Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 27.02.2013

eingriff, konzern, arbeitsgericht, proportionalität

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 27.2.2013, 20 Sa 81/11
Eingriff in das betriebliche Altersversorgungssystem durch ablösende
Betriebsvereinbarung - Darlegungslast
Leitsätze
Die Beurteilung, ob sachlich-proportionale Gründe für einen Eingriff in
dienstzeitabhängige Steigerungsbeträge vorliegen, erfordert nicht lediglich eine
Willkürkontrolle. Dem Arbeitgeber obliegt die Darlegung aller Umstände, die
nachvollziehbar belegen, dass ein überschießender Eingriff in das betriebliche
Altersversorgungssystem nicht erfolgt ist.
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Stuttgart vom 06.10.2011 - 17 Ca 6588/11 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten darüber, nach welcher Versorgungsordnung sich die
Anwartschaften des Klägers auf betriebliche Altersversorgung richten.
2 Der am XX.XX.19XX geborene Kläger wurde am 1. November 1984 bei der N. S.
AG (im Folgenden: N. AG) eingestellt. Mit Beschluss der Hauptversammlung von
März 2002 gliederte die N. AG das operative Geschäft in fünf
Tochtergesellschaften aus. Diese Tochtergesellschaften wurden durch
Verschmelzungsverträge auf die jeweiligen Parallelgesellschaften des E.-Konzerns
übertragen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ging auf diese Weise im Jahr 2002
zunächst auf die N. K. AG & Co. KG und sodann im Folgejahr auf die Beklagte
über.
3 Bei der Beklagten handelt es sich um eine hundertprozentige Tochter der E. E.
Baden-Württemberg AG.
4 Bei der N. AG waren Ansprüche der Mitarbeiter auf eine betriebliche
Altersversorgung geregelt in einer „Betriebsvereinbarung über die
Versorgungsordnung der N. S. AG vom 12. Dezember 1997 über vor dem 1.
Januar 1997 bei der N. E.-Aktiengesellschaft (N.) eingetretene
Betriebsangehörige“. In dieser Betriebsvereinbarung (künftig BV 1997) heißt es
ua.:
5
㤠1 Voraussetzungen des Versorgungsanspruchs
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1. Der Versorgungsanspruch entsteht, wenn der unter den jeweils für die N.
geltenden Manteltarifvertrag fallende Betriebsangehörige nach Vollendung des 20.
Lebensjahres eine 10jährige ununterbrochene Dienstzeit bei den N. erreicht hat. In
diesem Fall gibt das Unternehmen dem betreffenden Betriebsangehörigen
spätestens nach Ablauf des Kalendervierteljahres, in dem die zehnjährige
Dienstzeit erfüllt ist, eine entsprechende schriftliche Mitteilung.(…)
7
§ 3 Alters- und Invaliditätsversorgung
8
1. Der versorgungsberechtigte Betriebsangehörige erhält ein Ruhegeld, wenn er in
den Ruhestand tritt.
9
2. Der Eintritt in den Ruhestand erfolgt:
10 a) auf Wunsch der N. oder des Betriebsangehörigen, wenn der
Betriebsangehörige
11 - das 65. Lebensjahr vollendet hat (feste Altersgrenze) oder
12 - vor Vollendung des 65. Lebensjahres Altersrente der gesetzlichen
Rentenversicherung in voller Höhe in Anspruch nimmt (…).
13 § 4 Höhe und Berechnung des Ruhegeldes
14 1. a) Das Ruhegeld beträgt nach der Erfüllung der Voraussetzungen des § 1
monatlich 15 % des letzten ruhegeldberechtigten Einkommens. Es steigert sich für
jedes weitere Dienstjahr um 1 %, höchstens jedoch auf insgesamt 40 %.
15 b) Der in der gesetzlichen Rentenversicherung bei einer vorzeitigen
Inanspruchnahme der Altersrente maßgebende Zugangsfaktor wird für das N.-
Ruhegeld übernommen; dies gilt nicht für Betriebsangehörige, die am 01.01.1992
bereits einen Versorgungsanspruch im Sinne des § 1 haben.
16 c) Die Gesamtversorgung (Sozialversicherungsrenten, Versorgungsleistungen
aus früheren Tätigkeiten und N.-Ruhegeld) darf 75 % des letzten
ruhegeldberechtigten Einkommen nicht übersteigen. (...)“
17 Mit Schreiben vom 14.01.1994 wurde dem Kläger die Unverfallbarkeit der
Betriebsrentenansprüche nach der BV 1997 bescheinigt.
18 Beginnend im Jahr 2003 wurde im gesamten E. -Konzern ein
Kosteneinsparungsprogramm namens „TOP FIT“ durchgeführt. In dessen Rahmen
wurden ua. sämtliche Betriebsvereinbarungen über Altersversorgung im Konzern
gekündigt. Es wurde sodann zwischen einzelnen Konzernunternehmen und ihren
Betriebsräten bzw. Gesamtbetriebsräten am 26. November 2004 eine
Betriebsvereinbarung zur Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung
(nachfolgend: BV 2004) geschlossen. Darin ist ua. geregelt:
19 „[A.]
20 9. Gesamtbetriebsvereinbarung vom 12.12.1997 über die Versorgungsordnung
der N. S. AG für vor dem 01.01.1997 bei der N. E.-Aktiengesellschaft (N.)
eingetretene Betriebsangehörige:
21 9.1 Die Wirkungen der Kündigung vom 23.09.2003/19.05.2004 (dort Buchstabe C)
werden einvernehmlich zum 31.12.2004 nicht eintreten.
22 9.2 Statt dessen werden die Anwartschaften der nach der oben genannten
Betriebsvereinbarung berechtigten Mitarbeiter für die Zukunft wie folgt von der
Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung abgekoppelt:
23 9.2.1 Für jeden nach der oben genannten Betriebsvereinbarung berechtigten
Mitarbeiter erfolgt eine Berechnung der im Alter 65 erreichbaren
Gesamtversorgung nach Maßgabe der Regelungen der oben genannten
Betriebsvereinbarung und auf Basis des individuellen ruhegeldberechtigten
Einkommens (im Sinne des § 4 der oben genannten Betriebsvereinbarung) des
Mitarbeiters zum Zeitpunkt 31.12.2004.
24 Die anzurechnende Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wird auf
Basis einer individuellen Rentenauskunft mit Stand 31.12.2004 im Rahmen dieser
Berechnung auf Alter 65 hochgerechnet und sodann angerechnet bzw. die
Gesamtversorgung limitiert. Für sonstige gemäß der RO in die Anrechnung bzw.
Limitierung einzubeziehende Renten ist die garantierte Leistung zu
berücksichtigen. Bei Leistungen aus befreienden Lebensversicherungen
entspricht dies der Garantieleistung zuzüglich der bis zum 31.12.2004
angefallenen Gewinnanteile.
25 Das auf diese Weise errechnete erreichbare Ruhegeld wird als Prozentsatz des
individuellen ruhegeldberechtigten Einkommens des Mitarbeiters zum 31.12.2004
(„festgeschriebener Versorgungsprozentsatz“) ausgewiesen und jedem
betroffenen Mitarbeiter im zweiten Halbjahr 2005 schriftlich mitgeteilt, sofern eine
Rentenauskunft auf der Basis eines geklärten Rentenkontos bzw. Nachweis über
die Höhe der sonstigen anzurechnenden Renten vorliegen.
26 9.2.2 Bei Eintritt eines Versorgungsfalles stellt der festgeschriebene
Versorgungsprozentsatz die Berechnungsgrundlage für das Ruhegeld bzw. die
Hinterbliebenenleistung dar: Der festgeschriebene Versorgungsprozentsatz wird
bei Eintritt eines Versorgungsfalles mit dem individuellen ruhegeldberechtigten
Einkommen des betroffenen Mitarbeiters im Zeitpunkt des Versorgungsfalles
multipliziert.
27 Der auf diese Weise berechnete Betrag stellt das Ruhegeld bei Inanspruchnahme
ab Alter 65 sowie das Ruhegeld bei Erwerbsminderung dar. (…)
28 Eine zusätzliche Nettolimitierung im Sinne von § 4 der oben genannten
Betriebsvereinbarung erfolgt bei keinem der oben genannten Versorgungsfälle.
