Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 29.01.2016

verkürzung der arbeitszeit, verbot der diskriminierung, vergütung, arbeitsgericht

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 29.1.2016, 17 Sa 84/15
Tarifliche Arbeitszeitverkürzung im Alter - Ungleichbehandlung wegen des Alters
- Ungleichbehandlung wegen Teilzeit
Leitsätze
1. Das tarifliche Modell einer Arbeitszeitverkürzung im Alter gemäß § 5.1 des
Ergänzungstarifvertrages für Beschäftigte von debis-Unternehmen 1999/2003
Fassung: Nordwürttemberg/Nordbaden vom 9. September 1999 (im Folgenden: ETV),
das für Vollzeitbeschäftigte mit einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden eine
gestaffelte Verkürzung der Arbeitszeit ab dem 50. Lebensjahr - in Form von
Zeitgutschriften auf das tarifliche Langzeitkonto bei Beibehaltung der bisherigen
Arbeitszeit, auf Wunsch des Arbeitnehmers in Form einer tatsächlichen Reduzierung
der Arbeitszeit - vorsieht, hält einer rechtlichen Überprüfung stand.
2. Die damit verbundene Ungleichbehandlung jüngerer Vollzeitbeschäftigter wegen
des Alters ist gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Es ist nicht zu
beanstanden, wenn die Tarifvertragsparteien ab dem 50. Lebensjahr eine
altersbedingt nachlassende Leistungsfähigkeit und ein damit einhergehendes
gesteigertes Erholungsbedürfnis der Vollzeitbeschäftigten angenommen haben.
3. Die Auslegung der tariflichen Regelungen des ETV ergibt, dass Teilzeitbeschäftigte
ab dem 50. Lebensjahr, bei denen die Wahl einer anteiligen tatsächlichen
Reduzierung der Arbeitszeit tariflich ausgeschlossen ist, an diesem Modell nicht in
Gestalt einer kompensierenden Vergütungserhöhung, jedoch in Gestalt eines
Anspruchs auf anteilige Zeitgutschriften auf das tarifliche Langzeitkonto partizipieren.
4. Partizipierten Teilzeitbeschäftigte ab dem 50. Lebensjahr nicht an dem tariflichen
Modell in Gestalt eines Anspruchs auf anteilige Zeitgutschriften, läge darin eine
Ungleichbehandlung Teilzeitbeschäftigter iSd. § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG. Eine
Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung kann nicht damit begründet werden, der
Grund für die Arbeitszeitverkürzung für Vollzeitbeschäftigte im Alter, nämlich das
gesteigerte Erholungsbedürfnis, treffe auf die Gruppe der Teilzeitbeschäftigten nicht
zu (aA LAG Hamm 30. Januar 2014 - 8 Sa 942/13; LAG Köln 12. Mai 2000 - 12 (10)
Sa 1474/99).
5. Die mit dem Anspruch auf anteilige Zeitgutschriften für ältere Teilzeitbeschäftigte
verbundene Ungleichbehandlung jüngerer Teilzeitbeschäftigter wegen des Alters ist
dementsprechend ebenfalls gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 24.
Juli 2015 - 1 Ca 8186/14 - wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 24.
Juli 2015 - 1 Ca 8186/14 - wird mit der Klarstellung zurückgewiesen, dass die
Gutschrift auf das tarifliche Langzeitkonto erfolgt.
3. Die Widerklage der Beklagten wird abgewiesen.
4. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin 17 %, die Beklagte 83 %
zu tragen.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin als Teilzeitbeschäftigte an einer
tariflichen Regelung zur Reduzierung der Arbeitszeit ab dem 50. Lebensjahr im
Wege einer Erhöhung ihrer Vergütung, hilfsweise im Wege von Zeitgutschriften auf
ihrem tariflichen Langzeitkonto partizipiert.
2 Die am 00. Februar 0000 geborene Klägerin ist bei der Beklagten als
Sachbearbeiterin mit einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von 2.192,00 EUR bei
einer wöchentlichen Arbeitszeit von 24 Stunden beschäftigt (vgl. den
Arbeitsvertrag, Anlage K 1, Bl. 8 ff. der erstinstanzlichen Akte).
3 Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der
Ergänzungstarifvertrag für Beschäftigte von d.-Unternehmen 1999/2003 Fassung:
Nordwürttemberg/Nordbaden vom 9. September 1999 (im Folgenden: ETV; Anlage
K 2, Bl. 13 ff. der erstinstanzlichen Akte) Anwendung. Dieser enthält ua. die
folgenden Regelungen:
4
„§ 3 Vergütungshöhe
5
3.6 Das Tarifgehalt (tarifliches Jahreszielgehalt) für Teilzeitbeschäftigte bemisst
sich nach dem Verhältnis der individuell vereinbarten Arbeitszeit zu der sich nach
§ 5 ergebenden tariflichen Arbeitszeit.
6
(…)
7
§ 5 Arbeitszeit
8
Vollzeitbeschäftigte sind Arbeitnehmer mit einer Regelarbeitszeit zwischen 35 und
40 Wochenstunden. Teilzeitbeschäftigte sind Arbeitnehmer mit einer
Regelarbeitszeit unter 35 Wochenstunden.
9
Dieser Regelarbeitszeit wird nach folgenden Maßgaben individuell differenziert:
10 - Lebensalter
- Schichtbetrieb
- individuelle Vereinbarung
11 5.1 Die tarifliche Regelarbeitszeit ist je nach Lebensphase unterschiedlich hoch.
Sie beträgt für alle Arbeitnehmer bis zur Vollendung des 49. Lebensjahres 40
Stunden.
12 Bei Beibehaltung der bisherigen Arbeitszeit in dieser Höhe erhalten Arbeitnehmer
ab dem 50. Lebensjahr Gutschriften auf das tarifliche Langzeitkonto, die
13 ab dem 50. Lebensjahr bis zur Vollendung des 52. Lebensjahres 2 Stunden
ab dem 53. Lebensjahr bis zur Vollendung des 54. Lebensjahres 4 Stunden
ab dem 55. Lebensjahr 5 Stunden
14 pro Woche betragen.
15 (…)
Auf Wunsch des Arbeitnehmers erfolgt statt der Zeitgutschrift eine entsprechende
Verkürzung der wöchentlichen Regelarbeitszeit nach folgender Staffel:
16 vom 50. bis zur Vollendung des 52. Lebensjahres 38 Stunden
vom 53. bis zur Vollendung des 54. Lebensjahres 36 Stunden
ab dem 55. Lebensjahr 35 Stunden
17 Eine Reduzierung des Jahreszielgehaltes erfolgt aus Anlass der vorstehend
geregelten Zeitgutschriften bzw. Regelarbeitszeitverkürzungen nicht.
18 5.2 Die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer mit
einer tariflichen oder einzelvertraglichen Regelung, die unter der oben genannten
Staffelung liegt, bleibt unberührt.
(…)“
19 In einer Konzernbetriebsvereinbarung zu Umsetzungsfragen des ETV vom 24.
September 1999 (im Folgenden: KBV; Anlage K 9, Bl. 48 f. der erstinstanzlichen
Akte) heißt es unter Ziff. 4:
20 „Für Teilzeit-Beschäftigte gilt bei Erreichen der jeweiligen Arbeitszeit-Stufen
gemäß Ziffer 5.1 ETV folgendes:
21 a) Wenn die Teilzeit durch eine feste Stundenzahl bestimmt ist, bleibt diese
weiterhin bestehen, jedoch verändert sich der für das Gehalt maßgebliche
Stundensatz entsprechend dem Verhältnis von vereinbarter Arbeitszeit zu der
hypothetischen Arbeitszeit, die bei Fehlen einer Teilzeit-Vereinbarung gelten
würde.
22 b) Wenn die Teilzeit durch einen Prozentsatz der tariflichen Arbeitszeit bestimmt
ist, reduziert sich die Arbeitszeit dementsprechend.“
23 Am 00. Februar 0000 wurde die Klägerin 50 Jahre alt. Mit Schreiben vom 24.
September 2014 (Anlage K 3, Bl. 36 ff. der erstinstanzlichen Akte) machte die
Klägerin rückwirkend eine Vergütungserhöhung in Höhe von 115,37 EUR brutto
pro Monat gegenüber der Beklagten geltend.
