Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 01.08.2013

ordentliche kündigung, werkvertrag, dienstvertrag, firma

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 1.8.2013, 2 Sa 6/13
Abgrenzung zwischen Dienst- oder Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung
Leitsätze
1. Für die rechtliche Abgrenzung des Werk- oder Dienstvertrags zur
Arbeitnehmerüberlassung ist allein die tatsächliche Durchführung des Vertrages
maßgebend.
2. Ein zwischen einem Werkunternehmen (hier: IT-Dienstleister) und dem Dritten
vereinbartes Ticketsystem (EDV-spezifische Aufträge von Arbeitnehmern des Dritten
werden nach Eröffnung eines Tickets vom Werkunternehmen bearbeitet) ist
unproblematisch dem Werkvertragsrecht zuzuordnen.
Wenn allerdings Arbeitnehmer des Dritten außerhalb dieses Ticketsystems in
größerem Umfang Beschäftigte des Werkunternehmens direkt beauftragen und unter
zeitlich-örtlichen Vorgaben auch personenbezogene Anweisungen erteilen, spricht
dies für Arbeitnehmerüberlassung.
3. Wenn es sich bei diesen Direktbeauftragungen nicht um untypische Einzelfälle,
sondern um beispielhafte Erscheinungsformen einer durchgehend geübten
Vertragspraxis handelt, ist von einem Scheinwerkvertrag auszugehen.
4. Will ein in einem Drittbetrieb eingesetzter Arbeitnehmer geltend machen, zwischen
ihm und dem Inhaber des Drittbetriebes gelte gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 9 Nr. 1
AÜG ein Arbeitsverhältnis als zu Stande gekommen, und ist streitig, ob sein Einsatz in
dem Drittbetrieb aufgrund eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages oder eines
Dienst-oder Werkvertrages erfolgt ist, so muss er diejenigen Umstände darlegen und
beweisen, aus denen sich das Vorliegen von Arbeitnehmerüberlassung ergibt.
Der Arbeitnehmer kann sich nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungs- und
Beweislast allerdings zunächst auf die Darlegung solcher Umstände beschränken, die
seiner Wahrnehmung zugänglich sind und auf Arbeitnehmerüberlassung hindeuten
(Eingliederung, Weisungsstruktur). Dann ist es Sache des Arbeitgebers die für das
Gegenteil sprechenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen, wonach die
Abgrenzungskriterien Eingliederung und Weisungsstruktur auch in der gelebten
Vertragsdurchführung werkvertragstypisch ausgestaltet sind.
Tenor
1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 29.
Oktober 2012 - 28 Ca 9536/11 - abgeändert.
Es wird festgestellt, dass zwischen den Klägern und der Beklagten jeweils ein
Arbeitsverhältnis besteht.
2. Die Gerichtskosten 1. Instanz tragen die Beklagte zu 1 zu 50 % und die Kläger zu
jeweils 25 %. Die Kläger tragen die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 je
zu 50 %, die Beklagte zu 1 die der Kläger zu jeweils 50 %. Im Übrigen tragen die
Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu 1 zu tragen.
3. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch darüber, ob die Kläger in einem
Arbeitsverhältnis zur Beklagten stehen.
2 Der 1957 geborene Kläger zu 1 ist für die Beklagte zu 1 (im Folgenden: Beklagte)
seit Oktober 2001 tätig, der 1960 geborene Kläger zu 2 seit März 2001. Beide
Kläger arbeiteten bei der Beklagten im Rahmen von Werkverträgen als Fachkräfte
für Informationstechnologie (im Folgenden: IT) in mehreren Projekten in S. und der
näheren Umgebung. Seit 2006 bzw. 2007 wurden die Kläger bei der Beklagten in
deren Betrieb S.-M. (Konzernzentrale) im Bereich ITI/EH eingesetzt. Der
Geschäftsbereich ITI/EH unterstützt den gesamten Betrieb S.-M. im Bereich der
Informationstechnologie. Dort arbeiten nach den nicht bestrittenen Angaben der
Beklagten ca. 25 Arbeitnehmer der Beklagten. Außerdem werden in dieser
Abteilung nach den nicht bestrittenen Angaben der Kläger 30 bis 40 Beschäftigte
von verschiedenen Subunternehmern im Rahmen von Werkverträgen eingesetzt.
3 Der Tätigkeit der Kläger bei der Beklagten liegen zuletzt folgende
Vertragskonstellationen zu Grunde:
4
Verträge zwischen der Beklagten und der Firma C. AG & Co. OHG
(im
Folgenden: C. ):
5 Die Beklagte schloss mit C. einen „Rahmenvertrag über die Erbringung von IT-
Betriebsleistungen“ vom 27. April 2009, nachdem die Beklagte zuvor einen
solchen Vertrag mit der Firma T. I. GmbH abgeschlossen hatte.
6 C. ist ein großer herstellerübergreifender Dienstleister für Informationstechnologie
und beschäftigt in Deutschland mehrere tausend Mitarbeiter. In der Präambel
dieses Vertrags mit C. heißt es, die Beklagte benötige Leistungen auf dem Gebiet
der Informationstechnologie (IT) und C. sei auf die Erbringung von Leistungen auf
diesem Gebiet spezialisiert; C. als Provider sei bereit und dazu in der Lage, die
jeweils von der Beklagten beauftragten Leistungen zur Zufriedenheit der Beklagten
auf der Grundlage der in diesem Rahmenvertrag beschriebenen Bedingungen zu
erbringen. Gemäß Ziffer 2.2.1 dieses Rahmenvertrags werden zur Konkretisierung
der wechselseitigen Rechte und Pflichten jeweils Einzelverträge nach einem
vorgegebenen Muster mit dem Rahmenvertrag als integralen Bestandteil
abgeschlossen (Ziffer 2.2.2) und es werden Leistungsverpflichtungen hinsichtlich
der Services ausschließlich durch die Einzelverträge begründet.
7 Nummer 15 regelt Gewährleistungsrechte. In der Anlage 3 (Projektleistungen) des
Projektrahmenvertrags heißt es unter Ziffer 2.1.2, dass C. die
Gesamtverantwortung für die Durchführung des Projekts trägt, welches dem
Werkvertragsrecht unterliegt (Ziffer 2.1.3). Gem. Ziffer 2.2.1 der Anlage 3 benennt
jede Partei einen Projektleiter für jedes Projekt.
8 Auf der Basis dieses Rahmenvertrags schlossen die Beklagte und C. zuletzt unter
dem 1. Oktober 2010 einen Einzelvertrag (EV) „Client IT-Services für den Standort
S. H.“. Vertragsgegenstand dieses Einzelvertrages ist die Erbringung von
bestimmten Leistungen auf dem Gebiet der Informationstechnologie (2.1). Die
Beklagte stimmt der Einschaltung bestimmter Subunternehmer (EV Anhang 09)
durch C. ausdrücklich zu (7.2). Bezüglich der Vergütung (6.) wird auf einen Anhang
06 verwiesen, der nicht eingereicht worden ist. Nach dem nicht bestrittenen
Vorbringen der Beklagten bezahlte die Beklagte C. eine Pauschalvergütung für
jeden betreuten Computerarbeitsplatz.
9 Im Anhang 4 Ziffer 3.3 (Zusammenarbeitsmodell) wird die allgemeine Servicezeit
für den IT-Bereich auf Montag bis Freitag von 08.00 Uhr bis 17.00 Uhr bestimmt,
soweit diese in den einzelnen Leistungsmodulen nicht anders definiert wird, und
festgelegt, dass die Arbeitszeit bei Bedarf flexibel zu gestalten ist, was sowohl für
eine Arbeitszeitverlängerung als auch für eine Arbeitszeitverkürzung gilt.
10 Ziffer 5.2 des Anhangs 4 (Zusammenarbeitsmodell) definiert das bei der Beklagten
einzusetzende Ticketsystem, durch welches eine effektive und schnelle
Bearbeitung der Aufträge erfolgen soll. Dort ist - auszugsweise - aufgeführt:
11 "Dieses System wird von allen Serviceeinheiten genutzt, die am
Leistungserbringungsprozess beteiligt sind. Nach der Aufnahme von Incidents
und Service Requests am Service Desk ist es somit möglich, alle weiteren
Dienstleister (intern wie extern) direkt zu beauftragen. Über dieses System erfolgt
dann auch die Beauftragung des Auftragnehmers (Anm.: C.). Für den
Auftragnehmer ist dieses Tool bindend und für jegliche Art von Aufträgen zur
vollständigen Arbeitsdokumentation (Aktivitäten und Statusmeldungen) zu
nutzen."
12
Verträge zwischen der C. und E. E. T. C. GmbH (Beklagte zu 2)
13 C. wiederum beauftragte E. als Subunternehmer zur Erbringung des IT-
Dienstleistungsbedarfs bei der Beklagten. E. ist ein mittelständisches Systemhaus
für IT-Lösungen. Dies geschah für das Jahr 2012 betreffend die Einsätze der
Kläger durch Abschluss von Projektverträgen vom 25./28. November 2011. In
diesen wurde im Verhältnis der Beklagten zu C. eine Vergütung von 268,00 EUR
zzgl. Umsatzsteuer als Tagessatz für 8 Arbeitsstunden und eine Zahlung nach
Rechnungsstellung und Vorlage unterzeichneter Leistungsnachweise vereinbart.
Der voraussichtliche Arbeitsaufwand wurde auf 220 Personentage zu mindestens
8 Arbeitsstunden geschätzt.
14 Mit Schreiben vom 23. Dezember 2011 kündigte C. gegenüber E. die
Projektverträge mit sofortiger Wirkung.
15
Verträge zwischen den Klägern und E.
16 Zwischen E. und dem Kläger zu 1 wurde am 18. Dezember 2002 ein
Projektrahmenvertrag geschlossen, in welchem vereinbart ist, dass der Kläger zu 1
als Auftragnehmer im Rahmen von Projekteinzelverträgen für E. als Auftraggeber
in einem selbstständigen, freien Mitarbeiterverhältnis tätig ist. Als Kündigungsfrist
ist in diesem Projektrahmenvertrag eine Frist von zwei Monaten zum Monatsende
vereinbart.
17 Nach dem nicht bestrittenen Vortrag des Klägers zu 2 war er zunächst ab 2001
Auftragnehmer für zwei EDV-Unternehmen, bevor auch er ein freies
Mitarbeiterverhältnis mit der Firma E. einging.