(…)“
29 Im Jahr 2004 wurde dem Kläger von der Beklagten mitgeteilt, dass sich sein
Betriebsrentenanspruch ab 1. Januar 2005 aus der BV 2004 ergebe. Mit weiterem
Schreiben vom 19. April 2011 (ABl. 20 ff. der Arbeitsgerichtsakte) teilte die
Beklagte dem Kläger auf Grundlage der BV 2004 den Stand seiner betrieblichen
Altersversorgung und die voraussichtliche Höhe der monatlichen
Betriebsrentenzahlung mit. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten der Berechnung
wird insoweit verwiesen.
30 Die Änderung der betrieblichen Altersversorgung und die weiteren Maßnahmen
des Einsparprogramms „TOP FIT“ hatten folgenden Hintergrund:
31 Zwischen der Beklagten und der Konzernmutter, der E. E. Baden-Württemberg AG
(nachfolgend E. AG), besteht ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag.
Außerdem nimmt die Beklagte, wie auch die anderen Konzernunternehmen, an
einem sogenannten Cashpool-Verfahren teil. Hierbei handelt es sich um ein
konzerninternes Liquiditätsausgleichsverfahren, welches über das
Finanzmanagement der Holding, der E. AG, gesteuert wird. Die
Pensionsrückstellungen werden im Übrigen nicht bei den einzelnen Unternehmen
gebildet, sondern bei der Holding konzentriert, die von den einzelnen
Konzerntöchtern, welche in die Rückstellungsbündelung einbezogen sind,
Aufwendungsersatzleistungen erhält. Im Gegenzug hat die Holding
Schuldbeitrittserklärungen im Hinblick auf die Pensionsforderungen abgegeben. Im
Innenverhältnis hat sich die E. AG auf der Grundlage eines Sammeltarifvertrags
vom 21. Juli 2003 zur Personalüberleitung/Verschmelzung gegenüber der
Beklagten zur Freistellung bezüglich der Forderungen aus der betrieblichen
Altersversorgung verpflichtet.
32 Die Eigenkapitalquote im E.-Konzern ging von 15 % im Jahr 1998 auf 6,1 % im
ersten Halbjahr 2003 zurück. Der Konzern erwirtschaftete im ersten Halbjahr 2003
einen Nettoverlust von 945,5 Mio. EUR, der bis Jahresende 2003 auf 1.192,8 Mio.
EUR anstieg. Das Absenken der Eigenkapitalquote und die Verlustsituation waren
zumindest teilweise auch rückführbar auf bilanzielle Neubewertungen ehemaliger
Beteiligungen des E.-Konzerns. Nachdem bis 2001 noch keine Verschuldung
bestand, stieg die Nettofinanzverschuldung im Konzern im ersten Halbjahr 2003
auf 1.814 Mio. EUR.
33 Der Vorstand der E. AG gab angesichts dieser wirtschaftlichen Situation ein
Einsparvolumen von 1 Mrd. EUR pro Jahr vor. Zur Ermittlung der
Einsparmöglichkeiten zog die Holding die Unternehmensberatungsgesellschaft M.
hinzu. Ergebnis dieser Beratungen war, dass ein Einsparvolumen in Höhe von 350
Mio. EUR bei den Personalkosten erzielt werden sollte. Davon sollte auf den
Bereich der betrieblichen Altersversorgung ein Beitrag in Höhe von 10 Mio. EUR
entfallen.
34 Trotz Durchführung des Einsparprogramms „TOP FIT“ stieg die Beklagte ab der
Saison 2004/2005 als Hauptsponsor bei dem in der ersten Fußballbundesliga
spielenden V. S. mit einem jährlichen Finanzvolumen in Höhe von 7,5 Mio. EUR
ein.
35 Der Kläger hat vorgetragen, er habe weiterhin eine Betriebsrentenanwartschaft
nach Maßgabe der BV 1997, denn diese sei nicht wirksam abgelöst worden. Er
war der Auffassung, die mit der BV 2004 vorgenommene Abkoppelung der
Betriebsrentenansprüche von der Entwicklung der gesetzlichen
Rentenversicherung stelle einen Eingriff in eine zeitanteilig erdiente
dienstzeitunabhängige Dynamik dar, der nur aus - hier nicht vorliegenden - triftigen
Gründen möglich sei. Selbst wenn man annehme, es liege lediglich ein Eingriff in
eine noch nicht erdiente Zuwachsrate der betrieblichen Altersversorgung des
Klägers vor, fehle es zu dessen Rechtfertigung an sachlich proportionalen
Gründen. Die bloße Absicht einer Reduzierung der Betriebsrentenansprüche
könne die Absenkung nicht rechtfertigen. Die Maßnahme sei insbesondere unter
Berücksichtigung des Sportsponsorings unsachlich. Der Eingriff in das
Versorgungssystem habe sich entgegen der Behauptung der Beklagten nicht in
einen Zusammenhang mit anderen Maßnahmen zur Kosteneinsparung eingefügt.
Außerdem sei eine Proportionalität nicht erkennbar und auch nicht substanziiert
dargestellt. Im Übrigen hätten Einmaleffekte außer Betracht zu bleiben. Soweit von
der Beklagten in den Jahren 2002 und 2003 ein gemindertes Eigenkapital
ausgewiesen worden war, sei dieses nämlich nicht auf eine geminderte
Ertragskraft, sondern auf bilanzielle Neubewertungen der damaligen Beteiligungen
des E.-Konzerns zurückzuführen. Ein dadurch verringertes Eigenkapital könne
jedoch nicht gleichgestellt werden mit einer vermindernden Ertragslage, zumal die
Umsatzerlöse im Zeitraum von 2000 bis 2007 kontinuierlich gestiegen seien.
Ferner habe das wirtschaftliche Ergebnis sowie die Eigenkapitalquote in 2004
wieder deutlich verbessert werden können. Schließlich hat der Kläger gemeint, es
könne ohnehin nicht auf die Situation im Konzern abgestellt werden, da es an einer
hinreichenden Darlegung zu einer verdichteten Konzernbeziehung fehle.
36 Der Kläger hat beantragt:
37
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der klägerischen Partei
ein Ruhegeld nach der Betriebsvereinbarung über die Versorgungsordnung
der N. S. AG vom 12.12.1997 über vor dem 01.01.1997 bei der N. E.-
Aktiengesellschaft (N.) eingetretene Betriebsangehörige zu bezahlen.
38 Die Beklagte hat beantragt,
39
die Klage abzuweisen.
40 Die Beklagte hat geltend gemacht, die Ablösung der BV 1997 durch die BV 2004
sei rechtlich nicht zu beanstanden. Es handele sich bei der Neuregelung um eine
zulässige Abkoppelung der betrieblichen Altersversorgung von der Entwicklung
der gesetzlichen Rentenversicherung unter Aufrechterhaltung des individuell
erdienten Besitzstandes und der Gewährleistung der in der Altersversorgung
angelegten Dynamik. Der erworbene dynamische Besitzstand werde jedoch nicht
angetastet, da weiterhin von dem zu 75 % erreichbaren
Gesamtversorgungsprozentsatz auf Basis des versorgungsfähigen Entgelts bei
der Berechnung ausgegangen worden sei. Der Faktor „Endgehalt“ sei folglich
unverändert geblieben. Die Beklagte erkenne zudem an, dass dem Kläger im
Versorgungsfall jedenfalls der dynamische Mindestbesitzstand gemäß der
tatsächlichen Entwicklung seiner Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung
in der Zeit zwischen Neuordnungsstichtag und Versorgungsfall zustehe. Daraus
folge, dass die BV 2004 nicht in eine erdiente dienstzeitunabhängige Dynamik,
sondern lediglich in die dienstzeitabhängigen Steigerungen nach dem
Ablösestichtag eingegriffen habe.