24 Im Antwortschreiben vom 2. Oktober 2014 (Anlage K 4, Bl. 40 f. der Akte) führte die
Beklagte ua. aus:
25 „Der geltend gemachte Anspruch ist nur teilweise begründet. Dem Grunde nach
besteht ein Anspruch von Frau G. auf Erhöhung des tariflichen Teilzeitgehaltes
auf EUR 2.307,37 brutto monatlich, allerdings ist der Anspruch auf Zahlung
lediglich rückwirkend für die Monate März bis September 2014 gerechtfertigt. Im
Übrigen sind die Ansprüche wegen des Ablaufs tariflicher Verfallfristen erloschen.
26 Im Einzelnen:
27 Unstreitig ist, dass Frau G. gem. den Regelungen der §§ 3.6 und 5.1 des
Ergänzungstarifvertrages i.V.m. Ziff. 4 der KBV zur Umsetzung des
Ergänzungstarifvertrages einen Anspruch auf ein Teilzeitgehalt in Höhe von EUR
2.307,37 brutto monatlich bei einem wöchentlichen Arbeitszeitumfang von 24
Stunden hat.
28 Frau G., geboren am 00.00.0000, wurde am 00.00.0000 50 Jahre alt. Ihre
Tätigkeit in Höhe von 24 Wochenstunden wird mit einem tariflichen Gehalt in
Höhe von derzeit EUR 2.192,00 brutto monatlich vergütet, wobei der
Arbeitszeitumfang durch eine feste Stundenzahl in Höhe von 24 Stunden
bestimmt ist.
29 Ab dem 50. Lebensjahr können Vollzeitbeschäftigte der M.. AG ihre
Regelarbeitszeit in Höhe von 40 Stunden wöchentlich auf 38 Stunden wöchentlich
reduzieren, sog. Altersarbeitszeitreduzierung gem. § 5.1 des
Ergänzungstarifvertrages. Wenn wie im Falle von Frau G. ab dem 50. Lebensjahr
die durch eine feste Stundenzahl bestimmte Teilzeit weiterhin in entsprechendem
Umfang bestehen bleibt, führt die Altersarbeitszeitverkürzung zur Reduktion des
für das Gehalt maßgeblichen Stundensatzes entsprechend dem Verhältnis von
vereinbarter Arbeitszeit zu der hypothetischen Arbeitszeit. Dementsprechend
errechnen wir ein erhöhtes tarifliches Teilzeitgehalt von Frau G. in Höhe von EUR
2.307,37 brutto monatlich (EUR 2.192,00 x 40/38 = EUR 2.307,37 brutto
monatlich).
30 Das erhöhte Gehalt wird erstmalig mit der Gehaltsabrechnung für den Monat
Oktober 2014 abgerechnet werden. Ebenso werden wir die Differenz zwischen
bisherigem Gehalt in Höhe von EUR 2.192,00 brutto monatlich und zukünftig EUR
2.307,37 brutto monatlich in Höhe von EUR 115,37 brutto monatlich für die
Monate März bis September 2014 entsprechend zur Abrechnung bringen.
31 Der Anspruch auf Erhöhung der tariflichen Vergütung vom 26.02.2013 bis Februar
2014 ist untergegangen. (…)“
32 Trotz dieser Ankündigung erfolgte keine Abrechnung und Auszahlung des
Erhöhungs- und Nachzahlungsbetrages in den Folgemonaten (vgl. die
Lohnabrechnungen 10/14 und 11/14, Anlagen K 5 und K 6, Bl. 42 f. der
erstinstanzlichen Akte).
33 Mit Schreiben vom 24. November 2014 (Anlage K 7, Bl. 44 der erstinstanzlichen
Akte) rügte die Klägerin dies gegenüber der Beklagten.
34 Mit Schreiben vom 26. November 2014 (Anlage K 8, Bl. 45 ff. der erstinstanzlichen
Akte) erklärte die Beklagte, sie habe aufgrund eines internen Missverständnisses
eine entsprechende Zusage erteilt. Diese müsse widerrufen bzw. wegen aller in
Betracht kommender Gründe angefochten werden, da für eine solche Leistung
kein tarifvertraglicher oder sonstiger Anspruch bestehe. Mit dem Schreiben vom 2.
Oktober 2014 habe auch kein eigener Erklärungstatbestand auf eine freiwillige
Leistung gesetzt werden sollen. Im weiteren Verlauf des Schreibens vom 26.
November 2014 begründete die Beklagte ihre Auffassung.
35 Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe für den Zeitraum 1. März 2014
bis 30. November 2014 einen Anspruch auf weitere Vergütung in Höhe von
1.038,33 EUR brutto (9 x 115,37 EUR brutto), jedenfalls aber auf eine Zeitgutschrift
im Umfang von 46,8 Arbeitsstunden auf ihrem Arbeitszeitkonto.
36 Der mit dem Hauptantrag geltend Vergütungsanspruch folge aus dem ETV, aus
der KBV und aus einem Schuldanerkenntnis der Beklagten.
37 Der Zahlungsanspruch folge bereits unmittelbar aus § 3.6 ETV. Dies zeige bereits
der Wortlaut. Bei einer Reduzierung der Arbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte ab dem
50. Lebensjahr verändere sich danach automatisch das Verhältnis zwischen der
individuellen Arbeitszeit der Teilzeitbeschäftigten und der sich aus § 5 ETV
ergebenden tariflichen Arbeitszeit. Entgegen der Auffassung der Beklagten ergebe
sich aus dieser Vorschrift nicht, dass die Regelarbeitszeit auch noch Vollendung
des 50. Lebensjahres unverändert 40 Wochenstunden betrage. In § 5 ETV und in
Ziff. 3 der Anlage 6 zum ETV sei klargestellt, dass sich die Regelarbeitszeit nach
dem Lebensalter bestimme, sie mithin ab 50 absinke. Die konkrete Ausgestaltung
der Reduzierung unterliege dem Wahlrecht des Arbeitnehmers, in beiden Fällen
sei die reduzierte Arbeitszeit Grundlage, sie könne nur unterschiedlich verteilt
werden. Für Teilzeitbeschäftigte regle § 5.2 ETV, dass keine Arbeitszeitverkürzung
eintrete, als Ausgleich erhielten diese gemäß § 3.6 ETV zur Verhinderung einer
Diskriminierung eine Entgelterhöhung. Dies sei auch systematisch nachvollziehbar
und begründet. § 5.2 ETV habe entgegen der Auffassung der Beklagten danach
einen eigenen Regelungsgehalt. Die Tarifpraxis stütze die Rechtsauffassung der
Klägerin. Im Zusammenhang mit dem Abschluss des ETV sei die KBV
abgeschlossen worden, die eine Vergütungserhöhung gewähre und die bei der
Beklagten in den Jahren 1999 bis 2006 auch praktiziert worden sei. Das von der
Beklagten danach behauptete Verständnis des ETV sei auch nicht unbeanstandet
geblieben, so habe es im Jahr 2012 zwei gerichtliche, vergleichsweise beigelegte
Auseinandersetzungen diesbezüglich gegeben, in denen der Anspruch vom
Grundsatz her nicht bestritten worden sei. Auch im Schreiben vom 2. Oktober 2014
habe die Beklagte die Rechtslage zutreffend dargestellt. Nach der Tarifhistorie sei
eine Reduzierung der Arbeitszeit bei fortschreitendem Alter für Vollzeitbeschäftigte
angestrebt worden, gleichzeitig habe aber über § 3.6 ETV sichergestellt werden
sollen, dass Teilzeitbeschäftigte nicht diskriminiert würden. Der Entgeltsausgleich
sei von dem weiten Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien gedeckt.
Dadurch sei gewährleistet, dass das Stundenentgelt für Teil- und
Vollzeitbeschäftigte unabhängig von der Altersstufe gleich bleibe. Eine unzulässige
Besserstellung von Teilzeitkräften trete dadurch nicht ein, sie erhielten zu keinem
Zeitpunkt ein höheres Stundenentgelt als Vollzeitbeschäftigte. Im Gegenteil führte
die Herausnahme von Teilzeitbeschäftigten aus dem altersbedingten
Arbeitszeitverkürzungsmodell bzw. der Gehaltsanpassung zu einer mit § 4 Abs. 1
TzBfG nicht zu vereinbarenden unterschiedlichen Behandlung von Vollzeit- und
Teilzeitbeschäftigten. Diese könne nicht mit unterschiedlichen Belastungen
gerechtfertigt werden, wie das Bundesarbeitsgericht bereits festgestellt habe (BAG
30. September 1998 - 5 AZR 18/98; 16. Januar 2003 - 6 AZR 222/01). Auch bei
Teilzeitbeschäftigten sei typischerweise mit fortschreitendem Alter eine
nachlassende Leistungsfähigkeit festzustellen. Viele Teilzeitbeschäftigte hätten
das Teilzeitmodell bewusst gewählt, da sie entweder einer weiteren Beschäftigung
nachgingen oder familiäre Verpflichtungen übernommen hätten. Auch bei
Teilzeitbeschäftigten bestehe ein gesteigertes Erholungsbedürfnis, das zu
kompensieren sei. Objektiv bestehe folglich kein sachlicher Grund für eine
Schlechterstellung von Teilzeitbeschäftigten. Die Schlechterstellung werde
dadurch verhindert, dass die Vergütungshöhe entsprechend anzupassen sei. Eine
Vergütungserhöhung ermögliche ggf. die Hinzuziehung von Hilfspersonen im
Privathaushalt oder die Reduzierung der Arbeitszeit in einem weiteren
Beschäftigungsverhältnis. Die Tarifvertragsparteien hätten insoweit jedenfalls eine
Einschätzungsprärogative. Bei der Klägerin ergebe sich daher im
streitgegenständlichen Zeitraum eine Vergütung in Höhe von 2.307,37 EUR brutto
pro Monat (2.192,00 EUR brutto pro Monate x 40/38), mithin eine nachzuzahlende
Differenz in Höhe von 115,37 EUR brutto pro Monat.