18 Auf der Grundlage dieser Projektrahmenverträge wurden mit den Klägern in den
Folgejahren jeweils Einzelbeauftragungen für bestimmte, unterschiedlich lange
Zeiträume zur Ausführung von IT-Dienstleistungen bei der Beklagten
abgeschlossen. Am 29. November 2011 erhielten beide Kläger jeweils eine
Beauftragung von E. über ein Tätigwerden im Betrieb der Beklagten für das
gesamte Jahr 2012 über maximal 220 Personentage zu einem Stundensatz von
29,00 EUR bzw. 30,00 EUR zur „Unterstützung im Client Betrieb D. H.“ mit dem
Einsatzort „Projekt Onsite XL beim Kunden D. AG M. über die C.". In Ziffer 3 dieses
Vertrages ist geregelt, dass diese Beauftragung aus wichtigem Grund,
insbesondere wichtigen wirtschaftlichen Gründen wie der Stornierung des
Gesamtauftrags durch den Kunden der E., ohne Frist durch E. schriftlich gekündigt
werden kann. Weiterhin ist bestimmt, dass E. diesen Vertrag mit einer Frist von 14
Tagen schriftlich kündigen kann. Ziffer 4 dieser Beauftragung legt fest, dass die
Kläger der E. monatlich Rechnungen über ihren Aufwand unter gesonderter
Ausweisung der Mehrwertsteuer und Beifügung der vom Auftraggeber oder
dessen Kunden gegengezeichneten Leistungsnachweise stellen.
Dementsprechend wurde dies auch in den vergangenen Jahren so gehandhabt.
19 Mit Schreiben vom 28. Dezember 2011 kündigte die E. die Beauftragungen
gegenüber beiden Klägern außerordentlich fristlos und hilfsweise ordentlich zum 9.
Januar 2012 bzw. zum nächst möglichen Termin. Zur Begründung für ihre
Kündigungen führte E. in ihren Kündigungsschreiben an, C. habe die mit ihr
bestehenden Projektverträge betreffend die Beauftragung der Kläger im Projekt
Onsite XL beim Kunden (Beklagte) mit sofortiger Wirkung gekündigt. Die
Projektrahmenverträge vom 18. Dezember 2002 wurden nicht gekündigt.
20 Die Kläger selbst erbrachten im gesamten Zeitraum für keine anderen Firmen IT-
Leistungen und hatten keine anderen Auftraggeber.
21 Zuletzt waren die Kläger im Rahmen des zwischen der Beklagten und C.
abgeschlossenen Werkvertrages zuständig für den IT-Support der Abteilung
Treasury (Finanzorganisation). In dieser Abteilung betreuten sie die
Computerarbeitsplätze der einzelnen Arbeitnehmer. Sie waren für die
Funktionsfähigkeit der Rechner und Peripheriegeräte verantwortlich und
verwalteten den EDV-Zugriff der Arbeitnehmer. Außerdem führten sie das
Bestellwesen für Hard- und Software durch. Die Kläger waren auf dem
Betriebsgelände der Beklagten in einem Bürogebäude in einem Zimmer
zusammen mit 2 bis 4 weiteren EDV-Betreuern von C. untergebracht. Vor dem
Zimmer war ein Türschild "Methods Business Administr., FAB Projektzimmer,
Fremdfirm" angebracht. In den Nebenzimmern arbeiteten auch Arbeitnehmer der
Beklagten. Das Inventar und die Computerarbeitsplätze der Arbeitskräfte von C.
stellte die Beklagte zur Verfügung. Im Telefonverzeichnis der Beklagten sind die
Kläger mit dem Hinweis "extern" aufgeführt. Der zuständige Ansprechpartner von
C. vor Ort war für die Kläger und die Beklagte Herr H. (Incidentmanager), der
außerhalb des Büros der Kläger arbeitete. Die Ansprechpartner der Kläger bei der
Beklagten (ITI/EH) war in den Jahren 2009 und 2010 Frau G., im Jahr 2011 Herr
K..
22 Bei Arbeitsunfähigkeit meldeten sich die Kläger beim Incidentmanager von C. ab,
der in der Regel erklärte, er leite dies weiter. Ansonsten meldeten sich die Kläger
bei C. selbst ab und teilten dies telefonisch im Fachbereich Treasury mit. Hingegen
informierten die Kläger E. nicht bei Arbeitsunfähigkeit.
23 Bei C. gab es für die Kläger und die anderen Mitarbeiter von Fremdfirmen eine
Urlaubsdatenbank. C. genehmigte die Urlaube der Kläger. Die Beklagte war in das
Urlaubsgenehmigungsverfahren nicht einbezogen.
24 In den Jahren 2003 bis 2006 arbeitete der Kläger zu 1 im "Global Treasury
Projects". Damals wurde der Kläger zu 1 im Rahmen eines Werkvertrages über IT-
Leistungen zwischen der Beklagten und T. in einem Großraumbüro in S.
eingesetzt. Damals gab es noch kein Ticketsystem. Für ca. 100 Arbeitnehmer der
Beklagten hatte der Kläger Einzelplatzrechner, Peripheriegeräte und das
dazugehörige Serversystem zu installieren. Projektleiter auf Seiten der Beklagten
war Herr S.. Dessen Mitarbeiterin Frau B. musste der Kläger Krankheitsfälle und
Urlaubszeiten mitteilen.
25 In den Jahren 2003 bis 2006 arbeitete der Kläger zu 2 im Projekt "MIF" Der Kläger
wurde im Rahmen eines Werkvertrages über IT-Leistungen zwischen der
Beklagten und T. in E. eingesetzt. Auch der Kläger zu 2 wurde außerhalb eines
Ticketsystems eingesetzt. Der Kläger zu 2 war damit beauftragt, die komplette
Hard- und Softwarebetreuung für alle ca. 200 Arbeitsplätze des Projektes zu
übernehmen. Projektleiter war Herr L.. Dessen Assistentin Frau G. musste der
Kläger zu 2 über Erkrankungen und Urlaubsplanungen informieren.
26 Die
Kläger
vertreten in ihrer beim Arbeitsgericht am 2. Dezember 2011
eingereichten Klage die Auffassung, zwischen ihnen und der Beklagten bestehe
jeweils ein Arbeitsverhältnis. Sie seien als Arbeitnehmer der Beklagten anzusehen.
Die Art der Eingliederung in den Betrieb der Beklagten und die
weisungsgebundene Tätigkeit sprächen dafür. Die Kläger hätten weder ihre
Arbeitszeit noch ihre Tätigkeit im Wesentlichen frei bestimmen können.
27 Beide Kläger hätten regelmäßig zu festen Arbeitszeiten an festen Arbeitstagen
(Montag bis Freitag von 08.00 Uhr bis 17.00 Uhr) anwesend sein und tätig werden
müssen. Ihnen habe die Zeitsouveränität gefehlt. Der von der Beklagten
eingerichtete Arbeitsort sei den Klägern im Betrieb der Beklagten mit der
Erbringung von Aufgaben für die Abteilung Treasury vorgegeben. Die Kläger
hätten die von der Beklagten vorgegebene Hard- und Software verwenden
müssen und keine Wahl beim Betriebssystem oder den Anwenderprogrammen
gehabt. Die Kläger seien in das Weisungssystem der Beklagten eingegliedert
gewesen und hätten keine Freiheiten bezüglich Art, Ort und Zeit der
Arbeitsleistung gehabt. Sie hätten ihre Arbeitsleistung in der Arbeitsorganisation
der Beklagten erbracht.
28 Wie verschiedene Mails belegten, seien die Kläger in den Geschäftsbereich ITI/EH
der Beklagten eingebunden gewesen. Ihre Weisungen hätten die Kläger
insbesondere im Jahr 2011 durch Herrn M. K. und in den Jahren 2009 und 2010
durch Frau S. G. erhalten. Diese Weisungen hätten in keinem Zusammenhang mit
dem Ticketsystem gestanden, sondern seien klare Vorgaben der Beklagten an die
Kläger gewesen, bestimmte Arbeiten zu leisten und für bestimmte Arbeiten zur
Verfügung zu stehen.
29 Die Beklagte habe den Klägern nicht nur zu erledigende Aufträge gegeben,
sondern habe ihnen Arbeit zugewiesen. Die Kläger hätten nicht frei entscheiden
können, wer welchen Auftrag bearbeite. Frau G. habe den Klägern regelmäßig
Aufgaben zugewiesen, für die keine Zeitdisposition bestanden habe.
30 Wichtiges Beispiel für eine Einflussnahme der Beklagten außerhalb des
Auftragsystems sei ferner die Arbeitszeitverkürzung von Mai 2009 bis Juni 2010.
Während der Laufzeit der Gesamtbetriebsvereinbarung „Vereinbarung zur
Senkung der Arbeitskosten zur Beschäftigungssicherung“ bei der Beklagten, die
eine Absenkung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit um 8,75 % vorsah,
arbeiteten beide Kläger nur 35 Stunden pro Woche. Die Beklagte und der
Servicemanager H. der Firma C. hätten die Kläger analog zu der
Arbeitszeitverkürzung bei der Beklagten angewiesen, während der Dauer der
Gesamtbetriebsvereinbarung nur 35 Stunden pro Woche zu arbeiten. Die Beklagte
habe auf das Arbeitszeitvolumen der Kläger Einfluss genommen und Herr H. von
C. habe dies umgesetzt.
31 Frau G. habe den Kläger zu 2 ferner mit Mail vom 12. Januar 2009 angewiesen,
Herrn H., der neu in das Team der IT-Fachkräfte (C.) gekommen sei, in seine
Aufgaben einzuweisen. Dies habe der Kläger auch gemacht, was eigentlich
Aufgabe der Firma C. gewesen sei.
32 Beide Kläger seien mehrfach von der Beklagten beauftragt worden, Praktikanten
der Beklagten zu betreuen. Beide Kläger hätten ca. drei Mal Praktikanten im
Rahmen eines Rundgangs erklärt, was in den Räumen der Beklagten passiere,
ihnen die Abteilungen gezeigt, das Geschäft der Beklagten erläutert und sie
einzelnen Mitarbeitern vorgestellt sowie dafür gesorgt, dass sich Mitarbeiter der
Beklagten zusätzlich um sie kümmerten.
33 Die Festnetztelefone der Kläger seien regelmäßig so eingerichtet worden, dass
eine automatische Rufweiterschaltung auf eines der Mobiltelefone der Kläger
erfolgt sei und damit eine 24-Stunden-Erreichbarkeit gewährleistet gewesen sei.
Die Kläger seien von Frau G. und Herrn H. von C. angewiesen worden, dafür zu
sorgen, dass sie jederzeit für die Mitarbeiter der Beklagten erreichbar seien.
34 Wie ebenfalls verschiedene Mails zeigten, hätten die Kläger regelmäßig auch
Direktaufträge durch Mitarbeiter der Beklagten erhalten, insbesondere der
Abteilung Treasury. Bei Problemen mit Computern, Mobiltelefonen oder IT-
Systemen hätten sich die Mitarbeiter der Beklagten direkt an einen der Kläger
gewendet. Die Kläger seien häufig von Mitarbeitern angerufen bzw. auf dem Gang
angesprochen und gefragt worden, ob sie bei bestimmten Problemen helfen
könnten; teilweise hätten sie die Tickets im Nachhinein selbst ausgestellt.
35 Zumindest über die rechtliche Fiktion gem. §§ 10 Abs. 1, 9 Nr. 1 AÜG sei ein
Arbeitsverhältnis zwischen den Klägern und der Beklagten zustande gekommen.
