Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 23.03.2016

betriebsübergang, wirtschaftliche einheit, betriebsführung, betriebsmittel

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 23.3.2016, 2 Sa 46/15
Betriebsübergang - Betriebsinhaberwechsel - Betriebsführungsvertrag
Leitsätze
1. Ein Betriebsübergang iSd. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB setzt einen Wechsel in der Person des Inhabers des
Betriebs voraus. Der bisherige Betriebsinhaber muss seine wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb einstellen,
der Übernehmer muss die Geschäftstätigkeit tatsächlich weiterführen oder wieder aufnehmen.
2. Maßgeblich ist die Weiterführung der Geschäftstätigkeit durch diejenige Person, die nunmehr für den Betrieb
als Inhaber "verantwortlich" ist. Verantwortlich ist die Person, die den Betrieb im eigenen Namen führt und
nach außen als Betriebsinhaber auftritt. Es kommt nicht allein darauf an, wer im Verhältnis zur Belegschaft als
Inhaber auftritt, sondern auf die umfassende Nutzung des Betriebs nach außen.
3. Anwendung der in den Leitsätzen Ziff. 1 bis 2 wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
(etwa BAG 27. September 2012 - 8 AZR 826/11) im Einzelfall eines Betriebsführungsvertrages.
Der Arbeitnehmer kann sich nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungs- und Beweislast allerdings
zunächst auf die Darlegung solcher Umstände beschränken, die seiner Wahrnehmung zugänglich sind und auf
Arbeitnehmerüberlassung hindeuten (Eingliederung, Weisungsstruktur). Dann ist es Sache des Arbeitgebers die
für das Gegenteil sprechenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen, wonach die Abgrenzungskriterien
Eingliederung und Weisungsstruktur auch in der gelebten Vertragsdurchführung werkvertragstypisch
ausgestaltet sind.
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Ludwigsburg - vom 17.
Juli 2015 (26 Ca 1953/14) - insoweit abgeändert, als die Klage gegen die Beklagte zu 2. abgewiesen wurde:
1. Es wird festgestellt, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2. über den 31. März 2011
hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht.
2. Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen
bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits als Pressarbeiter weiter zu beschäftigen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu 2. zu tragen.
Von den gerichtlichen Kosten erster Instanz und den außergerichtlichen Kosten erster Instanz des Klägers
haben die Beklagten zu 1. und zu 2. jeweils 50 % zu tragen. Im Übrigen haben die Parteien ihre
außergerichtlichen Kosten erster Instanz selbst zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1 Der Kläger und die Beklagte zu 2. streiten insbesondere noch darüber, ob das Arbeitsverhältnis zwischen
ihnen zum 1. April 2011 durch einen Betriebsübergang auf die Beklagte zu 1. übergegangen ist oder ob es
bei der Beklagten zu 2 verblieben ist. Ferner begehrt der Kläger, von der Beklagten zu 2. weiterbeschäftigt
zu werden.
2 Der Kläger war langjährig bei der Beklagten zu 2. (bzw. deren Rechtsvorgängerin) als Pressarbeiter in deren
Betrieb in O. beschäftigt. Der Betrieb war darauf ausgerichtet, Industrieprodukte, insbesondere in den
Bereichen Holz- und Kunststoffwerkstoffe sowie Formteile, herzustellen, diese zu veredeln und Werk- und
Dienstleistungen auf diesen Gebieten zu erbringen. Hierzu setzte die Beklagte zu 2. die in ihrem Eigentum
stehenden Betriebsmittel, insbesondere Maschinen, Produktionsanlagen und das Betriebsgrundstück, sowie
über 150 Arbeitnehmer ein. Weitere Betriebe unterhielt die Beklagte zu 2. in N. (T.) und in B..
3 Im Sommer des Jahres 2010 beschloss der Beirat der Beklagten zu 2. auszugsweise das Folgende:
4
„Die W. GmbH + Co. KG soll in Zukunft nur noch die Immobilien halten und verwalten sowie das
Anlagevermögen, die Lizenzrechte sowie die sonstigen Vermögensgegenstände der Gesellschaft.
5
Der Betrieb der Gesellschaft soll zukünftig - im Wesentlichen unverändert - durch eine neu gegründete
Schwestergesellschaft in der Rechtsform einer GmbH + Co. KG mit den gleichen Beteiligungsverhältnissen
wie bei der W. GmbH + Co. KG geführt werden (W. I. GmbH + Co. KG). In der neuen Gesellschaft soll
derselbe Beirat installiert werden wie bei der W. GmbH + Co. KG.
6
Diese neue Gesellschaft soll die Produktion der W.-Produkte als Lohnfertigung für die W. GmbH + Co. KG
übernehmen sowie die Bereiche Einkauf, Vertrieb, Marketing, Forschung und Entwicklung sowie das
Rechnungswesen etc. für die W. GmbH + Co. KG mittels Dienstleistungsverträgen erledigen. Die neu
gegründete Gesellschaft soll dabei die Möglichkeit haben, neben der Auftragsproduktion für die W. GmbH +
Co. KG eigene, nicht in Konkurrenz zu den W.-Produkten stehende Produkte zu entwickeln und zu
vertreiben sowie Fremdaufträge von anderen Unternehmen (ausgenommen Konkurrenzunternehmen) zu
übernehmen.
7
Die Arbeitsverhältnisse der W. GmbH + Co. KG sollen auf die neu gegründete W. I. GmbH + Co. KG
übergehen (Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB).
8
Die Rechtsverhältnisse zwischen den beiden Gesellschaften werden durch Abschluss entsprechender
Verträge (z.B. Dienstleistungsverträge) geregelt.
9
Es handelt sich um eine strategische Entscheidung, die mittel- und langfristige Vorteile für das Unternehmen
hat, v.a. im arbeitsrechtlichen Bereich.“
10 Am 28. Oktober 2010 schlossen die Beklagte zu 2. und der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat zur
Umsetzung dieses Konzepts einen Interessenausgleich, der insbesondere die Übernahme aller Arbeitnehmer
durch die neu zu gründende Gesellschaft im Wege eines Betriebsüberganges zum Gegenstand hatte (vgl.
Anlage der Beklagten, auf deren Inhalt Bezug genommen wird).
11 Im März 2011 schlossen die Beklagte zu 2. und die neu gegründete, damals noch als I. W. GmbH + Co. KG
firmierende Beklagte zu 1. - jeweils vertreten durch die Geschäftsführer der Komplementärinnen Herrn W.
und Herrn Dr. K. - eine „Vereinbarung über Lohnfertigung und Geschäftsbesorgungsvertrag über
Betriebsführung“ (im Folgenden: Vereinbarung 2011, in der die Beklagte zu 2. als „W.“, die heutige Beklagte
zu 1. als „I. W.“ bezeichnet ist; Anlage der Beklagten). Darin heißt es ua.:
12
„Vorbemerkung:
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W. ist ein weltweit tätiger Hersteller von Bauelementen (Fensterbänke, Balkon-, Fassadenelemente,
Terrassenprofile), Tischplatten, Industrieformteilen und Sperrholz-Formteilen (insbesondere Federleisten)
und verfügt in Deutschland über 3 Standorte in O., N. und B..
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Im Dezember 2010 wurde eine neue Schwestergesellschaft, die I. W. GmbH + Co. KG, mit dem Sitz in O.
gegründet. Diese neue Gesellschaft soll in Zukunft die Produkte von W. in Lohnfertigung herstellen und im
Übrigen die drei Betriebe von W. in Deutschland führen. Die Mitarbeiter von W. werden zum Stichtag 1.
April 2011 im Rahmen eines gesetzlichen Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB auf die neu gegründete I.
W. GmbH + Co. KG übergehen.
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Dies vorausgeschickt, vereinbaren die Vertragsparteien folgendes:
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A. Lohnfertigung
17
§ 1 Vertragsinhalt/Entgelt
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Die I. W. führt die komplette Produktion der W.-Produkte an allen 3 inländischen Standorten ab dem 1. April
2011 in Lohnfertigung weiter. Dies umfasst insbesondere die Herstellung und Bearbeitung der folgenden
Produkte nach den Vorgaben von W.:
19
20
Die Vergütung der von der I. W. erbrachten Leistungen erfolgt anhand der von der I. W. nachgewiesenen
Lohnkosten (zuzüglich Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung sowie sonstigen Lohnnebenkosten) plus
eines Aufschlags zu den Brutto-Lohnsummen von 3%. Darüber hinaus hat die I. W. Anspruch auf Erstattung
der gerechtfertigten Sachkosten, die im direkten Zusammenhang mit der Wertschöpfung entstehen.
21
22
§ 3 Gewährleistung des Lohnfertigers
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Im Zusammenhang mit der Lohnfertigung gewährleisten die I. W. die Bearbeitung der betreffenden Ware
sowie die Verarbeitung der Rohstoffe, Vorprodukte und Halbzeuge gemäß den Vorgaben von W.. Diese
Vorgaben werden von der I. W. nicht überprüft. W. ist für diese allein verantwortlich.
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§ 4 Eigentum und Gefahrübergang bei Lohnfertigung
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An Ware für Lohnfertigung erwerben die I. W. zu keinem Zeitpunkt Eigentum. Die Beschaffung von Ware
für Lohnfertigung, welche die I. W. bei Dritten beziehen, erfolgt im Namen und auf Rechnung von W.. Von
W. an die I. W. gelieferte Ware für Lohnfertigung bleibt im Eigentum von W., bis ein Dritter diese Ware zu
Eigentum erwirbt.
27
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B. Betriebsführung im Übrigen
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§ 6 Betriebsführung mittels Geschäftsbesorgungsvertrag
30
Die I. W. übernehmen darüber hinaus für W. ab dem 1. April 2011 die Betriebsführung des gesamten
Geschäftsbetriebs an allein drei inländischen Standorten. Insbesondere umfasst dies sämtliche, in den
folgenden Abteilungen zu erledigenden Arbeiten nach den Vorgaben von W.:
31 -
Einkauf
-
Vertrieb
-
Marketing
-
Finanzbuchhaltung
-
Forschung und Entwicklung sowie
-
Instandhaltung.
32
Der Auftrag zur Betriebsführung erstreckt sich auf alle Geschäfte und Maßnahmen, die dem Betriebsablauf
und dem gewerblichen Zweck des Betriebs dienen.
33
Die Geschäftsbesorgung und die Betriebsführung erfolgt durch die I. W. mit eigenen, auf sie gem. § 613a
BGB übergegangenen Arbeitnehmern.
34
Grundlage dafür ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen den Vertragsparteien mit folgendem Inhalt:
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§ 7 Handeln für Rechnung und im Namen von W. / Bevollmächtigung
36
Die I. W. handeln bei ihrer Tätigkeit gem. § 6, sofern diese im Zusammenhang mit der Lohnfertigung und der
Herstellung der W.-Produkte ausgeführt wird, für welche W. die Patentrechte und das know-how besitzt,
ausschließlich für Rechnung und im Namen von W..
37
Insofern erteilt W. der I. W. Generalhandlungsvollmacht zur Vertretung von W. bei allen Rechtsgeschäften
und Rechtshandlungen, bei denen das Gesetz eine Stellvertretung gestattet und die der Betrieb des
Gewerbes von W. mit sich bringt. Die I. W. dürfen von dieser Vollmacht nur für die Zwecke der
Betriebsführung und im Rahmen dieses Auftrags Gebrauch machen.
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§ 8 Verpflichtung des Auftragnehmers I. W.
39
Die I. W. erledigen und managen eigenverantwortlich die in § 6 aufgeführten Abteilungen an allen drei
Standorten. Sie sind verantwortlich für die gesamten Abläufe ab Auftragseingang bis zum Zahlungseingang
durch den Kunden von W.. Des Weiteren kümmern sie sich im Vertrieb darum, dass ausreichende
Auftragseingänge zu verzeichnen sind. Hinzu kommen die Erledigung der erforderlichen
Instandhaltungsmaßnahmen, der gebotenen Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten sowie die pünktliche
und ordnungsgemäße Erstellung der Finanzbuchhaltung.
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Dabei sind neben den Vorgaben von W. alle gesetzlichen Vorgaben zu beachten.
41
§ 9 Entgelt für die Geschäftsbesorgung
42
Die Vergütung der von der I. W. erbrachten Leistungen erfolgt anhand der von der I. W. nachgewiesenen
Kosten für die Gehälter der in den in § 6 genannten Abteilungen eingesetzten Mitarbeiter (zuzüglich
Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung sowie sonstigen Nebenkosten) plus eines Aufschlags zu den
Brutto-Gehaltssummen von 3%. Darüber hinaus haben die I. W. Anspruch auf Erstattung der
gerechtfertigten Sachkosten, die im direkten Zusammenhang mit der Wertschöpfung entstehen.
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Miete und/oder Pacht für die Nutzung der Verwaltungsgebäude sowie das Anlagevermögen ist von der I. W.
nicht zu entrichten. Die mit der Verwaltung zusammenhängenden Nebenkosten (insbesondere
Energiekosten und sonstige Verbrauchskosten) trägt W..
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§ 10 Gewerbliche Schutzrechte
45
W. verfügt zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung über eine Reihe von gewerblichen Schutzrechten
(Altschutzrechte). Unbeschadet der Benutzung dieser Schutzrechte zur Ausführung der Lohnfertigung und
der Durchführung von weiteren Entwicklungsarbeiten durch die Mitarbeiter der I. W. in der Forschung- und
Entwicklungsabteilung, berührt dieser Vertrag nicht die rechtliche Situation der Schutzrechte, insbesondere
verbleiben diese Schutzrechte im ausschließlichen Eigentum von W..
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Neue Entwicklungen und Erfindungen, die die Arbeitnehmer der I. W. während der Dauer dieses Vertrages
auf den Gebieten Produkte und Verfahrenstechniken im Bereich Holz- und Kunststoffe sowie Holz- und
Kunststoffformteile tätigen (Neuschutzrechte), werden von W. unbeschränkt in Anspruch genommen und in
deren Namen zum Schutzrecht angemeldet. Die Anmeldung wird von der I. W. im Namen und auf Rechnung
von W. erledigt. Diese Schutzrechte stehen auch eigentumsrechtlich ausschließlich W. zu.
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C. Allgemeine Bestimmungen
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§ 12 Auskunftsrecht von W.