38 Abgesehen davon ergebe sich der Zahlungsanspruch der Klägerin aus Ziff. 4
Buchst. a KBV. Darin sei ausdrücklich geregelt, dass die altersbedingte
Arbeitszeitverkürzung gemäß § 5.1 ETV auch auf Teilzeitbeschäftigte Anwendung
finde, dass die feste Arbeitszeit unverändert fortbestehe und dass der für das
Gehalt maßgebende Stundensatz verhältnismäßig erhöht werde. Die KBV habe
ersichtlich die Funktion, die tarifliche Regelung für Teilzeitbeschäftigte umzusetzen,
sie sei daher nicht tarifwidrig, sondern setze § 3.6 ETV um, und sei, wie bereits
erwähnt, in der Vergangenheit (1999 - 2006) praktiziert worden.
39 Schließlich bestehe der Zahlungsanspruch der Klägerin deshalb, weil die Beklagte
diesen in ihrem Schreiben vom 2. Oktober 2014 ausdrücklich anerkannt habe. Das
Schreiben sei ein konstitutives Schuldanerkenntnis, schon deswegen sei der
Hauptantrag begründet.
40 Zumindest aber sei dem Hilfsantrag stattzugeben, der für den Fall gestellt sei, dass
das Gericht zu der Rechtsauffassung gelangen sollte, dass die Diskriminierung
von Teilzeitbeschäftigten nicht durch eine Erhöhung der Vergütung, sondern nur
durch eine Reduzierung der Arbeitszeit zu gewährleisten sei. § 5.1 ETV ermögliche
Zeitgutschriften auf das tarifliche Langzeitkonto, um diese zu einem früheren
Ausstieg aus dem Erwerbsleben zu nutzen. Dabei werde nicht zwingend auf das
kurzfristige Erholungsbedürfnis abgestellt. Es sei nicht ersichtlich, weshalb
Teilzeitbeschäftigten diese Möglichkeit verwehrt sein solle. Die Aussagen des von
der Beklagten zitierten „Unfallverhütungsberichtes Arbeit: Sicherheit und
Gesundheit bei der Arbeit 2011“ der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und
Arbeitsmedizin (vgl. Anlage B 1, Bl. 109 f. der erstinstanzlichen Akte) seien nicht
einschlägig und würden bestritten, dort werde jedenfalls nicht untersucht, weshalb
bei Vollzeitbeschäftigten ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben
erforderlich sei, bei Teilzeitbeschäftigten jedoch nicht. Es könne insoweit nicht auf
eine etwaige geringere Erholungsbedürftigkeit von Teilzeitbeschäftigten während
des aktiven Erwerbslebens, die ausdrücklich bestritten werde, abgestellt werden.
41
Die Klägerin hat - erstinstanzlich - beantragt,
42
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.038,33 EUR brutto nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit
Klagezustellung zu zahlen;
43
hilfsweise,
44
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 46,8 Arbeitsstunden auf das bei ihr
bestehende Arbeitszeitkonto gutzuschreiben.
45
Die Beklagte hat - erstinstanzlich - beantragt,
46
die Klage abzuweisen.
47 Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, es bestehe weder der mit dem Hauptantrag
verfolgte Vergütungsanspruch noch der mit dem Hilfsantrag begehrte Anspruch
auf Zeitgutschriften.
48 Ein Zahlungsanspruch bestehe nicht, ein solcher ergebe sich weder aus dem ETV,
noch der KBV noch auf individualvertraglicher Grundlage.
49 Aus § 3.6 ETV folge der geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht. Es sei eine
durch nichts belegte Behauptung der Klägerin, die Tarifvertragsparteien hätten
beabsichtigt, durch einen Entgeltausgleich gemäß § 3.6 ETV eine Diskriminierung
von Teilzeitbeschäftigten zu vermeiden. Die von der Klägerin vorgenommene
Auslegung dieser Regelung, die diese als einen gleitenden altersabhängigen
Vergütungsmaßstab verstehe, sei unzutreffend. Bereits der Wortlaut des § 3.6
ETV, mit dem eine allgemeine Vergütungsregelung für Teilzeitmitarbeiter getroffen
worden sei, sei eindeutig. Er beziehe sich auf die tarifliche Regelarbeitszeit von 40
Stunden pro Woche. Die Regelung enthalte damit einen festen
Vergütungsmaßstab. Aus Ziff. 3 der Anlage 6 zum ETV folge nichts anderes. Dass
dieses Ergebnis richtig sei, zeige auch die Tarifsystematik. Das Tarifgehalt sei das
Jahreszielgehalt, in keinem Fall der Anwendung der Staffelung des § 5.1 ETV
werde dieses erhöht. Bei den Vollzeitkräften verbleibe es - ohne individuelle
Entscheidung - bei einer 40 Stundenwoche gegen Zahlung des unveränderten
Jahreszielgehaltes. Dies sei der Regelfall in der Praxis. Auch bei einer
ausnahmsweisen individuellen Entscheidung, die Arbeitszeit zu verkürzen, bleibe
das Jahreszielgehalt gleich. Die systemwidrige Auslegung des § 3.6 ETV der
Klägerin führe aber zu einer Erhöhung ihres Jahreszielgehalts. Die Klägerin wolle
daher keine Gleichbehandlung, sondern etwas anderes, was gegen den
Grundsatz der Entgeltgleichheit verstieße. § 5.2 ETV füge sich nahtlos in die
Systematik ein, in dem er klarstelle, dass sich für Teilzeitkräfte durch das für ältere
Vollzeitkräfte vorgesehene Wahlrecht nichts ändere, weder mit Blick auf die
Arbeitszeit noch auf die Vergütung. Wenn die Klägerin den Regelungsgehalt
lediglich auf die Arbeitszeit beschränken wolle, sei dies unzutreffend, ein
eigenständiger Regelungsinhalt käme der Vorschrift dann nicht mehr zu. Die
Auslegung der Klägerin liefe auch dem Regelungszweck, dem gesteigerten
Erholungsbedürfnis Vollzeitbeschäftigter, was diskriminierungsfrei möglich sei,
Rechnung zu tragen, zuwider. Für Teilzeitbeschäftigte treffe dieser
Entlastungsgedanke nicht zu. In jedem Falle sei es aber um eine Entlastung durch
Arbeitszeitreduzierung und nicht um eine Erhöhung des Jahreszielgehalts
gegangen. Eine erhöhte Vergütung bewirke keine verringerte Arbeitsbelastung.