Die Beklagte spreche im Verhältnis zu den Klägern von Arbeitnehmern der Firma
C.. Die Beklagte entleihe die Kläger von C., ohne dass eine Erlaubnis zur
Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 AÜG vorliege.
36 Die Beklagte sei darlegungsbelastet für die Ausnahmeregelung, dass die
Beschäftigung der Kläger nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erfolgt sei
und dafür, dass dieses beendet worden sei.
37 Der Kläger zu 1 hat erstinstanzlich beantragt:
38
1. Es wird festgestellt, dass zwischen dem Kläger zu 1 und der Beklagten zu
1 ein Arbeitsverhältnis besteht.
39
2. Für den Fall, dass der Klage gemäß Antrag Ziffer 1) stattgegeben wird:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger zu 1
und der Beklagten zu 1 durch die fristlose, vorsorglich ordentliche
Kündigung im Schreiben vom 28. Dezember 2011 nicht beendet worden ist.
40
3. Hilfsweise für den Fall, dass die Klage gegen die Beklagte zu 1
abgewiesen wird:
41
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger zu 1
und der Beklagten zu 2 durch die fristlose, vorsorglich ordentliche
Kündigung im Schreiben vom 28. Dezember 2011 der Beklagten zu 2 nicht
beendet worden ist.
42 Der Kläger zu 2 hat erstinstanzlich beantragt:
43
1. Es wird festgestellt, dass zwischen dem Kläger zu 2 und der Beklagten zu
1 ein Arbeitsverhältnis besteht.
44
2. Für den Fall, dass der Klage gemäß Antrag Ziffer 1) stattgegeben wird:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger zu 2
und der Beklagten zu 1 durch die fristlose, vorsorglich ordentliche
Kündigung im Schreiben vom 28. Dezember 2011 nicht beendet worden ist.
45
3. Hilfsweise für den Fall, dass die Klage gegen die Beklagte zu 1
abgewiesen wird:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger zu 2
und der Beklagten zu 2 durch die fristlose, vorsorglich ordentliche
Kündigung im Schreiben vom 28. Dezember 2011 der Beklagten zu 2 nicht
beendet worden ist.
46 Die Beklagten zu 1 und 2 haben beantragt,
47
die Klagen abzuweisen.
48 Die
Beklagte
trägt vor, dass allein C., mit der ein wirksamer Werkvertrag über die
Sicherstellung der IT-Struktur durch Rahmen- und Einzelvertrag geschlossen
worden sei, Vertragspartner gewesen sei. Im Rahmen der Durchführung dieses
Vertrags ergäben sich keine Elemente, die auf eine unerlaubte
Arbeitnehmerüberlassung schließen ließen. Anhand einzelner Vorgänge könnten
die Kläger keine betriebliche Integration im Sinne einer Eingliederung von
Leiharbeitnehmern darstellen. Das Ticketsystem habe garantiert, dass keine
Rechtsbeziehung im Sinne unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung habe entstehen
können.
49 Die Kläger seien nicht dem Geschäftsbereich ITI/EH der Beklagten zugeordnet
gewesen und hätten nicht Weisungen und Arbeitsaufträge von einem Mitarbeiter
dieser Abteilung erhalten. Der tatsächliche Einsatz der Kläger sei nicht durch die
Abteilung ITI/EH der Beklagten gesteuert worden, sie seien dort nur eingesetzt
gewesen.
50 Die Auftragserteilung sei nur zulässig und erfolge ausschließlich durch das
Ticketsystem, bei welchem Tickets, die den Auftrag im Einzelnen beschreiben,
elektronisch als Anforderungen an das von den Klägern genutzte Büro
weitergeleitet würden. Ein Ticket, welches den Auftrag und die Auftragserteilung
enthalte, könne jeder Beschäftigte von seinem Laptop über das System
beantragen und erstellen oder werde von der EDV-Hotline-Stelle auf einen Anruf
hin erstellt und versandt. Bei diesem Versand sei nicht bekannt, wer von den
zuständigen Beschäftigten einer Fremdfirma den Auftrag bearbeite. Diese seien in
der Frage der internen Zuständigkeit und Aufteilung der Arbeit vollständig frei.
51 Die Beklagte habe alle Beschäftigten des betroffenen Bereichs mehrfach und
regelmäßig (zB. Schulungsunterlagen von Frau G. vom 29. Juli 2009, die dem
gesamten betroffenen Bereich bekannt gemacht worden seien) darauf
hingewiesen, dass eine Auftragserteilung nur unter Verwendung des
Ticketsystems durchgeführt werden dürfe und „direkte Gespräche“ zur
Erstauftragserteilung mit den Klägern grundsätzlich nicht zulässig seien. Die
Beklagte habe ihr System auch dadurch kontrolliert, dass jeweils freitags zwischen
den Verantwortlichen von C. und den zuständigen Beschäftigten der Beklagten die
Tätigkeiten der Kläger und der anderen Beschäftigten von Werkvertragspartnern
erörtert worden seien und Einigkeit bestanden habe, dass für die Abrechnung
ausschließlich über Tickets erteilte Aufträge maßgebend seien.
52 Direkte Kontakte mit bestimmten Mitarbeitern der Fremdfirma gebe es nur, wenn
ein Auftrag zumindest begonnen worden sei. Nur in dem absoluten Ausnahmefall -
wenn sofortiges Handeln erforderlich sei - entstehe ohne vorherigen Erstauftrag
ein direkter Kontakt zwischen den Beschäftigten der Beklagten und den
Fremdfirmenbeschäftigten. In solchen Fällen könne - formal fehlerhaft - aus
Zeitgründen vorab kein Ticket ausgestellt worden sein.
53 Bei den von den Klägern durch Mails aufgezeigten Fällen handele es sich nahezu
sämtlich um Vorfälle, bei denen eine Auftragserteilung unter Beachtung des
Ticketsystems vorgenommen worden sei und um die „Nachbehandlung“ und
Abwicklung eines begonnenen Themas, wenn beispielsweise im Rahmen eines
ordnungsgemäß erteilten Auftrags durch eine unvollständige oder nicht korrekte
Durchführung Folgeprobleme oder Fragen - auch im Rahmen der Kontrolle -
aufgetreten seien. Im Zusammenhang mit bereits begonnenen
Aufgabenerledigungen hätten die jeweiligen Bereiche auf erforderliche
Veränderungs- oder Verbesserungsarbeiten hingewiesen; dies seien Maßnahmen
der Fortschrittskontrolle, die im Rahmen des Werkvertragsrechts zulässig seien. Im
Übrigen seien Fallkonstellationen gegeben, bei denen Sondertatbestände
vorgelegen hätten.
54 Gemessen an der Gesamtzahl der Ticketaufträge (über 9.000 ab dem Jahr 2009)
bewegten sich die sehr wenigen Direktbeauftragungen, die entgegen den
ausdrücklichen Anweisungen der Beklagten erfolgt sein könnten - falls man in den
vorgelegten knapp 20 Mails eine abweichende Gestaltung sehen wollte -, im
Promillebereich. Im Übrigen hätten die Kläger nicht vorgetragen, dass die ihrer
Ansicht nach vorliegenden Fehlentwicklungen außerhalb des betroffenen Bereichs
bekannt geworden seien; es sei daher nicht ersichtlich, inwieweit eine
Verantwortlichkeit der Beklagten gegeben sein solle.
55 Bei der im Rahmenvertrag zwischen der Beklagten zu 1 und C. definierten
allgemeinen Servicezeit für den IT-Betrieb mit Montag bis Freitag von 08.00 Uhr bis
17.00 Uhr (Zeitfenster) handele es sich nicht um die individuelle, den Klägern
zugewiesene Arbeitszeit, sondern um den zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen
die erforderlichen IT-Leistungen zu erbringen seien. Die Dauer der Tätigkeit der
Kläger liege innerhalb des im Rahmenvertrag vereinbarten Zeitraums. Auch der Ort
der Tätigkeit und die abzudeckenden Arbeitszeiten seien zwischen der Beklagten
und C. vereinbart. C. erstelle die Dienstpläne, teile diese der Beklagten mit, ohne
dass diese Einfluss darauf habe, und sage die Bereitstellung der erforderlichen
Kapazitäten zu. Die Kläger verfügten über die erforderliche Zeitsouveränität
innerhalb dieses Rahmens. Sie hätten innerhalb der zwischen der Beklagten und
C. vereinbarten Servicezeiten die Möglichkeit, die Reihenfolge der
Auftragsbearbeitung gemäß dem Ticketsystem selbst zu steuern und sich die Zeit
entsprechend einzuteilen.
56 Die Beklagte könne nicht über die Arbeitsleistung der Kläger verfügen. Die
Beklagte vergebe im Rahmen des mit C. geschlossenen Vertrags zu erledigende
Aufträge an die Kläger („Pool“ externe IT-Fachkräfte), die dann ihren Einsatz selbst
bestimmen könnten. Die Kläger seien frei darin, wer welchen Auftrag bearbeite und
wann dies geschehe. Wenn ein Auftrag mindestens teilweise durchgeführt worden
sei, könne sich - auch im Sinne der Arbeitsvereinfachung - ein zuständiger
Mitarbeiter der Beklagten direkt an einen der beiden Kläger wenden. Dies sei keine
Neugestaltung eines Auftrags, sondern es gehe um Fragen im Rahmen der
Durchführung eines Auftrags.
57 Die Beklagte habe auf das Arbeitszeitvolumen der Kläger keinen Einfluss
genommen und mit ihnen keine direkte Vereinbarung über eine Verkürzung von
Arbeitszeiten getroffen. Nachdem die Beklagte C. mitgeteilt habe, dass wegen der
Arbeitszeitverkürzung bei ihr während der Wirtschaftskrise vorübergehend der
Umfang der Werkvertragsleistungen angepasst werden müsse, habe C. durch
Anweisung von Herrn H. bei den Klägern die Einsatzzeiten reduziert und später
wieder erhöht.
58 Die Kläger seien nicht von Frau G. beauftragt worden, Praktikanten während des
einwöchigen Schülerpraktikums zu betreuen, sondern sie hätten den Praktikanten
der Einfachheit halber nur die Räume gezeigt, in denen diese tätig werden sollten.
Nur in einem Fall sei einer der Kläger gebeten worden, einem Praktikanten den
Handelsraum, in dem ein umfassender Einblick in die Arbeit des IT-Bereichs
möglich sei, zu zeigen. Die Kläger seien jedoch nicht gebeten worden,
Praktikanten durch verschiedene Räume zu führen und Erklärungen abzugeben.
59 Eine Umstellung von Telefonaten vom Festnetzapparat auf private Handy-Geräte
sei bei der Beklagten nicht zulässig. Die Kläger seien weder angewiesen noch
gebeten worden, für eine jederzeitige Erreichbarkeit zu sorgen. Wenn dies erfolgt
sei, sei dies von Seiten der Kläger freiwillig geschehen und hätte nicht erfolgen
dürfen.
