Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 25.10.2016

freizeit, normale arbeitszeit, arbeitsgericht, gleichbehandlung

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 25.10.2016, 19 Sa 26/16
Zeitgutschrift für geleistete Betriebsratstätigkeit
Leitsätze
Ein Betriebsratsmitglied, dessen Arbeitszeit im Rahmen von zwölfstündigen Schichten zu leisten ist, hat für
außerhalb seiner Arbeitszeit durchgeführte Betriebsratstätigkeit nur einen Anspruch auf eine Zeitgutschrift für
die tatsächlich aufgewendete Zeit. Das Betriebsratsmitglied kann nicht verlangen, dass ihm für die Teilnahme
an einer achtstündigen Betriebsratssitzung eine Zeitgutschrift von zwölf Stunden entsprechend seiner
individuellen täglichen Arbeitszeit erteilt wird.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 23. Februar 2016 - 2 Ca 401/15
- wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten darüber, in welcher Höhe dem Kläger Zeitgutschriften für geleistete
Betriebsratstätigkeit zu gewähren sind. Der Kläger begehrt für Tage, an denen er an jeweils achtstündigen
Betriebsratssitzungen teilgenommen hat, eine Zeitgutschrift von - seiner individuellen täglichen Arbeitszeit
entsprechenden - 12 Stunden.
2 Der Kläger ist bei dem Beklagten als Rettungssanitäter beschäftigt und nicht freigestelltes
Betriebsratsmitglied des bei ihm gebildeten Betriebsrats. Der Beklagte ist ein Kreisverband des Deutschen
Roten Kreuzes.
3 Basis der arbeitsvertraglichen Beziehungen ist der Arbeitsvertrag vom 28. August 1991, ergänzt durch
Vertrag vom 1. bzw. 2. August 2013 (Bl. 49 bis 53 der Berufungsakte; ob die Unterschrift des Klägers am 1.
oder 2. August 2013 geleistet wurde, ist nach der Handschrift nicht zweifelsfrei feststellbar). Gemäß § 1 II.
1. des Arbeitsvertrages gilt für das Arbeitsverhältnis "der für den Arbeitgeber geltende Tarifvertrag über
Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes (DRK-
Tarifvertrages) und den diesen ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen des
Arbeitgebers". Für den streitgegenständlichen Zeitraum ist dies der DRK-Reformtarifvertrag (auszugsweise
vorgelegt als Anlage K1 in der Fassung des 41. Änderungstarifvertrages zum DRK-Reformtarifvertrag, Bl. 26
bis 29 der Berufungsakte).
4 § 12 des DRK-Reformtarifvertrags in oben genannter Fassung lautet:
5
"§ 12 Regelmäßige Arbeitszeit
6
(1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen durchschnittlich 38,5 Stunden
wöchentlich; ab dem 1. Juni 2008 durchschnittlich 39 Stunden wöchentlich. Vorbehaltlich Abs. 6 verbleibt es
für die im Rettungsdienst beschäftigen Mitarbeiter (Mobiler Rettungsdienst, Krankentransport und
Rettungsleitstelle) bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden.
7
(2) Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von
bis zu einem Jahr zugrunde zu legen. Abweichend von Satz 1 kann bei Mitarbeitern, die ständige
Wechselschicht oder Schichtarbeit zu leisten haben, ein längerer Zeitraum zugrunde gelegt werden.
(...)
8
(6) Die regelmäßige Arbeitszeit kann verlängert werden bis zu 12 Stunden täglich
9
a) und durchschnittlich 45 Stunden wöchentlich, wenn in sie regelmäßig eine Arbeitsbereitschaft von
durchschnittlich mindestens zwei Stunden täglich fällt,
(...)"
10 Der Beklagte hat von der Möglichkeit nach § 12 Abs. 6 DRK-Reformtarifvertrag Gebrauch gemacht und die
regelmäßige tägliche Arbeitszeit entsprechend verlängert.
11 § 15 DRK-Reformtarifvertrag (lediglich durch die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegt, vgl. Bl.
44 der erstinstanzlichen Akte) lautet, soweit hier von Interesse:
12 "§ 15 Arbeitszeitkonto
13 (1) Dem DRK steht es frei, für die Mitarbeiter eines Betriebes oder einzelner Betriebsteile Arbeitszeitkonten
einzurichten. Besteht im Betrieb ein Betriebsrat, erfolgt die Ausgestaltung durch eine Betriebsvereinbarung,
anderenfalls durch Tarifvertrag auf der Ebene der Landestarifgemeinschaft/Landesbezirke. Soweit ein
Arbeitszeitkorridor (§ 12 Abs. 10) oder eine Rahmenzeit (§ 12 Abs. 11) vereinbart wird, ist ein
Arbeitszeitkonto einzurichten.
