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt der Kündigung unbesetzt
sind oder bei denen im Kündigungszeitpunkt absehbar ist, dass sie zum Ablauf der
Kündigungsfrist zur Verfügung stehen werden (BAG 25. April 2002 - 2 AZR 260/01 -).
Der Arbeitgeber kann sich zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung nicht
auf einen von ihm selbst treuwidrig herbeigeführten, durch eine vorgezogene
Stellenbesetzung verursachten Wegfall freier Arbeitsplätze im Kündigungszeitpunkt
berufen (BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/09 -).
3. Die Möglichkeit einer (weiteren) sachgrundlosen Befristung des
Arbeitsverhältnisses mit einer sozial weniger schutzwürdigen Arbeitnehmerin bei
einem für mehrere Arbeitnehmer im Rahmen der sozialen Auswahl gem. § 1 Abs. 3
KSchG zur Verfügung stehenden freien Arbeitsplatz rechtfertigt es nicht, dem sozial
schutzwürdigeren Arbeitnehmer, der in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis steht,
den freien Arbeitsplatz vor Ausspruch einer Beendigungskündigung nicht anbieten
bzw. keine Änderungskündigung aussprechen zu müssen.
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 23.
September 2013 - Az: 4 Ca 567/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten darüber, ob die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 18.
Dezember 2012 ihr Arbeitsverhältnis aus dringenden betrieblichen Gründen mit
Ablauf des 31. Januar 2013 beendet hat oder nicht.
2 Die am ... 19... geborene, verheiratete Klägerin, die einem Kind
unterhaltsverpflichtet ist, ist seit 1. November 2008 bei der Beklagten beschäftigt.
Seit 1. September 2010 war sie - bis zuletzt - als Leiterin Public & Media Relations
für die Beklagte tätig und zwar in der Zeit vom 1. September 2010 bis 31. August
2012 mit einer Arbeitszeit von 75 % (= 28,13 Stunden/Woche) einer
Vollzeitarbeitskraft. Dafür erhielt sie 75 % der Vergütung der Entgeltgruppe E 12 K
6 (Bundesentgelttarifvertrag der chemischen Industrie) in Höhe von zuletzt
3.945,75 EUR brutto. Ihrer Tätigkeit ab 1. September 2010 als Leiterin Public &
Media Relations lag ein schriftlicher Vertrag zwischen den Parteien zu Grunde,
bezüglich dessen Einzelheiten vollinhaltlich auf Bl. 29 bis 32 der Akten-ArbG
verwiesen wird. Die der Klägerin von der Beklagten insoweit konkret
zugewiesenen Aufgaben ergeben sich aus der Stellenbeschreibung der Beklagten
für die Stelle „Leiter/-in Public & Media Relations“ vom 18. Januar 2011, bezüglich
deren Einzelheiten vollinhaltlich auf Bl. 92 der Akten-ArbG verwiesen wird. Die
Klägerin hat ein Studium der Germanistik und Geschichte absolviert und war vor
ihrer Tätigkeit bei der Beklagten bei verschiedenen Unternehmen im PR-,
Communications- und Marketingbereich tätig.
3 Die Beklagte betreut als Unternehmen die Kunden anderer Unternehmen der G. -
Gruppe zu allen Fragen der Sanitärtechnik. Bei der Beklagten sind ca. 300
Arbeitnehmer beschäftigt. Für ihren Betrieb in P. ist ein Betriebsrat gewählt.
4 Mit Schreiben vom 16. November 2012, bezüglich dessen Einzelheiten
vollinhaltlich auf Bl. 33 bis 36 der Akten-ArbG verwiesen wird und das der
Betriebsrat am 20. November 2012 erhielt, hörte die Beklagten den für ihren
Betrieb in P. gebildeten Betriebsrat schriftlich zu einer beabsichtigten ordentlichen
Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber der Klägerin an. Mit Schreiben
vom 26. November 2012, bezüglich dessen Einzelheiten vollinhaltlich auf Bl. 37
der Akten-ArbG verwiesen wird, widersprach der Betriebsrat dieser beabsichtigten
Kündigung.
5 Mit Schreiben vom 18. Dezember 2012, bezüglich dessen Einzelheiten auf Bl. 6
der Akten-ArbG verwiesen wird und das die Klägerin anschließend vor dem 21.
Dezember 2012 erhielt, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin
zum 31. Januar 2013 mit der Begründung im Kündigungsschreiben, sie habe sich
entschieden, den Bereich Public & Media Relations outzusourcen.
6 Hinsichtlich des weitergehenden erstinstanzlichen streitigen Sachvortrags der
Parteien einschließlich ihrer Rechtsansichten wird auf den nicht angegriffenen
Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ulm vom 23. September 2013 (Seiten 3
bis 6 des Urteils, Bl. 121 bis 124 der Akten-ArbG) gem. § 69 Abs. 3 Satz 2 ArbGG
verwiesen.
7 Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Klägerin,
8
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche
Kündigung der Beklagten vom 18.12.2012 zum 31.01.2013 nicht aufgelöst werde,
9 vollumfänglich stattgegeben und ist dem Klagabweisungsantrag der Beklagten
nicht gefolgt.
10 Zur Begründung führte das Arbeitsgericht aus, bereits die nicht ordnungsgemäße
Betriebsratsanhörung der Beklagten, was von der Klägerin auch gerügt worden
sei, führe zur Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung. Nach der von
der Beklagten getroffenen unternehmerischen Entscheidung vom 8. November
2012 hätte die der bisherigen Position Leiter Public & Media Relations
zugewiesene konkrete Aufgabe „Verantwortung für PR- und Mediabudget“ von
Herrn B. im Rahmen dessen Gesamtbudgetverantwortung übernommen werden
sollen. Diese Tätigkeiten würden hingegen nunmehr von der A. A. & M.
übernommen. In der unternehmerischen Entscheidung vom 8. November 2012
seien die einzelnen Aufgaben der Klägerin nach deren Stellenbeschreibung
aufgelistet und dargelegt, von wem diese jeweils ab 1. Januar 2013 übernommen
würden. Dementsprechend sei die Anhörung des Betriebsrats erfolgt, in der die
getroffene unternehmerische Entscheidung wörtlich wiedergegeben worden sei.
Die darin dargestellten Aufgaben der Klägerin und deren Verteilung sei
dahingehend zu verstehen, dass nicht nur abstrakte Verantwortlichkeiten, sondern
in einer bestimmten Arbeitszeit tatsächlich von der Klägerin zu erbringende
Tätigkeiten gemeint seien. Soweit sich danach für den Betriebsrat aus der
Anhörung ergebe, dass die mit der Verantwortung für das PR- und Medienbudget
für die Klägerin bisher verbundenen Tätigkeiten nunmehr an Herrn B. übergeben
würden, diese tatsächlich jedoch an die A. A. & M. GmbH übertragen worden
seien, sei die Betriebsratsanhörung unzutreffend, zumindest unvollständig. Es
handle sich insoweit auch nicht um einen irrelevanten Fehler der
Betriebsratsanhörung, da die Gesamtinformation an den Betriebsrat keine
Arbeitszeitanteile zu den übertragenen Tätigkeiten enthalte und das auch nicht
müsse. Insoweit könne aber nach dem Vortrag der Beklagten nicht davon
ausgegangen werden, dass es sich um einmalige oder nicht ins Gewicht fallende
Aufgaben der Klägerin handle. Die insoweit nicht ordnungsgemäße Anhörung des
Betriebsrats führe zur Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung.
11 Gegen diese der Beklagten am 10. Oktober 2013 (vgl. Zustellungsurkunde Bl. 132
der Akten-ArbG Rückseite) zugestellte Entscheidung richtet sich ihre am 7.
November 2013 mit anwaltlichem Schriftsatz beim Landesarbeitsgericht Baden-
Württemberg in Telekopie und am 8. November 2013 im Original eingegangene
und gleichzeitig begründete Berufung (vgl. gerichtliche Eingangsstempel Bl. 1 und
21 der Akten).