41 Dieser Eingriff sei durch sachlich proportionale Gründe gerechtfertigt.
Insbesondere das Absinken der Eigenkapitalquote habe dazu geführt, dass der
Konzern von der Ratingagentur S. & P. von der Kategorie A+ in die Kategorie A
abgestuft worden sei. Dies verbunden mit dem Rückgang der Eigenkapitalquote
unter 8 % habe nach den Basel 1- und Basel 2-Kriterien dazu geführt, dass die
Konzernunternehmen Kredite nur noch zu deutlich schlechteren Bedingungen
hätten erhalten können. Die E.-Aktie sei im Verlauf des Jahres 2003 kontinuierlich
gefallen, weshalb die konkrete Gefahr der Überschuldung und der Insolvenz
bestanden habe. Aufgrund der Beteiligung am Cashpool-Verfahren und des
bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages zwischen der
Beklagten und der sie beherrschenden E. AG habe deren wirtschaftliche
Krisensituation unmittelbar auf die Beklagte durchgeschlagen. Ziel sei es deshalb
gewesen, die Eigenkapitalquote im Konzern auf mindestens 12 % durch die
Maßnahmen des „TOP FIT“-Programms anzuheben. Somit sei der Eingriff in die
betriebliche Altersversorgung durch die BV 2004 nicht willkürlich gewesen, zumal
die Unternehmensberatungsgesellschaft M. und der Betriebsrat in die Planung und
Umsetzung der Neuordnung eingebunden waren. Vielmehr würden die
dargelegten Gründe sogar dem von der Rechtsprechung entwickelten
Prüfungsmaßstab des triftigen Grundes standhalten.
42 Mit Urteil vom 6. Oktober 2011 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Zur
Begründung hat es ausgeführt, die BV 2004 habe die BV 1997 nicht wirksam
abgelöst. Durch die Ermittlung des festgeschriebenen Versorgungsprozentsatzes,
der im Versorgungsfall in die individuelle Berechnung der Höhe der Betriebsrente
eingestellt werde, sei kein Eingriff in die gehaltsabhängige
Steigerungskomponente vorgenommen worden, sondern die zum Ablösezeitpunkt
bestehende dienstzeitunabhängige Dynamik erhalten geblieben. Durch diese
Vorgehensweise sei jedoch in künftige, noch nicht erdiente dienstzeitunabhängige
Zuwächse - und somit auf der dritten Stufe der Drei-Stufen-Theorie des BAG -
eingegriffen worden. Dies sei nicht durch sachlich-proportionale Gründe
gerechtfertigt, denn die Beklagte habe die Willkürfreiheit des Eingriffs nicht
dargelegt. Ein Absinken des gesetzlichen Rentenniveaus vermindere zwar in der
Gesamtversorgung, wie sie in der BV 1997 geregelt war, die Anrechnungsfälle und
wirke sich im Ergebnis als Verteuerung der betrieblichen Altersversorgung aus.
Daraus folge jedoch nicht ohne Weiteres, dass dies durch Leistungskürzungen
ausgeglichen werden dürfe. Da es Ziel der nach der Rechtsprechung
vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung sei, überschießende Eingriffe zu
verhindern, sei es erforderlich, dass der konkrete Anlass und die daraus
resultierende Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis zueinander stünden.
Dem Vortrag der Beklagten lasse sich jedoch nicht entnehmen, weshalb der
Einsparbedarf in der angegebenen Größenordnung in dem Programm „TOP FIT“
festgelegt worden sei. Es sei ferner nicht ersichtlich, wie der durch die Kürzung der
betrieblichen Altersversorgung ersparte Betrag ermittelt worden sei. Ebenso sei
nicht dargetan, weshalb die Kürzungen bei den Betriebsrenten um 10 Mio. EUR im
Verhältnis zu den insgesamt tatsächlich erforderlichen Einsparungen stehen
sollten und wie sich die Einsparungen auf die Eigenkapitalquote auswirkten.
43 Gegen dieses der Beklagten am 19. Oktober 2011 zugestellte Urteil hat sie am 18.
November 2011 Berufung eingelegt und innerhalb der bis 19. Januar 2012
verlängerten Begründungsfrist am 18. Januar 2012 begründet.
44 Die Beklagte beanstandet eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das
Arbeitsgericht, da es die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast der
Beklagten überspannt und Inhalt, Sinn und Zweck des vom BAG geforderten
sachlich-proportionalen Grundes verkannt habe. Das Arbeitsgericht habe dieses
Kriterium zu einem extensiven weiteren Prüfungsschritt hochstilisiert, in dem es
eine zusätzliche Verhältnismäßigkeitsprüfung eingeführt hat. Das BAG verstehe
jedoch die Proportionalität lediglich als Willkürfreiheit und Nachvollziehbarkeit der
Gründe. Die Gründe müssten anerkennenswert sein, eine mathematisch exakte
Berechnung sei hingegen nicht gefordert. Der Beklagten stehe ein
Beurteilungsspielraum zu, den sie in nicht zu beanstandeter Weise mit den
Betriebsräten ausgeübt habe. Die vom Arbeitsgericht angewandten
Prüfungsanforderungen würden hingegen einen unzulässigen Eingriff in die
unternehmerische Freiheit darstellen.
45 Ergänzend stellt die Beklagte die wirtschaftliche Herleitung des mit dem „TOP FIT“-
Programm erfolgten Einsparvolumens anhand der rentabilitätsorientierten
Steuerungsgröße ROCE (retourn of capital employed) dar und trägt vor, für ein
Aufschließen zu den Wettbewerbern habe es einer ROCE-Zielfestlegung von 4,1
(im Jahr 2002) auf 12,0 bedurft. Um dies zu erreichen, sei zusammen mit externen
Wirtschaftsfachleuten ein Einsparvolumen von 700 Mio. EUR angesetzt worden.
Weitere 300 Mio. EUR seien erforderlich gewesen zur Deckung weiterer
Vertragsrisiken. Das Gesamteinsparungsvolumen von 1 Mrd. EUR jährlich habe im
Wesentlichen die Bereiche Personal, Einkauf, Reduzierung der
Konzernkomplexität, Optimierung der Wertschöpfungskette und IT betroffen. Der
Kostensenkungsbeitrag im Personalbereich sämtlicher Konzerngesellschaften
sollte sich auf 350 Mio. EUR belaufen. Durch Personalabbau sollten hierbei jeweils
jährlich 150 Mio. EUR, durch Arbeitszeitflexibilisierung 40 Mio. EUR und durch
Einsparung bei den betrieblichen Sozialleistungen sowie den Tarifabschlüssen
110 Mio. EUR erzielt werden. Der Beitrag für die betriebliche Altersversorgung und
die Erfolgsbeteiligungen seien zunächst mit 25 Mio. EUR jährlich geplant gewesen,
davon 17,3 Mio. EUR für die Altersversorgung. Nach intensiven Verhandlungen mit
dem Betriebsrat sei letztendlich in dem Bereich Altersversorgung ein geplantes
Einsparvolumen von 10 Mio. EUR jährlich generiert worden, das aus der - auf
Wunsch des Betriebsrats - vorgenommenen Entkoppelung der betrieblichen
Altersversorgung von der gesetzlichen Rentenversicherung nach Berechnung der
Konzernmutter gewonnen werden sollte. Durch die Maßnahmen des
Kosteneinsparungsprogramms sei das angestrebte Ziel der nachhaltigen
Eigenkapitalauffüllung erreicht worden, denn die Eigenkapitalquote sei von 6,1 %
in 2003 über 10 % im Jahr 2004 auf 21,1 % im Jahr 2007 gestiegen.
46 Die Beklagte ist der Auffassung, die Neuregelung der Versorgungsordnung sei
durch sachlich-proportionale Gründe gerechtfertigt, denn der Einsparbeitrag der
Altersversorgung belaufe sich nur auf 1 % des Volumens des gesamten
Sparpakets. Im Jahr 2003 habe der ein Gesamtaufwand für Personal von 1,6 Mrd.