14 (2) Auf das Arbeitszeitkonto können Zeiten, die bei Anwendung des nach § 12 Abs. 2 festgelegten
Zeitraums als Zeitguthaben oder als Zeitschuld bestehen bleiben, nicht durch Freizeit ausgeglichene Zeiten
nach § 14 Abs. 2 Satz 6 und Abs. 6 sowie in Zeit umgewandelte Zuschläge nach § 14 Abs. 2 Satz 5 gebucht
werden. Weitere Kontingente (zB. Rufbereitschafts-/Bereitschaftsdienstentgelte) können durch
Betriebsvereinbarung zur Buchung freigegeben werden.
15 (3) Mit der Einrichtung eines Arbeitszeitkontos sind insbesondere folgende Regelungen zu treffen:
16 a) Die höchstmögliche Zeitschuld und das höchstzulässige Zeitguthaben, die innerhalb eines bestimmten
Zeitraumes anfallen dürfen;
b) Fristen und Voraussetzungen für das Abbuchen von Zeitguthaben und/oder für den Abbau von
Zeitschulden;
c) Regelungen zur Krankheit während der Abbuchungsphase.“
17 § 41 DRK Reformtarifvertrag lautet wie folgt:
18 Ausschlussfrist
19 1. Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs
Monaten nach Fälligkeit schriftlich gegenüber dem Arbeitsvertragspartner geltend gemacht werden.
20 2. Ansprüche aus unerlaubten oder mit Strafe bedrohten Handlungen bleiben unberührt.
21 Unter dem Datum des 1. März 2012 schlossen der Beklagte und der bei ihm gebildete Betriebsrat eine
Betriebsvereinbarung (Bl. 36 bis 41 der erstinstanzlichen Akte). Die Betriebsvereinbarung soll gemäß der
Präambel die Interessen des Betriebes des Deutschen Roten Kreuzes, Kreisverband R., an sachgerechter
Durchführung von Rettungsdienst und Krankentransport unter den bestehenden und zukünftigen
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die Gestaltung der Arbeitszeit der Beschäftigten unter Wahrung
des Arbeitszeit- und Gesundheitsschutzes auf Basis des DRK-Tarifvertrages in Einklang bringen. Gemäß
Ziffer 1 regelt die Betriebsvereinbarung die Lage und Verteilung der Arbeitszeit der dort beschäftigten
Rettungsassistenten, Rettungssanitäter und Rettungshelfer.
22 Ziffer 2 der Betriebsvereinbarung lautet wie folgt:
23 "Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit
24 Die Parteien sind sich einig, dass der Rahmendienstplanturnus der einzelnen Rettungswachen auf einer
höchstzulässigen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 45 Stunden unter Einbeziehung von
Arbeitsbereitschaft beruht.
25 Für Mitarbeiter, die im Rahmen ihres Dienstplanturnus in Krankentransportschichten eingeteilt sind, gilt für
diese Tage entsprechend dem DRK-Reformtarifvertrag die 38,5-Stunden-Woche.
26 Der Rahmendienstplan gibt die Arbeitstage vor, die der Arbeitgeber fordert und bezahlt. Aus dem
Rahmendienstplan erwachsen weder Stundenguthaben noch Stundenschulden.
27 Werden über die im Rahmendienstplan festgelegten Schichten hinaus zusätzliche Dienste übernommen, so
werden diese auf dem Stundenkonto (Abs. 10) gutgeschrieben. Der Beginn und das Ende der einzelnen
Schichten und die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage ergeben sich aus dem
Rahmendienstplanturnus, der als Anlage 1 dieser Betriebsvereinbarung beigefügt ist und aus dem die
einzelnen Monatsdienstpläne entwickelt werden. Änderungen des Rahmendienstplanturnus bedürfen der
Zustimmung des Betriebsrates.
28 Ziffer 10 der Vereinbarung lautet:
29 "Stundenkonto
30 Es wird ein Stundenkonto für jeden Mitarbeiter eingerichtet.
31 Auf diesem werden alle über den Rahmendienstplan hinaus geleisteten Stunden geführt. Die Kontenstände
sind dem Betriebsrat monatlich mitzuteilen.
32 - Auf Antrag des Mitarbeiters können die Stunden aus dem Stundenkonto als Freizeitausgleich abgebaut
werden.
- Das maximale Guthaben beträgt + 90 Stunden. Darüber hinaus aufgebautes Guthaben muss in den
nächsten 14 Tagen als Freizeitausgleich beantragt werden. Erfolgt kein Antrag, sind die Dienstplaner
berechtigt, die Stunden des Mitarbeiters abzubauen! Dazu können
alle
Schichten herangezogen werden!