Nach der Auslegung der Klägerin hätten die Tarifparteien eine zur
Zweckerreichung offensichtlich ungeeignete Regelung geschaffen. Für das
Regelungsverständnis der Beklagten spreche auch die Tarifpraxis, es habe in den
über 15 Jahren der Anwendung des ETV keinen Fall gegeben, in dem
Teilzeitmitarbeitern ab Erreichen des 50. Lebensjahres ein höheres
Jahreszielgehalt gezahlt worden sei. Bestritten werde, dass dies in den Jahren
1999 bis 2006 auf der Grundlage von Ziff. 4 Buchst. a KBV so gehandhabt worden
sei. Von der Gewerkschaft sei die Praxis nie beanstandet worden. Die Tarifhistorie
spreche ebenfalls für die Auslegung der Beklagten. Die von der
Dienstleistungsindustrie geforderte 40-Stundenwoche für Vollzeitbeschäftigte sei
von der Gewerkschaft akzeptiert worden, zum Ausgleich sei das
Altersarbeitszeitverkürzungsmodell für Vollzeitbeschäftigte vereinbart worden. Den
Tarifpartnern sei es dabei nie darum gegangen, den Beschäftigten mehr
Arbeitsentgelt, sondern älteren Beschäftigten mehr Zeit und damit weniger
Belastung zu verschaffen. Gegen das Verständnis der Klägerin spreche
schließlich, dass eine Besserstellung von älteren Teilzeitkräften nach dem AGG
rechtlich nicht zulässig sei, wie das LAG Hamm (30. Januar 2014 - 8 Sa 942/13)
zutreffend entschieden habe. Soweit die Klägerin einwende, dass eine
Vergütungserhöhung dafür sorgen könne, dass sie sich Hilfspersonen oder andere
Hilfsmittel leisten könne, möge es sein, dass das von den Tarifvertragsparteien
verfolgte Ziel auch mit anderen Mitteln erreichbar gewesen wäre. Diesen komme
aber auch bei der Festlegung des Mittels ein weiter Gestaltungsspielraum zu, so
dass die vorliegend getroffene Entscheidung, ältere Arbeitnehmer durch ein „Mehr
an Zeit“ und nicht durch ein „Mehr an Entgelt“ zu entlasten, nicht zu beanstanden
sei.
50 Auch aus der KBV könne die Klägerin keinen Vergütungsanspruch ableiten.
Zunächst sei darauf hinzuweisen, dass Ziff. 4 Buchst. a KBV nie im Sinne der
Klägerin angewandt worden sei, ohne dass dies beanstandet worden wäre.
Verstehe man die Regelung im Sinne der Klägerin sei sie unwirksam, ihr stehe die
Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG entgegen, da die Höhe des
Arbeitsentgelts tariflich geregelt sei. Die Öffnungsklausel in § 1.3 ETV ändere
daran nichts, da diese nur ergänzende Bestimmungen durch
Betriebsvereinbarungen zulasse, Ziff. 4 Buchst. a KBV sei aber in diesem Falle
eine von § 5.2 ETV abweichende Bestimmung.
51 Schließlich könne die Klägerin den von ihr geltend gemachten Zahlungsanspruch
auch nicht auf ein Schuldanerkenntnis stützen. Ein konstitutives
Schuldanerkenntnis liege nicht vor. Aus dem Schreiben vom 2. Oktober 2014
werde deutlich, dass darin lediglich ein fehlerhaftes Verständnis der tariflichen
Regelung wiedergegeben worden sei.
52 Auch der hilfsweise erhobene Anspruch auf Zeitgutschriften bestehe nicht. Die
Tarifvertragsparteien seien davon ausgegangen, dass Teilzeitbeschäftigte auch im
Alter keiner weitergehenden Entlastung, auch nicht durch Zeitgutschriften,
bedürften, wie § 5.2 ETV deutlich mache. Es sei nicht zu beanstanden, dass sie für
Teilzeitkräfte keine solchen vorgesehen hätten. Darin liege keine diskriminierende
Regelung Teilzeitbeschäftigter. Dies ergebe sich schon aus dem Umstand, dass
Vollzeitbeschäftigte als Arbeitnehmer mit einer Wochenarbeitszeit zwischen 35 und
40 Stunden definiert seien und somit auch Vollzeitbeschäftigte mit einer Arbeitszeit
von 35 Stunden keine Zeitgutschriften erhielten. Diese Definition sei tarifhistorisch
zu erklären, da es Ziel der Gewerkschaft gewesen sei, die 35-Stundenwoche für
ältere, in Vollzeit beschäftigte Arbeitnehmer zu erhalten. Konsequenterweise
hätten die Tarifvertragsparteien für Teilzeitbeschäftigte keine entsprechenden
Regelungen getroffen, vielmehr hätten sie in § 5.2 ETV die
Grundsatzentscheidung verankert, dass es für diese bei der individuell
vereinbarten Wochenarbeitszeit und dem hierfür vorgesehenen tariflichen
Jahreszielgehalt bleibe. Soweit die Klägerin auf Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts verweise, habe diese keine tarifvertragliche Regelung zum
Gegenstand gehabt und sei zudem überholt. Landesarbeitsgerichtliche
Entscheidungen hätten eine Diskriminierung überzeugend verneint (LAG Köln 12.
Mai 2000 - 12 Sa 1474/99; LAG Hamm 30. Januar 2014 - 8 Sa 942/13). Es
entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Arbeitsbelastung von
Teilzeitbeschäftigten und damit auch deren Erholungsbedürfnis geringer sei. Dies
werde durch Studien seriöser Institute belegt, wie zB durch den
„Unfallverhütungsbericht Arbeit: Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2011“ der
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (vgl. Anlage B 1, Bl. 109 f. der
erstinstanzlichen Akte). Teilzeitkräfte seien danach wesentlich gesünder als
Vollzeitkräfte, so dass die Einschätzung der Tarifvertragsparteien, dass
Vollzeitbeschäftigte einen höheren Erholungsbedarf hätten im Rahmen der ihnen
zustehenden Einschätzungsprärogative nicht zu beanstanden sei. Zwar solle nicht
Abrede gestellt werden, dass Teilzeitarbeit in Einzelfällen durch weitere
Belastungsfaktoren zu einem individuell erhöhten Erholungsbedarf führen könne,
etwa bei prekären Beschäftigungsverhältnissen, die Tarifvertragsparteien dürften
indes typisieren, zumal es sich bei den dem ETV unterfallenden
Teilzeitarbeitsverhältnissen nicht um solche atypischer oder prekärer Art handle. In
der Entscheidung des LAG Hamm sei eine Betriebsvereinbarung, die
Teilzeitbeschäftigte in eine Altersarbeitszeitreduzierung einbeziehe, aufgrund der
Bestimmungen des AGG gerade wegen deren Einbeziehung für unwirksam
befunden worden, weil bei diesen anders als bei Vollzeitkräften kein gesteigertes
Erholungsbedürfnis bestehe. Der ETV sei daher im Hinblick auf eine
Altersdiskriminierung nur deswegen diskriminierungsfrei, weil er
Teilzeitbeschäftigte aus dem Arbeitszeitverkürzungsmodell insgesamt ausnehme.
Die Entscheidung der Tarifvertragsparteien sei daher nicht nur nicht zu
beanstanden, sondern sogar rechtlich geboten.
53 Mit Urteil vom 24. Juli 2015 hat das Arbeitsgericht den Hauptantrag der Klägerin
abgewiesen, ihrem Hilfsantrag hat es stattgegeben. Zur Begründung hat es
ausgeführt, ein Anspruch auf Zahlung einer erhöhten Vergütung ergebe sich nicht
aus dem ETV. Weder aus dem Wortlaut des § 3.6 ETV noch aus demjenigen des
§ 5.2 ETV ergebe sich ein eindeutiges Auslegungsergebnis. Letztgenannter
Vorschrift könne nichts über die Vergütungshöhe entnommen werden.
Erstgenannte Bestimmung lasse mehrere Auslegungen zu, sie könne sich sowohl
auf eine tarifliche Regelarbeitszeit von 40 Stunden als auch auf eine solche
beziehen, die nach Lebensalter, Schichtbetrieb und individueller Vereinbarung
zwischen 35 und 40 Stunden liege. Der Gesamtzusammenhang und Sinn und
Zweck der tariflichen Regelungen schlössen hingegen eine Auslegung aus, nach
der sich die Vergütung erhöhe. § 5.1 ETV führe bei Vollzeitbeschäftigten zu einer
Erhöhung des Arbeitsentgelts pro Arbeitsstunde, so dass der Zweck des § 3.6
ETV, grundsätzlich im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG eine gleiche Vergütung
von Teil- und Vollzeitbeschäftigten sicherzustellen, dafür spreche, diesen auch auf
die altersbedingte Absenkung der wöchentlichen Regelarbeitszeit zu beziehen.
Hierfür spreche auch Ziff. 4 Buchst. a KBV. Einer dementsprechenden Auslegung
stehe aber entgegen, dass im Gegensatz zu einer altersbedingten Reduzierung
der Arbeitszeit - gleich ob durch Zeitgutschriften oder eine Absenkung derselben -
eine Erhöhung des monatlichen Gehalts für ältere Arbeitnehmer als
Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam
sei. Sinn und Zweck der tariflich verkürzten Arbeitszeit für über 50-jährige
Arbeitnehmer sei die Rücksichtnahme auf die im Alter im Allgemeinen
zurückgehende Leistungsfähigkeit und das dadurch gesteigerte
Erholungsbedürfnis. Dies könne die Ungleichbehandlung wegen Alters
rechtfertigen. Eine Erhöhung des monatlichen Entgelts wegen der
zurückgehenden Leistungsfähigkeit und des dadurch gesteigerten
Erholungsbedürfnisses könne hingegen auch unter Berücksichtigung der
Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien nicht gerechtfertigt werden.