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W. kann von der Geschäftsführung der I. W. jederzeit und in allen die Lohnfertigung und die
Betriebsführung betreffenden Angelegenheiten Auskünfte verlangen. Im Hinblick auf die Betriebsführung
gemäß Lit. B., nicht aber für Lit. A. dieses Vertrages (mit Ausnahme der Vorgaben für die Herstellung,
Bearbeitung und Lieferung der Ware gemäß §§ 1, 2 und 3 Abs. 1), kann W. Richtlinien erlassen und
Weisungen erteilen. Insbesondere kann W. bestimmen, welche Arten von Geschäften ihrer vorherigen
Zustimmung bedürfen.“
50 Mit Schreiben vom 1. März 2011 informierte die Beklagte zu 2. sämtliche Arbeitnehmer darüber, dass ihre
Arbeitsverhältnisse zum 1. April 2011 gemäß § 613 a BGB auf die Beklagte zu 1. übergingen. Der Kläger
widersprach dem wie auch die übrigen Arbeitnehmer (mit Ausnahme eines Arbeitnehmers) nicht. Er und die
anderen erbrachten fortan ihre Arbeitsleistung an ihren bisherigen Arbeitsplätzen in unveränderter Art und
Weise und stellten weiter ausschließlich W.-Produkte her. Verträge mit Dritten (insbesondere mit Kunden
und Lieferanten) wurden von der Beklagten zu 1. - entsprechend der Vereinbarung 2011 - auf Rechnung
und im Namen der Beklagten zu 2. geschlossen. Der Marktauftritt zum Vertrieb der W.-Produkte erfolgte
weiterhin über die Internetseite der Beklagten zu 2. Bei der E-Mail-Kommunikation nach außen versah das
EDV-System die E-Mails der Mitarbeiter automatisch mit einer Signatur der Beklagten zu 2., geschäftliche
Korrespondenz erfolgte auf dem Briefpapier der Beklagten zu 2. Gegenüber den Arbeitnehmern trat
demgegenüber die Beklagte zu 1. als Arbeitgeberin auf, etwa verwendete die Personalabteilung bei der
internen Kommunikation mit ihren Mitarbeitern eine Signatur der Beklagten zu 1.
51 Im Mai/Juni 2013 beschlossen die Gesellschafter der Beklagten zu 1., diese zu liquidieren und den Betrieb in
O., wie auch die beiden anderen Betriebe in N. und B., stillzulegen. Die Liquidation der Gesellschaft wurde
am 12. Juli 2013 in das Handelsregister eingetragen.
52 Am 17. Juli 2013 schlossen die Beklagten eine neue „Vereinbarung über Lohnfertigung und
Geschäftsbesorgungsvertrag über Betriebsführung“ (im Folgenden: Vereinbarung 2013). Danach führt die
Beklagte zu 1. lediglich Teile der Produktion in Lohnfertigung weiter, wobei „der Umfang der Tätigkeiten
zwischen den Parteien laufend abgestimmt“ wird (§ 1). Nach § 6 übernimmt die Beklagte zu 1. bis zur
Beendigung der Gesellschaft für die Beklagte zu 2. „die Betriebsführung einzelner Bereiche des
Geschäftsbetriebes gem. Einzelabsprache“. Die Beklagte zu 2. soll weiter berechtigt sein, einzelne Gewerke
oder Teile davon an andere Unternehmen zu vergeben (§ 6 Satz 2). Auch soll der Auftrag zur
Betriebsführung nach Absprache eingeschränkt werden können, wenn wie beabsichtigt einzelne Teilbereiche
ganz oder teilweise an andere Unternehmen vergeben werden (§ 6 Satz 5). Auch nach der Vereinbarung
2013 handelt die Beklagte zu 1. bei der Tätigkeit gemäß § 6, sofern diese im Zusammenhang mit der
Lohnfertigung und der Herstellung der W.-Produkte ausgeführt wird, ausschließlich für Rechnung und im
Namen der Beklagten zu 2.
53 Nachdem in der Folgezeit Verhandlungen über einen Interessenausgleich vor der Einigungsstelle gescheitert
waren, kündigte die Beklagte zu 1. die Arbeitsverhältnisse mit ihren Arbeitnehmern nach Beteiligung des
Betriebsrats und Erstattung einer Massenentlassungsanzeige, dasjenige mit dem Kläger mit Schreiben vom
6. November 2014 zum 31. Dezember 2015.
54 Am 25. November 2014 kam durch Spruch der Einigungsstelle ein Sozialplan zustande, der allerdings keine
Abfindungsleistungen für die Arbeitnehmer vorsah.
55 Mit Schreiben vom 31. Dezember 2014 kündigte die Beklagte zu 2. die Vereinbarung 2013 zum 31. März
2015. Unter dem 26. März 2015 schlossen die Beklagten eine bis zum 31. Mai 2015 befristete, den Betrieb
in O. betreffende „Vereinbarung über Geschäftsbesorgung und Betriebsführung“ (im Folgenden:
Vereinbarung 2015). Der Betrieb in B. wurde zum 30. September 2014, der Betrieb in N. zum 28. Februar
2015 geschlossen.
56 Der Kläger hat zunächst gegen die Kündigung der Beklagten zu 1. Kündigungsschutzklage erhoben. Im März
2015 erweiterte er seine Klage auf die Beklagte zu 2. mit dem Begehren festzustellen, dass das
Arbeitsverhältnis nach wie vor mit der Beklagten zu 2. bestehe und diese zu seiner Weiterbeschäftigung zu
verurteilen.
57 Er hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis sei im Jahr 2011 nicht im Wege eines
Betriebsüberganges auf die Beklagte zu 1. übergegangen. Vielmehr sei die Beklagte zu 2. Arbeitgeberin
geblieben. Ein Betriebsübergang setze die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit voraus, die
nicht gegeben sei, wenn lediglich die Arbeitnehmer eines betriebsmittelgeprägten Betriebs übernommen
würden, wie es hier der Fall sei. Die Beklagte zu 1. habe keinerlei materielle Betriebsmittel oder Kunden-
und Lieferantenbeziehungen übernommen. Ein Betriebsinhaberwechsel habe nicht stattgefunden. Für einen
Betriebsübergang auf die Beklagte zu 1. fehle es an deren umfassende Nutzung des Betriebs nach außen.
Die Beklagte zu 1. habe nur aufgrund externer Generalhandlungsvollmacht im Namen und auf Rechnung
des Beklagten zu 2. gehandelt. Eine eigene Leitungs- oder Organisationskompetenz sei der Beklagten zu 2.
deshalb nicht zugekommen. Es komme nicht entscheidend darauf an, ob die Beklagte zu 1. gegenüber der
Belegschaft als Inhaberin aufgetreten sei. Er könne von der Beklagten zu 2. auch die Weiterbeschäftigung
verlangen.
58 Für den Fall, dass ein Betriebsübergang stattgefunden habe und die Beklagte zu 2. sich hierauf berufen
könne, sei die ausgesprochene Kündigung der Beklagten zu 1. mangels sozialer Rechtfertigung iSd. § 1
KSchG und mangels ordnungsgemäßer Beteiligung des Betriebsrats iSd. § 17 Abs. 2 KSchG unwirksam.
59
Der Kläger hat - erstinstanzlich, zuletzt unbedingt - beantragt,
60
1. Es wird festgestellt, dass zwischen der Beklagten zu 2. und dem Kläger über den 31.
März 2011 hinaus ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht.
61
2. Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als
Pressarbeiter weiter zu beschäftigen;
62
3. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten zu 1.
durch die Kündigung der Beklagten zu 1. vom 6. November 2014 nicht beendet wird,
63
Die Beklagten haben - erstinstanzlich - jeweils beantragt,
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die Klage abzuweisen.
65 Während die Beklagte zu 1. die Rechtfertigung der Kündigung verteidigt hat, indem sie vorgebracht hat,
diese sei wegen Betriebsstillegung aus betriebsbedingten Gründen iSd. § 1 KSchG sozial gerechtfertigt und
auch unter Zugrundelegung des § 17 Abs. 2 KSchG nicht zu beanstanden, hat die Beklagte zu 2. die Ansicht
vertreten, das Arbeitsverhältnis sei im Jahr 2011 im Wege eines Betriebsüberganges auf die Beklagte zu 1.
übergegangen. Gemäß dem Interessenausgleich vom 28. Oktober 2010 seien zum 1. April 2011 die
Fertigungsaktivitäten, die Bereiche Forschung und Entwicklung, Logistik, Einkauf, Vertrieb,
Finanzbuchhaltung und Instandhaltung auf die Beklagte zu 1. übertragen und dieser das Immobilien-,
Anlage- und Umlaufvermögen sowie die Patente und Lizenzverträge unentgeltlich zur Verfügung gestellt
worden. Der Produktionsbetrieb der Beklagten zu 2. sei unter Wahrung der wirtschaftlichen Identität
übergegangen und von der Beklagten zu 1. tatsächlich fortgeführt worden. Da ein betriebsmittelarmer
Betrieb vorliege, komme es wesentlich auf die Fähigkeiten der Mitarbeiter an, die - bis auf einen Mitarbeiter -
alle übernommen worden seien. Aber auch wenn man von einem betriebsmittelgeprägten Betrieb ausgehe,
liege ein Betriebsübergang vor, da die Betriebsmittel gerade mit übernommen worden seien und es insoweit
nicht auf die Eigentumsverhältnisse ankomme. Ausreichend sei, dass die sächlichen Betriebsmittel der
Beklagten zu 1. von der Beklagten zu 2. zur Verfügung gestellt worden seien. Auch habe der Vorsitzende im
vergleichsweise am 22. November 2012 beigelegten Rechtsstreit vor dem Landesarbeitsgericht Baden-
Württemberg - 6 Sa 31/12 - darauf hingewiesen, dass von einem Betriebsübergang auszugehen sei. Die
Inanspruchnahme der Beklagten zu 2. neben derjenigen der Beklagten zu 1. sei im Übrigen widersprüchlich.
Eine Beschäftigung bei der Beklagten zu 2. sei zudem nicht möglich, da diese keinen Betrieb mehr führe.
Aufgaben, die einem gewerblichen Mitarbeiter übertragen werden könnten, seien nicht vorhanden. Weiter
hat die Beklagte zu 2. ausgeführt, dass das Vorliegen eines Betriebsübergangs nicht davon abhänge, ob ein
wie auch immer gearteter Betriebsführungsvertrag geschlossen worden sei. Die Begriffe „echte
Betriebsführung“ und „unechte Betriebsführung“ seien nicht eindeutig definiert und damit keiner isolierten
rechtlichen Würdigung zugänglich. Maßgeblich seien vielmehr die tatsächlichen Umstände und die Prüfung
der Kriterien, die nach der Rechtsprechung einen Betriebsübergang begründeten. Diese seien hier allesamt
erfüllt:
66 Gegenstand der Übertragung sei ein Betrieb gewesen, der Fertigungsaktivitäten und die damit verbundenen
und administrativen Funktionen (insb. Forschung und Entwicklung, Logistik, Einkauf, Vertrieb,
Finanzbuchhaltung und Instandhaltung) verfolgt habe. Dessen Personal sei zum 1. April 2011 von der
Beklagten zu 1. übernommen worden. Diese habe den Betrieb ab dem 1. April 2011 als ein anderer Inhaber
fortgeführt. Bei den Beklagten handle es sich um verschiedene Rechtsträger. Die geschäftsführenden
Gesellschaften (Komplementärinnen) seien nie identisch gewesen, die für die unternehmerischen
Entscheidungen zuständigen Beiräte seien nicht personenidentisch besetzt. Soweit vorübergehend
Personenidentität in der Geschäftsführung der Komplementärinnen im Jahr 2011 bestanden habe, hätten die
handelnden Personen stets erkennen lassen, in welcher Funktion für welche Gesellschaft sie handelten.
Unabhängig davon sei die Beklagte zu 1. auch nach außen aufgetreten und habe Rechtsgeschäfte getätigt,
zB. Verträge mit anderen Unternehmen und Körperschaften (Leiharbeit, IHK, Finanzverwaltung,
Wirtschaftsprüfer, Steuerberater etc.) abgeschlossen. Die Übertragung sei durch eine rechtsgeschäftliche
Vereinbarung in Gestalt der Vereinbarung 2011 erfolgt. Die Herstellung und Bearbeitung der Produkte sei
durch die darin enthaltene Lohnfertigungsvereinbarung auf die Beklagte zu 1. übertragen worden, wobei
der Beklagten zu 2. produktbezogene Vorgaben vorbehalten geblieben seien. Bezogen auf die Abteilungen
Forschung und Entwicklung, Logistik, Einkauf, Vertrieb, Finanzbuchhaltung und Instandhaltung habe die
Beklagte zu 2. der Beklagten zu 1. einen Auftrag in Form eines Geschäftsbesorgungsvertrages erteilt und
sich vorbehalten, auf den Gegenstand der Geschäftsbesorgung bezogene Vorgaben zu machen. Zugleich sei
aber vereinbart worden, dass die Beklagte zu 1. diese Aufgaben eigenverantwortlich erledige und manage
und sie für sämtliche Abläufe ab Auftragseingang bis zum Zahlungseingang verantwortlich sei. Diese
Aufgaben habe die Beklagte zu 1. bis mindestens zum Abschluss der Vereinbarung 2013, mit der sie die
Exklusivität als Vertragspartner verloren habe, eigenverantwortlich erfüllt, teilweise darüber hinaus. Die
Vereinbarung 2011 räume der Beklagten zu 2. insbesondere kein Weisungsrecht gegenüber einzelnen
Arbeitnehmern ein. Die Beklagte zu 2. habe der Beklagten zu 1. die Betriebsmittel gemäß der Vereinbarung
2011 unentgeltlich überlassen, was diese in die Lage versetzt habe, den Betrieb zu führen. Die Beklagte zu
1. habe diesen nach dem Betriebsübergang auch tatsächlich geführt, ihre Mitarbeiter angeleitet und
angewiesen und deren Vergütung bezahlt. Die Beklagte zu 1. habe ab dem 1. April 2011 die Leitungsmacht
über den Betrieb und sämtliche zur Erreichung des Betriebszwecks wesentlichen Faktoren gesteuert und
koordiniert. Sie sei gegenüber den Arbeitnehmern, dem Betriebsrat und der zuständigen Gewerkschaft klar
erkennbar unter ihrer Firma und nicht unter dem Namen der Beklagten zu 2. aufgetreten. Der Umstand,
wie die Beklagte zu 1. am Markt aufgetreten sei, sei unerheblich für die Frage, ob der Betrieb übertragen
worden sei. Unerheblich sei auch, dass gebrauchte, von der Beklagten zu 2. einstmals ihren Arbeitnehmern
überlassene Arbeitskleidung mit dem Schriftzug „W.“ möglicherweise nach dem 31. März 2011
weiterbenutzt worden sei. Dass die Beklagte zu 1. ihre eigene Belegschaft danach mit solcher
Arbeitskleidung ausgestattet habe, werde mit Nichtwissen bestritten. Maßgeblich sei allein, dass die
Beklagte zu 1. ab dem 1. April 2011 deutlich als Arbeitgeber aufgetreten sei. Die eigenverantwortliche
Ausübung der Arbeitgeberstellung sei ausreichend, um einen Betriebsübergang zu begründen. Nach
europäischem Recht sei Betriebsinhaber gerade derjenige, der die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den
Beschäftigten eingehe, was ab dem 1. April 2011 eindeutig die Beklagte zu 1. gewesen sei. Arbeitgeber sei
derjenige, der das Weisungsrecht gegenüber den Arbeitnehmern eigenverantwortlich ausübe und in dessen
betriebliche Organisation diese eingegliedert seien. Da die Beklagte zu 1. gegenüber den Arbeitnehmern im
eigenen Namen aufgetreten sei und die betrieblichen Organisationsstrukturen tatsächlich genutzt habe,
seien diese Voraussetzungen erfüllt. Der über den Betriebsübergang unterrichtete Kläger habe in Kenntnis
der Vorgänge vier Jahre nie die Arbeitgeberstellung der Beklagten zu 1. bezweifelt oder die Beklagte zu 2.