- Aus nicht abgebauten Zeitguthaben können auf Antrag des Mitarbeiters 2x jährlich mit Stand zum 01.01.
bzw. 01.07. jeweils maximal 30 Stunden mit dem Überstundenzuschlag nach § 14 Abs. 2.a DRK- RTV
ausbezahlt werden."
33 Der Kläger arbeitet in Arbeitsschichten von zwölf Stunden täglich. Er verdient 18,42 Euro brutto pro Stunde
(Vergütungsgruppe E 8, Stufe 4).
34 In den Jahren 2014 sowie 2015 nahm der Kläger an folgenden Tagen an jeweils achtstündigen
Betriebsratssitzungen außerhalb seiner Arbeitszeit teil: Im Jahr 2014 am 3. Februar, 17. Februar, 17. März,
1. April, 28. April. 2. Juni, 1. Juli, 15. Juli, 1. Oktober und 1. Dezember sowie im Jahr 2015 am 1. April, 15.
April. 5. Mai, 1. Juli, 15. Juli und 28. Juli.
35 Für die Teilnahme an den jeweils achtstündigen Sitzungen gewährte der Beklagte dem Kläger eine
Zeitgutschrift in Höhe von acht Stunden. Diese Praxis wendet der Beklagte auch bei anderen
Betriebsratsmitgliedern an, die an einer Betriebsratssitzung außerhalb ihrer persönlichen Arbeitszeit
teilnehmen.
36 Findet eine Betriebsratssitzung in der persönlichen Arbeitszeit eines Betriebsratsmitglieds statt, wird dieses
nach der Praxis des Beklagten nicht zur weiteren Arbeitsleistung herangezogen, auch wenn die persönliche
tägliche Arbeitszeit des Betriebsratsmitgliedes zwölf Stunden beträgt.
37 Der Kläger war der Auffassung, ihm stehe für einen Tag, an dem er acht Stunden Betriebsratsarbeit geleistet
habe, eine Zeitgutschrift von zwölf Stunden zu. Der hier einschlägige § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG dürfe nicht
nur quantitativ in dem Sinne verstanden werden, dass lediglich tatsächlich aufgewendete Zeit
gutzuschreiben sei. Geboten sei vielmehr eine qualitative Betrachtungsweise, welche die Regelungen des
Tarifvertrages zur Arbeitszeit mit einbeziehe. Seine arbeitstägliche Arbeitszeit betrage danach zwölf
Stunden. Da die Betriebsratsarbeit regelmäßig keine Zeiten der Arbeitsbereitschaft und schon gar nicht
solche von arbeitstäglich mehr als zwei Stunden beinhalte, „könne die Zeit der Betriebsratsarbeit nur den
durch anfallende Zeiten der Arbeitsbereitschaft im Rettungsdienst ausgedehnten Arbeitszeiten wie beim
Beklagten praktiziert entsprechen“. Dies sei auch Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 12.
August 2009 - 7 AZR 218/08). Somit entspreche eine arbeitstägliche Betriebsratstätigkeit von acht Stunden
einer täglichen Zwölf-Stunden-Arbeitsschicht im Rettungsdienst.
38 Für diese Auffassung streite auch, dass der Beklagte Betriebsratsmitgliedern, welche an der
Betriebsratssitzung innerhalb ihrer Arbeitszeit teilnehmen, eine zwölfstündige Zeitgutschrift erteile, ohne
dass die jeweiligen Betriebsratsmitglieder nach der Sitzung noch zur Arbeit herangezogen würden. Auch bei
der Teilnahme von Rettungssanitätern und Rettungsassistenten an achtstündigen schulischen Fortbildungen
würde eine Zeitgutschrift von zwölf Stunden gewährt, ohne dass die Fortbildungsdauer diese Stundenzahl
erreichen würde.
39 Ihm seien für die Teilnahme an den Betriebsratssitzungen an den genannten 16 Terminen deshalb jeweils
vier Stunden zu wenig gutgeschrieben worden, er begehre eine Gutschrift von 64 Stunden.
40 Der Kläger hat beantragt:
41
1. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Zeitgutschrift in Höhe von 64 Stunden zu
gewähren.
42
2. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für je acht Stunden Betriebsratstätigkeit eine
Zeitgutschrift von zwölf Stunden zu gewähren.
43 Der Beklagte hat beantragt,
44
die Klage abzuweisen.
45 Er hat die Klage bereits für unschlüssig gehalten. Der Kläger habe schon nicht vorgetragen, dass die
Betriebsratsarbeit aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit stattgefunden habe. Überdies
sei die Ausschlussfrist des § 41 DRK-Reformtarifvertrag nicht eingehalten. Hinzu komme, dass der
Freizeitausgleich im Rahmen des § 37 Abs. 3 BetrVG nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes
nicht tageweise, sondern stundenbezogen zu ermitteln sei (vgl. BAG 25. August 1999 - 7 AZR 713/97).