Zwar sei eine Entgelterhöhung nicht schlechterdings ungeeignet, ein erhöhtes
Erholungsbedürfnis zu erleichtern, da diese etwa die Finanzierung zusätzlicher
Hilfen im Privatbereich ermögliche, sie sei aber nicht erforderlich, weil der
Ausgleich auch durch eine Verringerung der Arbeitszeit erreicht werden könne und
dieser Maßnahme, die die Belastung unmittelbar beseitige, im Hinblick auf die
jüngeren Arbeitnehmer eine weniger benachteiligende Wirkung zukäme. Eine
unmittelbare Gehaltserhöhung für ältere Arbeitnehmer stelle eine unzulässige
Diskriminierung jüngerer Arbeitnehmer dar, so dass eine gesetzeskonforme
Auslegung dazu führe, dass sich § 3.6 ETV alleine auf die nicht verminderte
tarifliche Regelarbeitszeit von 40 Wochenstunden beziehe. Auch aus Ziff. 4
Buchst. a KBV ergebe sich kein Zahlungsanspruch. Zum einen könne die KBV
wegen des Vorrangs der tariflichen Regelung keinen solchen Anspruch
konstituieren, zum anderen verstieße die Regelung aus den genannten Gründen
gegen § 7 Abs. 2 AGG. Schließlich folge auch aus dem Schreiben der Beklagten
vom 2. Oktober 2014 kein Zahlungsanspruch. Dieses enthalte weder ein
konstitutives noch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis. Dem Schreiben
könne kein rechtsgeschäftlicher Wille entnommen werde, es stelle lediglich eine
Wissens- und Absichtserklärung dar. Hingegen stehe der Klägerin der hilfsweise
geltend gemachte Anspruch auf Zeitgutschriften zu. § 5.1 ETV sei insoweit
entsprechend für Teilzeitbeschäftigte anzuwenden. Dies ergebe sich aus § 5.2
ETV. Zwar ließen Wortlaut und systematische Stellung dieser Regelung auch eine
Auslegung zu, die Teilzeitbeschäftigte insgesamt von den Regelungen des § 5.1
ETV ausschlösse. Bereits der Wortlaut des § 5.2 lege aber ein Verständnis nahe,
wonach lediglich die in § 5.1 ETV vorgesehene Option einer unmittelbaren
Verkürzung der Arbeitszeit ausgeschlossen sein solle. Ob ein vollständiger
Ausschluss von Teilzeitbeschäftigten von den Regelungen des § 5.1 ETV einer
gerichtlichen Prüfung standhielte, könne offen bleiben. Ein solcher Wille sei dem
ETV nicht zu entnehmen. Eine entsprechende Einbeziehung der
Teilzeitbeschäftigten in die Zeitgutschriftenregelung des § 5.1 ETV bedürfe keiner
besonderen Rechtfertigung, sie sei gemäß § 4 Abs. 1 TzBfG grundsätzlich
geboten. Vielmehr bedürfe ein Ausschluss derselben eines sachlichen Grundes.
Danach liege ein Ausschluss nicht nahe, denn die altersbedingt zurückgehende
Leistungsfähigkeit und das gesteigerte Erholungsbedürfnis bestehe auch bei
Teilzeitbeschäftigten. Dies verkenne das LAG Hamm (30. Januar 2014 - 8 Sa
942/13). Die geringere wöchentliche Arbeitszeit eines Teilzeitbeschäftigten besage
nicht, dass diesem typischerweise mehr Erholungszeit zur Verfügung stehe, da
Teilzeittätigkeit, die nach wie vor vorwiegend von Frauen ausgeübt werde, häufig
durch eine Doppelbelastung durch Familienarbeit geprägt sei. Nach der von der
Beklagten vorgelegten Studie sei der Unterschied zwischen den Beschwerden
teilzeitbeschäftigter Frauen und vollzeitbeschäftigter Männer marginal, die dortigen
Angaben sprächen nicht dafür, dass eine Differenzierung geboten sei. Die tarifliche
Regelung sei daher gesetzeskonform dahingehend auszulegen, dass auch
Teilzeitbeschäftigte entsprechende Zeitgutschriften verlangen könnten.
54 Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde beiden Parteien am 11. August 2015
zugestellt. Die Klägerin legte hiergegen mit Berufungsschrift vom 2. September
2015, eingegangen am 8. September 2015, Berufung ein und begründete diese
mit Berufungsbegründung vom 16. September 2015, eingegangen am 22.
September 2015. Die Beklagte legte gegen das Urteil mit Berufungsschrift vom 8.
September 2015, eingegangen am 8. September 2015, Berufung ein und
begründete diese innerhalb der verlängerten Frist mit Berufungsbegründung vom
10. November 2015, eingegangen am 11. November 2015.
55 Die Klägerin führt aus, das Arbeitsgericht habe ihren Hauptantrag zu Unrecht
abgewiesen. Ihr damit geltend gemachter Anspruch ergebe sich aus § 3.6 ETV.
Obwohl bei Vollzeitbeschäftigten die Arbeitszeitreduzierung mit einer Erhöhung
ihrer Vergütung pro geleisteter Arbeitsstunde einhergehe, verweigere die Beklagte
dies Teilzeitbeschäftigten. Der Wortlaut des § 3.6 ETV („zu der sich nach § 5
ergebenden tariflichen Arbeitszeit“) spreche deutlich dafür, dass bei
Teilzeitbeschäftigten eine Erhöhung der Vergütung eintrete, wenn sich bei
Vollzeitbeschäftigten die Arbeitszeit nach § 5.1 ETV reduziere, wodurch die
Stundenvergütung jeweils gleich bleibe. Hingegen sei dem Wortlaut des § 3.6 ETV
kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass das Gehalt unverändert bleiben solle und
die Diskriminierung durch eine verhältnismäßige Absenkung der Arbeitszeit
vermieden werden solle. Das Arbeitsgericht habe bei seiner Auslegung den Willen
der Tarifvertragsparteien nicht hinreichend berücksichtigt. Dieser ergebe sich auch
aus dem Abschluss der KBV in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem
Abschluss des ETV durch daran beteiligte Personen. Die am Abschluss der KBV
beteiligten Herr Dr. B. (Geschäftsführung der d.) und Herr S.
(Konzernbetriebsratsvorsitzender) seien als Tarifkommissionsmitglieder am
Abschluss des ETV beteiligt gewesen. In der KBV seien Auslegungsfragen
klargestellt und der ETV erläutert worden, wie schon ihr Titel zeige. Gemäß Ziff. 4
Buchst. a KBV sei man sich darüber einig gewesen, dass sich die
Stundenvergütung erhöhe. Das Jahresentgeltsystem des ETV ändere nichts an
dem direkten Zusammenhang zwischen Wochenarbeitszeit und Vergütung. Aus §
3.6 ETV folge, dass es eine Relation zwischen dem Jahreszielgehalt und der
wöchentlichen Arbeitszeit gebe, für jeden einzelnen Mitarbeiter errechne sich
daraus eine Stundenvergütung, woran die KBV anknüpfe. Soweit die Beklagte auf
die Tarifgeschichte verweise, seien Teilzeitbeschäftigte bei einer Verkürzung der
Arbeitszeit regelmäßig von den Tarifpartnern entsprechend - mittels einer
Vergütungserhöhung - berücksichtigt worden (näher zur Tarifgeschichte des § 5.1
ETV vgl. den Schriftsatz der Klägerin vom 7. Dezember 2015, S. 10 ff., Bl. 191 ff.