als Arbeitgeberin angesprochen. Auch Betriebsrat - vertreten durch die Sozietät der Vertreterin des Klägers -
und Gewerkschaft hätten die Beklagte zu 1. als Arbeitgeberin angesprochen und anerkannt; im Jahr 2014
sei der Betriebsrat als Betriebsrat der Beklagten zu 1. gewählt worden. Die rechtliche Qualität der
Zusammenarbeit der Beklagten sei zudem vielfach Vorfrage arbeitsgerichtlicher Auseinandersetzungen
gewesen. Dabei sei stets von einem Betriebsübergang ausgegangen worden. Dies gelte für ein
Beschlussverfahren vor der 26. Kammer des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Ludwigsburg - 26 BV
62/13 -, in dem das Gericht zu dem Ergebnis gekommen sei, dass es sich bei der Zusammenarbeit der
Beklagten um eine bloße unternehmerische Zusammenarbeit handle und das Bestehen eines gemeinsamen
Betriebes nicht ansatzweise ersichtlich sei. Weiter gelte dies für ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht
Stuttgart - Kammern Ludwigsburg - 12 Ca 905/11 -, bezüglich dem der Vorsitzende im Berufungsverfahren
vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 6 Sa 31/12 - im Berufungstermin ebenfalls geäußert
habe, dass er von einem Betriebsübergang ausgehe. Auch das Arbeitsgericht Berlin habe in mehreren
Verfahren (55 Ca 4863/14 und 57 Ca 4865/14) einen Betriebsübergang angenommen, erstgenanntes Urteil
sei vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mittlerweile rechtskräftig bestätigt worden. Auch die
jeweiligen Einigungsstellenvorsitzenden hätten bei der Bejahung ihrer Zuständigkeit die
Arbeitsgeberstellung der Beklagten zu 1. anerkannt. Vor diesem Hintergrund gebiete auch die
Rechtssicherheit die Annahme eines Betriebsüberganges.
67 Im Übrigen sei das Recht des Klägers, sich auf ein Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten
zu 2. zu berufen, verwirkt.
68 Der Weiterbeschäftigungsantrag gegen die Beklagte zu 2. sei auch deshalb unbegründet, weil eine
Weiterbeschäftigung unmöglich sei. Die Beklagte zu 2. unterhalte keinen Betrieb und keine Arbeitsplätze,
sie vergebe die Fertigungsaufträge seit 2011 an andere Unternehmen, wie sie am 20. Mai 2015 nochmals
bekräftigt habe. Sie sei durch die Beiratsbeschlüsse gebunden und vertraglich verpflichtet, Räume und
Maschinen diesen zur Nutzung zu überlassen. Auch verfüge sie nicht über technisch erfahrene
Aufsichtspersonen für die Produktionsmitarbeiter. Falsch sei, dass die Beklagte zu 2. Leiharbeitnehmer
beschäftige, lediglich die Beklagte zu 1. habe solche eingesetzt. Im Übrigen existiere ein allgemeiner
Weiterbeschäftigungsanspruch vor rechtskräftiger Entscheidung über den Feststellungsantrag hier nicht.
Nur in Kündigungsschutzprozessen sei ein solcher ausnahmsweise anerkannt, nicht aber in einem
atypischen Falle wie dem vorliegenden, in dem das Bestehen des Arbeitsverhältnisses auch deswegen
streitig sei, weil um das Vorliegen eines Betriebsüberganges im Jahr 2011 gestritten werde. Das
Beschäftigungsinteresse des Klägers überwiege nicht. Dieser habe über vier Jahre Zeit gehabt, über den
Bestand des Arbeitsverhältnisses zu streiten, was er unterlassen habe. Dem gegenüber bestehe ein
schützenswertes Interesse der Beklagten zu 2. an der Nichtbeschäftigung des Klägers, nachdem in
vorangegangenen Entscheidungen von einem Betriebsübergang ausgegangen worden sei.
69 Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 17. Juli 2015 die gegen die Beklagte zu 2. gerichteten Klaganträge des
Klägers mit der Argumentation abgewiesen, sein Arbeitsverhältnis sei am 1. April 2011 im Wege des
Betriebsüberganges auf die Beklagte zu 1. übergegangen. Dem gegen die Beklagte zu 1. gerichteten
Klagantrag hat es hingegen stattgegeben.
70 In am 8. Mai 2015 entschiedenen Parallelverfahren hatte das Arbeitsgericht noch abweichend entschieden.
Damals hatte es einen Betriebsübergang verneint und entsprechenden Anträgen anderer Kläger gegen die
Beklagte zu 2. stattgegeben sowie deren Kündigungsschutzklagen gegen die Beklagte zu 1. abgewiesen.
71 Zur Begründung seiner abweichenden Auffassung hat das Arbeitsgericht im Urteil vom 17. Juli 2015
ausgeführt, der zulässige Feststellungsantrag gegen die Beklagte zu 2. sei nicht begründet. Die Beklagte zu
2. habe ihre Arbeitgeberstellung am 1. April 2011 infolge eines Betriebsüberganges an die Beklagte zu 1.
verloren. Aus dem Vortrag der darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten zu 2. ergebe sich das Vorliegen
eines Betriebsüberganges und als Folge auch der Übergang des Arbeitsverhältnisses. Neben der Übernahme
des Personals seien der Beklagten zu 1. sämtliche Betriebsmittel zur Nutzung überlassen worden, was für
die Übertragung einer wirtschaftlichen Einheit bei einem betriebsmittelgeprägten Betrieb, wie er hier
vorliege, entscheidend sei. Es liege keine andere Situation vor, als sie bei der Verpachtung eines Betriebes
vorzufinden sei. Die Beklagte zu 1. habe ab dem 1. April 2011 sämtliche Betriebsmittel zur Herstellung der
Produkte genutzt und sei vom Auftragseingang bis zum Zahlungseingang durch den Kunden verantwortlich
gewesen. Die Beklagte zu 1. habe hierfür die von der Beklagten zu 2. geschaffene Betriebsorganisation und
die aufgebauten Kunden- und Lieferantenbeziehungen genutzt und habe für einen ausreichenden
Auftragseingang zu sorgen gehabt. Sie habe also nicht lediglich das Personal getrennt von den
Betriebsmitteln übernommen. Die Art und der Zweck des Betriebes seien unverändert geblieben, eine
Unterbrechung der Tätigkeit habe nicht stattgefunden. Die Beklagte zu 1. habe ab dem 1. April 2011 den
betrieblichen Funktionszusammenhang für eine (eigene) wirtschaftliche Tätigkeit genutzt. Irrelevant sei,
dass die gesamte Produktion und Betriebsführung mit fremden Betriebsmitteln durchzuführen gewesen sei.
Nicht die Eigentümerstellung sei insoweit maßgeblich, sondern allein die tatsächliche Nutzungs- und
Verfügungsgewalt. Die eigenwirtschaftliche Nutzung von Betriebsmitteln sei keine Voraussetzung für einen
Betriebsübergang. Auch sei die wirtschaftliche Einheit durch Rechtsgeschäft, nämlich durch die Vereinbarung
2011, übertragen worden, ohne dass es auf dessen Wirksamkeit ankäme. Die Beklagte zu 1. sei auch
Betriebsinhaberin des zuvor von der Beklagten zu 2. geführten Betriebes geworden. Keine entscheidende
Bedeutung habe der Umstand, dass das wirtschaftliche Ergebnis der Tätigkeit - mit Ausnahme der geregelten
Vergütung von 3 % der Bruttolohnsumme - letztlich der Beklagten zu 2. zugute gekommen sei. Auch
Bindungen im Innenverhältnis oder die fehlende Befugnis zur Veräußerung der Betriebsmittel stünden
einem Betriebsinhaberwechsel nicht entgegen. Die Beklagte zu 1. habe auch die maßgebliche
Arbeitgeberfunktion gegenüber den Beschäftigten übernommen und sei nach außen als Vollrechtsinhaberin
aufgetreten. Aus den zwischen den Beklagten geschlossenen Vereinbarungen und deren tatsächlicher
Praktizierung könne nicht entnommen werden, dass die Beklagte zu 2. weiterhin für den Betrieb
verantwortlich geblieben sei. Zwar habe die Kammer in den Entscheidungen vom 8. Mai 2015 die Auffassung
vertreten, ein Betriebsinhaberwechsel habe am 1. April 2011 nicht stattgefunden, weil es hierfür nicht
genüge, wenn der neue Inhaber lediglich gegenüber den Arbeitnehmern im eigenen Namen auftrete, und es
vielmehr auch erforderlich sei, dass gegenüber Lieferanten, Kunden und am Markt im eigenen Namen
aufgetreten werde. Für diese Auffassung sprächen auch einige Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, in
deren Folge die Kammer die Vereinbarung 2011 als sog. echte Betriebsführungsvereinbarung eingeordnet
habe, die keinen Betriebsübergang ausgelöst habe. Weil die Beklagte zu 1. weder Waren im eigenen Namen
bezogen noch Verträge mit Kunden im eigenen Namen geschlossen und die Lieferung der Produkte und die
gesamte Kommunikation nach außen im fremden Namen stattgefunden habe, sei die Kammer damals zu der
Einschätzung gelangt, die Beklagte zu 1. sei nicht Betriebsinhaberin geworden. Dass die Beklagte zu 1.
gegenüber den eigenen Arbeitnehmern im eigenen Namen aufgetreten sei, habe dem Gericht am 8. Mai
2015 nicht genügt. In anderen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts habe demgegenüber für die
Erlangung der Organisations- und Leitungsmacht die Ausübung des arbeitsgeberseitigen Weisungsrechts -
neben der Nutzung des betrieblichen Funktionszusammenhangs - genügt. In ihrer jetzigen Besetzung halte
die Kammer die letztgenannten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts und damit ein Abstellen allein auf
die Ausübung des Weisungsrechts im eigenen Namen gegenüber der Belegschaft für überzeugender.
Entscheidendes Argument sei hierbei der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit. Genügte für die Ausübung der
betrieblichen Leitungsmacht das Gebrauchmachen vom Weisungsrecht gegenüber den Arbeitnehmern nicht,
stellte sich die Frage, ab welchem Zeitpunkt (bspw. durch ein Handeln im eigenen Namen gegenüber Kunden
und Lieferanten) ein Betriebsinhaberwechsel eintrete, was rechtssicher kaum feststellbar und letztlich ein
Einfallstor für mögliche Manipulationen wäre. Werde demgegenüber auf das Weisungsrecht abgestellt, lasse
sich der Zeitpunkt des Betriebsinhaberwechsels rechtssicher feststellen. Für den arbeitsrechtlichen
Sinnzusammenhang müsse es also letztlich ausschlaggebend sein, wer ab wann gegenüber den
Arbeitnehmern das Weisungsrecht im eigenen Namen ausübe. Andernfalls könne ein Unternehmen einer
Auffanggesellschaft die Betriebsmittel zur Verfügung stellen und diese mit der Produktion von Waren im
fremden Namen beauftragen, um sich von der Belegschaft zu lösen. Nach Sinn und Zweck des § 613 a BGB
soll jedoch genau ein solches Auseinanderfallen von Arbeitsplatz und Arbeitsverhältnis vermieden werden.
Zudem entspreche dieses Verständnis dem Unionsrecht, wonach Betriebsinhaber die für den Betrieb
verantwortliche Person sei, die die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten eingehe.
Gemessen daran sei es ab 1. April 2011 zu einem Betriebsinhaberwechsel gekommen. Die Beklagte zu 1.
habe ab diesem Zeitpunkt - unstreitig - gegenüber den Arbeitnehmern das arbeitgeberseitige Weisungsrecht
im eigenen Namen durch den Geschäftsführer und den Personalleiter ausgeübt. Auch gegenüber dem
Betriebsrat sei die Beklagte zu 1. im eigenen Namen auf eigenem Briefpapier aufgetreten, worauf dieser die
Beklagte zu 1. als Ansprechpartnerin für die wahrzunehmenden kollektiven Rechte identifiziert habe.