60 Eine Einweisung von Herrn H. sei aufgrund früherer Einsätze und vorhandener
Grundkenntnisse nicht notwendig gewesen. Der Kläger zu 2 habe als einziger
über Spezialkenntnisse verfügt, die er trotz mehrfacher Aufforderung durch C. nicht
an Dritte weitergegeben und nicht dokumentiert habe. Durch die Information an
Herrn H. habe erreicht werden sollen, dass jedenfalls eine zweite Person über die
erforderlichen Spezialkenntnisse verfüge.
61 Die Beklagte bestreite den Vortrag der Kläger zu Projekten aus den Jahren 2003
bis 2006 und eine Eingliederung im Rahmen von Arbeitsverhältnissen ab dem
Jahr 2001. Im Rahmen dieser Projekte sei es in erster Linie um
Problemerörterungen und nicht um die Beseitigung von Störungen gegangen. Eine
Auftragsvergabe oder arbeitsrechtlich relevante Anweisungen durch Vertreter der
Beklagten seien nicht erfolgt. Das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit der
Beklagten sei von den Klägern, die hierfür darlegungs- und beweisbelastet seien,
im Übrigen auch für diesen Zeitraum nicht dargelegt worden.
62 Zur Erlaubnis auf Arbeitnehmerüberlassung gem. § 1 Abs. 1 AÜG von C. hat die
Beklagte vorgetragen, dass es für sie ohne Bedeutung gewesen sei, ob C. eine
solche Erlaubnis gehabt habe.
63 Die
Beklagte zu 2
hat erstinstanzlich vorgetragen, dass zwischen ihr und den
Klägern kein Arbeitsverhältnis zu Stande gekommen sei. Die Kläger seien im
Rahmen einer entgeltlichen Geschäftsbesorgung, welche mittels
Einzelbeauftragungen erfolgt sei, mit der Erbringung von Dienst- bzw.
Werkleistungen beauftragt worden.
64 Mit
Urteil
vom 29. Oktober 2012 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Das
angefochtene Urteil ist der Ansicht, dass zwischen den Klägern und der Beklagten
kein Arbeitsverhältnis begründet worden sei. Die Personalbefugnisse bezüglich
der Kläger hätten nicht bei der Beklagten gelegen. Die Kläger seien auch nicht so
in den Betrieb der Beklagten eingegliedert gewesen, dass dies auf
Arbeitsverhältnisse hindeute. So habe die Beklagte gegenüber den Klägern keine
festen zeitlichen Vorgaben zur Arbeitszeit gemacht, insbesondere nicht eine
Anwesenheit der Kläger von Montag bis Freitag von 08.00 Uhr bis 17.00 Uhr
angeordnet. Auch auf das Arbeitszeitvolumen in der Zeit, in der bei der Beklagten
die Arbeitszeit auf 35 Stunden pro Woche reduziert worden sei, habe die Beklagte
nicht eingewirkt. Gegen die Personalhoheit der Beklagten spreche, dass sie kein
Bestimmungsrecht gehabt habe, welche IT-Fachkraft welchen Auftrag übernehme.
Vielmehr hätten die Arbeitskräfte von C. selbst die Reihenfolge der
Auftragsbearbeitung im Rahmen des Ticketsystems bestimmen können. Die in
den E-Mails der Abteilung ITI/EH (insbesondere von Frau G.) enthaltenen
Weisungen seien als werkvertragliche Anweisungen zu verstehen. Zwar hätten die
Kläger durchaus einzelne E-Mails vorgelegt, die auf eine direkte Beauftragung der
Kläger durch Arbeitnehmer der Beklagten hindeuteten. Angesichts der ca. 20
vorgelegten E-Mails bei über 9.000 Ticketaufträgen in 3 Jahren bewegten sich
diese Direktbeauftragungen jedoch im Promillebereich. Außerdem seien diese
Direktbeauftragungen nicht der Beklagten anzulasten, die mehrfach darauf
hingewiesen und auch bekannt gemacht habe, dass eine Auftragserteilung nur
über das Ticketsystem erfolgen dürfe.
65 Die Klagen gegen die Beklagte zu 2 seien unzulässig. Hier liege eine unzulässige
eventuelle subjektive Klagehäufung vor.
66 Gegen dieses den Klägern am 23. Januar 2013 zugestellte Urteil richtet sich die
am 20. Februar 2013 eingelegte und am 25. April 2013 innerhalb der verlängerten
Begründungsfrist ausgeführte
Berufung der Kläger
, die sich nur gegen die
Beklagte zu 1 richtet. Die Kläger vertiefen das erstinstanzliche Vorbringen. Sie
legen Zuordnungspläne der Beklagten vor, wonach die von C. eingesetzten
Arbeitskräfte, so auch die Kläger, bestimmten Abteilungen der Beklagten
zugeordnet gewesen seien. Von dort hätten die Kläger viele Direktbeauftragungen
von Arbeitnehmern der Beklagten erhalten, die nicht über das Ticketsystem oder
nachträglich über dieses erfasst worden seien. In diesem Zusammenhang legen
die Kläger viele weitere E-Mails von Arbeitnehmern der Beklagten bezüglich von
Beauftragungen außerhalb des Ticketsystems vor. Die Kläger sind der Ansicht,
dass das Ticketsystem bei der Beklagten reine Theorie gewesen sei. Es sei völlig
anders gehandhabt worden. Fast alle Aufträge seien auf Zuruf oder Telefonat
erfolgt. Des Öfteren habe man erst nachträglich Tickets eröffnet, weil es eine
Vorgabe von C. gegeben habe, ca. 6 Tickets am Tag zu erledigen.
67 Im Übrigen hätten beide Kläger in den Jahren 2003 bis 2006 in Projekten der
Beklagten mitgearbeitet, in denen es überhaupt kein Ticketsystem gegeben habe.
Dort seien die Kläger die ständigen Ansprechpartner der Arbeitnehmer der
Beklagten in allen Hardware- und Softwarefragen gewesen.
Arbeitsunfähigkeitszeiten und Urlaub hätten den Ansprechpartnern der Beklagten
mitgeteilt werden müssen. Verantwortliche der Firma T. seien nicht vor Ort
gewesen.
68 Die Kläger haben, nachdem sie im Berufungstermin die unechten Hilfsanträge
gegen die Kündigung von E. vom 28. Dezember 2011 zurückgenommen haben,
zuletzt sinngemäß beantragt,
69
das angefochtene Urteil abzuändern und festzustellen, dass zwischen den
Klägern und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis besteht.
70 Die Beklagte beantragt,
71
die Berufung zurückzuweisen.
72 Die
Beklagte
verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft ebenfalls ihr
erstinstanzliches Vorbringen. Zu den von den Klägern vorgelegten
Zuordnungsplänen trägt die Beklagte vor, dass diese Zuordnungen intern von C.
vorgenommen worden seien und diese Pläne deshalb nur eine Beschreibung der
Ist-Situation darstellten. Die Beklagte bestreite, dass das von ihr vertraglich
vorgegebene Ticketsystem nicht gelebt worden sei und Arbeitnehmer der
Beklagten, jedenfalls in einer größeren Anzahl, am Ticketsystem vorbei
Direktanweisungen den Klägern gegeben hätten. Auch die Nichteinhaltung von
Formerfordernissen führe jedoch nicht dazu, dass die Beklagte den Klägern
arbeitsvertragliche Weisungen erteilt habe.
73 Die Beklagte bestreite auch, dass die Kläger in den Projekten der Jahre 2003 bis
2006 von der Beklagten und nicht von T. Anweisungen erhalten hätten. Auch
insoweit habe die Beklagte keine Personalhoheit gehabt. Bei einer
vorzunehmenden Gesamtbetrachtung sei festzustellen, dass beide Kläger im
Rahmen eines Werkvertrages bei der Beklagten tätig geworden seien.
Entscheidungsgründe
A.
74 Die gem. § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Kläger ist fristgerecht
eingelegt und ausgeführt worden. Im Übrigen sind Bedenken an der Zulässigkeit
der Berufung nicht veranlasst.
B.
75 In der Sache hat die Berufung der Kläger Erfolg. Entgegen dem angefochtenen
Urteil sind die auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses mit der
Beklagten gerichteten Klageanträge begründet. Zwischen den Klägern und der
Beklagten haben jedenfalls im Zeitpunkt der Klageeinreichung jeweils ein
Arbeitsverhältnis bestanden. Diese Arbeitsverhältnisse sind kraft gesetzlicher
Fiktion gem. §§ 10 Abs. 1 Satz 1, 9 Nr. 1 AÜG begründet worden. Die Kläger sind
bei der Beklagten nicht aufgrund eines Werkvertrages, sondern aufgrund einer
gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung tätig geworden.
I.
76 Die Anträge sind zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts kann ein Arbeitnehmer mit der allgemeinen
Feststellungsklage das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zu einem Entleiher
auf Grundlage der Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes geltend
machen (BAG 18. Januar 2012 - 7 AZR 723/10 - AP Nr. 10 zu § 9 AÜG Rn. 14).
Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist dafür
gegeben, weil die Parteien über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses und
damit über ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis streiten.
II.
77 Die Klagen sind auch begründet. Gem. § 9 Nr. 1 AÜG sind Verträge zwischen
Verleihern und Entleihern sowie zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern
unwirksam, wenn der Verleiher nicht die für eine gewerbsmäßige
Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 AÜG erforderliche behördliche Erlaubnis
besitzt. Für diesen Fall der Unwirksamkeit eines Arbeitsvertrages zwischen einem
Verleiher und einem Leiharbeitnehmer gilt nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ein
Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer als zu
Stande gekommen.
78 1. Dabei geht die erkennende Kammer von folgenden Rechtsgrundsätzen aus.
79
a) Eine Überlassung zur Arbeitsleistung iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AÜG liegt
vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in
dessen Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach Weisungen des
Entleihers in dessen Interesse ausführen (BAG 18. Januar 2012 - 7 AZR 723/10
- AP Nr. 10 zu § 9 AÜG Rn. 26, 6. August 2003 - 7 AZR 180/02 - AP Nr. 6 zu § 9
AÜG Rn. 38; 13. August 2008 - 7 AZR 269/07 - AP Nr. 19 zu § 10 AÜG Rn. 14).
80
b) Notwendiger Inhalt eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags ist die
Verpflichtung des Verleihers gegenüber dem Entleiher, diesem zur Förderung
von dessen Betriebszwecken Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Die
Vertragspflicht des Verleihers gegenüber dem Entleiher endet, wenn er den
Arbeitnehmer ausgewählt und ihn dem Entleiher zur Verfügung gestellt hat.
Dabei unterfällt nicht jeder in diesem Sinne drittbezogene Arbeitseinsatz dem
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Arbeitnehmerüberlassung ist vielmehr durch
eine spezifische Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen zwischen Verleiher
und Entleiher einerseits (dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag) und zwischen
Verleiher und Arbeitnehmer andererseits (dem Leiharbeitsvertrag) sowie durch
das Fehlen einer arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen Arbeitnehmer und
Entleiher gekennzeichnet.