der Berufungsakte). Falsch sei die Behauptung der Beklagten, die I. habe durch
fehlende Intervention eine diskriminierende Tarifpraxis gebilligt. Arbeitnehmer
schreckten in einem bestehenden Arbeitsverhältnis in der Regel davor zurück,
streitige Ansprüche gerichtlich durchzusetzen, so dass es zunächst nur allgemeine
Anfragen an die Gewerkschaft gegeben habe. Im Jahr 2012 seien dann zwei im
Wege des Vergleichs beendete Verfahren geführt worden, in denen die
Tarifauslegung der Klägerin, wie auch im Schreiben vom 2. Oktober 2014, nicht
bestritten worden sei. Diese habe auch keine unzulässige Ungleichbehandlung
jüngerer Arbeitnehmer zur Folge. Sie stelle sicher, dass Voll- und
Teilzeitbeschäftigte die gleiche Stundenvergütung erhielten. Dass sich dadurch im
Ergebnis das monatliche Gehalt erhöhe, sei vom Einschätzungsprärogative der
Tarifparteien gedeckt, da es hierfür triftige sachliche Gründe gebe. Diese hätten
sich bewusst gegen eine Anpassung der Wochenarbeitszeit bei
Teilzeitbeschäftigten entschieden. Der sachliche Grund hierfür sei ua., dass diese
typischerweise eine bestimmte Stundenzahl gewählt hätten, die ihrer persönlichen
Lebenssituation entspreche, und auch der Arbeitgeber ein Interesse daran habe,
dass diese eine bestimmte Mindeststundenzahl anwesend seien. Verkürze sich
die Arbeitszeit der Teilzeitbeschäftigten, könnten zudem Ansprüche gemäß § 9
TzBfG bestehen, diese wieder zu erhöhen. Die aus Gründen der
Gleichbehandlung gemäß § 4 Abs. 1 TzBfG und dem Verbot der Diskriminierung
weiblicher Beschäftigter (36 % der Frauen und nur 6,5 % der Männer arbeiteten in
Teilzeit; vgl. Anlage K 10, Bl. 47 der Berufungsakte) gebotene Gleichstellung mit
Vollzeitbeschäftigten rechtfertige die unterschiedliche Behandlung hinsichtlich der
Stundenvergütung im Vergleich zu jüngeren Teilzeitbeschäftigten. Eine
altersbedingte Reduzierung der Arbeitszeit sei rechtlich unbedenklich, obwohl
damit im Vergleich zu jüngeren Arbeitnehmern automatisch eine höhere Vergütung
pro Arbeitsstunde verbunden sei. Unstreitig sei, dass die gesundheitlichen
Beeinträchtigungen ab dem 50. Lebensjahr bei Vollzeitbeschäftigten zunähmen,
dass dies durch eine Arbeitszeitverkürzung verbessert werden könne und dass §
5.1 ETV insoweit sachgerecht, diskriminierungsfrei und unionsrechtskonform sei.
Entgegen der Auffassung der Beklagten bestehe aber auch bei
Teilzeitbeschäftigten ein Zusammenhang zwischen Lebensalter und
Leistungsfähigkeit. Auch diese seien mit zunehmendem Alter einem erhöhten
Gesundheitsrisiko ausgesetzt, wie die von der Beklagten vorgelegten
Untersuchungen zeigten. Dies gelte unabhängig von der wöchentlichen
Arbeitszeit. Das Arbeitsgericht habe zutreffend darauf hingewiesen, dass gemäß
der von der Beklagten in erster Instanz vorgelegten Studie der Unterschied
zwischen den Beschwerden teilzeitbeschäftigter Frauen und vollzeitbeschäftigter
Männer marginal sei, abgesehen davon, dass die Untersuchung nicht hinsichtlich
des Lebensalters differenziere. Empirisch betrachtet seien aber
Teilzeitbeschäftigte im Durchschnitt jünger als Vollzeitbeschäftigte. Die
zweitinstanzlich von der Beklagten vorgelegte Untersuchung differenziere nicht
zwischen den unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen von Teilzeit- und
Vollzeitbeschäftigten, sie beziehe sich überwiegend auf Produktionsarbeitsplätze
und lasse erkennen, dass die überwiegend von Teilzeitbeschäftigung betroffenen
Frauen in vielen Fällen stärkere Belastungen hätten als vergleichbare
vollzeitbeschäftigte Männer (näher dazu vgl. den Schriftsatz der Klägerin vom 7.
Dezember 2015, S. 4 f., Bl. 185 f. der Berufungsakte). Eine Ungleichbehandlung
verstieße nicht nur gegen das Verbot der Diskriminierung wegen Teilzeit sondern
auch gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Geschlechts. Der ETV sei
demzufolge dahingehend auszulegen, dass die Tarifvertragsparteien die
Teilzeitbeschäftigten nicht von den Vorteilen der Arbeitszeitverkürzung hätten
ausschließen wollen. Dabei bewege es sich im Rahmen der
Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien, dass sie hierfür eine
Vergütungserhöhung vorgesehen hätten. Dies sei nicht offensichtlich
unangemessen, tragende Grundsätze des Unionsrechts würden dadurch nicht
ausgehöhlt. Die Gestaltungsautonomie der Tarifvertragsparteien dürfe insoweit
nicht in unzulässiger Weise eingeschränkt werden. Eine Absenkung der Arbeitszeit
mit (teilweisem) Entgeltausgleich sei auch im ATZG geregelt, das ausdrücklich für
Teilzeitbeschäftigte gelte. Auch dort erhielten die Beschäftigten eine höhere
Stundenvergütung für die tatsächlich erbrachten Stunden. Die dort vorgesehenen
Modelle entsprächen weitgehend der Wahlmöglichkeit nach dem ETV. Gemäß der
Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten in Nordrhein-Westfalen partizipierten
die Teilzeitbeschäftigten ausdrücklich an einer Altersarbeitszeitverkürzung, ohne
dass hiergegen rechtliche Bedenken bestünden. Die weiteren gesetzlichen
Regelungen, die die Beklagte aufgelistet habe, beanspruchten ebenfalls für
Teilzeitbeschäftigte uneingeschränkte Geltung, auch der Gesetzgeber gehe davon
aus, dass es einen sachlichen Grund gebe, diese ab einem gewissen Alter anders
zu behandeln als jüngere Beschäftigte. Soweit das LAG Hamm (30. Januar 2014 -
8 Sa 942/13) die Einbeziehung Teilzeitbeschäftigter in eine
Altersarbeitszeitreduzierungsregelung für unzulässig erachtet habe, sei diese
Auffassung unzutreffend. Falsch sei auch, dass der EuGH entschieden habe, dass
eine tarifliche Regelung, die das Entgelt nach dem Alter bemesse, generell gegen
das Verbot der Altersdiskriminierung verstoße, in der von der Beklagten zitierten
Entscheidung sei es um eine Vergütungsstaffelung ab dem 21. Lebensjahr
gegangen.
56 Was den Hilfsantrag anbelange, habe das Arbeitsgericht zu Recht angenommen,
dass jedenfalls eine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten verhindert werden
müsse, dies könne indes bereits durch eine Anpassung der Stundenvergütung
geschehen, so dass der auf Zeitgutschriften gerichtete Hilfsantrag nicht zu
bescheiden gewesen wäre. Obgleich, wie die Beklagte ausführe, 83,9 % der
Vollzeitbeschäftigten ihre Arbeitszeit beibehielten und Zeitgutschriften erhielten,
verweigere die Beklagte Teilzeitbeschäftigten, die ihre Arbeitszeit ebenfalls
beibehielten, sogar dies ohne sachlichen Grund.
57 Soweit die tarifliche Regelung im Sinne der Klägerin nicht auslegbar sei, sei sie
unwirksam mit der Folge, dass eine „Anpassung nach oben“ stattzufinden habe,
mithin der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auch dann zustehe.
58 Die Widerklage der Beklagten sei abzuweisen. Falls das Gericht zu der Auffassung
gelange, dass dem Haupt- oder Hilfsantrag der Klägerin aufgrund gesetzes- und
unionsrechtskonformer Auslegung des ETV stattzugeben sei, fehle es ihr bereits
an einem Rechtsschutzinteresse, da letztlich damit nur festgestellt werden solle, ob
die Ansprüche auch für die Zukunft gegeben seien. Jedenfalls aber sei die
Widerklage unbegründet. Den Arbeitsgerichten stehe es nicht zu, ein bestehendes
Tarifvertragssystem für zukünftig nicht mehr anwendbar zu erklären. Solange die
tarifliche Regelung in Kraft sei, bestehe individualrechtlich ein Anspruch auf eine
„Anpassung nach oben“. Die Tarifvertragsparteien seien dann selbst in der Lage
Änderungen zu vereinbaren, auch könnten Besitzstandsregelungen vereinbart
werden. Eine Vorabentscheidung durch den EuGH sei im vorliegenden Fall
entbehrlich.
59
Die Klägerin beantragt zuletzt,
60
die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Stuttgart vom
24. Juli 2015 - 1 Ca 8186/14 - zu verurteilen, an die Klägerin 1.038,33 EUR
brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
der EZB seit Klagezustellung als zusätzliche Vergütung für den Zeitraum
vom 01.03 bis 30.11.2014 zu zahlen;
61
die Berufung der Beklagten gegen Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom
24. Juli 2015 - 1 Ca 8186/14 - zurückzuweisen;
62
die Widerklage abzuweisen.