Gegenüber dem Gesamtbetriebsrat, der Gewerkschaft, der Einigungsstelle und anderen Dritten sei die
Beklagte zu 1. in Bezug auf die Arbeitsverhältnisse ebenfalls im eigenen Namen aufgetreten. Sie habe ferner
die Arbeitsentgelte im eigenen Namen abgerechnet und bezahlt, die sie dann zuzüglich des Aufschlages von
3 % von der Beklagten zu 2. erstattet bekommen habe. Ein Handeln im fremden Namen sei insoweit nicht
ansatzweise ersichtlich. Die Beklagte zu 1. habe die für § 613 a BGB maßgebliche Leitungsmacht über den
betrieblichen Funktionszusammenhang wahrgenommen. Sie sei zudem für sämtliche Abläufe, beginnend mit
dem Vertrieb und dem Auftragseingang bis hin zum Zahlungseingang, verantwortlich gewesen und sei daher
auch nach außen - wenn auch im fremden Namen - aufgetreten. Eigene Betriebstätigkeit einer
betriebsführenden Gesellschaft sei gerade die Interessenwahrnehmung für die Eigentümergesellschaft. Dies
sei letztlich auch der Hintergrund dafür, dass der Kläger vor Ausspruch der Kündigung durch die Beklagte zu
1. eine Arbeitgeberstellung der Beklagten zu 2. niemals geltend gemacht habe. Darauf, dass die Beklagte zu
1. gegenüber Dritten, dh. Kunden und Lieferanten, vereinbarungsgemäß im fremden Namen aufgetreten sei,
komme es danach nicht an. Dies sei lediglich Ausdruck der Bindungen der Beklagten zu 1. im
Innenverhältnis und der geschlossenen Vereinbarung zur Betriebsführung. Die Arbeitnehmer hätten die
Beklagte zu 1. in Anbetracht der Ausübung der Leitungs- und Organisationsmacht iSd. Gebrauchmachens
vom arbeitsgeberseitigen Weisungsrecht als Arbeitgeberin identifizieren können. Der Beklagten zu 2. sei es
nicht verwehrt, sich infolge Gestaltungsmissbrauchs auf den eingetretenen Betriebsinhaberwechsel zu
berufen. Es fehle an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass bereits im Frühjahr 2011 geplant gewesen
sei, etwas mehr als zwei Jahre später die Liquidation der Beklagten zu 1. und die Kündigung der
Arbeitsverhältnisse einzuleiten. Hiergegen sprächen auch die geführten Verhandlungen über
Auffanglösungen. Da die Beklagte zu 2. ihre Arbeitgeberfunktion zum 1. April 2011 verloren habe, sei auch
der zulässige Weiterbeschäftigungsantrag gegen sie unbegründet. Zulässig und begründet seien hingegen
der Kündigungsschutz- und der Weiterbeschäftigungsantrag gegen die Beklagte zu 1. Die von dieser
ausgesprochene Kündigung sei unwirksam, da weder das nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderliche
Konsultationsverfahren mit dem zuständigen Betriebsrat durchgeführt, noch gemäß § 17 Abs. 3 Sätze 2 und
3 KSchG eine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige erstattet worden sei. Eine Weiterbeschäftigung
sei der Beklagten zu 1. nicht unzumutbar.
72 Die Beklagten legten gegen dieses Urteil keine Berufung ein. Dem Kläger, dem das Urteil am 27. Juli 2015
zugestellt worden war, legte dagegen am 18. August 2015 gegenüber der Beklagten zu 2. Berufung ein und
begründete diese - innerhalb der verlängerten Frist - am 20. Oktober 2015.
73 Gegenüber den am 8. Mai 2015 gegenüber der Beklagten zu 2. obsiegenden Klägern, sprach die Beklagte zu
2. vorsorglich außerordentliche fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigungen aus. Gegenüber dem Kläger
erfolgte indes keine vorsorgliche Kündigung durch die Beklagte zu 2.
74 Der Kläger vertieft die Auffassung, dass zum 1. April 2011 kein Betriebsübergang stattgefunden habe. Dabei
sei zu berücksichtigen dass die Beklagte zu 1. nach außen im Namen und auf Rechnung der Beklagten zu 2.
gehandelt habe. Die Beklagte zu 1. sei nach außen nicht als eigener Rechtsträger in Erscheinung getreten
und zu keinem Zeitpunkt am Markt aufgetreten. Zwar sei die Beklagte zu 1. gegenüber den Beschäftigten
als Arbeitgeberin aufgetreten. Deshalb liege eine Mischform aus echtem und unechtem
Betriebsführungsvertrag vor, bei dem die Beklagte zu 1. nach außen ausschließlich im fremden Namen als
Betriebsführerin gehandelt und nach innen gegenüber den Arbeitnehmern als Betriebsinhaber agiert habe.
Bei einer solchen Mischform des Betriebsführungsvertrages könne es nicht zu einem Betriebsübergang
kommen. Entscheidend für einen Betriebsinhaberwechsel sei nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts die tatsächliche Übernahme der betrieblichen Organisations- und Leitungsmacht im
eigenen Namen. Ein Übernehmer müsse als selbstständiger, im eigenen Namen handelnder Betreiber
auftreten. Weiter sei vorliegend zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu 1. von der Beklagten zu 2.
wirtschaftlich komplett abhängig gewesen sei. Andere Auftragnehmer habe die Beklagte zu 1. nicht gehabt.
Die Beklagte zu 1. habe auch keine eigenen wirtschaftlichen Zwecke verfolgt, sondern nur die der Beklagten
zu 2. Betriebszweck der Beklagten zu 1. sei die Führung eines fremden Betriebes gewesen. Am
Betriebserfolg sei sie selbst nicht beteiligt gewesen. Im Übrigen sei durch den Betriebsführungsvertrag die
Identität der wirtschaftlichen Einheit verändert worden. Bei der Beklagten zu 2. handele es sich um ein
produzierendes Unternehmen. Die Beklagte zu 1. sei eine reine Betriebsführungsgesellschaft, also ein
Unternehmen, dessen Zweck die Führung eines fremden Betriebes bei, also ein
Dienstleistungsunternehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vortrags des Klägers
wird auf dessen Schriftsatz vom 19. Oktober 2015 Bezug genommen.
75
Der Kläger beantragt,
76
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Ludwigsburg (26 Ca 1953/14) vom
17. Juli 2015 wird abgeändert.
77
2. Es wird festgestellt, dass zwischen der Beklagten zu 2. und dem Kläger über den 31.
März 2011 hinaus ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht.
78
3. Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als
Pressarbeiter weiter zu beschäftigen.
79
Die Beklagte zu 2. beantragt,
80
die Berufung des Klägers als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, die Berufung als
unbegründet zurückzuweisen.
81 Die Beklagte zu 2. ist der Auffassung, die Berufung sei wegen entgegenstehender Rechtskraft unzulässig.
Da die Beklagte zu 1. gegen das Sachurteil vom 17. Juli 2015 keine Berufung eingelegt habe, stehe
rechtskräftig fest, dass deren Kündigung unwirksam sei und dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs derselben
zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1. ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Die Rechtskraft des
Urteils stehe dem Ziel, das der Kläger mit seiner Berufung verfolge, entgegen, diese sei unzulässig
geworden.
82 Jedenfalls aber sei die Berufung des Klägers unbegründet. Das Arbeitsgericht habe zutreffend festgestellt,
dass der Betrieb zum 1. April 2011 durch Betriebsübergang von der Beklagten zu 2. auf die Beklagte zu 1.
übergegangen sei. Das angefochtene Urteil stelle zutreffend auf die Kriterien der Rechtsprechung ab und
komme in Anwendung derselben zu dem richtigen Ergebnis. Zutreffend habe das Arbeitsgericht festgestellt,
dass die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität zum 1. April 2011 durch Rechtsgeschäft von
der Beklagten zu 2. auf die Beklagte zu 1. übertragen worden sei, und habe als entscheidendes Kriterium
für den Betriebsübergang die tatsächliche Weiterführung der Geschäftstätigkeit genannt. Zu Recht habe das
Arbeitsgericht für die Erlangung der Organisations- und Leitungsmacht auf die Ausübung des
arbeitsgeberseitigen Weisungsrechts neben der tatsächlichen Nutzung des betrieblichen
Funktionszusammenhangs abgestellt und dies mit dem Erfordernis der Rechtssicherheit begründet.
Zutreffend habe es die dargelegten Tatsachen (Abrechnung und Zahlung der Arbeitsentgelte durch die
Beklagte zu 1. im eigenen Namen, Schreiben der Beklagten zu 1. an den Betriebsrat, Auftreten der
Beklagten zu 1. gegenüber der Einigungsstelle als Arbeitgeber und dortige Anerkennung als Arbeitgeber
durch den Betriebsrat, Auftreten gegenüber Behörden als Arbeitgeber) bewertet. Zu Recht habe das
Arbeitsgericht angenommen, dass bei der Beklagten zu 2. kein betrieblicher Bereich verblieben sei. Die
Behauptung des Klägers, die Beklagte zu 1. sei nach außen nicht als eigener Rechtsträger aufgetreten sei
daher ebenso falsch, wie die Behauptung, die Betriebsmittel seien bei der Beklagten zu 2. verblieben. Diese
habe die Nutzungsbefugnis auf die Beklagte zu 1. übertragen. Zutreffend habe das Arbeitsgericht bewertet,
dass die Beklagte zu 1. ab 1. April 2011 für sämtliche Abläufe (insb. den Vertrieb, den Auftragseingang und
alle weiteren Abläufe in der Produktion und Verwaltung bis zum Zahlungseingang) verantwortlich gewesen
sei. Soweit der Kläger vorliegend von einer Mischform zwischen einem echten und unechten
Betriebsführungsvertrag ausgehe, belege dies nur, dass Betriebsführungsverträge privatautonom gestaltet
würden und es für die Beantwortung der Frage nach einem Betriebsübergang auf die von der
Rechtsprechung entwickelten Kriterien ankomme. Insoweit habe das angefochtene Urteil zu Recht auf die
Ausübung der Leitungsmacht im Verhältnis zu den Arbeitnehmern abgestellt. Entgegen der Rechtsansicht
des Klägers könne beim Abschluss des Betriebsführungsvertrages auch nicht von einem
Gestaltungsmissbrauch ausgegangen werden. Schließlich sei auch die Behauptung des Klägers falsch, dass
der Geschäftsführer der Beklagten zu 2. auch nach dem 1. April 2011 noch Weisungsrechte gegenüber den
Arbeitnehmern der Beklagten zu 1. ausgeübt habe.
83 Im Übrigen sei die Klage gegen die Beklagte zu 2. rechtsmissbräuchlich. Deren Rechtsverteidigung sei durch
Zeitablauf nach mehr als vier Jahren beeinträchtigt. In allen gesetzlich geregelten und von der
Rechtsprechung bisher zu beantwortenden Fällen sei ein auf die Feststellung oder Fortsetzung eines
Arbeitsverhältnisses gerichteter Antrag aus Gründen der Rechtssicherheit nur innerhalb von wenigen
Wochen oder Monaten zulässig. All diesen Wertungen widerspräche es, wenn der Kläger vier Jahre nach
Kenntnis von dem Übertragungsvorgang durch umfassende Unterrichtung und außerdem vier Monate nach
einer isolierten Kündigungsschutzklage gegen die Beklagte zu 1. erstmals noch die Feststellung eines
Arbeitsverhältnisses zur Beklagten zu 2. geltend machen könne. Der Kläger habe dem Betriebsübergang
nicht innerhalb der Monatsfrist des § 613 a Abs. 6 Satz 1 BGB widersprochen. Die Bestimmung sei bereits
unmittelbar anwendbar. Die Unterrichtungspflicht sei subjektiv determiniert nach dem Kenntnisstand des
Veräußerers und des Erwerbers. Gingen diese übereinstimmend von einem Betriebsübergang aus, seien sie
zur Unterrichtung verpflichtet, unabhängig davon ob der Arbeitnehmer die rechtliche Bewertung teile. Die
Unterrichtungspflicht bestehe in Zweifelsfällen zum Schutz der Arbeitnehmerinteressen, um diesen das
Wahlrecht zu eröffnen. Damit werde auch in solch einem Falle wie hier die Frist ausgelöst. Das
Fortsetzungsverlangen des Arbeitsverhältnisses mit dem bisherigen Arbeitgeber könne der Arbeitnehmer
auch hier unkompliziert innerhalb eines Monats zum Ausdruck bringen. Sowohl aus Gründen der
Rechtssicherheit als auch nach dem Regelungszweck sei dieses Ergebnis geboten. Zumindest aber sei § 613
a Abs. 6 Satz 1 BGB analog anzuwenden, jedenfalls aber als Zeitmoment im Rahmen der Verwirkung des
Klagerechts (Prozessverwirkung) und des materiellen Rechts zur Feststellung eines Arbeitsverhältnisses.
Auch das Umstandsmoment sei gegeben. Die Beklagte zu 2. habe nicht mehr damit rechnen müssen, wieder
als Arbeitgeberin betrachtet zu werden, ein Vertrauenstatbestand sei gegeben. Der Kläger habe seit dem 1.
April 2011 bis März 2015 durchgängig und ausschließlich Interesse an einem Arbeitsverhältnis mit der
Beklagten zu 1. gezeigt. Trotz umfassender Unterrichtung über den Betriebsübergang habe er nicht
widersprochen, sondern sein Wahlrecht zugunsten eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 1.
ausgeübt und dort über Jahre weitergearbeitet. Auch bei keiner anderen Gelegenheit habe er zum Ausdruck
gebracht, das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 2. fortsetzen zu wollen. Spätestens die
Betriebsratswahl im Jahr 2014 habe dazu eine anschauliche Gelegenheit geboten, wie das im Kläger
bekannte Wahlausschreiben der Beklagten zu 1. zeige. Auch habe sich der Kläger mit keinem einzigen
arbeitsvertraglichen Anliegen an die Beklagte zu 2. gewandt. Es liege daher eine Prozessverwirkung vor,
erst recht nachdem der Kläger sein Klageziel gegenüber der Beklagten zu 1. erreicht habe. Durch die
verspätete Durchsetzung des Rechts entstünden der Beklagten zu 2. unzumutbare Nachteile. Bei einer
früheren Geltendmachung wären ihr die zeit- und kostenaufwändigen gerichtlichen Auseinandersetzungen
erspart geblieben. Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens der Beklagten wird auf deren
Schriftsätze vom 27. November 2015, 7. März 2016 und 17. März 2016 verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
84 Die zulässige Berufung des Klägers gegen die Beklagte zu 2. ist begründet.
85 1. Die Berufung des Klägers gegen die Beklagte zu 2. ist zulässig, insbesondere ist sie gemäß § 64 Abs. 2
Buchst. b und c ArbGG statthaft und wurde gemäß §§ 66 Abs. 1 Sätze 1 und 5, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG,
519 Abs. 1 und 2, 520 Abs. 1 und 3 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet. Soweit die
Beklagte zu 2. die Zulässigkeit der Berufung in Anbetracht des - im Hinblick auf die Beklagte zu 1. -
rechtskräftigen erstinstanzlichen Urteils in Abrede stellt, kann dem nicht gefolgt werden. Eine etwaige
entgegenstehende Rechtskraft stünde einer Zulässigkeit der Klaganträge des Klägers entgegen, nicht aber
der Zulässigkeit seiner Berufung.