12 Die Beklagte trägt in ihrem Schriftsatz vom 7. November 2013 vor,
die Aufgabe der Klägerin im Zusammenhang mit ihrer Verantwortung für das PR-
und Mediabudget habe darin bestanden, Maßnahmen für das kommende Jahr
vorzuschlagen, deren Kosten zu beziffern sowie die Einhaltung dieser Kosten im
Folgejahr zu überwachen. Sie habe insoweit von ihrem Vorgesetzten Herrn B.
bestimmte, jeweils für das kommende Jahr geplante, Projekte zugewiesen erhalten
und hätte für die jeweiligen Projekte die Budgets zu erarbeiten gehabt. Die
Projektbudgets seien dann zwischen der Klägerin und den Herren R. und B.
besprochen und anschließend genehmigt oder mit Modifikationen genehmigt
worden. Im darauffolgenden Jahr hätte die Klägerin die Einhaltung der
entsprechenden Projektbudgets zu überwachen gehabt. Dies habe sie durch
Prüfung der Rechnungen der beauftragten Dienstleister getan, wobei auch die
beauftragten Dienstleister ihrerseits die Aufgabe gehabt hätten, darauf zu achten,
dass die von ihnen abgerechneten Leistungen den auf der Basis des Budgets der
Beklagten abgegebenen Angeboten und Aufträgen entsprochen hätten. In
zeitlicher Hinsicht hätten die mit dem Stichwort „Verantwortung für das PR- und
Mediabudget“ verbundenen Tätigkeiten der Klägerin nur einen sehr geringen
Umfang an ihrer Gesamtarbeitszeit gehabt. Entsprechend dem Beschluss der
Geschäftsleitung sei die Übernahme der Verantwortung für das PR- und
Mediabudget durch Herrn B. seit 1. Januar 2013 in der Weise umgesetzt worden,
dass von den Herren B. und R. nunmehr der A. A. & M. bestimmte Projekte
vorgegeben würden und diese A. für die jeweils vorgegebenen Projekte
entsprechende Angebote erstelle. Auf der Basis dieser Angebote würden dann die
Einzelaufträge erteilt. Diese würden nach Durchführung des entsprechenden
Projekts von der A. A. & M. abgerechnet, die dabei darauf zu achten habe, dass
die Abrechnungen ihren Angeboten und den auf dieser Basis erteilten
Einzelaufträgen entsprächen. Im Ergebnis habe damit eine Übernahme der von
der Klägerin im Zusammenhang mit dem Stichwort „Verantwortung für das PR- und
Mediabudget“ ausgeübten Aufgaben durch Herrn B. stattgefunden. Eine
Mitwirkung durch externe Dienstleister durch Abgabe von Angeboten und
entsprechenden Abrechnungen habe bereits vor der Neuorganisation
stattgefunden und finde auch künftig statt. Die Veränderung liege allein darin, dass
die Zwischenschaltung der Position „Leiter Public & Media Relations“ entfallen sei.
Auf der Grundlage dieses Sachverhalts sei die Anhörung des Betriebsrats
ordnungsgemäß und nicht fehlerhaft. Ihr ergänzender Vortrag im Prozess zum
Thema „Verantwortung für das PR- und Mediabudget“ stelle eine zulässige
Erläuterung der dem Betriebsrat in der schriftlichen Anhörung mitgeteilten
Kündigungsgründe im Sinne einer Substanziierung und Konkretisierung dar und
sei somit zu berücksichtigen. Aber selbst wenn die Anhörung des Betriebsrats
insoweit fehlerhaft gewesen sei, habe sie gegenüber dem Betriebsrat weder
bewusst noch gewollt unrichtige und unvollständige Sachverhaltsangaben
gemacht, durch die beim Betriebsrat ein falsches Bild hinsichtlich des
Kündigungssachverhalts entstanden sei. Im Ergebnis sei die Anhörung des
Betriebsrats damit ordnungsgemäß.
13
Die Beklagte beantragt,
14
auf ihre Berufung das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 23. September
2013, Az: 4 Ca 567/12, abzuändern und die Klage abzuweisen.
15
Die Klägerin beantragt,
16
die Berufung zurückzuweisen.
17 Sie trägt noch vor,
entgegen der Angabe in der Unternehmerentscheidung, welche Gegenstand der
Betriebsratsanhörung gewesen sei, habe die Beklagte die Verantwortung für das
PR- und Mediabudget nicht auf Herrn B., sondern entsprechend den nunmehrigen
Aussagen der Beklagten, die bisher hinsichtlich des Budget von der Klägerin
erledigten Aufgaben auf die A. A. & M. übertragen. Diese Tätigkeiten hätten einen
nicht unerheblichen Teil ihrer Gesamttätigkeit ausgemacht. Dieser offensichtliche
Fehler in der Betriebsratsanhörung sei auch nicht irrelevant, weil beim Betriebsrat
durch die fehlerhafte Angabe ein falsches Bild über die tatsächliche Verlagerung
der Tätigkeiten der Klägerin entstanden sei. Entgegen der Auffassung der
Beklagten komme es nicht darauf an, ob sie diesen Aspekt absichtlich unrichtig in
die Betriebsratsanhörung aufgenommen habe und ihr insoweit ein Fehler
unterlaufen sei oder nicht. Die Betriebsratsanhörung erweise sich insoweit
aufgrund des Fehlers bei der Angabe zur Umverteilung der Aufgaben als
unvollständig und damit insgesamt unwirksam.
18 Bereits erstinstanzlich habe sie ausführlich dargelegt, dass die Mitarbeiterin der
Beklagten K. F. nach ihrer Ausbildung befristet bis 31. Dezember 2012 beschäftigt
worden sei und zum Zeitpunkt des Kündigungsentschlusses klar gewesen sei,
dass diese Stelle nach dem 31. Dezember 2013 frei sei. Trotzdem habe die
Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Frau F. bis zum 31. Dezember 2013 befristet
verlängert. Auf die im Rahmen dieser Stelle anfallenden Arbeitstätigkeiten hätte ihr,
der Klägerin, von der Beklagten eine Änderungskündigung ausgesprochen
werden müssen. Bei der Frage, ob ein freier Arbeitsplatz anzubieten sei, spiele
keine Rolle, ob die Stelle (sachgrundlos) befristet sei und gegebenenfalls aus
welchem Grunde. Nur so könne gewährleistet werden, dass bei jeder
betriebsbedingten Kündigung die Pflicht zum Angebot freier anderer Arbeitsplätze
jedenfalls zu geänderten Bedingungen nicht unterlaufen werden könne. Auch
wenn diese Stelle in der Hierarchie unterhalb ihrer bisherigen Stelle angesiedelt
sei, sei die Beklagte verpflichtet gewesen, statt der Neueinstellung von Frau F. auf
diese Position diese Stelle zunächst der Klägerin anzubieten. Die Beklagte sei
unter sozialen Gesichtspunkten gehindert, die neu geschaffene Stelle Assistentin
Marketing Services B2B durch eine Neueinstellung der Frau F. zu besetzen und
sie, die Klägerin, gleichzeitig zu entlassen.
19 Hierauf erwidert die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 17. März 2014, der per
Telekopie beim Landesarbeitsgericht am 17. März 2014 und im Original am 19.