63
Die Beklagte beantragt zuletzt,
64
das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 24. Juli 2015 - 1 Ca 8186/14 -
teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen;
65
die Berufung der Klägerin gegen Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 24.
Juli 2015 - 1 Ca 8186/14 -zurückzuweisen;
66
im Wege der Widerklage, hilfsweise für den Fall des Unterliegens der
Beklagten,
67
festzustellen, dass die Regelung von § 5.1 des Ergänzungstarifvertrages für
Beschäftigte von d.-Unternehmen vom 9. September 1999 auf das
Arbeitsverhältnis der Klägerin keine Anwendung findet.
68 Die Beklagte bringt vor, das Arbeitsgericht habe zwar den Hauptantrag der
Klägerin zu Recht abgewiesen, zu Unrecht habe es aber ihrem Hilfsantrag
stattgegeben.
69 Der Hilfsantrag sei unbegründet, ein Anspruch auf Zeitgutschriften nach § 5.1 ETV
bestehe entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht. Darin liege auch keine
sachwidrige und unverhältnismäßige Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten.
Unzutreffend sei, dass § 5.2 ETV ein Verständnis zulasse, wonach lediglich die in
§ 5.1 ETV vorgesehene Option einer unmittelbaren Verkürzung der Arbeitszeit für
Teilzeitbeschäftigte ausgeschlossen sein solle. Gemäß § 5.2 ETV werde die
Arbeitszeit Teilzeitbeschäftigter durch die Altersstaffelung nicht beeinflusst, sie
„bleibe unberührt“. Für diese Gruppe könne es nie zu einer Differenz zwischen der
an sich geschuldeten und der tatsächlichen Arbeitszeit kommen, so dass schon
nach dem Wortlaut und der Systematik des ETV kein Anspruch von
Teilzeitbeschäftigten auf Zeitgutschriften bestehe. Dies stehe im Einklang mit dem
Regelungszweck des § 5 ETV. Dieser stelle einen Kompromiss zwischen der
Forderung der Gewerkschaft nach der 35-Stundenwoche und der
Arbeitgeberforderung nach einer flächendeckenden 40-Stundenwoche dar (näher
zur Tarifgeschichte und zu den allgemeinen tarif- und sozialpolitischen
Erwägungen vgl. den Schriftsatz der Beklagten vom 10. November 2015, S. 9 - 12,
Bl. 112 ff. und die Anlagen B 2 bis B 4, Bl. 150 ff. der Berufungsakte). Dieser
Kompromiss reduziere die Belastung für ältere Vollzeitbeschäftigte und im
Schichtbetrieb des Rechenzentrums in Vollzeit Beschäftigte (§ 5.3.1 ETV), für
Teilzeitbeschäftigte hätten die Tarifvertragsparteien kein gesteigertes
Erholungsbedürfnis gesehen und daher von einer Arbeitszeitabsenkung
abgesehen. Auch die Klägerin gehe in ihrer Berufungsbegründung mit
zutreffenden Erwägungen davon aus, dass es dem Willen der Tarifparteien
entsprochen habe, die von einer Teilzeitkraft arbeitsvertraglich vereinbarte
Wochenarbeitszeit unangetastet zu lassen. Dies gelte für jede Form der
Arbeitszeitverkürzung, auch in Gestalt von Zeitgutschriften. Die Herausnahme der
Teilzeitbeschäftigten aus der Regelung über die Zeitgutschriften sei sachlich
gerechtfertigt, sowohl im Hinblick auf das 50. Lebensjahr als auch im Hinblick auf
die 35-Stunden-Grenze. Das 50. Lebensjahr sei nach gefestigter Rechtsprechung
eine taugliche Grenze für die Bestimmung der Gruppe der älteren Beschäftigten
iSd. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, ebenso sei anerkannt, dass bei typisierender
Betrachtungsweise die körperliche und psychische Belastbarkeit mit
zunehmendem Alter sinke und damit das Erholungsbedürfnis steige. Dieses
Ergebnis werde durch den aktuellen Stand der arbeitsmedizinischen und -
psychologischen Wissenschaft gestützt (näher dazu vgl. den Schriftsatz der
Beklagten vom 10. November 2015, S. 14 - 15, Bl. 117 f. und Anlage B 5, Bl. 162 ff.
der Berufungsakte). Auch zeigten viele gesetzliche Regelungen, dass der
Gesetzgeber bei einem Lebensalter um die 50 eine Zäsur sehe, die besondere
Maßnahmen rechtfertige (näher dazu vgl. den Schriftsatz der Beklagten vom 10.
November 2015, S. 22 - 25, Bl. 125 ff. der Berufungsakte). Die 35-Stunden-Grenze,
mithin die Herausnahme der Teilzeitbeschäftigten aus dem Zeitgutschriftenmodell,
sei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ebenfalls sachlich gerechtfertigt.
Dies ergebe sich aus den zutreffenden Erwägungen des LAG Hamm (30. Januar
2014 - 8 Sa 942/13), wonach der Grund für die Absenkung der Arbeitszeit bei
Vollzeitkräften - nämlich die Kompensation für das altersbedingte Absinken des
Leistungsvermögens und des hierdurch gesteigerten Erholungsbedürfnisses - auf
die Gruppe der Teilzeitkräfte nicht zutreffe, und zwar auch nicht proportional im
Verhältnis von Teil- zu Vollzeit. Dies werde ebenfalls durch den aktuellen Stand der
arbeitsmedizinischen und -psychologischen Wissenschaft gestützt, wie die
Machbarkeitsstudie „Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen der Dauer
der Arbeitszeit und gesundheitlicher Beeinträchtigung“ aus dem Jahr 2005 zeige.
Die Studie zeige signifikante Interaktionseffekte bei einer altersdifferenzierten
Betrachtung des Zusammenhangs von Wochenarbeitszeit und gesundheitlichen
Beschwerden. Aus ihr lasse sich ableiten, dass eine Arbeitszeit von ca. 35
Stunden pro Woche für ältere Arbeitnehmer eine sachgerechte Grenze sei, um
übermäßige Belastungen zu vermeiden. Ihr lasse sich jedenfalls entnehmen, dass
Arbeitszeiten, wie sie die Klägerin habe, unter gesundheitlichen Aspekten
unbedenklich seien und keine negativen Auswirkungen auf den
Gesundheitszustand im Alter erwarten ließen (näher dazu vgl. den Schriftsatz der
Beklagten vom 10. November 2015, S. 15 - 17, Bl. 118 ff. und Anlage B 6, Bl. 165
ff. der Berufungsakte). Auch die bereits erstinstanzlich vorgelegte
Erwerbstätigenbefragung „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2011“ (Anlage
B 7, Bl. 168 ff. der Berufungsakte) sei insoweit aussagekräftig. Entgegen der
Auffassung des Arbeitsgerichts sei es unzulässig Angehörige beider Geschlechter
miteinander zu vergleichen, der Vergleich müsse getrennt erfolgen. Die Studie
zeige, dass zu jeder Beschwerdeart Vollzeitbeschäftigte mehr unter
gesundheitlichen Beeinträchtigungen litten als Teilzeitbeschäftigte. Es lägen daher
empirisch fundierte Erkenntnisse vor, nach denen bei generalisierender
Betrachtung ein Erfahrungssatz dahingehend aufgestellt werden könne, dass
Teilzeitbeschäftigte (mit weniger als 35 Wochenstunden) in signifikant geringerem
Umfang gesundheitliche Beeinträchtigungen zu beklagen hätten als
Vollzeitbeschäftigte und dementsprechend auch ein signifikant geringeres
Erholungsbedürfnis bestehe. Die Ausführungen der Klägerin hierzu seien nicht
geeignet, dies in Zweifel zu ziehen (näher dazu vgl. den Schriftsatz der Beklagten
vom 19. Januar 2016, S. 1 - 5, Bl. 219 ff. der Berufungsakte). Die
Tarifvertragsparteien hätten sich daher auch insoweit in den Grenzen des ihnen
zustehenden und auch unionsrechtlich gewährten Regelungsspielraums gehalten.