EUR betragen, darauf seien rund 100 Mio. EUR auf die betrieblichen
Altersversorgung entfallen, also rund 6 bis 7 %. Eingegriffen habe die Beklagte mit
einem Volumen von 10 Mio. EUR, was im Hinblick auf den Gesamtsparbeitrag
Personal von 350 Mio. EUR lediglich 3,5 % betrage. Die Willkürfreiheit ergebe sich
aber auch aus einem weiteren Umstand: Obwohl nämlich konzernweit alle
werthaltigen Versorgungsordnungen gekündigt worden seien, seien bei der
Neuordnung der betrieblichen Altersversorgung durch die BV 2004 letztlich nur in
den Konzernunternehmen die Versorgungsansprüche der Mitarbeiter gekürzt
worden, in denen Gesamtversorgungsordnungen bestanden, die an die
Entwicklung der gesetzlichen Rente gekoppelt waren. Diese Systeme hätten im
Hinblick auf die langjährige Finanzierbarkeit gesichert werden müssen, da die
Anbindung an die gesetzliche Rentenversicherung zu unkalkulierbaren
Belastungen führen würde. Die Versorgungsordnungen auf Basis des
Bausteinsystems, die wesentlich geringere Versorgungsleistungen vorsähen,
seien hingegen nahezu unverändert wieder in Kraft gesetzt worden.
47 Außerdem trägt die Beklagte unter Durchführung einer ausführlichen
Probeberechnung, auf deren Inhalt verwiesen wird (ABl. 192/193), vor, dass durch
die Neuordnung bei dem Kläger in Ansehung seiner individuellen
Berechnungsfaktoren nicht in die Dynamik seiner Versorgungsanwartschaft nach
Maßgabe des versorgungsfähigen Arbeitsentgelts eingegriffen worden ist, sondern
die bereits erdiente Dynamik dem Kläger weiterhin ungeschmälert verbleibe.
48 Die Beklagte beantragt,
49
das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 06.10.2011 - 17 Ca 6588/11 -
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
50 Der Kläger beantragt,
51
die Berufung zurückzuweisen.
52 Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und beanstandet, dass die
Herleitung des Einsparvolumens über die Steuerungsgröße ROCE nicht
nachvollziehbar sei, da ausweislich des eigenen Beklagtenvortrags der zur
Begründung herangezogene Wert aus dem Jahr 2002 die Beteiligungsergebnisse
nicht vollständig beinhalte. Er behauptet ferner, die Beklagte käme auch mit dem
zweitinstanzlichen Vortrag ihrer Darlegungslast zum Vorliegen eines sachlich-
proportionalen Grundes nicht nach, denn sie habe erneut nicht dargetan, dass der
Regelungszweck und das Mittel der Kürzung in einem vernünftigen Verhältnis
stünden. Außerdem habe sie nicht hinreichend erläutert, bei welchen Positionen
bei der Beklagten und im Konzern es tatsächlich zu konkreten Einsparungen
gekommen sein soll. Dass zugleich mit dem Eingriff in die Betriebsrente ein jährlich
mit 7,5 Mio. EUR dotiertes Sportsponsoring erfolge, lasse erkennen, ein
unternehmerisches Konzept zur insgesamten und einheitlichen Kostensenkung
habe offensichtlich nicht vorgelegen habe.
53 Im Übrigen wiederholt und vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen und
seine bereits erstinstanzlich ausgeführten Rechtsauffassungen.
54 Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. § 46 Abs. 6
ArbGG, § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen in erster
und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
55 Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft gemäß § 64
Abs. 1, Abs. 2 lit. b ArbGG. Sie wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und
begründet (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO). Sie ist
auch im Übrigen zulässig.
II.
56 Die Berufung der Beklagten ist jedoch unbegründet, denn das Arbeitsgericht ist zu
Recht davon ausgegangen, dass sich die (künftigen) Betriebsrentenansprüche
des Klägers weiterhin nach der BV 1997 richten, da diese nicht durch die BV 2004
rechtswirksam abgelöst wurde. Der durch die BV 2004 erfolgte Eingriff in die
betriebliche Altersversorgung des Klägers ist nicht durch sachlich-proportionale
Gründe gerechtfertigt.
57 1. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG können die Betriebspartner einer
Angelegenheit, die sie durch Betriebsvereinbarung geregelt haben, mit Wirkung für
die Zukunft in einer neuen Betriebsvereinbarung regeln. Die neue
Betriebsvereinbarung tritt an die Stelle der bisherigen und löst diese ab. Dies gilt
grundsätzlich auch dann, wenn die Neuregelung für den Arbeitnehmer ungünstiger
ist (vgl. BAG 15. Mai 2012 - 3 AZR 11/10 - Rn. 24 Juris; BAG 29. Oktober 2002 - 1
AZR 573/01 - Rn. 27 Juris; BAG 5. Oktober 2000 - 1 AZR 48/00 - Rn. 47 Juris;
BAG 10. August 1994 - 10 ABR 61/93 - Rn. 34 Juris). Das Ablöseprinzip ermöglicht
allerdings nicht jede Änderung, denn soweit mit der neuen Betriebsvereinbarung in
Besitzstände der Arbeitnehmer, die durch die frühere Betriebsvereinbarung
begründet wurden, eingegriffen wird, sind die Grundsätze des Vertrauensschutzes
und der Verhältnismäßigkeit zu beachten (BAG 24. Januar 2006 - 3 AZR 483/04 -
Rn. 48 Juris; BAG 10. Februar 2009 - 3 AZR 653/07 - Rn. 18 Juris; BAG 5. Oktober
2000, aaO, Rn. 48 Juris; BAG 23. Oktober 1990 - 3 AZR 260/89 - Rn. 16 Juris;
BAG 10. August 1994, aaO, Rn. 34 Juris). Deshalb unterliegen
Betriebsvereinbarungen, die Versorgungsansprüche aus einer früheren
Betriebsvereinbarung einschränken, einer entsprechenden Rechtskontrolle (BAG
15. Mai 2012 aaO Rn. 24 mwN).
58 a) Diese bei Einschnitten in Versorgungsrechte zu beachtenden Grundsätze des
Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit hat das BAG durch ein
dreistufiges Prüfungsschema in ständiger Rechtsprechung seit der Entscheidung
vom 17. April 1985 (- 3 AZR 72/83 - Rn. 36 ff., Juris) konkretisiert. Danach sind den
abgestufte Besitzständen der Arbeitnehmer entsprechend abgestufte,
unterschiedlich gewichtete Eingriffsgründe gegenüber zu stellen. Es gilt das
Prinzip, dass Eingriffe in Versorgungsordnungen umso gewichtigere
Eingriffsgründe bedürfen, je schützenswerter das Vertrauen auf die erreichte
Rechtsposition ist. Dabei ist zwischen dem bereits erdienten Teilbetrag, der
erdienten Dynamik und den nicht erdienten Zuwächsen zu unterscheiden.
59 b) Am stärksten geschützt ist - auf der ersten Stufe - der während der Geltung der
bisherigen Ordnung und im Vertrauen auf deren Inhalt bereits erdiente und
entsprechend § 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrAVG ermittelte Teilbetrag der
Versorgungsanwartschaft. Dieser erdiente Teilbetrag kann allenfalls aus
zwingenden Gründen in Ausnahmefällen, wie zB. wegen eines Wegfalls der
Geschäftsgrundlage einer Versorgungszusage, entzogen oder gekürzt werden.
Eingriffe in die sogenannte erdiente Dynamik (2. Stufe), die insbesondere bei
endgehaltsbezogenen Zusagen in Betracht kommen und durch die das Vertrauen
des Arbeitnehmers enttäuscht wird, das von ihm Erdiente werde nach Maßgabe
seines bis zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis erreichten Endgehaltes
dynamisiert, sind nur aus triftigen Gründen möglich. Solche Gründe liegen
insbesondere vor, wenn ein Fortbestand der bisherigen Versorgungsregelung den
langfristigen Besitzstand des Versorgungsschuldners gefährdet, etwa wenn
unveränderte Versorgungsverbindlichkeiten voraussichtlich nicht aus den
Erträgen des Unternehmens finanziert werden können und für deren Ausgleich
keine hinreichenden Wertzuwächse des Unternehmens zur Verfügung stehen. Auf
der dritten Eingriffsstufe, bei Eingriffen in noch nicht erdiente dienstzeitabhängige
Zuwächse, sind die geringsten Anforderungen zu stellen. Zur Rechtfertigung
solcher Eingriffe sind sachlich-proportionale Gründe notwendig (BAG 11.