März 2014 einging (vgl. gerichtliche Eingangsstempel Bl. 55 und 72 d. A.),
20 es sei weder bei der Einstellung von Frau F. zum 1. Oktober 2012 noch bei der
Verlängerung deren befristeten Arbeitsvertrags im Dezember 2012 um ein Jahr
absehbar gewesen, ob für die mit Frau F. besetzte Position mit der Aufgabe „Social
Media“ ein dauerhafter Beschäftigungsbedarf bestehe. Es könne nicht
vorhergesehen werden, inwieweit eine Facebook-Seite von den verschiedenen
Zielgruppen, also den Endkunden, den Installateuren, den Großhändlern und
Architekten und den Planern angenommen werde. Es sei daher entschieden
worden, eine entsprechende Stelle nur befristet zu schaffen, um dann nach einem
Jahr entscheiden zu können, ob dauerhafter Beschäftigungsbedarf für eine
Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter gegeben sei. Dieser Situation habe sie dadurch
Rechnung getragen, dass sie das Arbeitsverhältnis mit Frau F., das im Anschluss
an ihre Ausbildung zunächst auf drei Monate bis 31. Dezember 2012 befristet
gewesen sei, um ein Jahr zu verlängern, um während dieser Zeit den
Beschäftigungsbedarf zu evaluieren. Eine Sachbefristung sei nicht möglich
gewesen, da die gesetzlichen Voraussetzungen eine Prognose des Arbeitgebers
voraussetzte, dass für die Beschäftigung des Arbeitnehmers über das vereinbarte
Vertragsende hinaus mit hinreichender Sicherheit kein Bedarf mehr bestünde.
Gerade diese Prognose sei auf Grund der geschilderten Situationen nicht möglich
gewesen. Sie habe, um der geschilderten Situation, nämlich der Erprobung von
Social Media im Marketing über einen bestimmten Zeitraum, Rechnung zu tragen
eine Mitarbeiterin nur sachgrundlos befristet einstellen können. Sie müsse sich
betreffend die unklare Situation einer Beschäftigungsmöglichkeit nicht darauf
verweisen lassen, eine Mitarbeiterin unbefristet weiter zu beschäftigen, um beim
späteren Wegfall der Stelle betriebsbedingt kündigen zu müssen, mit all den
hiermit verbundenen wirtschaftlichen und rechtlichen Risiken. Es handle sich um
eine Unternehmerentscheidung, die grundsätzlich nicht überprüfbar sei.
21 Die Klägerin erfülle, im Gegensatz zu Frau F., nicht das Anforderungsprofil an den
Arbeitsplatz Social Media. Die Aufgaben mit dem von Frau F. besetzten
Arbeitsplatz stellten sich im Jahre 2013 wie folgt dar:
22 - Redaktionelle Betreuung der Facebook-Fanseiten „G. (B2B)“ und „G. (B2C)“,
Pflege der Facebook-Fanseiten
- Selbständige Konzeption, Umsetzung und Betreuung von Kampagnen auf
Facebook, z. B. der Kampagnen „G. im Urlaub“, „K. 2“
- Betreuung des im Rahmen einer so genannten „Cross-Promotion-Kampagne“
der Facebook-Seite entsprechenden Youtube-Kanals, einschließlich Einstellung
von Playlists und Vernetzung mit Facebook
- Monitoring der Facebook-Seite, d. h. Verfolgung des Erfolgs der einzelnen
Postings oder Apps und Unterbreitung von Vorschlägen, welche Aktivitäten
weiterverfolgt, welche nicht, was verändert werden muss usw.
- Übernahme der Rolle der Administratorin der Facebook-Seite für den deutschen
Markt (Entscheidung, welche Posts von Fans wie beantwortet werden, ob diese
ggf. gelöscht werden, usw.)
- Erstellung eines so genannten Fan Guide für die G. Facebook Fanseite (Regeln
für die Nutzung der Seite)
- Leistung des Social Media Redaktionsteams.
23 Die dargestellten Aufgaben setzten zwingend besondere Kenntnisse und
Fähigkeiten im Bereich Social Media und eine besondere Affinität zu diesem
Thema voraus. Frau F. verfüge über alle Voraussetzungen, um die auf dieser
Position anfallenden Aufgaben zu erfüllen, während dies bei der Klägerin gerade
nicht der Fall sei. Insbesondere verfüge die Klägerin weder über die notwendigen
besonderen Kenntnisse im Bereich Social Media, noch über eine besondere
Affinität zu diesem Thema. Sie verfüge insbesondere nicht über die
konzeptionellen Fähigkeiten zur Nutzung von Facebook. Die Klägerin sei in
technischer Hinsicht nicht in der Lage, mit Facebook und den von Facebook zur
Verfügung gestellten Werkzeugen sicher umzugehen. Ebenso wenig beherrsche
sie das CMS-System, ein Softwareprogramm, mit dem eine App auf Facebook mit
Inhalten befüllt werden könne. Dies gelte auch für das Programm Spirit und die
Nutzung der internen Bilderdatenbank, die mit dem Programm Censhare erfolge.
Die bisher von der Klägerin im Bereich Social Media und Facebook
vorgenommenen Tätigkeiten hätten keinerlei Kenntnisse im Hinblick auf Facebook
oder allgemein Social Media erfordert. Als Frau F. am 1. Oktober 2012 bei ihr, der
Beklagten, als Arbeitnehmerin eingetreten sei, habe die Klägerin dieser einen
Ordner mit dem Titel „Social Media 2012“ übergeben, den die Klägerin zuvor nur
verwaltet habe. Eigene Aktivitäten hätte die Klägerin nicht entfaltet. Frau F. habe
den Eindruck gehabt, dass die Klägerin überhaupt nicht am Thema interessiert und
froh gewesen sei, am 1. Oktober 2012 an Frau F. übergeben zu können. Um
Kenntnisse und Fähigkeiten, wie sie für die Stelle von Frau F. erforderlich seien, zu
erwerben, sei eine Einarbeitungszeit von mindestens sechs Monaten notwendig.
24 Im zeitlichen Rahmen des gem. Ziff. 1 des gerichtlichen Beschlusses vom 26. März
2014 nachgelassenen Schriftsatzrechts (vgl. Bl. 92 der Akten) fristgemäß bei
Gericht eingereichtem Schriftsatz, trägt die Klägerin hierzu vor,
sie bestreite, dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs der streitgegenständlichen
Kündigung bzw. der Einstellung von Frau F. für die Beklagte nicht absehbar
gewesen sei, ob für die mit Frau F. besetzte Position mit der Aufgabe „Social
Media“ ein dauerhafter Beschäftigungsbedarf bestanden habe. Bestritten werde
außerdem, dass die Entscheidung getroffen worden sei, die entsprechende Stelle
zunächst befristet zu schaffen. Es gebe keinerlei objektiven Hinweise, die darauf
hindeuteten. Auch eine befristete Stelle hätte die Beklagte im Übrigen der Klägerin
vor Ausspruch der Beendigungskündigung anbieten müssen. Dem stehe nicht
entgegen, dass möglicherweise eine sachgrundlose Befristung des
Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin nicht möglich sei.
25 Sie bestreite im Übrigen auch, dass im Jahre 2013 - wann? - sich die Aufgaben
des mit Frau F. besetzten Arbeitsplatzes „Social Media“ so dargestellt hätten, wie
die Beklagte dies nunmehr erstmals behaupte. Normalerweise werde ein
Anforderungsprofil entweder schriftlich niedergelegt oder aber in einer
Stellenbeschreibung festgehalten. Soweit die Beklagte behauptet, es seien
bestimmte Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erfüllung der dargestellten Aufgaben
zwingend notwendig, handle es sich um schlichte Wertungen, die durch
Sachvortrag nicht unterlegt seien. Darüber hinaus sei nicht gesagt, welche
besonderen Umstände und Fähigkeiten zur Erfüllung welcher Aufgaben genau
notwendig seien. Im Übrigen würden ihr von der Beklagten im Zeugnis, datiert vom
31. Januar 2013, sehr gute Fachkenntnisse, die sie ausnahmslos und zielgerichtet
eingesetzt habe, eine schnelle Auffassungsgabe und auch eine
überdurchschnittliche Arbeitsqualität bescheinigt. Die pauschale Behauptung, sie,
die Klägerin, verfüge nicht über Kenntnisse und Fähigkeiten, die notwendig seien,
um auf der Position von Frau F. anfallende Aufgaben zu erfüllen, werde bestritten.