Insofern könne der Kläger nur die tatsächlich für die Betriebsratsarbeit aufgewendeten Zeiten
gutgeschrieben bekommen.
46 Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 23. Februar 2016 abgewiesen. Es hat die Klage für zulässig,
aber unbegründet gehalten. Einzig ersichtliche Anspruchsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten
Anspruch sei § 37 BetrVG. Dieser sei dergestalt anzuwenden und zu verstehen, dass dem
Betriebsratsmitglied ein Ausgleichsanspruch in dem Umfang der von ihm aufgewendeten Zeit zustehe.
Insbesondere sei eine stundenweise und keine tageweise Betrachtungsweise geboten. Der Kläger könne
folglich seinen Freizeitausgleich nicht nach der Formel "acht = zwölf" berechnen.
47 Das Urteil ist dem Kläger am 14. April 2016 zugestellt worden. Hiergegen hat er am 2. Mai 2016 Berufung
eingelegt und diese am 2. Juni 2016 begründet. Die Berufung wendet sich gegen die Abweisung des
Antrages 1 auf eine Zeitgutschrift von 64 Stunden.
48 Der Kläger trägt vor, dass das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt habe, dass denjenigen
Betriebsratsmitgliedern, die an achtstündigen Betriebsratssitzungen in ihrer Arbeitszeit teilnähmen, die
gesamte Zwölf-Stunden-Schicht gutgeschrieben werde. Es sei kein sachlicher Grund dafür ersichtlich,
weshalb demgegenüber Betriebsratsmitglieder, die Betriebsratstätigkeit außerhalb ihrer gewöhnlichen
Arbeitszeit (Zwölf-Stunden-Schicht) verrichteten, schlechter gestellt würden als diejenigen, die
Betriebsratstätigkeit innerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit ausübten. Entgegen der Auffassung des
Arbeitsgerichts sei auch bereits dem Gesetzestext "entsprechende Arbeitsbefreiung" in § 37 Abs. 3 Satz 1
BetrVG zu entnehmen, dass eine Eins-zu-Eins-Bewertung der aufgewandten Betriebsratstätigkeit und der
gutzuschreibenden Arbeitszeit nicht vorgeschrieben sei. Entsprechend bedeute nicht deckungsgleich,
sondern laut Duden "angemessen, zu etwas in richtigem Verhältnis stehend", laut Wiktionary "zu einer
Sachen passend" oder laut Wahrig "analog, im Sinne einer Analogie übereinstimmend". Auch aus der
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 12. August 2009 - 7 AZR 218/08 - sei zu folgern, dass Zeiten,
die ein Betriebsratsmitglied außerhalb seiner Arbeitszeit im Zusammenhang mit
betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben aufwende, einen Anspruch auf Freizeitausgleich auslösten, wenn
eine im Betrieb geltende tarifliche und betriebliche Regelung die Bewertung diese Zeiten als Arbeitszeiten
vorsehe. In der genannten Entscheidung habe das Bundesarbeitsgericht dies explizit für Reisezeiten des
Betriebsratsmitglieds festgestellt.
49 Der Kläger beantragt:
50
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 23. Februar 2016 wird im Kostenpunkt
aufgehoben und ansonsten wie folgt geändert:
51
2. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Zeitgutschrift in Höhe von 64 Stunden zu
gewähren.
52 Der Beklagte beantragt,
53
die Berufung zurückzuweisen
.
54 Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Zu beanstanden sei insbesondere nicht der stundenbezogene
Ansatzpunkt. Gleiches gelte für die weitere Überlegung, wonach die Abrechnung auf der Grundlage der
tatsächlich aufgewendeten Zeit zu erfolgen habe, dass also acht Stunden Betriebsratstätigkeit außerhalb
der Arbeitszeit einen Freizeitausgleich etc. von acht Stunden nach sich ziehe. Etwas anderes lasse sich auch
nicht aus dem Prinzip der Gleichbehandlung herleiten. Richtig sei, dass Betriebsratsmitglieder, welche die
achtstündige Betriebsratssitzung an einem Tag abhielten, zu dem sie zu einer Zwölf-Stunden-Schicht
eingeteilt seien, eben diese zwölf Stunden vergütet erhielten. Dies resultiere jedoch nur aus dem Umstand,
dass vor oder nach der Sitzung eine sinnvolle Arbeitstätigkeit nicht mehr möglich sei. Unabhängig von
diesem sachlichen Grund bestünde ein Unterschied zwischen Betriebsratstätigkeit während und außerhalb
der Arbeitszeit. Für Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit gelte das Lohnausfallprinzip
uneingeschränkt; für die Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit gehe es hingegen um einen
Ausgleichsanspruch für die Nachteile, die ein Betriebsratsmitglied dadurch erleide, dass es aus
betriebsbedingten Gründen zur Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben Freizeit opfern müsse. Ein davon
unabhängiger Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung bestehe nicht. Entgegen der
Auffassung des Klägers liefe die Gewährung von einem Ausgleich für zwölf Stunden auf eine
ungerechtfertigte Besserstellung des Betriebsratsmitgliedes hinaus. Dies ergebe sich bereits daraus, dass
dem Kläger auf diese Art im Extremfall fünf Mal zwölf Stunden pro Woche vergütet werden müssten.