Dezember 2001 - 3 AZR 128/01 - Rn. 34 Juris; vgl. auch BAG 15. Mai 2012 - 3
AZR 11/10 - Rn. 25 Juris; BAG 26. August 1997 - 3 AZR 235/96 - Rn. 29 ff Juris;
BAG 24. Januar 2006 - 3 AZR 483/04 - Rn. 48 Juris). Darüber hinaus wirkt der
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass regelmäßig zunächst die Besitzstände
der niedrigeren Stufen abzubauen sind, bevor in besser geschützte Besitzstände
eingegriffen wird (BAG 15. Februar 2011 - 3 AZR 365/09 - Rn. 64 Juris unter
Hinweis auf BAG 11. Mai 1999 - 3 AZR 21/98 -; BAG 26. September 2000 - 3 AZR
570/99 - sowie BAG 9. Dezember 2008 - 3 AZR 384/07).
60 2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist vorliegend kein Eingriff auf der
ersten Stufe erfolgt, da durch die neue BV 2004 nicht in bereits nach der BV 1997
erdiente Teilbeträge eingegriffen wurde. Dies ist zwischen den Parteien der Sache
nach auch unstreitig. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt jedoch auch ein
Eingriff auf der zweiten Stufe, nämlich in die sogenannte erdiente Dynamik, nicht
vor.
61 a) Bei einer dienstzeitabhängigen Dynamik geht es um von der Dienstzeit
losgelöste variable Berechnungsfaktoren, die die Teilhabe an der allgemeinen
wirtschaftlichen Entwicklung und an der persönlichen beruflichen Entwicklung
sichern sollen. Der Zweck dieser dienstzeitunabhängigen Steigerung besteht nicht
darin, die Fortdauer der Betriebstreue zu vergüten und zum Maßstab der
Rentenberechnung zu machen. Es geht, wie im klassischen Beispielsfall der
endgehaltsbezogenen Versorgungszusage, vielmehr darum, den
Versorgungsbedarf flexibel zu erfassen (vgl. BAG 17. April 1985 - 3 AZR 72/83 -
Rn. 40 Juris). Eine erdiente Dynamik ist demnach aufrecht erhalten, wenn die
variablen Bemessungsfaktoren nicht festgeschrieben, sondern wie bisher
dynamisiert werden (BAG 24. Januar 2006 - 3 AZR 483/04 - Rn. 50 Juris). Dies ist
gegeben, wenn der begünstigte Arbeitnehmer im Versorgungsfall zumindest den
Betrag oder Rentenwert erhält, den er für einen bestimmten Stichtag bei
Aufrechterhaltung der Dynamik der betreffenden Bemessungsfaktoren erreicht
hatte. Verbleibt dem Arbeitnehmer in jedem Falle das, worauf er zum
Ablösungsstichtag nach der alten Versorgungsregelung vertrauen durfte, verletzt
eine Neuordnung sein schützenswertes Vertrauen nicht (vgl. BAG 11. Dezember
2001 - 3 AZR 128/01 - Rn. 39/40 Juris).
62 b) Bei der Prüfung, ob die BV 2004 in die bereits mit der BV 1997 zugunsten des
Klägers begründeten Besitzstände eingreift, sind die Versorgungsrechte bzw.
Anwartschaften des Klägers nach beiden unterschiedlichen
Versorgungsordnungen, bezogen auf den Zeitpunkt des Versorgungsfalls, zu
berechnen und gegenüber zu stellen (vgl. BAG 15. Mai 2012 - 3 AZR 11/10 - Rn.
26 Juris). Deshalb kann bei der - hier vorliegenden - endgehaltsbezogenen
Versorgungszusage regelmäßig erst beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis
konkret festgestellt werden, ob sich die ablösende Neuregelung ungünstiger
erweist und in bestehende Besitzstände unzulässigerweise eingegriffen wird. Aus
diesem Grund lässt auch die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 20. Februar
2013 (ABl. 191/192) durchgeführte Berechnung des für den Kläger im Alter von 65
Jahren erreichbaren Versorgungsanspruchs derzeit keine abschließende
Einschätzung zu, zumal nicht sicher ist, ob sich die bei der Berechnung zugrunde
gelegte Dynamik des versorgungsfähigen Arbeitsentgelts bzw. der gesetzlichen
Rente tatsächlich bewahrheiten wird.
63 c) Letztendlich kann dies aber dahingestellt bleiben, denn die Sicherung der vom
Kläger bis zum Ablösungsstichtag erdienten Dynamik folgt bereits durch die von
der Beklagten erteilten Garantieerklärung vom 15. Januar 2013 (ABl. 214). In
dieser Erklärung, die die Beklagte gegenüber dem Kläger nochmals ausdrücklich
in der mündlichen Verhandlung am 27. Februar 2013 abgegeben hat, wird dem
Kläger zugesichert, dass im Versorgungsfall mindestens der dynamische
Besitzstand auf der Basis der tatsächlichen Entwicklung des individuellen
ruhegeldfähigen Einkommens und der tatsächlichen Entwicklung der individuellen
gesetzlichen Rente aufrechterhalten wird. Folglich ist vorliegend gewährleistet,
dass der Kläger im Versorgungsfall zumindest den Rentenwert erhalten wird, den
er zum 31. Dezember 2004 bei Aufrechterhaltung der Dynamik der
Entgeltentwicklung erreicht hatte. Damit ist ein Eingriff auf der zweiten Stufe in die
Versorgungsansprüche des Klägers nach Auffassung der Kammer
ausgeschlossen.
64 3. Unabhängig davon ist die Feststellungsklage des Klägers aber bereits schon
deswegen begründet, weil die Beklagte durch die mit der BV 2004 vorgenommene
Abkoppelung der betrieblichen Altersversorgung von der Entwicklung der
gesetzlichen Rentenversicherung in die noch nicht erdienten dienstzeitabhängigen
Zuwachsraten auf der dritten Stufe eingegriffen hat. Dieser Eingriff ist jedoch nicht
durch sachlich-proportionale Gründe gerechtfertigt, denn die Beklagte hat keinen
hinreichend nachvollziehbaren Sachvortrag geleistet, der eine gerichtliche
Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der beanstandeten Maßnahme zulassen
würde. Daran änderte auch das Berufungsvorbringen der Beklagten nichts.
65 a) Die Neuregelung der BV 2004 nimmt im Vergleich zur zeitlich vorangehenden
BV 1997 einen Eingriff in noch nicht erdiente Zuwachsraten in Form der
dienstzeitabhängigen Steigerungsbeträge vor, denn aufgrund der Regelung unter
A. 9. 2 der BV 2004 werden Dienstzeiten nach dem 31. Dezember 2004 nicht
mehr wie nach der BV 1997 berücksichtigt. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend
erkannt. Das Berufungsgericht folgt den diesbezüglichen Gründen auf Seite 8,
letzter Absatz bis Seite 9, erster Absatz des Urteils unter B I 2 b) aa) und sieht von
einer erneuten Darstellung ab (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Der Eingriff auf der dritten
Stufe ist zwischen den Parteien im Wesentlichen auch unstreitig.
66 b) Das Arbeitsgericht hat ferner zutreffend ausgeführt, dass diese Eingriffe in die
dienstzeitunabhängigen Zuwachsraten nicht durch sachlich-proportionale Gründe
gerechtfertigt sind. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat es die
Anforderungen an die Voraussetzungen des Vorliegens eines sachlich-
proportionalen Grundes sowie an die diesbezügliche Darlegungslast der
Beklagten nicht überspannt.
67 aa) Unter sachlich-proportionalen Gründen, die als Rechtfertigung für einen
Eingriff in die Chance auf zukünftige Zuwächse ausreichen, versteht das BAG in
ständiger Rechtsprechung (26. August 1997 - AZR 235/96 - Rn. 47 Juris; 17.