Ebenso werde bestritten, dass besondere Kenntnisse, die nicht innerhalb kurzer
Zeit erwerbbar seien, für die Position notwendig seien. Sie, die Klägerin, habe sich
ausweislich des von der Beklagten erteilten Endzeugnisses in der Vergangenheit
in der Lage gezeigt, auf Grund ihrer schnellen Auffassungsgabe jederzeit auch
schwierige Sachverhalte zu überblicken. Soweit die Beklagte in Ergänzung zu dem
aus dem Hut gezauberten Anforderungsprofil unter jeweiliger Benennung von
Herrn V. R. als Zeuge behaupten lasse, die Klägerin verfüge über die dort näher
beschriebenen Fähigkeiten und Kenntnisse nicht, möge dies zwar teilweise richtig
sein. Sie hätte jedoch diese Kenntnisse innerhalb kürzester Zeit, nach ihrer
Einschätzung maximal ein bis zwei Monate bei entsprechender Schulung,
erwerben können. Es sei noch darauf hinzuweisen, dass sie von der Beklagten bei
Eintritt von Frau F. im Oktober 2012 angewiesen worden sei, alle von ihr bis zu
diesem Zeitpunkt erarbeiteten Unterlagen betreffend „Social Media“ Frau F. zu
übergeben. Tatsächlich sei sie bis zum Eintritt von Frau F. die Arbeitnehmerin bei
der Beklagten gewesen, welche die meistens Kenntnisse über „Social Media“
erworben und gehabt habe. Sie habe in diesem Zusammenhang auch an einer
eintägigen Schulung teilgenommen, bei welcher es um grundsätzliche Fragen des
Einsatzes von Facebook wie auch um die Vermittlung technischen Know hows
gegangen sei.
26 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. den §§
64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 525, 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle
der mündlichen Verhandlungen verwiesen.
27 In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 26. März 2014 teilte
die Klägerin auf Frage des Vorsitzenden, was sie darunter verstehe, dass ihre
Arbeitsaufgaben betreffend ihre bisherige „Verantwortung für das PR- und
Mediabudget“ einen nicht nur unerheblichen Teil an ihrer Gesamttätigkeit
ausgemacht hätten, dass ihre Tätigkeiten hierfür im Durchschnitt auf das
Kalenderjahr gerechnet zwei bis drei Stunden pro Woche in Anspruch genommen
hätten. Die Beklagte teilte daraufhin auf Frage des Vorsitzenden, was sie darunter
verstehe, dass die Tätigkeiten der Klägerin im Bereich „Verantwortung für das PR-
und Mediabudget“ nur in sehr geringem Umfang angefallen seien mit, dass diese
Tätigkeiten der Klägerin auf das Jahr gerechnet ca. ein bis zwei Wochen Arbeit
ausgemacht hätten.
Entscheidungsgründe
28 Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
29
A. Zulässigkeit der Berufung
30 1. Die Berufung der Beklagten ist gem. den §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. c
ArbGG statthaft. Sie ist auch gem. den §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519 Abs. 1
und 2, 520 Abs. 1 und 3 ZPO in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und
innerhalb der gesetzlichen Berufungsbegründungsfrist mit anwaltlichem Schriftsatz
begründet worden. Die Berufung setzt sich innerhalb der
Berufungsbegründungsfrist mit allen Argumenten auseinander, mit denen das
Arbeitsgericht die Rechtsunwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung
begründet hat. Insbesondere setzt sie sich mit den Argumenten auseinander, die
das Arbeitsgericht im Rahmen der aus dessen Sicht unwirksamen
Betriebsratsanhörung zur Begründung seiner Entscheidung angeführt hat.
31 2. Anderweitige Bedenken an der Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht.
32
B. Begründetheit der Berufung
33
I. Zulässigkeit der Klage
34 Die Kündigungsschutzklage ist zulässig und begründet.
35 1. An der Zulässigkeit des Klagantrags bestehen keine Bedenken, nachdem der
Streitgegenstand der Feststellungsklage im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO
hinreichend bestimmt ist. Die Klägerin greift mit ihrer Feststellungsklage eine
konkrete Kündigungserklärung der Beklagten an und formuliert ihren Klagantrag im
Sinne des § 4 Satz 1 KSchG.
36 2. Anderweitige Bedenken an der Zulässigkeit der Feststellungsklage bestehen
nicht.
37
II. Begründetheit der Klage
38 1. Die Klägerin hat innerhalb der von ihr gem. § 4 Satz 1 KSchG für eine
ordentliche Kündigung zu beachtende Frist von drei Wochen gegen die
streitgegenständliche Kündigung Klage erhoben, nachdem sie das
Kündigungsschreiben der Beklagten (datiert) vom 18. Dezember 2012 frühestens
an diesem Tag erhalten hat, ihre Klage gegen diese Kündigung beim
Arbeitsgericht Ulm am 21. Dezember 2012 per Telekopie einging (vgl. gerichtlicher
Eingangsstempel Bl. 1 der Akten-ArbG) und diese Klage der Beklagten auch
demnächst im Sinne des § 167 ZPO zugestellt werden konnte.
39 Nachdem auf das Arbeitsverhältnis der Parteien das Kündigungsschutzgesetz
Anwendung findet, da die Klägerin deutlich länger als sechs Monate im Betrieb der
Beklagten ununterbrochen beschäftigt war (§ 1 Abs. 1 KSchG) und bei der
Beklagten zum Zeitpunkt des Zugangs der streitgegenständlichen Kündigung bei
der Klägerin deutlich mehr als zehn Arbeitnehmer regelmäßig beschäftigt waren (§
23 Abs. 1 Satz 2 und 4 KSchG), ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch
den Arbeitgeber unter anderem nur dann sozial gerechtfertigt und dadurch
rechtswirksam, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, die
einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen (§ 1 Abs. 2 Satz 1
KSchG).
40
2. Grundsätze
41 a) Dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, die eine
Kündigung bedingen, können sich unter anderem daraus ergeben, dass der
Arbeitgeber sich zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, deren
Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer
Arbeitnehmer im Betrieb dauerhaft entfallen lässt. Eine solche unternehmerische
Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre
Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich
unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Ohne Einschränkung nachzuprüfen ist
hingegen, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und
dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist (BAG
29. August 2013 - 2 AZR 809/12 - in DB 2014, 663 Rn. 13 mwN). Eine Kündigung
ist auch nur dann iSd. § 1 Abs. 2 KSchG durch „dringende“ betriebliche
Erfordernisse bedingt, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, dem bei
Ausspruch der Kündigung absehbaren Wegfall des Beschäftigungsbedarfs durch
andere Maßnahmen - sei es technischer, organisatorischer oder wirtschaftlicher
Art - als durch eine Beendigungskündigung zu entsprechen. Das Merkmal der
Dringlichkeit der betrieblichen Erfordernisse ist Ausdruck des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit (ultima-ratio-Prinzip), aus dem sich ergibt, dass der
Arbeitgeber vor jeder ordentlichen Beendigungskündigung von sich aus dem
Arbeitnehmer eine sowohl diesem als auch ihm selbst objektiv mögliche
anderweitige Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz, gegebenenfalls zu
geänderten Bedingungen, anbieten muss. Diese in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 b, Satz
3 KSchG konkretisierte Kündigungsschranke gilt unabhängig davon, ob in dem
Betrieb ein Betriebsrat besteht und ob dieser der Kündigung widersprochen hat
(BAG 29. August 2013 - 2 AZR 809/12 - aaO Rn. 22 mwN). Erfüllt der
Arbeitnehmer das Anforderungsprofil der fraglichen Stelle, bedarf es grundsätzlich
keiner weitergehenden Prüfung, ob dem Arbeitnehmer die Tätigkeit zumutbar ist.