55 Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteivorbringens wird gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG, § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO
auf den Inhalt der in den Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle
über die mündlichen Verhandlungen in erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
56 Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
57 Die Berufung des Klägers ist bereits gemäß 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG statthaft. Sie wurde überdies durch
das Arbeitsgericht zugelassen. Hieran ist das Landesarbeitsgericht gemäß § 64 Abs. 4 ArbGG gebunden. Die
Berufung ist auch gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG, § 519 ZPO in der gesetzlichen Form und nach § 66 Abs. 1
Sätze 1 und 2 ArbGG fristgerecht eingelegt und begründet worden.
II.
58 In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
59 1. Die Klage ist zulässig. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass der Antrag, einem
Arbeitszeitkonto Stunden gutzuschreiben, hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist, wenn der
Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht
aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können, und das Leistungsbegehren konkretisiert,
an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll (st. Rspr., vgl. etwa BAG 12. Dezember
2012 - 5 AZR 918/11, Rn. 33; BAG 21. März 2012 - 5 AZR 676/11 Rn. 16 mwN). Im konkreten Fall führt der
Beklagte für den Kläger ein Arbeitszeitkonto gemäß § 15 DRK-Reformtarifvertrag iVm. Nr. 10 der
Betriebsvereinbarung vom 1. März 2012. Auf dieses können die aus Sicht des Klägers fälschlicherweise nicht
erfassten Arbeitszeiten noch aufgenommen werden. Zweifel, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die
Gutschrift erfolgen soll, bestehen nicht.
60 2. Die Klage ist aber unbegründet. Der Kläger hat lediglich einen Anspruch auf Gutschrift der tatsächlich
aufgewendeten Zeit für die Betriebsratsarbeit.
61 a) Streitentscheidende Norm ist, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, § 37 Abs. 3 BetrVG. Eine
andere Anspruchsgrundlage ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hat das
Betriebsratsmitglied Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung und auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts
zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die - wie vorliegend unstreitig und unproblematisch - aus
betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist.
62 Die Regelungen in § 37 Abs. 2 und Abs. 3 BetrVG sorgen dafür, dass den Betriebsratsmitgliedern durch ihre
Betriebsratstätigkeit keine Vermögensnachteile entstehen. Dementsprechend sind die
Betriebsratsmitglieder nach § 37 Abs. 2 BetrVG im erforderlichen Umfang ohne Minderung des
Arbeitsentgelts von ihrer beruflichen Tätigkeit zu befreien. Nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hat ein
Betriebsratsmitglied Anspruch auf entsprechend bezahlte Arbeitsbefreiung, wenn es Betriebsratstätigkeit
aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen hat. Wenn der Freizeitausgleich
innerhalb eines Monats aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich ist, muss der Arbeitgeber die
aufgewendete Zeit gemäß § 37 Abs. 3 Satz 3 BetrVG wie Mehrarbeit vergüten. Mitglieder des Betriebsrats
erhalten danach weder eine Amtsvergütung noch ist die Betriebsratstätigkeit eine zu vergütende
Arbeitsleistung. Vielmehr gilt das Lohnausfallprinzip. Dieses wird durch § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht
durchbrochen. Der dort geregelte Freizeitausgleich für die außerhalb der Arbeitszeit durchgeführte
Betriebsratstätigkeit betrifft lediglich die Folgen einer aus betriebsbedingten Gründen notwendigen
Abweichung von dem Grundsatz, dass Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit stattzufinden hat. Es
handelt sich im Ergebnis um ein zeitlich verschobenes Arbeitsentgelt für eine sonst in der persönlichen
Arbeitszeit anfallende Betriebsratstätigkeit, die nur infolge eines dem Arbeitgeber zuzurechnenden
Umstands in die Freizeit verlegt worden ist (BAG 19. März 2014 - 7 AZR 480/12 - Rn. 16; 5. Mai 2010 - 7
AZR 728/08 - Rn. 29 mwN).
63 Die Frage des Umfangs des Ausgleiches ist in Rechtsprechung und Literatur bislang immer dahingehend
beantwortet worden, dass die tatsächlich aufgewendete Zeit für die Betriebsratsarbeit maßgeblich ist.
64 Das BAG hat bereits mit Urteil vom 19. Juli 1977 entschieden, dass ein Betriebsratsmitglied, das aus
betriebsbedingten Gründen außerhalb der Betriebszeit Betriebsratsarbeit durchführen muss, nach § 37 Abs.