86 2. Die Berufung des Klägers gegen die Beklagte zu 2. ist auch begründet. Sowohl sein Feststellungsantrag,
mit dem er die Feststellung begehrt, dass zwischen ihm und der Beklagten zu 2. über den 31. März 2011
hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht, als auch sein Weiterbeschäftigungsantrag, mit dem er die
Verurteilung der Beklagten zu 2. erstrebt, ihn zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen bis zum
rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits als Pressarbeiter weiter zu beschäftigen, ist zulässig und auch
in der Sache begründet.
87
a) Der allgemeine Feststellungsantrag des Klägers gemäß § 256 Abs. 1 ZPO, wonach festgestellt werden
soll, dass zwischen ihm und der Beklagten zu 2. über den 31. März 2011 hinaus ein Arbeitsverhältnis
besteht, ist zulässig und begründet.
88
aa) Dieser Antrag ist so zu verstehen, dass damit die Feststellung begehrt wird, dass zwischen ihm und
der Beklagten zu 2. über den 31. März 2011 hinaus im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in
der Tatsacheninstanz, dh. in der Berufungsinstanz, ein Arbeitsverhältnis besteht. Anders als in den Fällen,
in denen die Beklagte zu 2. gegen arbeitsgerichtliche Urteile vom 8. Mai 2015 Berufung eingelegt hat (vgl.
dazu etwa LAG Baden-Württemberg 23. März 2016 - 2 Sa 35/15), ist der Antrag hier nicht zeitlich
beschränkt - auf einen Bestand des Arbeitsverhältnisses über den 31. März 2011 hinaus bis zum Schluss
der mündlichen Verhandlung erster Instanz - zu verstehen. Hier stellt sich die Frage nicht, ob der Vortrag
des Klägers als Anschlussberufung zu bewerten ist, er ist selbst Berufungsführer. Auch existiert vorliegend
keine vorsorgliche Kündigung der Beklagten zu 2., bezüglich der ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht
anhängig wäre. Ein zeitlich beschränktes Antragsverständnis wäre demgemäß nicht sachgerecht.
89
bb) Der in diesem Sinne zu verstehende Feststellungsantrag des Klägers iSv. § 256 Abs. 1 ZPO genügt den
Anforderungen an die Zulässigkeit. Insbesondere ist er nicht wegen entgegenstehender Rechtskraft,
Prozessverwirkung oder fehlendem Feststellungsinteresse unzulässig.
90
aaa) Das Feststellungsbegehren des Klägers ist nicht wegen entgegenstehender Rechtskraft iSd. § 322
Abs. 1 ZPO unzulässig. Eine solche ergibt sich nicht aus dem - in Bezug auf die Beklagte zu 1. -
rechtskräftigen Sachurteil des Arbeitsgerichts, mit dem festgestellt wurde, dass das Arbeitsverhältnis des
Klägers mit der Beklagten zu 1. durch die Kündigung der Beklagten zu 1. vom 28. Oktober 2014 nicht
beendet wurde.
91
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen dass, wenn in Betriebsübergangsfällen der
(vermeintliche) Betriebsveräußerer und der (vermeintliche) Betriebserwerber in einem Verfahren verklagt
werden - wie es hier der Fall war -, diese lediglich einfache Streitgenossen iSd. §§ 59, 60 ZPO und nicht
etwa notwendige Streitgenossen iSd. § 62 ZPO sind (vgl. BAG 22. August 2013 - 8 AZR 521/12 - Rn. 37;
24. Juni 2004 - 2 AZR 215/03 - Rn. 26; 25. April 1996 - 5 AS 1/96 - Rn. 31). Eine notwendige
Streitgenossenschaft entsteht nämlich nicht allein dadurch, dass in verschiedenen Rechtsstreitigkeiten
bzw. in verschiedenen Prozessrechtsverhältnissen in einem Verfahren dieselbe (Vor-)Frage von Bedeutung
ist, wie etwa die Frage, ob ein Betriebsübergang vorgelegen hat (vgl. BAG 22. August 2013 - 8 AZR
521/12 - Rn. 37). Liegt demgemäß eine einfache Streitgenossenschaft vor, wurden die gegen die beiden
Beklagten gerichteten Klagen lediglich aus Gründen der prozessualen Zweckmäßigkeit in einem
einheitlichen Verfahren zusammengefasst, in welchem jedoch die Entscheidung - aus prozessualen
Gründen - gegen den einen Streitgenossen anders lauten kann als diejenige gegen den anderen
Streitgenossen (vgl. BAG 25. April 1996 - 5 AS 1/96 - Rn. 31). Eine Rechtskrafterstreckung bei einfacher
Streitgenossenschaft, wie sie hier zwischen den Beklagten zu 1. und zu 2. vorlag, erfolgt nicht. Allein
dass aus Gründen der Logik eine einheitliche Entscheidung wünschenswert wäre, genügt nicht für die
Annahme einer Rechtskrafterstreckung. Da eine subjektiv bedingte Klagehäufung unzulässig ist und eine
alternative Antragstellung durch den Kläger, wie sie die Beklagte zu 2. als zweckmäßig erachtet
(negative Feststellungsklage gegen die Beklagte zu 1., dass mit ihr kein Arbeitsverhältnis bestehe,
hilfsweise punktuelle Kündigungsschutzklage gegen die Beklagte zu 1. sowie Klage auf Feststellung des
Bestehens eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2.; vgl. HaKo-Mestwerdt/Wemheuer 5. Aufl. §
613a BGB Rn. 212), ihrerseits mit erheblichen Risiken für den Kläger verbunden ist, wie das
Bundesarbeitsgericht jüngst aufgezeigt hat (vgl. BAG 24. September 2015 - 2 AZR 562/14 - Rn. 21), ist es
nachvollziehbar, dass der Kläger den Weg einer unbedingten subjektiven Klagehäufung, wie sie hier
vorlag, beschritten hat. Das Ergebnis der Feststellung von Arbeitsverhältnissen mit beiden Beklagten im
Falle des Nichtvorliegens eines Betriebsüberganges ist daher nicht einer nicht nachvollziehbaren
Antragstellung des Klägers, sondern der Prozesstaktik beider Beklagten geschuldet. Hätte nämlich die
Beklagte zu 1. Berufung gegen das arbeitsgerichtliche Urteil eingelegt, wären die gegen sie gerichteten
Anträge vom Berufungsgericht mangels Bestehens eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 1. im
Zeitpunkt ihrer Kündigung abzuweisen gewesen.
92
bbb) Der Feststellungantrag des Klägers ist entgegen der Auffassung der Beklagten zu 2. nicht wegen
Prozessverwirkung unzulässig.
93
(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann das Recht, eine Klage zu erheben,
verwirkt werden mit der Folge, dass eine dennoch erhobene Klage unzulässig ist. Dies kommt jedoch nur
unter besonderen Voraussetzungen in Betracht. Das Klagerecht soll ausnahmsweise verwirken können,
wenn der Anspruchsteller die Klage erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums erhebt und zusätzlich ein
Vertrauenstatbestand beim Anspruchsgegner geschaffen worden ist, dass er gerichtlich nicht mehr
belangt werde. Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes das Interesse des Berechtigten an
der sachlichen Prüfung des von ihm behaupteten Anspruchs derart überwiegen, dass dem Gegner die
Einlassung auf die nicht innerhalb angemessener Frist erhobene Klage nicht mehr zumutbar ist. Durch die
Annahme einer prozessualen Verwirkung darf der Weg zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, aus
Sachgründen nicht zu rechtfertigenden Weise erschwert werden. Dies ist im Zusammenhang mit den an
das Zeit- und Umstandsmoment zu stellenden Anforderungen zu berücksichtigen (vgl. etwa BAG 20. April
2011 - 4 AZR 368/09 - Rn. 23; 10. Oktober 2007 - 7 AZR 448/06 - Rn. 17).
94
(2) Die Voraussetzungen einer Prozessverwirkung liegen im Streitfall nicht vor. Der Beklagten zu 2. ist
die Einlassung auf das Klagebegehren des Klägers nicht unzumutbar. Dabei kann dahinstehen, ob das
Recht, sich auf den Bestand eines Arbeitsverhältnisses zu berufen, in Gestalt einer Prozessverwirkung
überhaupt verwirken kann (offenlassend bzgl. der materiell-rechtlichen Verwirkung BAG 13. August 2008
- 7 AZR 269/07 - Rn. 36 mwN) und ob das Zeitmoment erfüllt ist, nachdem der Kläger das Fortbestehen
des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2. erstmals vier Jahre nach dem behaupteten
Betriebsübergang auf die Beklagte zu 1. geltend gemacht hat. Jedenfalls fehlt es an dem für eine
Prozessverwirkung erforderlichen Umstandsmoment. Ein Verhalten des Klägers, aus dem die Beklagte zu
2. ein berechtigtes Vertrauen hätte ableiten können, dieser sei in Kenntnis eines ihr zustehenden Rechts
untätig geblieben, ist nicht ersichtlich. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bekannt war,
dass zum 1. April 2011 kein Betriebsübergang stattgefunden hat und er in Kenntnis dessen untätig
geblieben ist. Er durfte vielmehr - infolge der Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB durch die Beklagte
zu 2. - gerade davon ausgehen, dass ein solcher erfolgt ist. Dabei war er nicht verpflichtet, das
Unterrichtungsschreiben auf seine sachliche Richtigkeit zu überprüfen und die Beklagte zu 2. auf deren
möglicherweise fehlerhafte Rechtsauffassung hinzuweisen. Er konnte vielmehr davon ausgehen, dass die
Beklagte zu 2. ihn entsprechend ihrer gesetzlichen Verpflichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB zutreffend
unterrichtet hat. Allein aus der widerspruchsfreien Vertragsdurchführung in der Folgezeit, etwa durch
ihre Weiterarbeit bei der Beklagten zu 1. oder bspw. durch eine etwaige Teilnahme an der
Betriebsratswahl bei der Beklagten zu 1. im Jahr 2014, kann ein Umstandsmoment nicht hergeleitet
werden. Der Kläger hat letztlich nur nachvollzogen, was ihm in dem Unterrichtungsschreiben anlässlich
des behaupteten Betriebsübergangs von der Beklagten zu 2. als bestehende Rechtslage mitgeteilt wurde.
Es fehlt an einer besonderen vertrauensbegründenden Verhaltensweise des Klägers, mit der er gegenüber
der Beklagten zu 2. den Anschein hätte erwecken können, er werde sich auf den Fortbestand eines
Arbeitsverhältnisses mit ihr nicht mehr berufen (vgl. dazu BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 3/10 - Rn. 32).
Die Beklagte zu 2. musste damit rechnen im Falle der Liquidation der Beklagten zu 1. und im Falle von
darauf gestützten Kündigungen, von den Gekündigten als Arbeitgeber in Anspruch genommen zu
werden, zumal das Vorliegen eines Betriebsüberganges bereits im Jahr 2012 in einem vergleichsweise
beigelegten Rechtsstreit vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 6 Sa 31/12 - thematisiert
wurde. Auch wenn der Vorsitzende der 6. Kammer damals darauf hingewiesen haben mag, dass von
einem Betriebsübergang auf die Beklagte zu 1. auszugehen sei, musste die Beklagte zu 2. damit rechnen,
dass gekündigte Arbeitnehmer eine andere Rechtsauffassung vertreten und diese einer gerichtlichen
Klärung zuführen, nachdem der Übertragungsvorgang - so ihr eigener Vortrag in den Parallelverfahren -
„möglicherweise ein Grenzfall“ ist. Soweit die Beklagte zu 2. anführt, sie habe die tatsächliche
Handhabung des Betriebsführungsvertrages über mehrere Jahre nicht im Einzelnen dokumentiert, wie
dies nahe gelegen hätte, wäre dieser von Anfang an streitig gewesen, so dass ihre Rechtsverteidigung
beeinträchtigt sei, ist dies bereits deshalb unerheblich, weil der Kläger - wie dargelegt - keine besondere
vertrauensbegründende Verhaltensweise an den Tag gelegt hat. Im Übrigen kommt zum einen hinzu,
dass die tatsächliche Handhabung des Betriebsführungsvertrages weitestgehend unstreitig ist, so dass in
einer etwaig fehlenden Dokumentation keine Beeinträchtigung der Rechtsverteidigung liegen kann.
Abgesehen davon geht das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass Beweisschwierigkeiten, denen der
Verpflichtete deshalb ausgesetzt ist, weil der Gläubiger seine Rechte erst nach längerer Zeit geltend
macht, den Einwand der Prozessverwirkung grundsätzlich nicht rechtfertigen (vgl. BAG 10. Oktober 2007
- 7 AZR 448/06 - Rn. 19). Soweit die Beklagte zu 2. darauf hinweist, dass sie Dispositionen getroffen
habe, indem sie weitere Gesellschaften mit der Lohnfertigung und Dienstleistungen beauftragt habe, ist
auch dies schon deswegen irrelevant, da der Kläger keine besondere vertrauensbegründende
Verhaltensweise gezeigt hat, die Auslöser hierfür gewesen sein könnte. Soweit die Beklagte zu 2.
schließlich anmerkt, der Kläger habe unproblematisch im Jahr 2011 einem Betriebsübergang
widersprechen können, wenn der das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 2. habe fortsetzen wollen,
ist darauf hinzuweisen, dass ihm dann bereits damals die Kündigung gedroht hätte. Schon in § 3 Ziff. 5
des Interessenausgleichs vom 28. Oktober 2010 heißt es, dass bei einem Widerspruch damit gerechnet
werden muss, dass der Arbeitsplatz gefährdet ist. Der einzig widersprechende Arbeitnehmer erhielt
damals offenbar auch eine Kündigung. Veranlassung für den Kläger, die Beklagte zu 2. in Anspruch zu
nehmen, bestand erst nach der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte zu 1., im Zuge
des hiergegen angestrengten Kündigungsschutzprozesses hat er dies getan.
95
ccc) Schließlich ist der Feststellungsantrag des Klägers auch nicht mangels Feststellungsinteresses iSd. §
256 Abs. 1 ZPO unzulässig. Da die Beklagte zu 2. das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit ihm über
den 31. März 2011 hinaus bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz in
Abrede stellt, besteht ein Feststellungsinteresse.