81
Von der Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden ist die Tätigkeit eines
Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrags. In
diesen Fällen wird der Unternehmer (der Arbeitgeber des Arbeitnehmers) für
einen anderen tätig. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen
Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen
und bleibt für die Erfüllung der in dem Vertrag vorgesehenen Dienste oder für die
Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber dem Drittunternehmen
verantwortlich (BAG 18. Januar 2012 - 7 AZR 793/10 - aaO Rn. 27; 13. August
2008 - 7 AZR 269/07 - aaO Rn. 14).
82
c) Über die rechtliche Einordnung des Vertrags zwischen dem Dritten und dem
Arbeitgeber entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die von den Parteien
gewünschte Rechtsfolge oder eine Bezeichnung, die dem tatsächlichen
Geschäftsinhalt nicht entspricht. Die Vertragsschließenden können das
Eingreifen zwingender Schutzvorschriften des
Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes nicht dadurch vermeiden, dass sie einen
vom Geschäftsinhalt abweichenden Vertragstyp wählen. Der Geschäftsinhalt
kann sich sowohl aus den ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien
als auch aus der praktischen Durchführung des Vertrags ergeben.
Widersprechen sich beide, so ist die tatsächliche Durchführung des Vertrags
maßgebend, weil sich aus der praktischen Handhabung der
Vertragsbeziehungen am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von
welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen sind, was sie
also wirklich gewollt haben. Der so ermittelte wirkliche Wille der Vertragsparteien
bestimmt den Geschäftsinhalt und damit den Vertragstyp (BAG 18. Januar 2012 -
7 AZR 793/10 - aaO Rn. 28; 13. August 2008 - 7 AZR 269/07 - aaO Rn. 15).
83
d) Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterscheidet bei den
erteilten Weisungen zwischen arbeitsrechtlichen/personenbezogenen
Weisungen (im Rahmen der so genannten Personalhoheit) und
werkbezogenen/objektbezogenen Anweisungen im Sinne des § 645 Abs. 1 Satz
1 BGB (BAG 30. Januar 1991 - 7 AZR 497/89 - AP Nr. 8 zu § 10 AÜG Rn. 55).
Nach dieser Rechtsprechung wird die Grenze zur arbeitsvertraglichen
Anweisung insbesondere dann überschritten, wenn der Dritte erst durch seine
Anweisungen den Gegenstand der von den Erfüllungsgehilfen des
Werkherstellers zu erbringenden Leistung bestimmt. Weisungen des Dritten, die
die Art und Weise der Arbeitsleistung (Inhalt, Zeit, Ort, Tempo, Ausführung)
betreffen, indizieren Arbeitnehmerüberlassung, werkbezogene Anweisungen
(zB. bestimmte Fertigungsmethoden, Qualitätsanforderungen, Reihenfolge,
Stückzahl) dagegen nicht (vgl. dazu Schüren/Hamann AÜG § 1 Rn. 126). Die
Abgrenzung dieser beiden Leistungsarten ist insbesondere dann schwierig,
wenn mit einer fachlich-methodischen Vorgabe implizit auch eine zeitlich-örtliche
Vorgabe verbunden ist (Weisungen mit Doppelnatur). Dann ist infolge des implizit
mit ausgeübten formalen Weisungsrechts eine Zuordnung nach den für das
formale arbeitsvertragliche Weisungsrecht maßgeblichen Kriterien vorzunehmen
(Greiner NZA 2013, 697, 700 mwN).
84
e) Neben dem Weisungsrecht ist auch die Verantwortungsstruktur im Hinblick auf
die zu verrichtende Aufgabe, die bei einem Werkvertrag grundlegend anders
ausgestaltet ist als bei Arbeitnehmerüberlassung, von Bedeutung. Schüren
(Festschrift für Däubler, 1999 Seite 90 ff.) sieht in der tatsächlichen
Inanspruchnahme von Gewährleistungsrechten ein deutliches Merkmal eines
echten Werkvertrages, in der unterbliebenen Geltendmachung von
Gewährleistungsrechten trotz aufgetretener Mängel ein deutliches Indiz für einen
Schein-Werkvertrag (vgl. Schüren/Hamann AÜG 4. Aufl. § 1 Rn. 141; Greiner
aaO Seite 699; so auch BAG 18. Januar 2012 - 7 AZR 723/10 - aaO Rn. 37).
85
f) Vom Werkvertrag (§ 631 BGB) ist der freie Dienstvertrag (§ 611 BGB) zu
unterscheiden. Der Einsatz von Drittpersonal kann auch im Rahmen eines
Dienstvertrages erfolgen. Vereinbaren Auftraggeber und externer Dienstleister
das Tätigwerden im Rahmen eines freien Dienstvertrages, hängt die Frage, ob
es sich bei der Aufgabenerfüllung durch Arbeitnehmer/freie Mitarbeiter des
externen Dienstleisters um einen dienstvertraglichen Einsatz von
Erfüllungsgehilfen oder um verkappte Arbeitnehmerüberlassung handelt,
phänomenologisch allein davon ab, wer (offen oder verdeckt) die
arbeitsvertragstypischen Weisungen erteilt. Das Gelingensrisiko, die
wirtschaftliche Verantwortlichkeit für den Eintritt des angestrebten Erfolgs, liegt in
beiden Fällen beim Auftraggeber, da auch der freie Dienstverpflichtete allein das
"Bemühen" schuldet, ebenso wie der Verleiher keine Gewähr für den Erfolg der
überlassenen Arbeitnehmer trägt. Der Dienstvertrag mit Einsatz von
Erfüllungsgehilfen weist deshalb eine große Nähe zur Arbeitnehmerüberlassung
auf (vgl. Greiner aaO Seite 698/699).
86
g) Zur Würdigung der praktischen Durchführung der zwischen der Beklagten und
C. abgeschlossenen Verträge bedarf es einer Gesamtbetrachtung aller für die
rechtliche Einordnung der Vertragsbeziehungen wesentlichen Umstände. Da es
sich hier um langfristige Vertragsbeziehungen handelt, kann auch nur eine
Betrachtung der über einen längeren Zeitraum hinweg geübten Vertragspraxis
zuverlässigen Aufschluss darüber geben, ob die Vertragspartner in Wahrheit von
anderen als in den schriftlichen Verträgen niedergelegten Rechten und Pflichten
ausgegangen sind. Einzelne Vorgänge der Vertragsabwicklung sind daher zur
Feststellung eines vom Vertragswortlaut abweichenden Geschäftsinhalts nur
geeignet, wenn es sich dabei nicht um untypische Einzelfälle, sondern um
beispielhafte Erscheinungsformen einer durchgehend geübten Vertragspraxis
handelt. Dabei muss diese abweichende Vertragspraxis den auf Seiten der
Vertragspartner zum Vertragsabschluss berechtigten Personen bekannt
gewesen und von ihnen zumindest geduldet worden sein; denn sonst kann eine
solche, den schriftlichen Vereinbarungen widersprechende
Vertragsdurchführung nicht als Ausdruck des wirklichen Geschäftswillens der
Vertragspartner angesehen werden (BAG 30. Januar 1991 - 7 AZR 497/89 - aaO
Rn. 56).
87
h) Die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, aus denen sich ergeben
soll, dass es sich bei einem drittbezogenen Personaleinsatz um
Arbeitnehmerüberlassung handelt, trägt diejenige Partei, die daraus für sich
günstige Rechtsfolgen herleiten will. Das sind hier die Kläger.
88
Da viele auf eine Arbeitnehmerüberlassung hindeutende Tatsachen (vertragliche
Vereinbarungen zwischen Drittem und vermeintlichem Werkunternehmer,
Weisungsstruktur: auf wen gehen Weisungen letztlich zurück?, faktische
Geltendmachung von Gewährleistungsrechten) außerhalb des
Wahrnehmungsbereichs des Arbeitnehmers liegen, droht ihm eine eklatante
Darlegungs- und Beweisnot. Deshalb ist dem Arbeitnehmer nach den
Grundsätzen der sekundären Darlegungs- und Beweislast die Möglichkeit
einzuräumen, sich zunächst auf die Darlegung und den Beweis solcher
Umstände zu beschränken, die seiner Wahrnehmung zugänglich sind und die
auf eine Zuordnung zum Arbeitnehmerüberlassungsrecht sprechen. Sache des
beklagten Arbeitgebers ist es dann die für das Gegenteil sprechenden
Tatsachen darzulegen und zu beweisen, wonach die Abgrenzungskriterien
Weisungsstruktur und Risikotragung auch in der gelebten Vertragsdurchführung
werkvertragstypisch ausgestaltet sind (vgl. Greiner aaO Seite 702/703).
89 2. Bei Anwendung der vorgenannten Rechtsgrundsätze steht für die erkennende
Kammer fest, dass der drittbezogene Personaleinsatz der Kläger bei der
Beklagten im Wege der Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des § 1 Abs. 1 AÜG
erfolgt ist. Die dem Fremdpersonaleinsatz zu Grunde liegenden vertraglichen
Vereinbarungen (a) sind tatsächlich nicht so durchgeführt worden (b), so dass bei
einer wertenden Gesamtbetrachtung (c) von einem Scheinwerkvertrag/-
dienstvertrag auszugehen ist. Da die Arbeitnehmerüberlassung von C.
gewerbsmäßig betrieben worden ist und sie über keine Erlaubnis zur
Arbeitnehmerüberlassung verfügt hat, ist aufgrund der gesetzlichen Fiktion des §
10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ein Arbeitsvertrag zwischen der Beklagten und jeweils den
Klägern zu Stande gekommen (d).
90
a) Zu den Vertragsgrundlagen:
91
aa) Schon nach den Vertragsgrundlagen zwischen der Beklagten und C. steht
fest, dass die Kläger bei der Beklagten nicht als freie Mitarbeiter, sondern als
Arbeitnehmer eingesetzt worden sind. Es stellt sich dann nur die Frage, ob sie
als Arbeitnehmer von C. im Rahmen eines Werk-/Dienstvertrages beschäftigt
worden sind oder Arbeitnehmer der Beklagten geworden sind.
92
Zwar haben beide Kläger mit E. Rahmenverträge abgeschlossen, nach denen
sie als freie Mitarbeiter tätig geworden sind. Bereits die Einzelbeauftragungen
der Kläger durch E. sehen jedoch einen bestimmten Einsatzort bei der
Beklagten in einem bestimmten Projekt mit max. 220 Personentagen im Jahr
vor. Die Projektverträge zwischen E. und C. vereinbaren dann für beide Kläger
den Einsatz in einem bestimmten Projekt (Onsite XL, dh. vor Ort) bei der
Beklagten und einen voraussichtlichen Arbeitsaufwand mit jeweils 220
Personentagen à mindestens 8 Arbeitsstunden. Auf dieser Vertragsgrundlage
sind dann beide Kläger aufgrund des letzten Einzelvertrages zwischen C. und
der Beklagten vom 1. Oktober 2010 für die bei der Beklagten geltenden
Servicezeiten Montag bis Freitag von 08.00 Uhr bis 17.00 Uhr eingesetzt
worden.