3 BetrVG nur Anspruch auf Arbeitsbefreiung hat, die der tatsächlich für die Betriebsratstätigkeit
aufgewandten Zeit entspricht (BAG 19. Juli 1977 - 1 AZR 376/74 - Leitsatz). Das Betriebsratsmitglied solle,
wie sich aus dem jedenfalls insoweit eindeutigen Wortlaut des § 37 Abs. 3 BetrVG ergebe, für die von ihm
aus betriebsbedingten Gründen außerhalb seiner Arbeitszeit geleistete Betriebsratstätigkeit nur einen
Ausgleich - eine Art Entschädigung - erhalten. Diese Betriebsratstätigkeit sei somit nicht gleichzusetzen mit
der beruflichen Tätigkeit (BAG aaO Rn. 18). Im Urteil vom 25. August 1999 hat das Bundesarbeitsgericht
ausgeführt, dass dem Betriebsratsmitglied ein Ausgleichsanspruch in dem Umfang der von ihm
aufgewendeten Zeit zustehe, wenn es erforderliche Betriebsratstätigkeit ausnahmsweise aus
betriebsbedingten Gründen nicht während seiner Arbeitszeit, sondern in seiner Freizeit leisten müsse (BAG
25. August 1999 - 7 AZR 713/97 - Rn. 13). Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat in seinem Beschluss
vom 20. April 2015 auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Juli 1977 Bezug genommen und dafür
gehalten, dass ein Betriebsratsmitglied, das aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Betriebszeit
Betriebsratsarbeit durchführen muss, nach § 37 Abs. 3 BetrVG nur Anspruch auf Arbeitsbefreiung habe, die
der tatsächlich für die Betriebsratstätigkeit aufgewandten Zeit entspreche (LAG Niedersachsen 20. April
2015 - 12 TaBV 76/14 - Rn. 37; der Beschluss befasst sich allerdings im Schwerpunkt mit der
arbeitsschutzrechtlichen Qualifizierung der Betriebsratsarbeit).
65 In der Kommentarliteratur wird ausgeführt, dass der Ausgleichsanspruch in dem gleichen Umfang bestehe,
wie das Betriebsratsmitglied aus betrieblichen Gründen außerhalb der Arbeitszeit Betriebsratstätigkeit
durchgeführt habe. Für so viel Zeit, wie das Betriebsratsmitglied für die Betriebsratstätigkeit außerhalb der
Arbeitszeit aufgewendet habe, sei ihm entsprechende Arbeitsbefreiung zu gewähren. (Fitting 28. Auflage §
37 Rn. 98). Die Arbeitsbefreiung müsse den gleichen Umfang haben, wie Freizeit aufgewendet worden sei,
um die Betriebsratsaufgaben außerhalb der Arbeitszeit zu erfüllen (Richardi BetrVG/Thüsing 15. Auflage §
37 Rn. 55). Ein Ausgleichsanspruch bestehe in dem Umfang, in dem das Betriebsratsmitglied
Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit verrichtet habe (Erfurter Kommentar/Koch 16. Auflage
BetrVG § 37 Rn. 8). Einzig DKK-Wedde (BetrVG 13. Auflage § 37 Rn. 68) lehnt die Auffassung des
Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 19. Juli 1977 ab. Zielrichtung der dortigen Argumentation ist
allerdings nicht die vorliegende Konstellation, sondern die Auffassung, dass ein Anspruch auf
Mehrarbeitszuschläge bzw. einen entsprechend höheren Freizeitausgleich gegeben sein kann, falls das
Betriebsratsmitglied eine Mehrbelastung auf sich genommen habe, zu deren Ausgleich üblicherweise
Zuschläge gezahlt würden.
66 b) Nach diesen rechtlichen Maßstäben hat der Kläger keinen Anspruch auf eine weitere Stundengutschrift,
die über den Umfang der tatsächlich geleisteten Betriebsratstätigkeit hinausgeht. Die Kammer schließt sich
der in Rechtsprechung und Literatur herrschenden und überzeugenden Auffassung an. Die Richtigkeit
dieser Auffassung ergibt sich bereits daraus, dass § 37 Abs. 3 BetrVG einen Ausgleichsanspruch nur für
Nachteile enthält, die ein Betriebsratsmitglied dadurch erleidet, dass es aus betriebsbedingten Gründen zur
Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben Freizeit opfern muss (BAG 11. Januar 1995 - 7 AZR 543/94 Rn. 27;
Erfurter Kommentar/Koch 16. Aufl. BetrVG § 37 Rn. 7). Der Bezugspunkt der Betrachtungsweise liegt damit
gerade nicht auf einer hypothetischen Arbeitszeit. Entscheidend ist vielmehr der Blick in die andere
Richtung: die aufgewendete Freizeit. Diese beträgt nicht zwölf Stunden, sondern acht Stunden, die (in
einer erstaunlichen Gleichförmigkeit) pro Betriebsratssitzung angefallen sind.