August 1999 - 3 ABR 55/98 - Rn. 60 Juris; 18. September 2001 - 3 AZR 728/00 -
Rn. 45 Juris; 19. April 2005 - 3 AZR 468/04 - Rn. 37 Juris; 15. Februar 2011 - 3
AZR 365/09 - Rn. 71 Juris) willkürfreie, nachvollziehbare und anerkennenswerte
Gründe, die auf einer wirtschaftlich ungünstigen Entwicklung des Unternehmens
oder einer Fehlentwicklung des betrieblichen Versorgungswerks beruhen können
und gegenüber den Interessen der Arbeitnehmer abzuwägen sind. Auf das
Vorliegen einer wirtschaftlichen Notlage, die nach der Drei-Stufen-Theorie als
triftiger Grund sogar einen Eingriff in erdiente Besitzstände rechtfertigen kann,
kommt es nicht an. Ebenso ist eine langfristige Substanzgefährdung oder eine
dauerhaft unzureichende Eigenkapitalverzinsung nicht erforderlich. Deshalb
bedarf es zur Rechtfertigung des Eingriffs in dienstzeitabhängige
Steigerungsbeträge auch weder der Sachverständigenfeststellung einer
konkursnahen wirtschaftlichen Notlage noch eines ausgewogenen, die
Sanierungslasten angemessen verteilenden Sanierungsplans (vgl. BAG 18.
September 2001, aaO Rn. 45 Juris). Ebenso wenig ist es notwendig, dass
Maßnahmen zur Kosteneinsparung ausgeschöpft sind, bevor Eingriffe in künftige
Zuwächse vorgenommen werden. Es ist vielmehr ausreichend, wenn sich der
Eingriff in das Versorgungssystem in einen Zusammenhang anderer Maßnahmen
zur Kosteneinsparung einfügt (BAG 19. April 2005 - 3 AZR 468/04 - Rn. 41 Juris)
bzw. sich in ein nachvollziehbar auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage
ausgerichtetes Gesamtkonzept einpasst (BAG 15. Februar 2011 - 3 AZR 365/09
Rn. 73 Juris).
68 Sachliche Gründe in diesem Sinne liegen demnach vor, wenn nach Erlass der
alten Versorgungsordnung Änderungen der Sach- und Rechtslage eingetreten
sind, die bei grundsätzlichem Festhalten am Versorgungsziel Kürzungen
nahelegen. Doch hat das BAG bereits in seiner grundlegenden Entscheidung
vom 17. April 1985 (3 AZR 72/83 - Rn. 47 Juris), mit der es die Drei-Stufen-
Theorie begründet hat, betont, dass auch solche Kürzungen in
dienstzeitabhängige Steigerungsbeträge einer Billigkeitsprüfung standhalten
müssen. Das Vertrauen der Arbeitnehmer darf nicht über Gebühr beeinträchtigt
werden, die sachlichen Gründe sind gegenüber den Interessen der Arbeitnehmer
abzuwägen. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat sich das BAG somit
niemals auf eine reine Willkürkontrolle beschränkt, sondern nach den
Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit stets eine
Abwägung der wechselseitigen Interessen gefordert. In früheren Entscheidungen
hat der 3. Senat (vgl. 17. April 1985 - 3 AZR 72/83 - Rn. 47 Juris; 22. April 1986 - 3
AZR 496/83 - Rn. 37 Juris; 17. März 1987 - 3 AZR 64/84 - Rn. 34 Juris) zunächst
eine Billigkeitskontrolle, also eine Abwägung der wesentlichen Umstände des
Einzelfalls unter angemessener Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen,
vorgenommen. Dieser Begriff der Billigkeitskontrolle wurde - soweit ersichtlich -
erstmals in der Entscheidung vom 18. April 1989 (3 AZR 299/87 Rn. 29 Juris)
durch den Begriff der sachlichen Proportionalität ersetzt und seitdem vom BAG
immer wieder verwendet und bezüglich seiner Anforderungen weiter präzisiert
(vgl. 26. August 1997 aaO Rn. 46 Juris; 17. August 1999 aaO Rn. 60 Juris; 18.
September 2001 aaO Rn. 43 Juris).
69 So heißt es in der Entscheidung vom 19. April 2005 (- 3 AZR 468/04 - Rn. 37
Juris): „Solche Gründe (gemeint: sachlich-proportionale) dürfen nicht willkürlich
sein. Sie müssen nachvollziehbar erkennen lassen, welche Umstände und
Erwägungen zur Änderung der Versorgungszusage Anlass gegeben haben. Das
Vertrauen der Arbeitnehmer in den Fortbestand der bisherigen Regelung darf
nicht über Gebühr beeinträchtigt werden. Die sachlichen Gründe sind deshalb
gegenüber den schützenswerten Interessen der Arbeitnehmer abzuwägen.“ In
einer neueren Entscheidung vom 15. Mai 2012 (- 3 AZR 11/10 - Rn. 76 Juris) führt
das BAG zur Drei-Stufen-Theorie weiter aus: „Die Grundsätze des
Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit erfordern eine Abwägung der
wechselseitigen Interessen. Dabei müssen die vom Arbeitgeber zur
Rechtfertigung der Umstellung angeführten Gründe umso gewichtiger sein, je
schwerwiegender für den Arbeitnehmer die Nachteile der Umstellung sind.“
70 Damit fordert die Rechtsprechung eine Überprüfung der Verhältnismäßigkeit
zwischen dem Anlass des Eingriffs in die betriebliche Altersversorgung und der
Schwere und Notwendigkeit des Eingriffs bezogen auf die konkret durchgeführte
Maßnahme.
71 bb) Dieses Verständnis des sachlich-proportionalen Grundes bestimmt auch
wesentlich die Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers zur
Rechtfertigung des Eingriffs in der dritten Stufe in die bestehende
Versorgungsordnung.
72 (1) Der allgemeine Hinweis auf wirtschaftliche Schwierigkeiten reicht nicht aus, um
einen sachlich-proportionalen Grund für den Eingriff in nicht erdiente Zuwächse
darzutun. Vielmehr ist der Arbeitgeber gefordert, alle Umstände darzulegen, die
belegen, dass ein überschießender Eingriff in das System der betrieblichen
Altersversorgung nicht erfolgt ist. So hat der Dritte Senat des BAG in seinem
Beschluss vom 17. August 1999 (3 ABR 55/98 Rn. 62 ff Juris; vgl. auch Urteil vom
15. Februar 2011 - 3 AZR 365/09 - Rn. 75 Juris) der Arbeitgeberin aufgegeben, im
Einzelnen darzulegen, dass die Eingriffe in die betriebliche Altersversorgung der
eingetretenen wirtschaftlichen Situation verhältnismäßig gewesen seien. Es hat
weiter ausgeführt, es werde dabei auch nicht darauf ankommen, die Gesamtheit
der Maßnahmen darzulegen, die unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage
der Kosteneinsparung zu dienen bestimmt gewesen seien. Der Eingriff in das
betriebliche Versorgungswerk müsse sich in ein nachvollziehbar auf eine
Verbesserung der wirtschaftlichen Lage ausgerichtetes Gesamtkonzept
einpassen (…). Es müsse nachvollziehbar dargelegt werden, welche sachlichen
Gründe für Maßnahmen, die auf den ersten Blick dem Sanierungszweck zuwider
liefen, maßgeblich gewesen seien. Zwar hat der Dritte Senat in einer weiteren
Entscheidung (18. September 2001 - 3 AZR 728/00 - Rn. 21 Juris) klargestellt,
dass der vorgenannte Beschluss nicht dahin zu verstehen sei, dass für einen
Eingriff in künftige Zuwächse ein ausgewogener Sanierungsplan gefordert werden
müsse. Er hat aber im Weiteren bestätigt, dass der allgemeine Hinweis auf
wirtschaftliche Schwierigkeiten nicht ausreiche, sondern diese im Einzelnen
darzulegen seien. Anderweitige Sanierungsmöglichkeiten müssten zumindest
erwogen und ihre Unterlassung plausibel erläutert werden. Maßnahmen, die auf
den ersten Blick dem Sanierungszweck offen zuwider liefen, müssten erklärt
werden und plausibel sein.