Dies gilt auch dann, wenn deren Zuweisung eine Vertragsänderung erforderlich
macht. Eine gegebenenfalls erforderliche Änderungskündigung darf nur in
Extremfällen unterbleiben, zB. bei einer völlig unterwertigen Beschäftigung. Der
Arbeitnehmer soll grundsätzlich selbst entscheiden können, ob er eine
Weiterbeschäftigung unter veränderten, möglicherweise sogar erheblich
verschlechternden Bedingungen für zumutbar erachtet oder nicht. Für das Fehlen
einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit ist gem. § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG
der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig. Dabei gilt eine abgestufte
Darlegungslast. Will der Arbeitnehmer vorbringen, es sei eine Beschäftigung an
anderer Stelle möglich, obliegt es zunächst ihm darzulegen, wie er sich diese
Beschäftigung vorstellt. Daraufhin muss der Arbeitgeber eingehend erläutern, aus
welchen Gründen eine Umsetzung nicht in Betracht kam (zum Vorigen: BAG 29.
August 2013 - 2 AZR 809/12 - aaO Rn. 22, 23, 24). Spricht der Arbeitgeber ohne
vorheriges oder gleichzeitiges Angebot der geänderten Arbeitsbedingungen sofort
eine Beendigungskündigung aus, so ist diese Kündigung regelmäßig sozialwidrig
(BAG 21. April 2005 - 2 AZR 132/04 - in AP Nr. 79 zu § 2 KSchG 1969).
42 b) Die Möglichkeit anderweitiger Beschäftigung setzt voraus, dass für den
betroffenen Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Kündigung eine geeignete und freie
Beschäftigungsmöglichkeit vorhanden ist. Da das Fehlen einer anderweitigen
Beschäftigungsmöglichkeit zum Kündigungsgrund gehört, sind auch die insoweit
maßgeblichen Tatsachen zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs zu
beurteilen (BAG 9. September 2010 - 2 AZR 493/09 - in AP Nr. 185 zu § 1 KSchG
1969 Betriebsbedingte Kündigung Rn. 21 mwN). Als frei sind Arbeitsplätze
anzusehen, die zum Zeitpunkt der Kündigung unbesetzt sind oder bei denen im
Kündigungszeitpunkt absehbar ist, dass sie bis zum Ablauf der Kündigungsfrist
zur Verfügung stehen werden (BAG 25. April 2002 - 2 AZR 260/01 - in AP Nr. 121
zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Rn. 31). Die Einbeziehung in der
Vergangenheit liegender Umstände und zukünftiger Entwicklungen ist jedoch
geboten, damit ausgeschlossen wird, dass der Arbeitgeber den
Kündigungszeitpunkt verschiebt, um zunächst vorhandene
Beschäftigungsmöglichkeiten zu beseitigen (BAG 9. September 2010 aaO). So
kann sich ein Arbeitgeber zur Rechtfertigung einer Kündigung nach dem
Rechtsgedanken des § 162 BGB nicht auf einen von ihm selbst treuwidrig
herbeigeführten, durch eine vorgezogene Stellenbesetzung verursachten Wegfall
freier Arbeitsplätze im Kündigungszeitpunkt berufen (BAG 12. August 2010 - 2
AZR 945/09 in AP Nr. 147 zu § 2 KSchG 1969 - Rn. 39 mwN). Er hat es nicht in
der Hand, eine Auswahlentscheidung nach § 1 Abs. 3 KSchG dadurch zu
vermeiden, dass er zunächst einen absehbar freien Arbeitsplatz besetzt und
später eine Beendigungskündigung wegen fehlender
Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten ausspricht (BAG 12. August 2010 aaO).
Anderseits muss der Arbeitgeber keine Beschäftigungsmöglichkeiten
berücksichtigen, deren Wegfall bis zum Ablauf der Kündigungsfrist sicher
absehbar ist (BAG 9. September 2010 aaO Rn. 22).
43 c) Gem. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat die
Gründe für die Kündigung mitzuteilen, das heißt, der Arbeitgeber muss dem
Betriebsrat schriftlich oder mündlich neben näheren Informationen über die Person
des betroffenen Arbeitnehmers, die Art und den Zeitpunkt der Kündigung und die
seiner Ansicht nach maßgeblichen Kündigungsgründe mitteilen. Der für den
Arbeitgeber maßgebende Sachverhalt ist unter Angabe der Tatsachen, aus denen
der Kündigungsentschluss hergeleitet wird, näher so zu beschreiben, dass der
Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in die Lage versetzt wird,
die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über eine
Stellungnahme schlüssig zu werden. Kommt der Arbeitgeber dieser Aufforderung
an seine Mitteilungspflicht nicht oder nicht richtig nach und unterlaufen ihm
insoweit bei der Durchführung der Anhörung Fehler, ist die Kündigung unwirksam
(BAG vom 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 in AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969
Namensliste Rn. 18). Allerdings ist die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers subjektiv
determiniert. An sie sind nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die
Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess. Es
müssen dem Betriebsrat also nicht alle objektiv kündigungsrechtlich erheblichen
Tatsachen, sondern vom Arbeitgeber nur die von ihm für die Kündigung als
Ausschlag gebend angesehenen Umstände mitgeteilt werden. Dagegen führt eine
aus Sicht des Arbeitgebers bewusst unrichtige oder unvollständige und damit
irreführende Darstellung zu einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats (BAG
vom 23. Oktober 2008 aaO, Rn. 19 nwN).
44
3. Bei Anwendung dieser Grundsätze
auf den vorliegenden Rechtsstreit ergibt
sich, dass die streitgegenständliche Kündigung sozial nicht gerechtfertigt im Sinne
des § 1 Abs. 2 KSchG und deshalb gem. § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam ist.
45 a) Die Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung ergibt sich jedoch
nicht bereits, wie vom Arbeitsgericht angenommen, aus einer unwirksamen
Betriebsratsanhörung gem. § 102 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG.
46 Richtig führt das Arbeitsgericht zwar aus, dass die Mitteilung der Beklagten in der
Betriebsratsanhörung betreffend die Übernahme der von der Klägerin im Rahmen
ihrer für das PR-und Mediabudget wahrgenommenen Aufgaben durch einen
anderen Arbeitnehmer (Herrn T. B.) objektiv nicht zutreffend war, nachdem diese
Tätigkeiten der Klägerin nach dem Vortrag der Beklagten im Prozess an eine
Agentur nach außen erfolgen sollte. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte dies
absichtlich dem Betriebsrats gegenüber falsch dargestellt hat, um diesen zu
täuschen oder zu einem bestimmten Ergebnis zu gelangen, bestehen nicht
ansatzweise und sind von der Klägerin auch nicht konkret behauptet. Insoweit ist
es ihr deshalb nur verwehrt, sich insoweit auf den Wegfall der Tätigkeiten der
Klägerin zu berufen. Dadurch wird hingegen nicht die gesamte
Betriebsratsanhörung unwirksam, auch wenn tatsächlich dort prozentuale
Angaben zum Umfang der jeweils dargestellten und angeführten Einzeltätigkeiten
an der Gesamttätigkeit der Klägerin nicht gemacht worden sind und, auch aus
Sicht des Berufungsgerichts, nicht gemacht werden mussten. Nähme hingegen
der Arbeitsumfang der Klägerin für die Tätigkeiten „Verantwortung PR- und
Mediabudget“ einen nicht nur zu vernachlässigenden Umfang an ihren
Gesamttätigkeiten ein, könnte die streitgegenständliche Kündigung allein deshalb
unwirksam sein, weil die Beklagte insoweit die Betriebsbedingtheit ihrer Kündigung
nicht hinreichend materiell darlegen könnte. Dies stellt hingegen keine Frage der
Wirksamkeit der Betriebsratsanhörung, sondern der
Sozialwidrigkeit/Verhältnismäßigkeit der streitgegenständlichen Kündigung dar.
47 b) Die streitgegenständliche Kündigung ist hingegen sozial nicht gerechtfertigt,
weil sie nicht verhältnismäßig ist. Die Beklagte war gehalten, der Klägerin vor
Ausspruch der streitgegenständlichen Beendigungskündigung eine
Änderungskündigung auszusprechen mit dem Inhalt, künftig die inzwischen von
der Arbeitnehmerin F. ausgeführten Tätigkeiten im Bereich Social Media als
Arbeitnehmerin auszuführen.