93
Die Rechtsprechung macht die Unterscheidung zwischen Arbeits- und freiem
Dienstvertrag davon abhängig, ob derjenige, der die Dienste erbringt, von
seinem Vertragspartner persönlich abhängig ist. Persönlich abhängig ist
derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und
seine Arbeitszeit bestimmen kann. Die persönliche Abhängigkeit - und mit ihr die
Arbeitnehmereigenschaft - ist anzunehmen, wenn statt der freien
Tätigkeitsbestimmung die Einbindung in eine fremde Arbeitsorganisation
vorliegt, die sich im Weisungsrecht des Arbeitgebers bezüglich Inhalt,
Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit zeigt (BAG 30. November 1994 -
5 AZR 704/93 - AP Nr. 74 zu § 611 BGB Abhängigkeit).
94
Gemessen daran steht für die erkennende Kammer fest, dass beide Kläger bei
der Beklagten nicht als freie Mitarbeiter tätig geworden sind. Gleichgültig wer die
Personalhoheit über die Kläger gehabt hat (su.): Für die Kläger hat jedenfalls
innerhalb der Servicezeiten Anwesenheitspflicht in den Räumen der Beklagten
für bestimmte Servicetätigkeiten bestanden; es steht außer Zweifel, dass die
Kläger die Arbeitszeit und ihre Tätigkeit nicht frei bestimmen konnten.
95
bb) Nach den Vertragsbezeichnungen und dem Willen der Vertragspartner C.
und Beklagte sollten die Projekte im Rahmen eines Werkvertrages durchgeführt
werden. Vertragsgegenstand dieses Vertrages ist die Erbringung von
bestimmten IT-Dienstleistungen durch C. gewesen. Diese Dienstleistungen
sollten dazu führen, dass die Funktionsfähigkeit der Computerarbeitsplätze der
einzelnen Arbeitnehmer jederzeit gewährleistet gewesen ist. Kernstück dieses
Vertrages ist das Ticketsystem CISM. Ausschließlich innerhalb dieses
Ticketsystems sollte C. mit der Bearbeitung aller Arten von Incidents (Störungen)
und Aufträgen betraut werden. Idealtypisch sollten deshalb alle IT-Aufträge der
einzelnen Arbeitnehmer der Beklagten, für die C. zuständig gewesen ist, auf
elektronischem Wege zu C. gelangen und dort den einzelnen Beschäftigten von
C. zugeleitet werden, damit sie sich um die Bearbeitung dieser Aufträge
kümmern konnten. Nach diesem vorgegebenen Ticketsystem ist die
Bearbeitung des IT-Auftrags an die Eröffnung einer Ticketnummer gebunden
gewesen. Nach erfolgreicher Erledigung des Auftrags sollte dann das Ticket
wieder geschlossen werden. Die Direktbeauftragung von einzelnen Mitarbeitern
der C. durch Arbeitnehmer der Beklagten ist idealtypisch ausgeschlossen
gewesen.
96
Ohne dass es für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens von
entscheidender Bedeutung ist, möchte die Berufungskammer gleichwohl
betonen, dass es sich bei den als Werkvertrag bezeichneten Verträgen
zwischen der Beklagten und C. eher um freie Dienstverträge handelt. Das
entscheidende Abgrenzungskriterium zwischen Werkvertrag und Dienstvertrag
liegt darin, dass beim Dienstvertrag das bloße Wirken, die Arbeitsleistung als
solche, beim Werkvertrag dagegen die Herbeiführung eines vereinbarten
Arbeitsergebnisses geschuldet wird (vgl. Palandt/Sprau BGB, Einführung vor §
631 Rn. 8). Dienst-und Werkvertrag unterscheiden sich deshalb in der
Gefahrtragungsregelung für das Entgelt. Beim Dienstvertrag wird für die Arbeit
als solche, beim Werkvertrag für das Arbeitsprodukt die Vergütung versprochen
(vgl. Münchener Handbuch-Richardi, § 6 Rn. 7). Bei Betrachtung der
vorliegenden Verträge schuldet C. der Beklagten das ordnungsgemäße
Funktionieren der EDV-Arbeitsplätze der einzelnen Arbeitnehmer der Beklagten.
Die Pauschalvergütung bemisst sich anhand der betreuten
Computerarbeitsplätze. Der Vertragsgegenstand "ordnungsgemäßes
Funktionieren der Computerarbeitsplätze" wird durch viele Einzelaufträge der
Arbeitnehmer der Beklagten an C. ausgefüllt. Sie gehen von der Bestellung
bestimmter Geräte durch C. über Störungsbeseitigungen bis hin zur
unterschiedlichsten Aufträgen (zB. Installation eines Druckertreibers, Einrichtung
von Passwörtern, Einrichtung von bestimmten Software-Produkten). So sind in
den letzten 3 Jahren von beiden Klägern viele Tickets bearbeitet worden, nach
dem Vortrag der Beklagten über 9.000 Tickets. Die Beklagte vertritt die
Rechtsansicht, dass jeder dieser Einzelaufträge einen Werkvertrag darstelle und
es sich deshalb auch bei der Summe um einen Werkvertrag handeln müsse.
Allerdings soll auch beim Dienstvertrag der Dienstverpflichtete durch seine Arbeit
einen bestimmten Erfolg herbeiführen. Im Gegensatz zum Werkvertrag fällt aber
das Risiko, dass der Erfolg eintritt, nicht in seinen Gefahren- und
Verantwortungsbereich. Nach der tatsächlichen Handhabung kann allerdings
nicht davon ausgegangen werden, dass der Dienstverpflichtete (C.) einen über
die Dienstleistung hinausgehenden Erfolg geschuldet hat. Zwischen den
Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte gegenüber C. immer die Vergütung
vollständig bezahlt und keine Gewährleistungsrechte geltend gemacht hat.
Wenn man, wie die Beklagte, den vorliegenden Dienstleistungsvertrag in so
viele Werkverträge segmentiert, müsste man bei lebensnaher Betrachtung
davon ausgehen, dass nicht alle Werkverträge ordnungsgemäß erfüllt worden
sind und deshalb Gewährleistungsrechte hätten geltend gemacht werden
können. Auch dass dies nicht geschehen ist, spricht gegen die Annahme eines
Werkvertrages.
97
Es bleibt allerdings festzuhalten, dass nach den vorliegenden Verträgen
zwischen der Beklagten und C., unabhängig ob man sie als Werkverträge oder
freie Dienstverträge qualifiziert, alle Weisungsrechte gegenüber den
Beschäftigten von C. bei C. geblieben sind und nicht von der Beklagten
ausgeübt werden sollten. Von der Papierform her spricht bei dem vermeintlichen
Werkvertrag nichts dafür, dass es sich um einen
Arbeitnehmerüberlassungsvertrag handelt.
98
b) Das Gericht ist davon überzeugt (§ 286 Abs. 1 ZPO), dass die vorgenannten
Vertragsverhältnisse tatsächlich so nicht gelebt worden sind. Selbst wenn man
nur den zwischen den Parteien unstreitigen Lebenssachverhalt heranzieht, steht
für die erkennende Kammer fest, dass die Kläger in den Betrieb der Beklagten
eingegliedert gewesen sind (aa) und von Arbeitnehmern der Beklagter in
größerem Umfang Weisungen erhalten haben (bb). Es bleibt auch festzuhalten,
dass die Beklagte zu keiner Zeit werkvertragliche Gewährleistungsrechte in
Anspruch genommen hat (cc).
99
aa) Die Kläger sind seit Aufnahme der Tätigkeiten bei der Beklagten in ihren
Betrieb eingegliedert gewesen, zuletzt in den Betrieb S.. Die für die Annahme
einer tatsächlichen Eingliederung zu berücksichtigenden Kriterien sind sämtlich
erfüllt.
100 Jedenfalls seit Beschäftigungsbeginn im Geschäftsbereich ITI/EH in den Jahren
2006 bzw. 2007 sind den Klägern ein bestimmter Ort, bestimmte Arbeitszeiten
und ein bestimmter vertraglicher Inhalt vorgegeben gewesen. Die Kläger haben
während dieser Zeit aus dem ihnen zugewiesenen Büro auf dem
Betriebsgelände der Beklagten die Computerarbeitsplätze von Arbeitnehmern
des Geschäftsbereiches Treasury betreut. Ihnen sind die gesamten Mittel für die
Bearbeitung der Aufträge von der Beklagten gestellt worden (insbesondere die
eigenen Computerarbeitsplätze und Kommunikationsmöglichkeiten).
101 Sie haben mit Arbeitnehmern der Beklagten zusammengearbeitet, indem sie
auch arbeitsvertragliche Weisungen dieser Arbeitnehmer ausgeführt haben
(su.). Sie haben innerhalb festgelegter Servicezeiten (Montag bis Freitag 08.00
Uhr bis 17.00 Uhr) ihre Tätigkeit verrichtet; regelmäßige Abweichungen von
diesen vorgegebenen Arbeitszeiten sind angesichts von fest zugewiesenen
Geschäftsbereichen (su.) nicht möglich gewesen. Es hat grundsätzlich
Anwesenheitspflicht bestanden. Die auszuführenden Arbeitsaufgaben sind von
der Beklagten schon durch den technischen Rahmen (bei der Beklagten
installierte Hardware und Software) vorgegeben gewesen.
102 bb) Entgegen den vertraglichen Vereinbarungen haben die Kläger regelmäßig
von Arbeitnehmern der Beklagten auch arbeitsvertragliche Weisungen erhalten.
103 (1) Dass die Kläger regelmäßig arbeitsvertragliche Weisungen von
Arbeitnehmern der Beklagten erhalten haben, beruht vor allem auf dem Inhalt
der von den Klägern in beiden Instanzen vorgelegten vielen E-Mails in den
letzten 3 Jahren ihrer Tätigkeit für die Beklagte. Der Inhalt dieser E-Mails ist
Parteivortrag der Kläger, der von der Beklagten nicht bestritten, sondern nur
anders bewertet worden ist. Die von den Klägern vorgelegten mehr als 70 E-
Mails, in denen behauptete Weisungen enthalten sind, haben ganz
unterschiedliche Inhalte. Nachfolgend sollen typische und repräsentative
Weisungen dargestellt werden.
104 (a) Beide Kläger haben insbesondere von der Ansprechpartnerin der Beklagten
(ITI/EH), Frau G., sehr viele direkt an die Kläger gerichtete E-Mails erhalten. In
fast allen E-Mails ist keine Ticketnummer aufgeführt (K 4 bis 17, K 22, K 47, K
48, K 50). Zwar sind die in diesen E-Mails enthaltenen Weisungen von Frau G.
als werkbezogene Weisungen zu qualifizieren. Alle diese vorstehend
benannten Weisungen sind jedoch nicht an C. gerichtet, mit der Aufforderung
die jeweilige Weisung an einen Beschäftigten weiterzuleiten, sondern direkt an
einen der Kläger. In mehreren E-Mails sind auch Zeitvorgaben enthalten
(Priorität 1, Priorität A, "gleich", "es eilt"). Diese Direktbeauftragungen der Kläger
widersprechen zum einen dem vertraglich festgelegten Ticketsystem, zum
anderen aber auch der Tatsache, dass die Beklagte nicht mit den Klägern (als
Solounternehmern) Werkverträge geschlossen gehabt hat, sondern mit C..