73 (2) Diese Anforderungen an die Darlegungslast der Arbeitgeberin ändern sich
auch nicht, selbst wenn der Beklagten bei der Einschätzung der wirtschaftlichen
Lage des Unternehmens zum Anpassungsstichtag und der künftigen Entwicklung
von Beitragsaufkommen und Versorgungsverbindlichkeiten ein
Beurteilungsspielraum zuzugestehen ist (vgl. hierzu BAG vom 11. Dezember
2001 - 3 AZR 128/01 - Rn. 46 f Juris). Denn auch eine innerhalb des
Beurteilungsspielraums zu erstellende Prognose muss auf der Grundlage der
bisherigen Entwicklung und unter vertretbaren und nachvollziehbaren Annahmen
erstellt worden sein. Bezüglich der Vertretbarkeit der Prognose kann die
Einschätzung der wirtschaftlichen Lage durch den Betriebspartner, der der
Neuregelung der Versorgungsordnung zugestimmt hat, zwar gegebenenfalls ein
Indiz sein (vgl. BAG vom 10. Februar 2009 - 3 AZR 727/07 - Rn. 25 Juris). Der
Rückgriff auf eine derart erstellte Prognose entbindet aber den Arbeitgeber nicht
von der Verpflichtung, konkret - gegebenenfalls unter Erläuterung der
prognosebegründenden Umstände - darzulegen, inwieweit die Eingriffe in die
betriebliche Altersversorgung in der eingetretenen wirtschaftlichen Situation und
deren voraussichtlichen zukünftigen Entwicklung verhältnismäßig waren. Dies ist
auch sachgerecht, denn nur der Arbeitgeber kennt in der Regel die wirtschaftliche
Situation des Unternehmens im Einzelnen, während den Versorgungsempfängern
im Allgemeinen ausreichende Kenntnisse hierüber fehlen.
74 (3) Ob die Beklagte bei Darlegung sachlich-proportionaler Gründe auf die
krisenhafte Situation des Konzerns abstellen kann, ist zwischen den Parteien
vorliegend umstritten, denn der Kläger ist der Meinung, mangels verdichteter
Konzernbeziehung komme es allein auf die wirtschaftliche Lage der Beklagten
zum Ablösungszeitpunkt an. Nach Auffassung des Berufungsgerichts sprechen
zwar vorliegend die wesentlichen Umstände, wie zum Beispiel der
Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag zwischen der Beklagten und
Konzernmutter E. AG, die Einbeziehung der Beklagten in das konzerninterne
Liquiditätsausgleichsverfahren (sogenanntes Cashpool-Verfahren) sowie die
Einbeziehung der Beklagten in die Rückstellungsbündelung bezüglich der
Pensionsforderungen für eine unmittelbare und wirtschaftlich starke Verflechtung.
Ob die Voraussetzungen einer verdichteten Konzernbeziehung im Sinne der
Rechtsprechung vorliegen, kann jedoch dahingestellt bleiben. Jedenfalls wenn -
wie hier - die Versorgungsaufwendungen sowohl unternehmens- als auch
konzernbezogen abgesenkt werden sollen, muss, nämlich der Arbeitgeber
gemäß vorangegangener Überlegungen zumindest auch im Einzelnen
nachvollziehbar vortragen, wegen welcher konkreter wirtschaftlicher
Schwierigkeiten die finanzielle Entlastung im Konzern interessengerecht war und
weshalb der Eingriff in die künftigen Zuwächse nicht außer Verhältnis zum Anlass
steht.
75 c) Daraus folgt, dass der Arbeitgeber alle Umstände darzulegen hat, die belegen,
dass ein überschießender Eingriff in das System der betrieblichen
Altersversorgung nicht erfolgt ist. Anhand des Sachvortrags des Arbeitgebers
muss für das überprüfende Gericht nachvollziehbar sein, inwieweit der konkrete
Anlass es rechtfertigt, die konkret vorgenommene Maßnahme durchzuführen und
inwiefern sich diese Maßnahme - in einem angemessenen Verhältnis - in ein auf
die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage ausgerichtetes Gesamtkonzept
einpasst. Fehlt es an diesen Darlegungen, ist dem Gericht eine Prüfung, inwieweit
der Eingriff den Anforderungen an die sachliche Proportionalität und damit auch
der Verhältnismäßigkeit noch entspricht, nicht möglich. Das hat zur Folge, dass
die Rechtfertigung des Eingriffs in die Versorgungsordnung im Ergebnis zu
verneinen ist. Dies hat das Arbeitsgericht ebenso zutreffend erkannt, wie es
festgestellt hat, dass die Beklagte in wesentlichen Punkten ihres Sachvortrags
ihrer Darlegungslast nicht genügt hat. Auf die Gründe des Urteil zu B. I. 2b) bb), S.
11 und 12, wird Bezug genommen und insofern von einer erneuten Darstellung
der Entscheidungsgründe abgesehen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Das Vorbringen der
Parteien veranlasst jedoch zu folgenden ergänzenden Ausführungen:
76 aa) Die Beklagte hat dargelegt, dass angesichts eines Konzernverlusts von
1.192,9 Mio. EUR in 2003, einer auf 6,1 % abgefallenen Eigenkapitalquote sowie
der Ratingherabstufung Maßnahmen zur Kostenreduzierung ergriffen werden
mussten mit dem Ziel, die Rentabilität wieder deutlich zu steigern. Damit hat die
Beklagte nachvollziehbar erkennen lassen, welche Umstände und Erwägungen
zur Änderung der Versorgungszusage Anlass gegeben haben. Aus dem Vortrag
der Beklagten wurde auch deutlich, dass das mit dem Programm „TOP FIT“
angestrebte jährliche Einsparvolumen von 1 Mrd. EUR aus der Überlegung
abgeleitet wurde, die im Jahr 2003 aufgetretenen wirtschaftlichen Verluste in der
Größenordnung von knapp 1 Mrd. EUR wieder auszugleichen und die Beklagte
nachhaltig von der wirtschaftlichen Zwangslage zu befreien. Ferner hat die
Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 27. Februar 2013 nachvollziehbar
dargelegt, dass aufgrund der Änderungen in der gesetzlichen
Rentenversicherung und der dadurch steigenden Kosten der bisherigen
Versorgungsordnung die langfristige Finanzierbarkeit der betrieblichen
Altersversorgungssysteme gesichert werden musste.
77 Diese Umstände stellen nach Auffassung des Berufungsgerichts eine Änderung
der Sachlage dar, bei der die Beklagte im Rahmen allgemeiner
Einsparbemühungen grundsätzlich auch eine Neuordnung der
Versorgungsordnung - sachlich gerechtfertigt - durchführen durfte. Auch das
geplante Einsparvolumen von insgesamt 1 Mrd. EUR erscheint aufgrund der
dargestellten wirtschaftlichen Krisensituation nicht willkürlich. Auf die Frage, ob der
Einsparbetrag aus den ROCE-Werten nachvollziehbar ermittelt werden kann,
kommt es daher nicht mehr an.
78 bb) Für das Berufungsgericht ist jedoch nicht nachvollziehbar, weshalb auf das
angestrebte Gesamteinsparvolumen von 1 Mrd. EUR auf den Personalbereich ein
Einsparbetrag in Höhe von 350 Mio. EUR entfallen soll und wie dieser Anteil im
Verhältnis zu der beabsichtigten Gesamteinsparung ermittelt wurde. Dies gilt
insbesondere auch, weil nach dem eigenen Vortrag der Beklagten zusammen mit
externen Wirtschaftsfachleuten ein Einsparvolumen von 700 Mio. EUR angesetzt
worden ist und weitere 300 Mio. EUR zur Deckung weiterer Vertragsrisiken, die
nicht näher erläutert wurden, erforderlich gewesen sein sollen. Ebenso wenig ist
die Höhe des im Personalbereich zu erbringenden Einsparbetrags von 350 Mio.
EUR insoweit nachvollziehbar, als die von der Beklagten geplanten Teilbeträge
(Personalbereich 150 Mio. EUR, Arbeitsflexibilisierung 40 Mio. EUR, betriebliche
Sozialleistungen/Tarifabschlüsse 110 Mio. EUR sowie Altersversorgung/
Erfolgsbeteiligungen 25 Mio. EUR) lediglich das Gesamtvolumen von 325 Mio.
EUR ergeben. Dies gilt auch deshalb, weil von den geplanten Einsparungen im
Bereich Erfolgsbeteiligung/Altersversorgung in Höhe von 25 Mio. EUR für den
Unterbereich der Altersversorgung 17,3 Mio. EUR vorgesehen waren, nach
Verhandlung mit dem Betriebsrat jedoch lediglich ein jährliches Einsparvolumen in
Höhe von 10 Mio. EUR generiert wurde.