96
cc) Der Feststellungsantrag des Klägers ist auch in der Sache begründet. Antragsgemäß war festzustellen,
dass zwischen ihm und der Beklagten zu 2. über den 31. März 2011 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht.
Da sonstige Beendigungstatbestände nicht im Streit stehen, folgt dies daraus, dass das unstreitig bis zum
ein 31. März 2011 mit der Beklagten zu 2. bestehende Arbeitsverhältnis nicht zum 1. April 2011 oder zu
einem späteren Zeitraum im streitgegenständlichen Zeitraum von der Beklagen zu 2. auf die Beklagte zu
1. im Wege eines Betriebsübergangs nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB übergegangen ist. Die
Voraussetzungen für einen Betriebsübergang sind nicht gegeben, das Arbeitsverhältnis verblieb bei der
Beklagten zu 2. Die Berufung des Klägers auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten
zu 2. ist materiell-rechtlich weder verfristet noch verwirkt mit der Folge, dass sein Feststellungsantrag
begründet ist.
97
aaa) Die Voraussetzungen für einen Betriebsübergang iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB sind nicht gegeben,
das Arbeitsverhältnis des Klägers verblieb über den 31. März 2011 hinaus bis zum Zeitpunkt der letzten
mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz bei der Beklagten zu 2, es ging nicht auf die Beklagte zu
1. über. Denn es fehlt bereits an einem für einen Betriebsübergang zwingend erforderlichen
Betriebsinhaberwechsel. Ob die übrigen Voraussetzungen für einen Betriebsübergang gegeben sind,
bedarf deshalb keiner Erörterung.
98
(1) Ein Betriebsübergang iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB und im Sinne der Richtlinie 2001/23/EG liegt vor,
wenn ein neuer Rechtsträger eine bestehende wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität
fortführt (vgl. EuGH 6. März 2014 - C-458/12 - [Amatori ua.] Rn. 30 mwN; BAG 22. Januar 2015 - 8 AZR
139/14 - Rn. 13). Dabei muss es um eine auf Dauer angelegte Einheit gehen, deren Tätigkeit nicht auf die
Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Um eine solche Einheit handelt es sich bei jeder
hinreichend strukturierten und selbständigen Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer
wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck (vgl. EuGH 6. März 2014 - C-458/12 - Amatori ua.] Rn. 31 f.
mwN; BAG 22. Januar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 14). Den für das Vorliegen eines Übergangs
maßgebenden Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder
Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (vgl. EuGH 15. Dezember 2005 - C-232/04 und C-
233/04 - [Güney-Görres und Demir] Rn. 35; BAG 22. Januar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 15). Bei der
Prüfung, ob eine solche Einheit ihre Identität bewahrt, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang
kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören namentlich die Art des Unternehmens
oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter,
der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der
Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der
Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer
eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten. Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte der
vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden (vgl. EuGH 20.
Januar 2011 - C-463/09 - [CLECE] Rn. 34; BAG 22. Januar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 15).
99
(2) Kommt es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an, kann eine strukturierte Gesamtheit
von Arbeitnehmern trotz des Fehlens nennenswerter materieller oder immaterieller Vermögenswerte
eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Wenn eine Einheit ohne nennenswerte Vermögenswerte
funktioniert, kann die Wahrung ihrer Identität nach ihrer Übernahme nicht von der Übernahme derartiger
Vermögenswerte abhängen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Fall
anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern
auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt (vgl. EuGH 6.
September 2011 - C-108/10 - [Scattolon] Rn. 49; BAG 22. Januar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 16).
Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen (Funktionsnachfolge) ebenso
wenig einen Betriebsübergang dar wie die reine Auftragsnachfolge (vgl. EuGH 20. Januar 2011 - C-
463/09 - [CLECE] Rn. 36 und 415; BAG 22. Januar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 18). Eine wirtschaftliche
Einheit darf nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden (vgl. EuGH 20. Januar 2011 - C-463/09 - [CLECE]
Rn. 41, BAG 22. August 2013 - 8 AZR 521/12 - Rn. 41). Kommt es im Wesentlichen auf die Betriebsmittel
wie etwa das Inventar an, dann kann ein Übergang einer ihre Identität bewahrenden Einheit auch ohne
Übernahme von Personal vorliegen (vgl. EuGH 20. November 2003 - C-340/01 - [Abler ua.] Rn. 37; BAG
22. Januar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 17). Ohne Bedeutung ist, ob das Eigentum an den eingesetzten
Betriebsmitteln übertragen worden ist (vgl. EuGH 20. November 2003 - C-340/01 - [Abler ua.] Rn. 41;
BAG 22. Januar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 17).
100
(3) Wesentliche Änderungen in der Organisation, der Struktur oder im Konzept der betrieblichen Tätigkeit
können einer Wahrung der Identität entgegenstehen. So spricht eine Änderung des Betriebszwecks
gegen eine im Wesentlichen unveränderte Fortführung des Betriebes und damit gegen die für einen
Betriebsübergang erforderliche Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit (vgl. BAG 23. Mai 2013
- 8 AZR 207/12 - Rn. 24; 22. August 2013 - 8 AZR 521/12 - Rn. 43). Ein Betriebsübergang scheidet auch
aus, wenn die funktionelle Verknüpfung der Wechselbeziehung und gegenseitigen Ergänzung zwischen
den Produktionsfaktoren beim anderen Unternehmer verloren geht. Bei einer Eingliederung der
übertragenen Einheit in die Struktur des Erwerbers fällt der Zusammenhang dieser funktionellen
Verknüpfung der Wechselbeziehung und gegenseitigen Ergänzung zwischen den für einen
Betriebsübergang maßgeblichen Faktoren nicht zwangsläufig weg. Die Beibehaltung der
„organisatorischen Selbstständigkeit“ ist nicht erforderlich, wohl aber die Beibehaltung des Funktions-
und Zweckzusammenhangs zwischen den verschiedenen übertragenen Faktoren, der es dem Erwerber
erlaubt, diese Faktoren, auch wenn sie in eine andere Organisationsstruktur eingegliedert werden, zur
Verfolgung einer bestimmten wirtschaftlichen Tätigkeit zu nutzen (vgl. EuGH 12. Februar 2009 - C-
466/07 - [Klarenberg] - Rn. 48; BAG 22. August 2013 - 8 AZR 521/12 - Rn. 44)
101
(4) Der Betriebsübergang tritt mit dem Wechsel in der Person des Inhabers des Betriebs ein. Der bisherige
Betriebsinhaber muss seine wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb einstellen, der Übernehmer muss
die Geschäftstätigkeit tatsächlich weiterführen oder wieder aufnehmen (vgl. BAG 27. September 2012 - 8
AZR 826/11 - Rn. 21; 31. Januar 2008 - 8 AZR 2/07 - Rn. 28). Entscheidendes Kriterium für den
Betriebsübergang ist die tatsächliche Weiterführung oder Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit. Einer
besonderen Übertragung einer irgendwie gearteten Leitungsmacht bedarf es wegen des Merkmals der
Fortführung des Betriebs nicht (vgl. BAG 27. September 2012 - 8 AZR 826/11 - Rn. 21; 10. Mai 2012 - 8
AZR 434/11 - Rn. 27). Allerdings tritt der Wechsel der Inhaberschaft nicht ein, wenn der neue „Inhaber”
den Betrieb gar nicht führt (vgl. BAG 10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11 - Rn. 27). Maßgeblich ist die
Weiterführung der Geschäftstätigkeit durch diejenige Person, die nunmehr für den Betrieb als Inhaber
„verantwortlich“ ist (vgl. BAG 27. September 2012 - 8 AZR 826/11 - Rn. 21; 10. Mai 2012 - 8 AZR
434/11 - Rn. 27; 31. Januar 2008 - 8 AZR 2/07 - Rn. 28). Verantwortlich ist die Person, die den Betrieb im
eigenen Namen führt und nach außen als Betriebsinhaber auftritt (vgl. BAG 27. September 2012 - 8 AZR
826/11 - Rn. 21; 10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11 - Rn. 27, 49; 31. Januar 2008 - 8 AZR 2/07 - Rn. 28) . Es
kommt nicht allein darauf an, wer im Verhältnis zur Belegschaft als Inhaber auftritt, sondern auf die
umfassende Nutzung des Betriebs nach außen (vgl. BAG 27. September 2012 - 8 AZR 826/11 - Rn. 21;
10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11 - Rn. 27, 49; 31. Januar 2008 - 8 AZR 2/07 - Rn. 28; 13. Dezember 2007 -
8 AZR 1107/06 - Rn. 24; 20. März 2003 - 8 AZR 312/02 - Rn. 43). Nicht erforderlich ist es dabei, dass der
neue Inhaber den Betrieb auf eigene Rechnung führt. Unschädlich ist es daher, wenn der Gewinn an
einen anderen abgeführt wird (vgl. BAG 10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11 - Rn. 27; 13. Dezember 2007 - 8
AZR 1107/06 - Rn. 24). Einem Betriebsinhaberwechsel steht es auch nicht entgegen, wenn der Erwerber
im Innenverhältnis Bindungen unterliegt oder zur Veräußerung der Betriebsmittel im eigenen Namen
nicht befugt ist. Entscheidend ist vielmehr, dass er im Außenverhältnis als Vollrechtsinhaber auftritt und
die Verfügungsbefugnis über den betrieblichen Funktionszusammenhang erlangt hat (vgl. BAG 10. Mai
2012 - 8 AZR 434/11 - Rn. 43).
102
Dies entspricht nach Auffassung der erkennenden Kammer auch der Rechtsprechung des EuGH, wonach
der Zeitpunkt des Übergangs dem Zeitpunkt entspricht, zu dem die Inhaberschaft, mit der die
Verantwortung für den Betrieb der übertragenen Einheit verbunden ist, vom Veräußerer auf den
Erwerber übergeht und dieser den Betrieb fortführt (vgl. EuGH 26. Mai 2005 - C-478/03 - [Celtec] Rn.
36). Dabei wird nicht übersehen, dass der EuGH in anderen Entscheidungen dann von einem
Betriebsübergang ausgeht, wenn die für den Betrieb des Unternehmens verantwortliche natürliche oder
juristische Person, die die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten des Unternehmens
eingeht, im Rahmen vertraglicher Beziehungen wechselt (EuGH 20. Januar 2011 - C-463/09 - [CLECE]
Rn. 30; EuGH 21. Oktober 2010 - C-242/09 [Abron Catering] Rn. 28; EuGH 10. Dezember 1998 - C-
173/96, C-247/96 - Rn. 23; dazu: Franzen/Gallner/Oetker-Winter Europäisches Arbeitsrecht RL
2001/23/EG Art. 1 Rn. 49). Dies besagt aber noch nicht, dass in der Übernahme der
Arbeitgeberverpflichtung auch die Übernahme der Verantwortung für den Betrieb liegt. Es dürfte
vielmehr umgekehrt sein. Zunächst ist ein Wechsel in der Verantwortlichkeit des Betriebs erforderlich.
Erst mit dem Wechsel der Verantwortung für den Betrieb geht auch ein Wechsel in der
Arbeitgeberstellung einher.
103
(5) Unter Berücksichtigung der vorgenannten Rechtsgrundsätze ist der Betrieb der Beklagten zu 2. nicht
zum 1. April 2011 auf die Beklagte zu 1. gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB übergegangen. Ein Wechsel in
der Person des Inhabers des Betriebs hat nicht stattgefunden. Sowohl nach der Vereinbarung 2011 als
auch deren tatsächlicher Handhabung ist die Beklagte zu 1. nicht Betriebsinhaberin geworden. Sie hat
den Betrieb nach außen nicht umfassend genutzt, sie ist im Außenverhältnis nicht als Vollrechtsinhaberin
aufgetreten und sie hat nicht die Verfügungsbefugnis über den betrieblichen Funktionszusammenhang
erlangt. Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten zu 2. kommt es nicht allein darauf an, dass die
Beklagte zu 1. gegenüber den Arbeitnehmern als Inhaberin und Arbeitgeberin aufgetreten ist.
104
(a) Schon aus der Vereinbarung 2011 selbst ergibt sich, dass die Beklagte zu 1. nach außen nicht als
Betriebsinhaberin im eigenen Namen hat auftreten sollen.
105
Gemäß der Vereinbarung 2011 hat die Beklagte zu 1. ab dem 1. April 2011 die komplette Produktion der
W.-Produkte in Lohnfertigung übernommen und ist im Übrigen beauftragt gewesen, den Betrieb zu
führen (vgl. Vorbemerkung und §§ 1, 6 Vereinbarung 2011). Die Lohnfertigung durch die Beklagte zu 1.
hat gemäß § 1 Vereinbarung 2011 bei unentgeltlicher Überlassung der Betriebsmittel die Herstellung der
Produkte nach den Vorgaben der Beklagten zu 2. umfasst, wobei hierfür als Vergütung die Erstattung der
Lohnkosten zuzüglich eines Aufschlages von 3 % auf die Bruttolohnsummen und die Erstattung von
Sachkosten vorgesehen war. Die Warenbeschaffung bei Dritten für die Lohnfertigung durch die Beklagte
zu 1. ist gemäß § 4 Vereinbarung 2011 im Namen und auf Rechnung der Beklagten zu 2. erfolgt. In
Lieferantenbeziehungen ist die Beklagte zu 1. demgemäß ausschließlich im Namen der Beklagten zu 2.
aufgetreten. Die Betriebsführung durch die Beklagte zu 1. hat gemäß § 6 Vereinbarung 2011 bei
unentgeltlicher Überlassung der Betriebsmittel (§ 9 Vereinbarung 2011) den gesamten Geschäftsbetrieb
bzw. alle Geschäfte und Maßnahmen umfasst, die dem Betriebsablauf und dem gewerblichen Zweck des
Betriebes dienen, insbesondere sämtliche in den Abteilungen Einkauf, Vertrieb, Marketing,
Finanzbuchhaltung, Forschung und Entwicklung sowie Instandhaltung zu erledigenden Arbeiten nach den
Vorgaben der Beklagten zu 1., wobei als Vergütung hierfür in § 9 Vereinbarung 2011 eine der Vergütung
für die Lohnfertigung entsprechende Regelung getroffen wurde.