48 aa) Dem steht zunächst nicht entgegen, dass die Stelle mit diesen Aufgaben zum
Zeitpunkt der streitgegenständlichen Kündigung durch Frau F. tatsächlich noch
besetzt war. Unstreitig zwischen den Parteien ist nämlich, dass die Tätigkeit von
Frau F. als „Assistentin Marketing Services B 2 b im Bereich Social Media bis zum
31. Dezember 2013 durch die Beklagte erst am 17. Dezember 2012 (vgl. Anlage
B 10, Bl. 94 der Akten-ArbG) über den 31. Dezember 2012 hinaus bis 31.
Dezember 2013 verlängert worden ist.
49 Die Organisationsentscheidung der Beklagten, infolge derer die
streitgegenständliche Kündigung ausgesprochen worden ist, stammt nach ihrem
eigenen Vortrag vom 08.11.2012 (Anlage B 1, Bl. 26 bis 28 der Akten-ArbG). Die
behauptete unternehmerische Entscheidung, den Beschäftigungsbedarf im
Bereich Social Media (weiter) zu evaluieren, stammt jedenfalls zu einem Zeitpunkt
vor dem 18. Dezember 2012, nachdem der seit 1. Oktober 2012 mit Frau F.
bestehende befristete Arbeitsvertrag unter dem Datum 17. Dezember 2012
(befristet bis 31. Dezember 2013) verlängert worden ist (vgl. Anlage B 10, Bl. 94
der Akten-ArbG). Das bedeutet, dass die Beklagte zwischen ihrer Entscheidung,
die bisherige Tätigkeit der Klägerin als Leiterin Public Relations und Media auf
andere Personen zu übertragen und der Kündigung gegenüber der Klägerin aus
diesem Grunde, einen innerhalb der Kündigungsfrist der Klägerin ab 1. Januar
2013 zur Verfügung stehenden (aus Sicht der Beklagten behauptetermaßen
befristeten) Arbeitsplatz mit einer anderen Arbeitnehmerin besetzt hat. Die
Beklagte hat die erforderliche Sozialauswahl auf einen ab 1. Januar 2013 zur
Verfügung stehenden nicht besetzten Arbeitsplatz dadurch umgangen, dass sie
den freien Arbeitsplatz zunächst mit einer Arbeitnehmerin ihrer Wahl ab 1. Januar
2013 besetzt und zeitlich anschließend dem sozial schutzwürdigen Arbeitnehmer
mit der Begründung gekündigt hat, eine Sozialauswahl sei nicht erforderlich, weil
keine freie Stelle vorhanden sein. Die Beklagte kann sich insoweit zur
Rechtfertigung der streitgegenständlichen Kündigung nicht auf diesen von ihr
selbst durch vorgezogene Stellenbesetzung verursachten Wegfall eines
absehbar ab 1. Januar 2013 freien Arbeitsplatzes im Kündigungszeitpunkt
berufen. Sie hat es nicht in der Hand, eine Auswahlentscheidung nach § 1 Abs. 3
KSchG dadurch zu vermeiden, dass sie zunächst einen freien Arbeitsplatz
besetzt und später eine Beendigungskündigung wegen fehlender
Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten ausspricht. Sind nämlich von einer
Organisationsmaßnahme des Arbeitgebers mehrere vergleichbare Arbeitnehmer
betroffen und konkurrieren diese um anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten in
demselben Betrieb, hat der Arbeitgeber durch eine Sozialauswahl nach den
Grundsätzen des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG zu entscheiden, welche Arbeitnehmer
er auf dem freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt (BAG 12. August 2010 - 2 AZR
945/08 - aaO Rn. 39 und 40). Dies gilt aus Sicht der erkennenden Kammer auch
dann, wenn sich zwei bisher nicht vergleichbare Arbeitnehmer, die von der
Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses, sei es wegen Ablauf der Befristung, sei es
auf Grund einer organisatorischen Maßnahme des Arbeitgebers durch eine
Kündigung betroffen sind, um einen freien Arbeitsplatz - sei er vergleichbar oder
nicht vergleichbar mit ihrem jeweils bisherigen - konkurrieren. Die Arbeitnehmerin
F. ist hingegen weit weniger lang bei der Beklagten beschäftigt und wesentlich
jünger als die Klägerin und die Klägerin ist darüber hinaus noch einem Kind
unterhaltsverpflichtet. Im Hinblick darauf ist die Klägerin sozial deutlich
schutzwürdiger im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG als Frau F.. Insoweit hätte
diese Tätigkeit im Bereich Social Media der Klägerin entweder vor Ausspruch der
Beendigungskündigung angeboten werden müssen oder der Klägerin hätte auf
diese Stelle zunächst eine Änderungskündigung ausgesprochen werden
müssen.
50 bb) Auch die (sachgrundlose) Befristung des Arbeitsvertrags zwischen Frau F.
und der Beklagten bis 31. Dezember 2013 steht der Annahme eines freien
Arbeitsplatzes und der Notwendigkeit des Ausspruchs einer Änderungskündigung
gegenüber der Klägerin vor Ausspruch der streitgegenständlichen
Beendigungskündigung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin aus
Sicht der erkennenden Kammer nicht entgegen. Zwar ist richtig, dass die Beklagte
grundsätzlich im Rahmen ihrer Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)
unternehmerisch frei entscheiden kann, ob sie für bestimmte Tätigkeiten einen
Arbeitnehmer befristet (sachgrundlos, mit Sachgrund oder zweckbefristet im Sinne
des § 14 Abs. 1 und 2 TzBfG) oder unbefristet einstellt, wenn sie nicht weiß, wie
lange sie die vom Arbeitnehmer zunächst zu verrichtenden Tätigkeiten zeitlich
(noch) fortführen will. Ihre unternehmerische Freiheit ist jedoch im Hinblick auf das
Beschäftigungsverhältnis mit bei ihr bereits unbefristet beschäftigten
Arbeitnehmern im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes (§ 1 Abs. 2 KSchG)
zu Gunsten der auf Seiten des Arbeitsnehmers ebenfalls vorhandenen
Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) beschränkt. Sie kann im Rahmen
des § 1 Abs. 2 KSchG ihre unternehmerischen Risiken nur eingeschränkt
(teilweise) auf den Arbeitnehmer verlagern. Im Hinblick darauf hat der Arbeitgeber
im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses dem Arbeitnehmer nach dem
Kündigungsschutzgesetz und insoweit auch im Rahmen des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in einem unbefristet eingegangenen
Arbeitsverhältnis bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen der
Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nur eine eingeschränkte
Berufsausübungsfreiheit. Zwar ist vorliegend die unternehmerische Freiheit der
Beklagten, alle Arbeiten der Klägerin auf andere (außenstehende Dritte und/oder
andere Arbeitnehmer) zu verteilen als solche nur auf ihre offensichtliche
Unsachlichkeit, Unvernünftigkeit oder Willkür vom Gericht zu überprüfen. Das
Gericht darf seine Entscheidung über die Notwendigkeit der von der Beklagten
getroffenen organisatorischen Maßnahme auch nicht an die Stelle des
Arbeitgebers setzen. Ob hingegen die daraus resultierende
Beendigungskündigung sozial gerechtfertigt ist, ist damit allein nicht gesagt. Es
bleibt insoweit bei der Verpflichtung der Beklagten, dem Arbeitnehmer eine
diesem und dem Arbeitgeber zumutbare Änderungskündigung vor Ausspruch
einer Beendigungskündigung auszusprechen. Ist insoweit eine freie Stelle
vorhanden und ist diese beiden Parteien des Arbeitsvertrags zumutbar und vom
Arbeitnehmer ausfüllbar, muss diese Änderungskündigung jedenfalls auf die
Tätigkeiten dieser Stelle erfolgen, wenn die Tätigkeiten nicht bereits zu diesem
Zeitpunkt zeitlich im Vergleich zur Kündigungsfrist der Beendigungskündigung
nicht nur kurze Zeit später in Wegfall geraten. Dies ist vorliegend nicht der Fall,
nachdem die Frist der Beendigungskündigung gegenüber der Klägerin bis zum
31. Januar 2013 reicht, wohingegen die Beklagte nach ihrem Vortrag die Tätigkeit
im Bereich Social Media bis jedenfalls 31. Dezember 2013 im Rahmen einer
Erprobung im Marketingbereich vorhanden sein soll. Der Vorrang der
Änderungskündigung vor der Beendigungskündigung bedeutet vorliegend auch
keinen endgültigen Verlust der Entscheidungsfreiheit der Beklagten, wenn sie die
Stelle mit der Klägerin nicht mit einer Sachgrund- oder Zweckbefristung, sondern
nur unbefristet anbieten könnte. Würde sie nämlich die (weitere) freie
unternehmerische Entscheidung treffen, diese Tätigkeiten nicht fortzuführen, da
sie diesen Schluss aus ihrer Evaluation zieht, könnte sie wiederum, nach weiterer
Prüfung, ob eine andere freie Stelle vorhanden ist, die für die Klägerin in Frage
käme und möglicherweise der Vornahme einer sozialen Auswahl, einen
Arbeitnehmer, möglicherweise auch die Klägerin, betriebsbedingt kündigen. Allein
die Tatsache, dass - je nachdem, zu welchem konkreten Zeitpunkt sie ihre
unternehmerische Entscheidung trifft - die dann einzuhaltende individuelle
Kündigungsfrist länger als eine sachgrundlose oder mit Sachgrund erfolgte
Befristung oder Zweckbefristung reicht und dass sie möglicherweise eine soziale
Auswahl zwischen mehreren Arbeitnehmern durchführen muss, rechtfertigt es
nicht, von dem Erfordernis des Vorrangs der (verschlechternden)
Änderungskündigung vor dem Ausspruch einer Beendigungskündigung im
Rahmen eines bestehenden unbefristeten Arbeitsverhältnisses abzusehen.