Richtigerweise hätte deshalb C. an sie gerichtete Aufträge an ihre
Erfüllungsgehilfen im Rahmen ihrer Organisationsfreiheit weiterleiten müssen.
105 (b) Frau G. hat im beschriebenen Zeitraum jedoch nicht nur als werkvertraglich
zu wertende Weisungen an die Kläger gerichtet, sondern auch in E-Mails
direkte Weisungen arbeitsvertraglicher Natur erteilt. Dabei kommt es nicht
darauf an, ob diese arbeitsvertraglichen Weisungen eine Ticketnummer gehabt
haben, was bei den meisten E-Mails jedoch nicht der Fall war.
106
- So soll ein Kläger prüfen, ob bei der Beklagten (Treasury) ein Raum frei ist (K
28).
107
- In der E-Mail K 30 wird ein Kläger gebeten, einen Mitarbeiter von C. in neue
Aufgaben einzuweisen. Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten spielt es
keine Rolle, ob diese Aufforderung im Auftrag von C. erfolgt ist.
108
- In der E-Mail K 31 wird ein Kläger aufgefordert, sich bei einem Test "Failover-
Test Treasury Fileserver" an einem bestimmten Tag von 17.00 Uhr bis 19.00
Uhr bereitzuhalten, falls die vielen Anwender der Beklagten seine Hilfe
brauchen. Dabei spielt es keine Rolle, dass dieser Test von T. vorgegeben
worden ist.
109
- In der E-Mail K 33 wird ein Kläger gebeten, zu einer Besprechung zu einer
bestimmten Uhrzeit zu kommen. Auch wenn die Beklagte vorträgt, dass es sich
dabei nur um eine Anfrage gehandelt hat, hat der Kläger diese E-Mail als
Weisung verstehen müssen.
110
- In der E-Mail K 51 werden alle Beschäftigten von C., also auch die Kläger, um
eine Unterstützung außerhalb der Servicezeit an einem bestimmten Tag von
18.00 Uhr bis 20.00 Uhr gebeten. Die Beschäftigten von C. sollten sich
untereinander absprechen. Dabei könne der Zeitausgleich über Freizeit
erfolgen. Dabei kommt es nicht auf den Vortrag der Beklagten an, dass die
Frage des Zeitausgleichs zwischen der Beklagten und C. abgesprochen
gewesen sei.
111 (c) Die Kläger haben auch von vielen Arbeitnehmern der Beklagten aus
verschiedenen Abteilungen, insbesondere Treasury, aber auch aus sich im
Ausland befindlichen Abteilungen ganz unterschiedliche Anfragen und Anliegen
erhalten, die als werkvertragliche Weisungen zu werten sind. Auch diese
Weisungen sind direkt an einen der Kläger gerichtet, ganz überwiegend
außerhalb des Ticketsystems (K 6, K 23 bis 27, K 29, K 33 bis 46, K 58 bis 76,
K 78 bis 79, K 81 bis 86). In vielen dieser E-Mails sind Zeitvorgaben enthalten
("schnellstmöglich", "dringend", "um… Uhr"). Zum Teil sind diese E-Mails von
Frau G. an einen der Kläger weitergeleitet worden. Jedenfalls in einem Fall hat
ein Kläger Frau G. eine solche Direktanfrage weitergeleitet, die dann von ihr
beantwortet worden ist. Daraus ergibt sich, dass Frau G. von solchen
Direktanfragen von Arbeitnehmern der Beklagten außerhalb des Ticketsystems
Kenntnis gehabt hat.
112 (d) Es gibt E-Mails von Arbeitnehmern der Beklagten, die arbeitsvertraglich
Weisungen beinhalten.
113 In der E-Mail K 20 werden den Klägern von der Beklagten ihre
Anwesenheitszeiten während der Betriebsruhe vom 27. Dezember 2011 bis
zum 5. Januar 2012 mitgeteilt.
114 In der E-Mail K 77 geht es um die Betreuung einer Videokonferenz durch einen
der Kläger. Dieser Kläger wird als Ansprechpartner für die Technik benannt. In
der E-Mail ist die (private) Mobilnummer des Klägers benannt. Er soll an einem
bestimmten Ort zu einer bestimmten Uhrzeit anwesend sein.
115 Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Kläger über einen längeren
Zeitraum von vielen Arbeitnehmern der Beklagten ganz überwiegend außerhalb
des Ticketsystems direkte Anfragen und Direktbeauftragungen erhalten haben,
überwiegend werkbezogener (zum Teil mit zeitlich-örtlichen Vorgaben), aber
auch arbeitsrechtlicher Natur.
116 (2) Die Kläger haben behauptet, dass sie die "Liste derartiger E-Mails nahezu
unendlich fortschreiben könnten". In diesem Zusammenhang haben sie auch
vorgetragen, dass sie nicht nur per E-Mail, sondern regelmäßig und in großem
Umfang auch telefonisch und persönlich direkt von Arbeitnehmern der
Beklagten beauftragt worden seien. Diese Beauftragungen seien außerhalb des
Ticketsystems erfolgt. Wenn es Ticketnummern gegeben habe, seien diese
überwiegend nachträglich erstellt worden. C. habe gewollt, dass sie täglich
mindestens 6 Tickets erledigten. Dieser Vortrag ist von der Beklagten bestritten
worden. Im Rahmen ihrer Darlegungslast hätten die Kläger deshalb ihre
Behauptungen substanziiert, vor allem nach (ungefähren) Zeitpunkten, darlegen
und unter Beweisantritt stellen müssen. Dies haben sie nicht getan.
117 (3) Dadurch, dass die Beklagte zumindest damit einverstanden gewesen ist,
dass die Kläger für bestimmende Bereiche innerhalb der Abteilung Treasury der
Beklagten (die dann einzigen) Ansprechpartner gewesen sind, hat sie selbst
das vertraglich vereinbarte Ticketsystem außer Kraft gesetzt.
118 Für den Zeitraum ab 2007 (die Anlage K 56 trägt wohl ein falsches Datum) sind
den Klägern unterschiedliche Abteilungen der Beklagten zur Betreuung
zugeordnet worden (vgl. K 56 und 57). Zwar ist zwischen den Parteien streitig,
ob diese Zuordnungslisten von C. oder der Beklagten erstellt worden sind. Es
steht jedoch außer Streit, dass die Beklagte diese Zuordnungslisten akzeptiert
und von der Verbreitung bei der Beklagten Kenntnis gehabt hat. Die
Arbeitnehmer der Beklagten haben danach gewusst, wer der jeweilige
Ansprechpartner von C. ist. So ist der Kläger zu 2 der zuständige
Ansprechpartner für den so genannten Handelsraum der Beklagten gewesen. In
diesem Handelsraum werden weltweit bedeutende Finanztransaktionen der
Beklagten innerhalb kürzester Frist abgewickelt. Die Zuordnung der Kläger zu
bestimmten Bereichen hat deshalb dazu geführt, dass ausschließlich sie für das
reibungslose Funktionieren der Computerarbeitsplätze verantwortlich gewesen
sind. Bei jeder Störung ist auf den jeweiligen Kläger zugegriffen worden. Die
Kläger haben in der Berufungsverhandlung anschaulich geschildert, dass sie
mit ihren Mobiltelefonen dafür gesorgt haben, auch in der Mittagspause in der
Kantine der Beklagten erreichbar zu sein. In diesem Zusammenhang kann es
dahingestellt bleiben, ob die Kläger mit ihren Mobiltelefonen "rund um die Uhr"
(so ihr bestrittener Vortrag) für die Beklagte erreichbar gewesen sind.
119 (4) Die erkennende Kammer ist der Ansicht, dass es sich bei den vielen
Direktbeauftragungen der Kläger durch Arbeitnehmer der Beklagten außerhalb
des vertraglichen Ticketsystems nicht um untypische Einzelfälle, sondern um
die Spitze eines Eisbergs gehandelt hat. Zwar geht das Gericht davon aus, dass
beide Kläger in den letzten 3 Jahren mehrere tausend Tickets bearbeitet haben.
Die Beklagte beziffert die Anzahl für beide Kläger in den letzten 3 Jahren auf ca.
9.200 Tickets. Die Kläger bestreiten zwar die Höhe, nicht jedoch eine sehr große
Anzahl von Tickets. Die Beklagte hat deshalb recht, wenn sie die vorgelegten E-
Mails, die außerhalb des Ticketsystems erfolgt sind, im Promillebereich
ansiedelt.
120 Bei den vorgelegten E-Mails handelte es sich aber - entgegen der
Rechtsansicht der Beklagten - deshalb um keine untypischen Einzelfälle eines
ansonsten gelebten Ticketsystems, weil dieses vertraglich vereinbarte
Ticketsystem nicht konsequent umgesetzt worden ist. So ist die Beklagte selbst
der Rechtsauffassung, dass in Notfällen und bei Nachfragen direkt auf die
Kläger zugegangen werden durfte. Dies sieht 5.2 des Anhangs 04 zum
Einzelvertrag zwischen der Beklagten und C. jedoch nicht vor. Auch in diesen
Fällen hätte es kein direktes Zugehen auf einen der Kläger geben dürfen. Nach
dem Vertrag hätte auch in Notfällen ein Ticket eröffnet und in
Nachbearbeitungsfällen das geöffnete Ticket verwendet werden müssen. Auch
die Akzeptanz von Zuständigkeitsgebieten der einzelnen Kläger durch die
Beklagte unterläuft das Ticketsystem. Es liegt dann nahe, dass einzelnen
Arbeitnehmer in Kenntnis der Zuständigkeit der Kläger auf diese direkt zugehen
werden und nicht - wie vertraglich vorgesehen - ein Ticket eröffnen. Schließlich
spricht schon die Eingliederung der Kläger in den Betrieb der Beklagten für eine
große Fehleranfälligkeit des Ticketsystems. Durch die jahrelange Tätigkeit der
Kläger im Betrieb der Beklagten, die räumliche Nähe zu den betreuten
Arbeitnehmern und die gemeinsamen Feste hat man sich gut gekannt. Darauf
deuten auch das "Du" und die lockere Sprache in den vielen E-Mails hin. Es ist
deshalb mehr als lebensnah anzunehmen, dass viele Arbeitnehmer der
Beklagten - gerade in eiligen Fällen (und diese sind bei EDV-Störungen
besonders häufig) - unter Umgehung des Ticketsystems "auf kurzem
Dienstweg" direkt auf die Kläger zugegangen sind, sei es per E-Mail oder auf
sonstigen Wegen.