106
Bei der Betriebsführung hat die Beklagte zu 1. gemäß § 7 Vereinbarung 2011, sofern diese im
Zusammenhang mit der Lohnfertigung und der Herstellung der W.-Produkte ausgeführt wurde, für
welche die Beklagte zu 2. die Patentrechte und das Know-how besitzt, mit der ihr in dieser Regelung
vertraglich eingeräumten Generalhandlungsvollmacht ausschließlich für Rechnung und im Namen der
Beklagten zu 2. gehandelt. Ua. in Kundenbeziehungen ist die Beklagte zu 1. demgemäß ausschließlich im
Namen der Beklagten zu 2. aufgetreten. Der Marktauftritt zum Vertrieb der W.-Produkte erfolgte
dementsprechend weiterhin über die Internetseite der Beklagten zu 2. Bei der E-Mail-Kommunikation
nach außen hat das EDV-System die E-Mails der Mitarbeiter automatisch mit einer Signatur der
Beklagten zu 2. versehen, geschäftliche Korrespondenz ist auf dem Briefpapier der Beklagten zu 2.
erfolgt.
107
Zwar heißt es in § 8 Vereinbarung 2011, dass die Beklagte zu 1. die genannten Abteilungen
eigenverantwortlich managt und verantwortlich für die gesamten Abläufe ab Auftragseingang bis zum
Zahlungseingang ist, im weiteren Verlauf wird aber wiederholt, dass dabei die Vorgaben der Beklagten zu
2. zu beachten sind. Weiter heißt es in § 12 Vereinbarung 2011, dass im Hinblick auf die Betriebsführung
die Beklagte zu 2. Richtlinien erlassen und Weisungen erteilen und insbesondere bestimmen kann,
welche Arten von Geschäften der vorherigen Zustimmung bedürfen. Was die gewerblichen Schutzrechte
anbelangt, regelt § 10 Vereinbarung 2011 - neben dem Umstand, dass die bisherigen gewerblichen
Schutzrechte im ausschließlichen Eigentum der Beklagten zu 2. verbleiben -, dass neue Entwicklungen
und Erfindungen von der Beklagten zu 2. unbeschränkt in Anspruch genommen und in deren Namen von
der Beklagten zu 1. zum Schutzrecht angemeldet werden.
108
(b) Diese Vereinbarung 2011 ist zwischen der Beklagten zu 2. und der Beklagten zu 1. auch so gelebt
worden.
109
(aa) Die Beklagte zu 1. ist im Außenverhältnis, insb. gegenüber Kunden und Lieferanten, nicht als
Vollrechtsinhaberin, dh. im eigenen Namen, sondern als Generalbevollmächtigte im fremden Namen,
nämlich demjenigen der Beklagten zu 2., aufgetreten. Die notwendige umfassende Nutzung des Betriebs
nach außen liegt damit nicht vor. Dass die Beklagte zu 1. im Verhältnis zu ihren Arbeitnehmern im
eigenen Namen als Betriebsinhaberin aufgetreten ist, genügt nicht. Es kommt, wie das
Bundesarbeitsgericht wiederholt deutlich gemacht hat, gerade nicht allein darauf an, wer im Verhältnis
zur Belegschaft als Inhaber auftritt, sondern auf die umfassende Nutzung des Betriebs nach außen (vgl.
BAG 27. September 2012 - 8 AZR 826/11 - Rn. 21; 10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11 - Rn. 27, 49; 31. Januar
2008 - 8 AZR 2/07 - Rn. 28; 13. Dezember 2007 - 8 AZR 1107/06 - Rn. 24; 20. März 2003 - 8 AZR
312/02 - Rn. 43). Die Ausübung der Arbeitgeberstellung durch die Beklagte zu 1. beruht auf der falschen
Rechtsansicht der Beklagten zu 1. und zu 2. (Vorbemerkung der Vereinbarung 2011), dass am 1. April
2011 ein Betriebsübergang vorgelegen hat. Dieser Irrtum kann jedoch einen Betriebsübergang nicht
begründen.
110
(bb) Die Beklagte zu 1. hat auch nicht die Verfügungsbefugnis über den betrieblichen
Funktionszusammenhang erlangt. Die Betriebsführung durch die Beklagte zu 1. hatte, wie die §§ 6, 8
Vereinbarung 2011 zeigen, nach den Vorgaben der Beklagten zu 2. zu erfolgen, nach § 12 Vereinbarung
2011 war es der Beklagten zu 2. gestattet, diesbezüglich - einseitig und ohne jede Einschränkung -
Richtlinien zu erlassen und Weisungen zu erteilen. Die vertragliche Regelung belässt dadurch „die Zügel“
unzweideutig in der Hand der Beklagten zu 2., sie kann die Betriebsführung der Beklagten zu 1.
jederzeit in beliebigem Ausmaß einschränken und wieder an sich ziehen (vgl. dazu Ingenfeld, Die
Betriebsausgliederung aus der Sicht des Arbeitsrechts 1992 S. 227, der ausführt, dass die beauftragende
Gesellschaft Betriebsinhaberin bleibt, wenn sich die Betriebsführungsgesellschaft deren Weisungen
unterordnet bzw. wenn die beauftragende Gesellschaft die Betriebsführung wieder an sich ziehen kann).
Es kann vor diesem Hintergrund nicht davon gesprochen werden, dass die Beklagte zu 1. eine
eigenständige betriebliche Leitungs- und Organisationsbefugnis bzw. Leitungsmacht - bezogen auf den
betrieblichen Funktionszusammenhang - erlangt hat. Auch ist nicht nachvollziehbar, wie diese
vertragliche Gestaltungsweise mit der vom Bundesarbeitsgericht formulierten Definition eines
Betriebsinhaberwechsels, nach der der bisherige Betriebsinhaber seine wirtschaftliche Betätigung in dem
Betrieb einstellen muss, in Einklang zu bringen sein soll. Die Beklagte zu 1. hat letzten Endes lediglich
als „verlängerter Arm“ der Beklagten zu 2. gewirkt und hat die gleiche Funktion wie jeder sonstige
Generalbevollmächtigte einer Arbeitgeberin auch gehabt, was für einen Betriebsübergang gerade nicht
ausreichend ist (vgl. MüKo HGB-von Hoyningen-Huene 3. Aufl. § 59 Rn. 24). Für den Betrieb
„verantwortlich“ iSd. Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Beklagte zu 2. geblieben.
111
(cc) Die Beklagte zu 1. ist nach außen auch keinerlei Haftung gegenüber Kunden oder Lieferanten
ausgesetzt gewesen. Letztlich ist bei der Beklagten zu 2. das Betriebsrisiko geblieben. Auf der anderen
Seite hat die Beklagte zu 1. auch keine besonderen Gewinnchancen gehabt. Die Beklagte zu 1. hat als
Vergütung von der Beklagten zu 2. gemäß der Vereinbarung 2011 lediglich ihre Lohnkosten zuzüglich
eines 3-prozentigen Aufschlags erhalten. Eine wirtschaftliche, effiziente und kostensparende
Betriebsführung der Beklagten zu 1. wäre somit allein der Beklagten zu 2. zugute gekommen. Die
Beklagte zu 1. hätte vor allem durch ein betriebswirtschaftlich unsinniges Verhalten die Vergütung und
damit den Gewinn steigern können, indem sie die Belegschaft ausgeweitet und damit die Lohnkosten
erhöht hätte.
112
(c) Dass vorliegend nicht von einem Betriebsinhaberwechsel auszugehen ist, wird aus der Entscheidung
des Bundesarbeitsgerichts vom 10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11, die sich mit der Frage eines
Betriebsübergangs im Rettungsdienstgewerbe zu beschäftigen hatte, besonders deutlich. In Rn. 49
grenzt das Bundesarbeitsgericht die - einen Inhaberwechsel bewirkende - umfassende Nutzung nach
außen bzw. das Handeln im eigenen Namen nach außen, die hier nicht vorliegen, gerade von einer -
keinen Inhaberwechsel bewirkenden - Betriebsführung im fremden Namen - als „verlängerter Arm“ des
Auftraggebers - ab, wie sie hier, wie anhand der vertraglichen Gestaltung aufgezeigt wurde, gerade
gegeben ist. Will man an die Kategorisierung in der Rechtsliteratur, nämlich die Einteilung von
Betriebsführungsverträgen in sog. echte Betriebsführungsverträge, die keinen Betriebsübergang
bewirken, und sog. unechte Betriebsführungsverträge, die einen Betriebsübergang nach sich ziehen,
anknüpfen, ist die Vereinbarung 2011 als echter Betriebsführungsvertrag anzusehen. Nach dieser
Kategorisierung liegt ein echter Betriebsführungsvertrag vor, wenn der Betriebsführer nicht im eigenen,
sondern im fremden Namen, nämlich demjenigen des Auftraggebers, auftritt, wie es hier nach außen der
Fall war. Hingegen handelt es sich um einen unechten Betriebsführungsvertrag, wenn der Betriebsführer
im eigenen Namen auftritt und mit den Betriebsmitteln und Arbeitnehmern nach außen hin erkennbar
eigene Zwecke verfolgt, woran es hier fehlt (zu dieser Unterscheidung vgl. etwa
Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen 3. Aufl. G.
Rn. 109; Niklas/Schauß BB 2014, 2805, 2809; Rieble NZA 2010, 1145, 1147; Ingenfeld Die
Betriebsausgliederung aus der Sicht des Arbeitsrechts 1992 S. 227). Soweit in der Literatur zT darauf
abgestellt wird, dass es für das Auftreten im eigenen Namen allein auf die Ausübung des Weisungsrechts
gegenüber den Arbeitnehmern im eigenen Namen ankomme, nicht aber darauf, wer gegenüber außerhalb
des Arbeitsverhältnisses stehenden Dritten als Betriebsinhaber in Erscheinung trete (vgl. HWK/Willemsen
6. Auflage § 613 a Rn. 47; Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Umstrukturierung und Übertragung
von Unternehmen 3. Aufl. G. Rn. 110), ist dies mit der aufgezeigten Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts nicht in Einklang zu bringen, nach der es gerade nicht allein darauf ankommt, wer
im Verhältnis zur Belegschaft als Inhaber auftritt (vgl. auch Winter/Theisen AG 2011, 662, 663, die von
einer echten, keinen Betriebsübergang bewirkenden Betriebsführung ausgehen, wenn der Betriebsführer
gegenüber Geschäftspartnern weiterhin unter der „Marke“ des Betriebseigentümers auftritt).
113
(d) Da im Ergebnis zum 1. April 2011 aus den genannten Gründen kein Betriebsinhaberwechsel auf die
Beklagte zu 1. erfolgt ist, kann dahinstehen, ob der Annahme eines solchen auch noch andere Gründe
entgegenstünden. Dies betrifft vor allem die Problematik, ob und inwieweit der Betriebsführer, um selbst
Betriebsinhaber zu werden, neben dem Auftreten im eigenen Namen nach außen mit der
Betriebsführung eigene wirtschaftliche Zwecke verfolgen muss (vgl. dazu
Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen 3. Aufl. G.
Rn. 111 f.). Wäre die Verfolgung eigener wirtschaftlicher Zwecke Voraussetzung für einen
Inhaberwechsel, erschiene es in Anbetracht der in der Vereinbarung 2011 getroffenen
Vergütungsregelung (Kostenerstattung zuzüglich eines Aufschlages von 3 %) nicht völlig unzweifelhaft,
ob vor diesem Hintergrund von einem Betriebsinhaberwechsel ausgegangen werden könnte.
114
(6) Da bereits mangels Betriebsinhaberwechsels zum 1. April 2011 kein Betriebsübergang iSd. § 613 a
Abs. 1 Satz 1 BGB angenommen werden kann, bedarf es auch keiner Ausführung dazu, ob die übrigen
Voraussetzungen für einen Betriebsübergang gegeben wären, läge ein Inhaberwechsel vor. Dies betrifft
insbesondere den Einwand des Klägers, es sei keine wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität
fortgeführt worden (vgl. dazu BAG 23. September 2010 - 8 AZR 567/09 - Rn. 36).
115
(7) Auch zu einem späteren Zeitpunkt im streitgegenständlichen Zeitraum ist es nicht zu einem
Betriebsübergang iSd. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB von der Beklagten zu 2. auf die Beklagte zu 1
gekommen. Derartiges ist weder behauptet noch erkennbar. Im Gegenteil, die Vereinbarungen 2013 und
2015 beschränken im Vergleich zur Vereinbarung 2011 die Betriebsführung der Beklagten zu 1. weiter.
Hat die Umsetzung der Vereinbarung 2011 bereits keinen Betriebsübergang bewirken können, muss dies
erst Recht für die Folgevereinbarungen gelten. Das Arbeitsverhältnis des Klägers besteht daher über den
31. März 2011 hinaus mit der Beklagten zu 2. fort.
116 bbb) Dem Kläger ist es nicht aufgrund von materiell-rechtlicher Verfristung gemäß § 613 a Abs. 6 Satz 1
BGB verwehrt, sich auf das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2. zu berufen.
Diese Vorschrift ist weder unmittelbar noch analog anwendbar.
117
(1) Nach § 613 a Abs. 6 Satz 1 BGB kann der Arbeitnehmer dem Übergang des Arbeitsverhältnisses
innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB schriftlich
widersprechen. Nach § 613 a Abs. 6 Satz 2 BGB kann der Widerspruch gegenüber dem bisherigen
Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden. Erfolgt ein frist- und formgerechter Widerspruch
verbleibt das Arbeitsverhältnis beim bisherigen Arbeitgeber. Die einmonatige Widerspruchsfrist wird
allerdings nur durch eine ordnungsgemäße Unterrichtung in Lauf gesetzt, andernfalls kann der
Arbeitnehmer noch nach Fristablauf in den Grenzen der Verwirkung dem Betriebsübergang
widersprechen (vgl. etwa BAG 14. November 2013 - 8 AZR 824/12 - Rn. 18, 32). Das Widerspruchsrecht
des § 613 a Abs. 6 Satz 1 BGB ist ein Gestaltungsrecht in Form eines Rechtsfolgenverweigerungsrechts
(vgl. etwa BAG 21. August 2014 - 8 AZR 619/13 - Rn. 27).