67 Die Einwände des Klägers gegen diese Auffassung verfangen nicht.
68 aa) Soweit der Kläger vorbringt, dass die tariflichen und betrieblichen Regelungen zur Bewertung der
Arbeitszeit mit heranzuziehen seien, ändert sich hieran nichts. Insbesondere ergibt sich entgegen der
Ansicht des Klägers auch aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 12. August 2009 (7 AZR
218/08) nichts Gegenteiliges. In dieser Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, dass es für
das Bestehen eines Anspruchs auf Freizeitausgleich für Reisezeiten, die ein Betriebsratsmitglied zur
Erfüllung erforderlicher betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben außerhalb seiner Arbeitszeit aufwendet,
auf die maßgeblichen tarifvertraglichen oder betrieblichen Regelungen über die Durchführung von
Dienstreisen im Betrieb des Arbeitgebers ankomme (BAG 12. August 2009 - 7 AZR 218/08 - Rn. 12). Im
Unterschied zu der vorliegenden Konstellation hat das dortige Betriebsratsmitglied aber tatsächlich
Reisezeiten aufgewandt und damit entsprechende Freizeit geopfert. Es geht in der genannten
Entscheidung also nicht um fiktive, sondern tatsächlich eingesetzte Zeiten.
69 bb) Auch die Ausführungen des Klägers zu der Bedeutung des Wortes "entsprechend" führen zu keinem
anderen Verständnis von § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Zwar ist dem Kläger zuzugestehen, dass
entsprechend nicht zwingend einen "Eins-zu-Eins-Ausgleich" in zeitlicher Hinsicht erfordert. Gleichwohl legt
der Wortlaut dies nahe und jedenfalls führen auch die vom Kläger aufgeführten Synonyme nicht zu der von
ihm gewünschten Rechtsfolge. Das von der herrschenden Auffassung und auch der Kammer
zugrundgelegte Verständnis des § 37 Abs. 3 BetrVG führt zu einem „angemessenen“, „im richtigen
Verhältnis stehenden“ und „zur Sache passenden“ Ergebnis.
70 c) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine zwölfstündige Gutschrift aus dem Gesichtspunkt der
Gleichbehandlung heraus.
71 aa) Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz gehört zu den tragenden Ordnungsprinzipien im
Arbeitsrecht. Dieser verbietet sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber
anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage als auch die sachfremde Differenzierung zwischen
Arbeitnehmern einer bestimmten Ordnung. Unzulässig ist nicht nur die willkürliche Schlechterstellung
einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Eine
Differenzierung ist sachfremd, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe
gibt, wenn also für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die Regelung als willkürlich
anzusehen ist. Wenn der Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer auf Grund individueller, an persönliche
Umstände anknüpfende Vereinbarungen besser stellt, können daraus andere Arbeitnehmer keinen
Anspruch auf Gleichbehandlung herleiten. Das Gebot der Gleichbehandlung greift jedoch dann ein, wenn
der Arbeitgeber Leistungen nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip auf Grund einer abstrakten
Regelung gewährt. Von einer solchen Regelung darf er Arbeitnehmer nur aus sachlichen Gründen
ausschließen (st. Rspr., vgl. zB BAG. 14. Juni 2006 – 5 AZR 584/05 - Rn. 16 mit zahlreichen weiteren
Nachweisen).
72 bb) Gemessen hieran lässt sich der begehrte Anspruch des Klägers nicht herleiten.
73 (1) Dies gilt zunächst, soweit der Kläger auf die Praxis des Beklagten abstellt, Betriebsratsmitglieder, die
während ihrer persönlichen Arbeitszeit an Betriebsratssitzungen teilnehmen, vor oder nach diesen
Sitzungen nicht zu weiterer Arbeit heranzuziehen. Mit Bezug hierauf fehlt es bereits an einem
vergleichbaren Sachverhalt, da bereits der Gesetzgeber zwischen Betriebsratstätigkeit innerhalb der
Arbeitszeit (§ 37 Abs. 2 BetrVG) und außerhalb der Arbeitszeit (§ 37 Abs. 3 BetrVG) unterscheidet. Die
Absätze 2 und 3 des § 37 BetrVG regeln zwei voneinander zu unterscheidende Tatbestände mit
unterschiedlichen Rechtsfolgen. Während § 37 Abs. 2 BetrVG sicherstellen will, dass dem
Betriebsratsmitglied, sofern es wegen seiner Tätigkeit Arbeitszeit versäumen muss, Arbeitsbefreiung zuteil
wird und das ihm zustehende Arbeitsentgelt erhalten bleibt, soll § 37 Abs. 3 BetrVG einen Ausgleich für die
Nachteile gewähren, die ein Betriebsratsmitglied erleidet, weil es aus betriebsbedingten Gründen zur
Wahrnehmung der ihm obliegenden Betriebsratsaufgaben Freizeit opfern muss (BAG 19. Juli 1977 - 1 AZR
376/74 - Rn. 18). Hiervon abgesehen könnte der Kläger selbst dann nicht den von ihm gewünschten
Anspruch herleiten, wenn man von einem vergleichbaren Sachverhalt ausginge. Denn für eine
Ungleichbehandlung läge ein sachlicher Grund vor. Der Beklagte hat vorgetragen, dass ein sinnvoller
Einsatz für eine Teilschicht nicht möglich sei. Dieser seitens des Klägers nicht bestrittene Vortrag stellt auch
aus Sicht der Kammer einen anerkennenswerten Grund für eine unterschiedliche Handhabung und
keinesfalls eine willkürliche Ungleichbehandlung dar.