Dieses unternehmerische Risiko der Beklagten ist in § 1 Abs. 2 KSchG angelegt.
51 cc) Die Klägerin ist für die von Frau F. im Bereich Social Media wahrgenommenen
Tätigkeiten auch nicht offensichtlich ungeeignet, weshalb auch nicht von
vornherein von einer offensichtlichen Unzumutbarkeit einer Änderungskündigung
vor Ausspruch der streitgegenständlichen Beendigungskündigung für die Klägerin
oder die Beklagte auszugehen ist. Die Klägerin war vor Ausspruch der
streitgegenständlichen Kündigung bis zum 30. September 2012 mit dem Thema
Social Media ansatzweise vertraut (Arbeitsaufgabe des Erstellen eines „Konzepts
für Social Media Plattform für Journalisten“). Dass die in Ziff. 1 der Beurteilung der
Zielvereinbarung mit der Klägerin (vgl. Anlage K 4, Bl. 109 der Akten) und den
darin genannten Tätigkeiten der Klägerin durch die Beklagte „fälschlicherweise
und lediglich aus Gefälligkeit“ (vgl. Vortrag der Beklagten im Schriftsatz ihres
Prozessbevollmächtigten vom 17. März 2014, Seiten 10 und 11, Bl. 81, 82 der
Akten) erfolgt sein sollen, ist nicht ansatzweise anhand von Tatsachen unterlegt.
Allein daraus, dass sie angeblich kein (vollständiges) Konzept vorgelegt haben
soll, spricht nicht dafür, dass sie konzeptionell hier überhaupt nicht tätig gewesen
ist. Auf das Interesse der Klägerin an dem Bereich Social Media kommt es
hingegen nicht an. Dass sie mit dem Thema jedenfalls befasst war ergibt sich
auch aus dem eigenen Vortrag der Beklagten, dass sie, die Klägerin, am 1.
Oktober 2012 bereits am ersten Tag der Tätigkeit von Frau F. für die Beklagte den
von der Klägerin geführten Ordner mit dem Titel „Social Media 2012“ an Frau F.
übergeben habe und Frau F. den Eindruck gehabt habe, dass die Klägerin
überhaupt nicht an dem Thema interessiert und froh gewesen sei, dass sie dieses
am 1. Oktober 2012 habe übergeben können.
52 dd) Soweit die Beklagte vorträgt, die Klägerin erfülle das Anforderungsprofil für die
von Frau F. im Rahmen ihres Arbeitsplatzes Social Media auszuführenden
Tätigkeiten nicht, kann das Gericht dem nicht folgen. Ungeachtet der Frage des
pauschalen Vortrags betreffend das Vorhandensein eines Anforderungsprofils,
aus dem nicht hervorgeht, wer dieses Anforderungsprofil wann aufgestellt hat, ist
von der Beklagten nicht anhand konkreter und nachprüfbarer Tatsachen in
zeitlicher, örtlicher und inhaltlicher Hinsicht dargelegt, warum diese im
Anforderungsprofil genannten Aufgaben „zwingend besondere Kenntnisse und
Fähigkeiten“ (vgl. Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 17. März 2014 auf
Seite 7 oben, Bl. 78 d. A.) voraussetzen sollen. Der insoweit angebotene
Beweisantritt durch einen Zeugen stellt einen reinen Ausforschungsbeweis dar.
Durch die Vernehmung des benannten Zeugen hätten möglicherweise konkrete
Tatsachen durch seine Vernehmung erforscht werden können. Hingegen ist die
Vernehmung von Zeugen als Beweismittel im Bereich der Zivilprozessordnung
nur möglich, um damit den Beweis für konkret vorgetragene Tatsachen führen zu
können (vgl. zum Vorliegen eines Ausforschungsbeweises: BAG 12. Juli 2007 - 2
AZR 722/05 - in AP Nr. 168 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Rn.
16 mwN).
53 Dasselbe gilt für die nachfolgende absolut tatsachenarme Behauptung der
Beklagten, in „technischer Hinsicht“ setze die Stelle einen „sicheren Umgang“ mit
Facebook voraus. Es ist zwar aus Sicht des Gerichts klar, dass im Hinblick auf
das von der Beklagten behauptete Stellenprofil ein Umgang mit Facebook durch
den Arbeitnehmer gesichert sein muss. Dies ist, nach eigener
Anwendungssachkunde des Gerichts, ohne größere Schwierigkeiten innerhalb
kurzer Zeit möglich, nachdem die Anwendung ohne Weiteres in Eigenregie
erlernbar ist. Soweit die Beklagte zur Begründung bestimmte, namentlich von ihr
benannte, Werkzeuge und Systeme nennt, ist die von ihr behauptete und
ebenfalls unter Zeugenbeweis gestellte Behauptung, dies bedürfe einer
Einarbeitungszeit für die Klägerin nicht unter 6 Monaten wiederum so
tatsachenarm, dass eine Beweiserhebung, auch die durch ein
Sachverständigengutachten, einen reinen Ausforschungsbeweis dargestellt hätte.
Es ist nämlich nicht ersichtlich, welche konkreten Anforderungen die
Werkzeuge/Systeme haben und inwieweit diese durch welche Schulungen mit
welcher Dauer erlernbar sind bzw. nur durch Schulungen erlernbar sind oder auch
durch learning by doing aneigbar sind.
54 Insoweit ist das Vorbringen der Beklagten betreffend die behauptete Nichteignung
der Klägerin für den Arbeitsplatz Social Media für die Entscheidung nicht relevant.