118
(2) § 613 a Abs. 6 Satz 1 BGB ist vorliegend nicht unmittelbar anwendbar. Die Bestimmung setzt nämlich
zwingend voraus, dass ein Betriebsübergang stattgefunden hat. Bereits dem Wortlaut des Satz 1 ist zu
entnehmen, dass ein „Übergang des Arbeitsverhältnisses“ Voraussetzung für die Entstehung des
Widerspruchsrechts und damit auch für die Einhaltung des Fristerfordernisses ist. Findet kein
Betriebsübergang statt, fehlt es auch an einem bisherigen Arbeitgeber und einem neuen Inhaber, die
Satz 2 als Adressaten eines Widerspruchs benennt. Für ein Gestaltungsrecht, das fristgebunden
auszuüben ist, ist von vornherein kein Raum, wenn das Arbeitsverhältnis mangels Betriebsüberganges
ohnehin beim bisherigen Arbeitgeber verbleibt. Eine Gestaltung eines Rechtsverhältnisses ist in solch
einem Falle nicht möglich.
119
(3) Auch eine analoge Anwendung des § 613 a Abs. 6 Satz 1 BGB kommt nicht in Betracht. Die analoge
Anwendung einer Norm setzt voraus, dass eine vom Gesetzgeber unbeabsichtigt gelassene Lücke vorliegt
und diese Planwidrigkeit aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden kann. Analoge
Gesetzesanwendung erfordert darüber hinaus, dass der gesetzlich ungeregelte Fall nach Maßgabe des
Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge
verlangt wie die gesetzessprachlich erfassten Fälle (vgl. BAG 10. Dezember 2013 - 9 AZR 51/13 - Rn. 23).
Diese Voraussetzungen liegen offenkundig nicht vor. Weder kann aufgrund konkreter Umstände positiv
festgestellt werden, dass eine unbeabsichtigt gelassene Gesetzeslücke vorliegt, noch verlangt der
gesetzlich ungeregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von
Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge. Im Gegenteil, es wäre widersprüchlich ein
fristgebundenes Gestaltungsrecht analog anwenden zu wollen, wo ein Gestaltungsbedürfnis überhaupt
nicht gegeben ist. Den Belangen des Arbeitgebers im Falle eines vermeintlichen Betriebsüberganges, der
sich im Nachhinein nicht als solcher erweist, kann ggf. durch die Anwendung der Grundsätze der
materiell-rechtlichen Verwirkung hinreichend Rechnung getragen werden, sofern deren Voraussetzungen
vorliegen. Liegt kein Betriebsübergang vor, ist die Unterrichtung des Arbeitgebers, ein solcher finde statt,
unrichtig. Weshalb gerade hier eine Widerspruchsfrist zu laufen beginnen soll, während sie in den übrigen
Fällen einer fehlerhaften Unterrichtung bei Vorliegen eines Betriebsübergangs gerade nicht in Lauf
gesetzt wird, ist nicht nachvollziehbar. Eine Analogie vermiede hier keine Wertungswidersprüche,
sondern führte zu solchen.
120 ccc) Dem Kläger ist es nicht aufgrund von materiell-rechtlicher Verwirkung gemäß § 242 BGB verwehrt,
sich auf das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2. zu berufen. Die
Voraussetzungen einer materiell-rechtlichen Verwirkung liegen nicht vor.
121
(1) Die materiell-rechtliche Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB).
Mit ihr wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie beruht auf dem
Gedanken des Vertrauensschutzes und dient - wie die Verjährung - dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit
und Rechtsklarheit. Mit der Verwirkung soll das Auseinanderfallen zwischen rechtlicher und sozialer
Wirklichkeit beseitigt werden; die Rechtslage wird der sozialen Wirklichkeit angeglichen. Die Verwirkung
verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner bereits dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen
Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss
vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er sein Recht nicht
mehr geltend machen wolle, sodass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch
genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf
Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des
Begehrens nicht mehr zuzumuten ist (vgl. etwa BAG 11. Dezember 2014 - 8 AZR 838/13 - Rn. 24, 25).
122
(2) Gemessen daran liegt keine materiell-rechtliche Verwirkung vor. Es fehlt jedenfalls an dem
erforderlichen Umstandsmoment. Dies folgt aus den Erwägungen, die die Kammer im Rahmen der
Erörterung der Prozessverwirkung angestellt hat und auf die an dieser Stelle Bezug genommen wird
(siehe oben, Ziff. I. 2. a) bb) bbb) (2)). Aufgrund der dort dargelegten Gründe kann auch im Rahmen der
Prüfung der materiell-rechtlichen Verwirkung nicht vom Vorliegen eines Umstandsmoments ausgegangen
werden. Der Beklagten zu 2. ist die Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses des Klägers
mit ihr über den 31. März 2011 hinaus nicht unzumutbar.
123 ddd) Da das Arbeitsverhältnis des Klägers mangels Betriebsüberganges auf die Beklagte zu 1. bei der
Beklagten zu 2. verblieben ist, es dem Kläger mangels Verfristung und mangels Verwirkung auch nicht
verwehrt ist, sich hierauf zu berufen, und sein Feststellungsantrag bereits deswegen begründet ist, kann
offen bleiben, ob das Arbeitsverhältnis, selbst wenn zum 1. April 2011 ein Betriebsübergang
stattgefunden hätte, möglicherweise gleichwohl in der Folgezeit mit der Beklagten zu 2. fortbestanden
hätte bzw. ob sich diese so behandeln lassen müsste, als hätte es mit ihr fortbestanden. Dies betrifft zum
einen die Frage, ob, hätte ein Betriebsübergang vorgelegen, der Kläger infolge etwaiger unzureichender
Unterrichtung iSd. § 613 Abs. 5 BGB diesem mit seiner Klageerweiterung gegen die Beklagte zu 2. noch
wirksam widersprechen hätte können und das Arbeitsverhältnis deswegen bei dieser verblieben wäre.
Dies betrifft zum anderen die Problematik, ob, hätte ein Betriebsübergang vorgelegen, die Beklagte zu 2.
sich aufgrund des Einwandes des Gestaltungsmissbrauches (§ 242 BGB) so behandeln lassen müsste, als
wäre dieser nicht erfolgt und deswegen nach wie vor als Arbeitgeberin anzusehen wäre (vgl. dazu
Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Umstrukturierung und Übertragung von
124 b) Der Weiterbeschäftigungsantrag, mit dem der Kläger die Verurteilung der Beklagten zu 2. erstrebt, ihn
zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits
als Pressarbeiter weiter zu beschäftigen, ist ebenfalls zulässig und begründet.
125 aa) Der Weiterbeschäftigungsantrag ist zulässig.
126 aaa) Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt. Insoweit wird auf die Ausführungen verwiesen, die in den
Zwangsvollstreckungsverfahren gegen die Beklagte zu 2. zur Bestimmtheit von
Weiterbeschäftigungstiteln erfolgt sind (zum Beispiel Beschluss vom 9. November 2015 - 15 Ta 21/15).
127 bbb) Auch eine entgegenstehende Rechtskraft iSd. § 322 Abs. 1 ZPO kann nicht zu einer Unzulässigkeit
des Weiterbeschäftigungsantrags des Klägers führen. Zwar wurde rechtskräftig durch das
arbeitsgerichtliche Sachurteil gegenüber der Beklagten zu 1. eine Weiterbeschäftigungsverpflichtung
tituliert. Aus den unter Ziff. I. 2. a) bb) aaa) genannten Gründen kann auch insoweit allerdings keine
Rechtskrafterstreckung angenommen werden.
128 ccc) Es ist auch nicht rechtsmissbräuchlich oder widersprüchlich, dass sich der Kläger sowohl mit einer
Kündigungsschutzklage gegen die Beklagte zu 1. zur Wehr setzt und daneben Weiterbeschäftigung von
der Beklagten zu 2 begehrt. Auf obige Ausführungen hierzu wird verwiesen. Der Kläger wird sich nach
Abschluss des Verfahrens lediglich entscheiden müssen, gegenüber wem er seine Beschäftigungspflicht
erfüllen möchte.
129 bb) Der Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers ist auch begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte zu
2. in Anbetracht seines Obsiegens mit dem Feststellungsantrag, mit dem das Bestehen eines
Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2. festgestellt wurde, einen allgemeinen
Weiterbeschäftigungsanspruch bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits.
130 aaa) Der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits ist
bei einem erst- oder zweitinstanzlichen Obsiegen des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess von der
ständigen Rechtsprechung anerkannt (st. Rspr. seit BAG 27. Februar 1985 - GS 1/84): Danach begründet
die Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsprozesses - außer im Fall einer offensichtlich
unwirksamen Kündigung - zunächst ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der
Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Kündigungsprozesses. Dieses
überwiegt in der Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers allerdings nur bis zu dem
Zeitpunkt, in dem im Kündigungsprozess ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil
ergeht. Solange ein solches Urteil besteht, kann die Ungewissheit des Prozessausgangs für sich allein ein
überwiegendes Gegeninteresse des Arbeitgebers nicht mehr begründen. Hinzukommen müssen dann
vielmehr zusätzliche Umstände, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des
Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer trotz des Urteils nicht zu beschäftigen. Andersfalls hat der
Arbeitgeber den Arbeitnehmer während der Dauer des Rechtsstreits weiter zu beschäftigen.
131 bbb) Dieser allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch besteht nicht nur, wenn über die Wirksamkeit
einer Kündigung gestritten wird, sondern auch bei einem Streit über andere Beendigungstatbestände,
etwa über eine Befristung, eine auflösende Bedingung oder einen Aufhebungsvertrag (vgl. BAG 16.
Januar 1992 - 2 AZR 412/91 - Rn. 34). Nicht anders kann die Rechtslage beurteilt werden, wenn im Streit
steht, ob ein Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber infolge eines Betriebsüberganges geendet
hat. Nimmt man hier zunächst ein im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigendes
schutzwertes Interesse des bisherigen Arbeitgebers an, den Arbeitnehmer bei unsicherem Bestand des
Arbeitsverhältnisses mit ihm für die Dauer des Rechtsstreits nicht zu beschäftigen, muss, wenn - wie
vorliegend - das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses mit dem bisherigen Arbeitgeber durch
Gerichtsurteil festgestellt wird, der bisherige Arbeitgeber auch hier zusätzliche Gründe für eine
Nichtbeschäftigung für den weiteren Verlauf des Rechtsstreits anführen. Die Interessenlage unterscheidet
sich nicht (vgl. BAG 12. September 1985 - 2 AZR 193/14 - Rn. 49; LAG Baden-Württemberg 18. August
2015 - 4 Sa 19/15 - Rn. 36; 5. Juli 2012 - 21 Sa 173/11 - Rn. 101).
132 ccc) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der Kläger den von ihm geltend gemachten Anspruch,
von der Beklagten zu 2. zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen bis zum rechtskräftigen
Abschluss des Rechtsstreits als Pressarbeiter weiterbeschäftigt zu werden. Er hat mit einem
Feststellungsantrag obsiegt, vom Berufungsgericht wurde das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses
zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2. festgestellt. Ein überwiegendes Gegeninteresse der
Beklagten zu 2. an einer Nichtbeschäftigung des Klägers besteht nicht, insbesondere besteht keine
Unmöglichkeit, den Weiterbeschäftigungsanspruch zu erfüllen.
133
(1) Mit dem Einwand, eine Weiterbeschäftigung des Klägers sei ihr unmöglich, weil sie keinen Betrieb und
keine Arbeitsplätze mehr unterhalte, vermag die Beklagte zu 2. nicht durchzudringen. Es wurde gerade
festgestellt, dass die Beklagte zu 2. Betriebsinhaberin geblieben ist, ihr Betrieb mithin nicht auf die
Beklagte zu 1. übergegangen ist. Unstreitig standen und stehen die materiellen und immateriellen
Betriebsmittel sowie das Betriebsgrundstück unverändert im Eigentum der Beklagten Ziff. 2. Die
Produktion der W.-Produkte findet nach wie vor statt, der Arbeitsplatz des Klägers im Betrieb in O.
existiert weiterhin. Es wird gerade nicht geltend gemacht, dass die Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb
rein tatsächlich nicht mehr vorhanden ist, etwa weil die Produktion eingestellt wurde. Soweit die
Beklagte Ziff. 2 ihren Unmöglichkeitseinwand auf rechtliche Hindernisse in Gestalt vertraglicher
Beziehungen mit Drittunternehmen stützt, weil sie die Fertigungsaufträge seit 2011 an andere
Unternehmen vergebe und sie vertraglich verpflichtet sei, Räume und Maschinen diesen zur Nutzung zu
überlassen, vermag auch daraus keine Unmöglichkeit einer Weiterbeschäftigung des Klägers abgeleitet zu
werden. Die Beklagte zu 2. hat aufgrund der vorliegenden Vereinbarungen 2011, 2013 und 2015 mit der
Beklagten zu 1. die Betriebsinhaberschaft nicht verloren. Letztgenannte Vereinbarung endete im Übrigen
am 31. Mai 2015 (vgl. § 8 Vereinbarung 2015). Sachvortrag, aufgrund welcher etwaigen nachfolgenden
Vereinbarungen mit welchen Firmen welchen Inhalts mittlerweile eine Weiterbeschäftigung rechtlich
unmöglich geworden sein soll, fehlt im vorliegenden Verfahren. Soweit die Beklagte zu 2. vorgebracht
hat, sie verfüge nicht über technisch erfahrene Aufsichtspersonen für die Produktionsmitarbeiter, ist
darauf hinzuweisen, dass in Anbetracht der Fortsetzung der Produktion davon auszugehen ist, dass
geeignetes Aufsichtspersonal vorhanden ist, auch wenn die Aufsichtspersonen nicht bei der Beklagten zu
2. angestellt sein sollten (näher dazu vgl. LAG Baden-Württemberg 9. November 2015 - 17 Ta 23/15 - Rn.
57 f.).
134
(2) Der Umstand, dass der Kläger vier Jahr lang nicht geltend gemacht, dass die Beklagte zu 2. seine
Arbeitgeberin sei, ist ebenfalls unerheblich. Der Weiterbeschäftigungsanspruch ist materiell-rechtlich nicht
verwirkt. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen zum Feststellungsantrag Bezug genommen
werden, die für den Weiterbeschäftigungsantrag entsprechend gelten.
II.
135 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, 92 Abs. 1 Satz 1,100 Abs. 1 ZPO. Danach
hat die im Berufungsverfahren vollumfänglich unterlegene Beklagte zu 2. die Kosten des
Berufungsverfahrens und haben die erstinstanzlich unterlegene Beklagte zu 1. und die Beklagte zu 2. die
erstinstanzlichen Kosten zu jeweils 50 % zu tragen.
III.
136 Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.