74 (2) Soweit andere Arbeitnehmer für die Teilnahme an Fortbildungen und dergleichen zwölf Stunden pro
Arbeitstag gutgeschrieben bekommen, auch wenn die entsprechenden Veranstaltungen diese Zeitdauer
nicht erreichen, liegt ebenfalls kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vor. Dies ergibt sich bereits
daraus, dass es sich bei den hier in Streit stehenden aufgewandten Zeiten des Klägers um solche für
Betriebsratstätigkeit handelt, bei anderen Mitarbeitern im Rahmen der Fortbildung um "normale"
Arbeitszeit. Insofern sind bereits die Sachverhalte nicht vergleichbar. Darüber hinaus hat der Beklagte,
insoweit vom Kläger nicht bestritten, vorgetragen, dass die Teilnahme an Fortbildungen und ähnlichen
Veranstaltungen immer auch mit Arbeitszeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammenfällt bzw. als
solche gewertet wird. Auch dieser Aspekt führt dazu, dass die vom Kläger genannten Fallgruppen nicht mit
seinem Fall vergleichbar sind. Soweit vor und nach den Fortbildungen Arbeitszeit nicht abgerufen wird, gilt
das unter (1) Ausgeführte.
75 d) Nach Auffassung des erkennenden Gerichts wäre der Ansatz des Klägers im Gegenteil ein Verstoß gegen
§ 78 Satz 2 BetrVG. Im Einklang mit dem Ehrenamt und dem Lohnausgleichsprinzip bestimmt § 78 Satz 2
BetrVG, dass die Mitglieder des Betriebsrats wegen ihrer Tätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt
werden dürfen. Diese Bestimmung dient, ebenso wie das Ehrenamtsprinzip der inneren und äußeren
Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder, BAG 5. Mai 2010 - 7 AZR 728/08; 25. Februar 2009 - 7 AZR
954/07 Rn. 17 mwN). Wäre die Auffassung des Klägers richtig, würde er mit einem Einsatz von acht
Stunden Freizeit ein Stundenguthaben von zwölf Stunden erwerben, wohingegen andere
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jeweils zwölf Stunden an Freizeit einzusetzen haben, um zu dem
gleichen Stundenguthaben zu gelangen. Soweit der Kläger meint, dass eine Begünstigung in diesem Falle
deshalb nicht vorliege, weil er für einen freien Tag zwölf Stunden vom Zeitkonto einsetzen müsse, verfängt
dies nicht. Dies ändert nämlich nichts daran, dass er nach seiner Auffassung im Gegensatz zu den anderen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Falle von Betriebsratsarbeit lediglich acht Stunden aufwenden müsste,
um einen Tag frei machen zu können, wohingegen die anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jeweils
zwölf Stunden ihrer Freizeit hierfür eingebracht haben müssen.
76 Nach alledem erweist sich das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Die Berufung ist zurückzuweisen.
III.
77 Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen.
Die Revision wird auf der Basis des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen. Die entscheidungserhebliche Frage,
in welchem Umfang § 37 Abs. 3 BetrVG Anspruch auf einen Freizeitausgleich gibt, hat grundsätzliche
Bedeutung. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage ergibt sich daraus, dass sie sich in einer
unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an
der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ist (GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. ArbGG §
72 Rn. 17 mwN). Zwar liegt wie dargestellt höchstrichterliche Rechtsprechung zum Verständnis von § 37
Abs. 3 BetrVG vor. Die vorliegende Konstellation unterscheidet sich allerdings von den bislang entschiedenen
Fällen, da es bei diesen nicht wie hier um die Berücksichtigung „fiktiver“ zusätzlicher Zeiten ging und bei
diesen auch der Aspekt der Gleichbehandlung keine Rolle gespielt hat.