79 cc) Schließlich ist auch nicht ersichtlich, weshalb der geplante Anteil der
Einsparungen an der betrieblichen Altersversorgung von 1 % am
Gesamteinsparvolumen verhältnismäßig gewesen sein soll und wie das
Verhältnis zwischen der Einsparung an der betrieblichen Altersversorgung zu den
Einsparungen im Personalkostenanteil insgesamt ermittelt wurde. Zwar hat die
Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2013 sich
dahingehend eingelassen, dass im Jahr 2003 der Gesamtaufwand für Personal
1,6 Mrd. EUR betragen habe, woraus rund 100 Mio. EUR auf die betriebliche
Altersversorgung entfallen sei, also rund 6 bis 7 %. Eingegriffen, so führte die
Beklagte im Termin weiter aus, habe sie in einem Volumen von 10 Mio. EUR, was
sich im Hinblick auf den Gesamteinsparbetrag Personal in Höhe von 350 Mio.
EUR lediglich auf 3,5 % belaufe. Dieser - vom Kläger bestrittene Vortrag - lässt
jedoch eine weitergehende Überprüfung der Proportionalität des Eingriffs nicht zu.
Die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs kann nämlich nicht bereits dann bejaht
werden, wenn durch die Neuordnung des Versorgungssystems prozentual keine
weitergehenden Einschränkungen erfolgen als zur Erreichung des Ziels
notwendig ist. Damit ist nur ein Teil der Proportionalität gewahrt. Ob die geplante
Einsparung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung gemessen an den
Gesamtkosten der Beklagten sowie dem gesamten Volumen der Sparmaßnahme
verhältnismäßig ist, ist damit jedoch nicht belegt.
80 dd) Hinzu kommt, dass nach dem Vortrag der Beklagten bei der konzernweiten
Neuordnung der betrieblichen Altersversorgung durch die BV 2004 nur in den
Konzernunternehmen die Versorgungsansprüche der Mitarbeiter gekürzt wurden,
in denen Gesamtversorgungsordnungen bestanden, die an die Entwicklung der
gesetzlichen Rente gekoppelt waren. Die Beklagte hat diesen vom Kläger
ausdrücklich bestrittenen Vortrag jedoch nicht näher erläutert. Hierzu hätte es
jedoch weiteren Sachvortrages bedurft. Es ist nämlich nicht ohne Weiteres
einsichtig, weshalb es verhältnismäßig sein soll, wenn innerhalb des geplanten
Einsparvolumens bezüglich der betrieblichen Altersversorgung im Konzern die
Arbeitnehmer der Beklagten in einem höheren Maß belastet werden sollen, als die
Arbeitnehmer anderer Konzerngesellschaften, die keine oder nur geringe
Einschnitte, hinnehmen müssen.
81 ee) Im Übrigen hat die Beklagte trotz mehrfacher Rüge der Gegenseite und
ausdrücklicher Nachfrage des Gerichts auch nicht erläutert, wie sich das Sport-
Sponsoring für einen Fußballbundesligisten in ein auf eine Verbesserung der
wirtschaftlichen Lage ausgerichtetes Gesamtkonzept einfügen soll. Dieses
Engagement, das in der Saison 2004/2005 mit einem jährlichen Finanzvolumen in
Höhe von 7,5 Mio. EUR begonnen wurde, läuft dem von der Beklagten
propagierten allgemeinen Sparzwang im Sinne der Ausführungen des BAG (Urteil
vom 18. September 2001 aaO) auf den ersten Blick zuwider und erscheint
insofern widersprüchlich. Die Beklagte hat auch weder behauptet, dass aufgrund
einer etwa getroffenen unternehmerischen Entscheidung der Bereich des Sport-
Sponsorings aus bestimmten, nachvollziehbaren Gründen aus dem
Kostensenkungsprogramm herausgenommen worden sei, noch hat sie
behauptet, dass trotz dieses neuen Sponsoring-Vertrages die diesbezüglichen
Gesamtaufwendungen des Konzerns im Rahmen der Einsparbemühungen
zurückgeführt worden seien. Es handelt sich vielmehr um die erstmalige
Begründung erheblicher Aufwendungen, die sich immerhin auf 75 % des im
Bereich der betrieblichen Altersversorgung zu erbringenden Sparbeitrags
belaufen. Jedenfalls wäre die Beklagte gehalten gewesen, zu den wirtschaftlichen
und unternehmerischen Überlegungen der Sponsoring-Maßnahme - gerade auch
im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit zu den Eingriffen in die
Versorgungsordnung - vorzutragen.
82 ff) Aus diesen Ausführungen folgt, dass die Beklagte weder ein in sich stimmiges
Konzept zur allgemeinen Kostenreduzierung vorgetragen noch die
Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die betriebliche Altersversorgung im Hinblick
auf das vorgegebene Einsparziel nachvollziehbar dargelegt hat. Die
Anforderungen an die Darlegungslast der Beklagten stellen entgegen deren
Ansicht auch keinen unzulässigen Eingriff in die unternehmerische
Entscheidungsfreiheit dar. Sie sind vielmehr notwendige Voraussetzungen dafür,
dass das Gericht eine Überprüfung von Anlass, Auswirkung und
Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die geschützten Rechte der Arbeitnehmer
sachgerecht durchführen kann. Aus diesem Grund kann sich die Beklagte auch
nicht pauschal darauf berufen, sie habe umfangreiche Unterlagen vorgelegt, aus
dem sich der maßgebliche Sachverhalt ergäbe. Die den Schriftsätzen beigefügten
Anlagen können nämlich lediglich zur Erläuterung des schriftsätzlichen Vortrages
dienen, sofern auf sie diesbezüglich konkret Bezug genommen wurde. Sie
können jedoch nicht dazu dienen, einen nicht geleisteten Sachvortrag zu
ersetzen (vgl. hierzu BAG 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 37 Juris
unter Hinweis auf BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - NZA 2012, 939; BVerfG 30.
Juni 1994 - 1 BvR 2112/93 - NJW 1994, 2683).
83 gg) Entgegen der Ansicht der Beklagten führt auch die Einbindung der
Unternehmensberatungsgesellschaft M. in die Planung und Durchführung der
Einsparmaßnahmen nicht dazu, dass nähere Darlegungen hierzu bezogen auf
die Frage der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs entbehrlich wären. Anderes kann
die Beklagte auch nicht aus der von ihr zitierten Entscheidung des BAG vom 18.
September 2001 (3 AZR 728/00) herleiten. Soweit das BAG dort die
Feststellungen eines unabhängigen Sachverständigen ausreichen ließ, hat es
diese Feststellungen auf den sachlichen Grund des Eingriffs, nämlich das
Vorliegen einer wirtschaftlichen Notlage, bezogen. Die Entscheidung hat sich
jedoch nicht mit der Frage befasst, welche Anforderungen an den Sachvortrag im
Hinblick auf die Proportionalität zu stellen sind.
84 Auch das Einverständnis des Betriebsrats mit dem geplanten Einsparvolumen im
Bereich der betrieblichen Altersversorgung stellt nach den vorangegangenen
Ausführungen unter 3b) bb) (2), Seite 17 der Entscheidungsgründe, allenfalls ein
Indiz für das Vorliegen eines sachlich-proportionalen Grundes dar, entbindet den
beteiligungspflichtigen Arbeitgeber jedoch nicht von dem Vortrag, inwieweit der
Eingriff in die betriebliche Altersversorgung in der eingetretenen wirtschaftlichen
Situation und deren voraussichtlichen zukünftigen Entwicklung verhältnismäßig
war.
III.
85 1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
86 2. Die Zulässigkeit der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Für die
Entscheidung des Rechtsstreits war die Auslegung des Begriffs des sachlich-
proportionalen Grundes maßgeblich. Ob er die vom Berufungsgericht aus der
Rechtsprechung des BAG abgeleitete Bedeutung hat, ist eine klärungsfähige und
klärungsbedürftige Rechtsfrage, die für die generelle Zulässigkeit von Eingriffen in
Versorgungsordnungen in einer Vielzahl von Fällen von Bedeutung sein kann.