55 ee) Aber selbst wenn man das Vorbringen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom
17. März 2014 nicht als Ausforschungsbeweis ansähe, wäre ihr Vorbringen
betreffend das Vorhandensein eines Anforderungsprofils für den Arbeitsplatz
Social Media und die aus ihrer Sicht nicht vorhandenen Kenntnisse und
Fähigkeiten der Klägerin hierzu und die Notwendigkeit einer Einlernphase für die
Klägerin von nicht unter 6 Monaten für diese Tätigkeiten bei der
Entscheidungsfindung nicht zu berücksichtigen. Ihr Vortrag ist insoweit gem. § 67
Abs. 4 ArbGG verspätet. Bereits mit erstinstanzlichen Schriftsatz vom 21. Mai
2013 (Seite 4, Bl. 50 der Akten-ArbG) hat die Klägerin vorgetragen, die Beklagte
habe vor Einstellung von Frau F. ab 1. Januar 2013 auf die neu geschaffene
Stelle einer Assistentin Marketing Services B 2 B ihr diese Stelle im Wege einer
Änderungskündigung anbieten müssen. Die Stellungnahme der Beklagten hierzu
in ihrem Schriftsatz vom 5. Juli 2013 (Seite 4, Bl. 80 der Akten-ArbG) hatte
lediglich zum Inhalt, dass eine Vergleichbarkeit insoweit ausscheide, da diese
Stelle nur befristet besetzt sei. Hierauf wandte die Klägerin im Schriftsatz vom 13.
September 2013 (Seiten 4 und 5, Bl. 105, 106 der Akten-ArbG) ein, dass ihr diese
Stelle, für die sie „geeignet gewesen sei“, hätte dennoch angeboten werden
müssen. Innerhalb der gesetzlichen Berufungsbegründungsfrist hat die Beklagte
hierzu nichts erwidert. Es hätte hingegen an der Beklagten gelegen, im Rahmen
ihrer Berufungsbegründung innerhalb der einmonatigen Frist gem. § 66 Abs. 1
ArbGG zu diesem Einwand der Klägerin, insbesondere zur Frage der Eignung der
Klägerin für die Tätigkeit von Frau F. abschließend Stellung zu nehmen und durch
konkreten Tatsachenvortrag zu thematisieren. Dies hat die Beklagte hingegen -
die hinreichende Substanziierung von Tatsachen unterstellt - erst mit ihrem
Schriftsatz vom 17. März 2014 knapp 1 ½ Wochen vor dem Termin der
mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht auf die
Berufungsbeantwortung der Klägerin im Schriftsatz vom 10. Dezember 2013, der
am 13. Dezember 2013 durch das Gericht an die Beklagte weitergeleitet worden
ist (vgl. gerichtliche Verfügung vom 13. Dezember 2013, Bl. 46 der Akten), getan.
In ihrer Berufungsbeantwortung hatte die Klägerin erkennbar unter II. ihre
erstinstanzlich vorgetragenen Einwände gegen die Kündigung im Hinblick auf die
aus ihrer Sicht bestehende Notwendigkeit des Ausspruchs einer
Änderungskündigung vor der streitgegenständlichen Beendigungskündigung
teilweise wiederholt und auf ihr erstinstanzliches Vorbringen verwiesen und keine
darüber hinausgehenden Ausführungen gemacht.
56 Den insoweit verspäteten (Tatsachen)Vortrag der Beklagten hat diese weder iSd.
§ 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG entschuldigt, noch ist ansatzweise ersichtlich, dass
diese Tatsachen erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist entstanden
sind. Das Gegenteil ist vielmehr nach dem Vortrag der Beklagten der Fall. Die
Vernehmung des als Zeugen benannten V. R. zu dem von der Beklagten
behaupteten Anforderungsprofil für die Arbeitstätigkeit im Bereich Social Media
und die behaupteten fehlenden Kenntnisse der Klägerin hierfür im Gegensatz zu
den vorhandenen Kenntnissen der Arbeitnehmerin F., und die behauptete
notwendige Einarbeitungszeit der Klägerin von nicht unter 6 Monaten für eine
entsprechende Tätigkeit, hätte den Rechtsstreit im Sinne des § 67 Abs. 4 Satz 2
ArbGG auch verzögert. Die Klägerin hat in dem ihr im Hinblick auf den erst gut
eine Woche vor dem Termin der mündlichen Verhandlung vor dem
Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz der Beklagten vom Gericht
nachgelassenen Schriftsatzrecht erhebliche Einwendungen gegen die
Tatsachenbehauptungen der Beklagten erhoben. Sie hat sowohl das Vorliegen
des von der Beklagten behaupteten Anforderungsprofils vor Ausspruch der
streitgegenständlichen Kündigung zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten als
auch die behaupteten Kenntnisse und Fähigkeiten von Frau F. für die - aus Sicht
der Klägerin pauschal - von der Beklagten behaupteten notwendigen Kenntnisse
und Fähigkeiten für den Arbeitsplatz Social Media. Darüber hinaus behauptet die
Klägerin eine Einarbeitungszeit für sie in diese Tätigkeiten von maximal ein bis
zwei Monaten bei entsprechender Schulung, was sie ihrerseits unter
vorsorglichen Beweisantritt stellt. Danach hätte jedenfalls zunächst Beweis durch
Vernehmung von Herr R. als Zeugen über das Vorliegen und gegebenenfalls den
Inhalt eines Anforderungsprofils für den Arbeitsplatz Social Media und die von der
Beklagten behaupteten Fähigkeiten und Kenntnisse von Frau F. für die
betreffenden behaupteten Tätigkeitsmerkmale und die fehlenden Kenntnisse der
Klägerin hierfür erhoben werden müssen. Eine derartige Beweisaufnahme hätte
den Prozess hingegen tatsächlich verzögert. Es hätte ein weiterer Termin zur
Beweisaufnahme und anschließend mündlicher Verhandlung anberaumt werden
müssen. Daran ändert die Tatsache, dass die Klägerin ihr Vorbringen erst im
Rahmen des ihr durch das Gericht nachgelassenen Schriftsatzrechts vorgetragen
hat, nichts. Bei einem insoweit unterstellten Vortrag der Klägerin in der mündlichen
Verhandlung vor dem Berufungsgericht hätte eine Beweisaufnahme ebenfalls
nicht erfolgen können, nachdem die Beklagte den von ihr benannten Zeugen R.
nicht in die Sitzung gestellt hatte und eine Kompensation des Gerichts durch eine
vorsorgliche Ladung dieses Zeugen nicht möglich und erforderlich war. Eine
Einlassung der Klägerin im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem
Berufungsgericht war auch nicht erforderlich, nachdem die Stellungnahme der
Klägerin auf den Vortrag der Beklagten in deren Schriftsatz vom 17. März 2014
gem. den §§ 132 Abs. 1 und Abs. 2 Satz. 1 ZPO vor oder im Termin der
mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gesetzlich nicht zwingend
war. Der Schriftsatz der Beklagten ging dem Prozessbevollmächtigten der
Klägerin zwar mindestens 1 Woche vor dem Berufungstermin zu. Eine
Fristsetzung des Gerichts gegenüber der Klägerin zu einer konkreten
Stellungnahme hierzu vor dem Termin der Berufungsverhandlung war im Hinblick
auf die bis zum Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht
verbleibende Zeit jedoch weder zwingend notwendig noch durch das Gericht im
Hinblick auf die §§ 67 Abs. 7, 56 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, 61 a Abs. 4 ArbGG in
entsprechender Anwendung erzwingbar. Eine Ladung des Zeugen R. durch das
Gericht auf Verdacht bzw. im Vorgriff auf einen möglichen tatsächlichen Inhalt
einer Stellungnahme der Klägerin war hingegen nicht zu veranlassen.
57
C. Nebenentscheidungen
58 1. Nachdem die Berufung der Beklagten in vollem Umfang keinen Erfolg hat, trägt
sie gem. § 97 Abs. 1 ZPO deren Kosten vollständig.
59 2. Die Revision war für die Beklagte zuzulassen, nachdem die Frage, ob eine
Änderungskündigung auf einen vom Arbeitgeber zunächst nur befristet
eingerichteten Arbeitsplatz vor Ausspruch einer Beendigungskündigung zu
erfolgen hat oder nicht und es sich insoweit um einen freien Arbeitsplatz im Sinne
des § 1 Abs. 2 KSchG handelt oder nicht, eine solche von grundsätzlicher
Bedeutung ist (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).