121 (5) Es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass die Beklagte ihre Arbeitnehmer
(jedenfalls im Bereich Treasury) deutlich und nachhaltig darauf hingewiesen hat,
dass das Ticketsystem strikt einzuhalten ist, Direktbeauftragungen der
Beschäftigten von C. untersagt und bei Verstößen gegen das Ticketsystem
Sanktionen zu befürchten sind. Zwar hat die Beklagte behauptet, dass alle
Arbeitnehmer des betroffenen Bereiches mehrfach und regelmäßig darauf
hingewiesen worden seien, wonach eine Auftragserteilung nur unter
Verwendung des Ticketsystems durchgeführt werden dürfe und hat insoweit auf
Schulungsunterlagen von Frau G. vom 29. Juli 2009 hingewiesen. Als Beweis
hat die Beklagte ein zusammenhangloses Blatt aus einer angeblichen
Schulungsunterlage vorgelegt (Anl. 1). Auf dieser Seite steht, dass eine
Beauftragung außerhalb des Ticketsystems und Gespräche mit den
Beschäftigten von C. nicht zulässig sind. Die Beklagte hat im Rahmen ihrer
Darlegungslast jedoch nicht substanziiert vorgetragen und unter Beweisantritt
gestellt, wer, wen und wann über dieses Ticketsystem instruiert hat, dass
irgendwelche Verpflichtungsermächtigungen unterschrieben worden sind, dass
Konsequenzen bei Verstößen angedroht worden sind und es überhaupt
Sanktionen gegeben hat.
122 (6) Die Personalverantwortlichen der Beklagten haben auch Kenntnis von den
vielen Direktbeauftragungen der Kläger gehabt und diese zumindest geduldet.
Die Ansprechpartnerin der Beklagten für C., Frau G., ist in vielen Fällen (so.)
selbst auf die Kläger zugegangen und hat ihnen auch arbeitsvertragliche
Weisungen erteilt. Die Personalverantwortlichen haben auch von der Einteilung
der Kläger für bestimmte Zuständigkeitsbereiche bei der Beklagten Kenntnis
gehabt.
123 (7) Auch die Reduzierung der Arbeitszeit der Kläger während der
Wirtschaftskrise von Mai 2009 bis Juni 2010 von 40 auf 35 Wochenstunden
beruht auf einer arbeitsvertraglichen Weisung der Beklagten. Zwar ist es C.
gewesen, die den Klägern zu Beginn dieses Zeitraums die Reduzierung der
Arbeitszeit und am Ende des Zeitraums die ursprüngliche Arbeitszeit mitgeteilt
und vorgegeben hat. Allerdings hat C. zu den Klägern in keiner
Vertragsbeziehung gestanden. Die Kläger hatten nur mit E. einen freien
Mitarbeitervertrag abgeschlossen. Nur E. hätte deshalb mit den Klägern
Abweichungen vom vereinbarten Arbeitsvolumen vereinbaren können.
124 Die Reduzierung der Arbeitszeiten im oben genannten Zeitraum ist deshalb auf
eine Weisung der Beklagten zurückzuführen. Nach den unbestrittenen Angaben
der Beklagten im Berufungstermin hatte diese mit C. im oben genannten
Zeitraum entsprechend der Arbeitszeitverkürzung bei ihren Arbeitnehmern eine
Reduzierung der Vergütung vereinbart. Diese Vergütungsreduzierung ist nach
der Vertragslage zwischen der Beklagten und C. nicht zwingend gewesen.
Sowohl die betreuten Computerarbeitsplätze als auch die allgemeinen
Servicezeiten sind ja nicht verändert worden.
125 (8) Arbeitsvertragliche Weisungen der Beklagten an die Kläger sind auch darin
zu sehen, dass die Kläger mehrmals im Rahmen eines einwöchigen
Schülerpraktikums Praktikanten ihre Räume gezeigt haben. Es ist unstreitig,
dass ein Kläger auf Weisung der Beklagten auch den Handelsraum der
Beklagten gezeigt hat. Nur die weiteren Führungen zwischen den Parteien sind
streitig.
126 (9) Vorliegend kann es dahingestellt bleiben, ob die Beklagte beiden Klägern
schon in den Jahren 2003 bis 2006 in den oben beschriebenen Projekten
arbeitsvertragliche Weisungen erteilt hat und sie schon zu dieser Zeit
Arbeitnehmer der Beklagten geworden sind. Zwischen den Parteien ist
unstreitig, dass es beim damaligen Vertragspartner der Beklagten (T.) kein
Ticketsystem gegeben hat und die Beauftragungen der Kläger deshalb
außerhalb eines solchen Systems erfolgt sind. Zwischen den Parteien steht
auch außer Streit, dass beide Kläger in diesem Projekten ihre
krankheitsbedingten Fehlzeiten und Urlaubsplanungen gegenüber den
Ansprechpartnern der Beklagten mitgeteilt haben. Allerdings haben die Kläger
auf das Bestreiten der Beklagten substanziiert keine arbeitsvertraglichen
Weisungen der Beklagten unter Beweisantritt dargetan. Sie haben auch nicht
behauptet, dass T. im damaligen Zeitraum keine Erlaubnis gem. § 1 AÜG
gehabt hat.
127 cc) Die Beklagte hat zu keiner Zeit werkvertragliche Gewährleistungsrechte in
Anspruch genommen.
128 Wenn man - wie oben ausgeführt - den zwischen der Beklagten und C.
geschlossenen Vertrag als freien Dienstvertrag wertet, spielt es keine Rolle,
dass die Beklagte während der gesamten Vertragsdauer nie werkvertragliche
Gewährleistungsrechte (§§ 633 ff. BGB) gegenüber C. geltend gemacht hat.
Wenn man jedoch - wie die Beklagte - von einem Werkvertrag ausgeht, ist die
faktische Inanspruchnahme von Gewährleistungsrechten ein wichtiges
Abgrenzungsmerkmal zwischen einem echten Werkvertrag und einem Schein-
Werkvertrag (Greiner aaO Seite 699 mwN). Bei der Arbeitnehmerüberlassung
treffen den Verleiher nämlich keine Gewährleistungspflichten, wenn seine
Erfüllungsgehilfen die Arbeit schlecht ausführen oder das Werk misslingt. Die
unterbliebene Geltendmachung von Gewährleistungsrechten trotz aufgetretener
Mängel ist deshalb ein deutliches Indiz für Arbeitnehmerüberlassung und einen
Schein-Werkvertrag. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang vorgetragen,
dass es in der gesamten Zeit keine Mängel gegeben habe und sie deshalb auch
keine Gewährleistungsrechte gehabt habe. Es ist allerdings schwerlich
anzunehmen, dass es bei über 9.000 Aufträgen (Tickets) in 3 Jahren, die die
Beklagte rechtlich als Einzel-Werkverträge im Rahmen eines
Gesamtwerkvertrages bewertet, keine Schlechtleistungen gegeben hat.
129 c) Bei einer wertenden Gesamtbetrachtung ist von einem Scheinwerkvertrag/-
dienstvertrag auszugehen.
130 Zur Würdigung der praktischen Durchführung des zwischen der Beklagten und
C. abgeschlossenen Vertrages bedarf es einer wertenden Gesamtbetrachtung
aller für die rechtliche Einordnung der Vertragsbeziehungen wesentlichen
Umstände.
131 Die Kläger sind jahrelang im Betrieb der Beklagten in bestimmten
Räumlichkeiten, zu vorgegebenen Arbeitszeiten und für von der Beklagten
festgelegte Servicetätigkeiten eingesetzt worden. Sie sind deshalb im Betrieb der
Beklagten eingegliedert gewesen. Das zwischen der Beklagten und C.
vereinbarte Ticketsystem ist in großem Umfang nicht gelebt worden. Ein Grund
für die abweichende Handhabung des Vertrages liegt darin, dass die Kläger für
bestimmte Bereiche der Beklagten allein zuständig gewesen sind. Anstatt
innerhalb geöffneter Tickets von C. Arbeitsaufträge zugeteilt zu bekommen,
haben Arbeitnehmer der Beklagten in vielen Fällen den Klägern direkte
Weisungen erteilt, in den meisten Fällen ohne Ticketnummer. Diese Weisungen
haben sich nicht nur auf die Ausführung der Dienstleistung als solche
beschränkt, sondern sind in größerer Anzahl auch als arbeitsvertragliche
Weisungen zu werten. Nach der hier vertretenen Rechtsauffassung kommt es
nicht darauf an, dass die Kläger ihre Arbeit allein nach Weisungen der Beklagten
ausgeführt haben.
132 Allerdings soll an dieser Stelle betont werden, dass diese Wertung nur für die hier
streitgegenständlichen IT-Dienstleistungen für die Abteilung Treasury gilt und
nicht für den gesamten Betrieb der Beklagten in S..
133 d) Aufgrund der gesetzlichen Fiktion des § 10 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 9 Nr. 1 AÜG
ist jeweils ein Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten und den Klägern zu
Stande gekommen.
134 Wie oben ausgeführt, ist der zwischen der Beklagten und C. abgeschlossene
Vertrag entgegen seiner Bezeichnung kein Werk- oder Dienstvertrag. Vielmehr
sind der Beklagten unter dem Deckmantel eines Werkvertrages die Kläger als
Arbeitnehmer überlassen worden (sog. Scheinwerk- oder Scheindienstvertrag).
135 Die Kläger sind der Beklagten von C. gewerbsmäßig überlassen worden. Nach
der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist gewerbsmäßig im
Sinne des AÜG jede nicht nur gelegentliche, sondern auf eine gewisse Dauer
angelegte und auf die Erzielung unmittelbarer oder mittelbarer wirtschaftlicher
Vorteile gerichtete selbstständige Tätigkeit (zB. BAG 18. Februar 2003 - 3 AZR
160/02 - AP Nr. 5 zu § 13 AÜG).
136 Es ist auch davon auszugehen, dass C. im Zeitpunkt der Klageerhebung keine
Überlassungserlaubnis gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG gehabt hat. Die Kläger
haben behauptet, dass für C. eine entsprechende Erlaubnis nicht vorliege. Diese
Behauptung ist von der Beklagten nicht bestritten worden. In diesem
Zusammenhang hat die Beklagte lediglich vorgetragen, dass es für sie ohne
Bedeutung sei, ob C. im Besitz einer entsprechenden Erlaubnis gewesen sei. In
diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob die seit Jahren durchgeführte
Arbeitnehmerüberlassung nicht mehr nur vorübergehend (§ 1 Abs. 1 Satz 2
AÜG), sondern auf Dauer angelegt und somit nicht mehr von der
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis von C. gedeckt gewesen ist.
137 C. Nebenentscheidungen
138 Die Kostenentscheidung für die 1. Instanz beruht auf § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§
92 Abs. 1 Satz 1, 100 Abs. 1 ZPO, wonach die Kosten im Verhältnis des
Obsiegens und Unterliegens verhältnismäßig zu teilen sind.
139 Die Kosten der Berufung hat die Beklagte gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu
tragen, nachdem die Kläger die unechten Hilfsanträge vor Eintritt der Bedingung
zurückgenommen haben.
140 Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.