Diese hätten sich auch an üblichen und etablierten Standards der
Tarifvertragsgestaltung orientiert. So nehme § 2 a des Manteltarifvertrages der
chemischen Industrie Teilzeitbeschäftigte ausdrücklich von einer
Altersarbeitszeitreduzierung aus. In ihrer aktuellen Tarifpolitik fordere die I.
entsprechend der Bedürfnisse ihrer Mitglieder eine „reduzierte Vollzeit“ im Alter und
für Eltern (näher dazu vgl. den Schriftsatz der Beklagten vom 10. November 2015,
S. 27 - 29, Bl. 130 ff. und die Anlagen B 8 und B 9, Bl. 174 ff. der Berufungsakte).
Unter dem Aspekt der erforderlichen unionsrechtskonformen Auslegung sei nach
der Rechtsprechung des EuGH zu berücksichtigen, dass eine kollektive Regelung
nur dann zu beanstanden sei, wenn sie offensichtlich unangemessen sei, um ein
legitimes Ziel zu verfolgen, dass die Ausübung des Ermessensspielraums nicht
dazu führen dürfe, dass ein tragender Grundsatz des Unionsrechts ausgehöhlt
werde, und dass der weite Ermessenspielraum insbesondere für die Entscheidung
gelte, einen früheren Eintritt in den Ruhestand vorzusehen. Diese Überlegungen
ließen sich auf den vorliegenden Fall übertragen, so dass keine Anhaltspunkte
gegeben seien, dass es an einer Angemessenheit und damit an einer sachlichen
Rechtfertigung für die Regelungen des § 5.1 ETV fehle. Die Reduzierung der
Arbeitszeit älterer Vollzeitbeschäftigter erweise sich unter Berücksichtigung des
weiten Gestaltungsspielraums auch als verhältnismäßige Maßnahme iSd. AGG,
sie sei geeignet, erforderlich und angemessen. Zwar sei bislang in der
Rechtsprechung kein Erfahrungssatz anerkannt, wonach ältere
Vollzeitbeschäftigte gegenüber älteren Teilzeitbeschäftigten ein signifikant
gesteigertes Erholungsbedürfnis hätten. Dies entspreche indes dem aktuellen
Stand der Arbeitsmedizin und -psychologie. Die Regelung, die Zeitgutschriften
älteren Vollzeitbeschäftigten vorbehalte, verfolge einen legitimen Zweck, sie sie
geeignet den in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG beschriebenen Zweck des Schutzes älterer
(Vollzeit-)Beschäftigter zu fördern. Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz
verwirklichen könnten, seien nicht ersichtlich, insbesondere nicht eine niedrigere
Alters- oder Stundengrenze, denn dabei handelte es sich um andere Maßnahmen
mit einem erhöhten Dotierungsrahmen, dessen Festlegung Sache der Tarifpartner
sei. Auch dürften diese eine generalisierende Betrachtung anstellen, es komme
insoweit nicht auf eine Prüfung eines individuell ermittelten Erholungsbedürfnisses
an. Richtig sei zwar, dass es bei Teilzeitbeschäftigten weitere Belastungsfaktoren
geben könne, es sei aber das Wesen abstrakt-genereller Regelungen auf eine
Einzelfallprüfung zu verzichten.
70 Der Hauptantrag sei, wie das Arbeitsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen
habe, ebenfalls unbegründet. Ein Zahlungsanspruch bestehe bereits deshalb
nicht, weil keine Ungleichbehandlung vorliege. Die Klägerin sei gemäß ihrem
Arbeitsvertrag mit Vollzeitbeschäftigten zu vergleichen, die in ungeschmälertem
Umfang Arbeit leisteten. Die Grundarbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten nach dem
ETV betrage 40 Wochenstunden, beim weit überwiegenden Teil gelte diese auch
ab dem 50. Lebensjahr fort (83,9 %). Da damit bezüglich der Klägerin der Divisor
40 gelte, sei der in § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG niedergelegte Pro-rata-temporis-
Grundsatz nicht verletzt. Bilde man die Vergleichsgruppen zutreffend, erfolge keine
Ungleichbehandlung der Klägerin bezogen auf das Arbeitsentgelt, so dass der
Hauptantrag bereits deswegen keinen Erfolg haben könne. Der Zahlungsanspruch
lasse sich auch nicht aus dem ETV ableiten, lege man diesen gesetzes- und
unionsrechtskonform aus. Bereits Wortlaut und Systematik führten zu einem
eindeutigen Auslegungsergebnis. Aus § 3.6 ETV folge im Zusammenwirken mit §
5.2 ETV, dass Bezugspunkt für die Ermittlung der Vergütung die tarifliche
Grundarbeitszeit von 40 Wochenstunden sei. In § 5.2 ETV sei zum Ausdruck
gebracht, dass die Altersstaffelung für Teilzeitkräfte auch im Hinblick auf die
Vergütung unberücksichtigt bleiben solle. Die Altersstaffelung nach § 5.1 ETV
führe in keinem Fall eines Vollzeitbeschäftigten zu einer Erhöhung des Tarifgehalts
oder des monatlichen Entgelts. Es sei systemwidrig nur bei Teilzeitbeschäftigten
eine altersbedingte Erhöhung des Jahreszielgehaltes anzunehmen. Dies verstieße
gegen den Grundsatz der Lohngleichheit, es fehle jeder Anhaltspunkt dafür, dass
die Tarifvertragsparteien eine rechtswidrige Regelung hätten schaffen wollen. Sinn
und Zweck der verkürzten Arbeitszeit nach § 5.1 ETV sei die Rücksichtnahme auf
ein gesteigertes Erholungsbedürfnis im Alter. Bei den Altersstufen sei es daher
stets um eine Entlastung in Zeit gegangen, Geld sei aber nicht Zeit. Der Abschluss
der KBV indiziere vor dem Hintergrund, wie diese verstanden und unbeanstandet
praktiziert worden sei (näher zur Tarifpraxis vgl. den Schriftsatz der Beklagten vom
19. Januar 2016 S. 5 - 6, Bl. 223 f. und die Anlagen B 10 und B 11, Bl. 226 ff. der
Berufungsakte, wonach die Beklagte die nunmehr vertretene Rechtsauffassung
bereits in den Verfahren im Jahr 2012 vertreten habe), nichts anderes. Dabei sei
zu berücksichtigen, dass die Tarifvertragsparteien mit dem ETV eine
Jahresentgeltstruktur eingeführt hätten. Unter dem ETV gebe es kein tarifliches
Stundenentgelt, sondern ein tarifliches Jahreszielgehalt. Mit der Definition eines
Stundensatzes sei es den Parteien der KBV ausschließlich um die
Berechnungsbasis für die Ermittlung von tariflichen Zuschlägen sowie für die
Bezahlung von Ausfallzeiten im Hinblick auf § 4.3 ETV gegangen (näher dazu vgl.
den Schriftsatz der Beklagten vom 10. November 2015, S. 12 - 14, Bl. 115 ff. der
Berufungsakte). Jedenfalls könne der Hauptantrag bei einer gesetzes- und
unionsrechtskonformen Auslegung von § 5.1 ETV keinen Erfolg haben. Dass die
Klägerin mit der von ihr vertretenen Auslegung eine höhere Vergütung als jüngere
Teilzeitbeschäftigte erhalte, lasse sich mit der Rechtsprechung des EuGH und des
BAG nicht vereinbaren. Eine tarifvertragliche Regelung, die das regelmäßige
Entgelt nach dem Alter bemesse, verstoße gegen das Diskriminierungsverbot
wegen des Alters. Mit zutreffenden Erwägungen habe das Arbeitsgericht
angenommen, dass der von der Klägerin geltend gemachte Zahlungsanspruch
nicht aus Ziff. 4 Buchst. a KBV oder aus einem Schuldanerkenntnis folge,
wogegen diese sich im Rahmen ihrer Berufung auch nicht mehr wende.
71 Soweit das Gericht das erkennende Gericht die Regelungen des § 5.1 ETV ganz
oder teilweise für unwirksam halten sollte, verbiete sich vorliegend ein „Anpassung
nach oben“, da nur durch die Nichtanwendung der Regelung ein
diskriminierungsfreier Zustand hergestellt werden könne. Durch eine „Anpassung
nach oben“ werde eine ausschließlich am Lebensalter orientierte
Vergütungsstruktur geschaffen, die gegen das Verbot der Altersdiskriminierung
verstieße. Dies gelte auch im Hinblick auf die Zeitgutschriften, da in diesem Fall
das gesteigerte Erholungsbedürfnis zurücktrete, abgesehen davon, dass es dabei
nicht von vornherein um eine Entgeltdiskriminierung gehe, so dass eine
„Anpassung nach oben“ nicht die vorprogrammierte Rechtsfolge sei, sondern eine
Nichtanwendung der benachteiligenden Regelung genüge. Jedenfalls aber für die
Zukunft verbiete sich eine „Anpassung nach oben“, was Gegenstand der
hilfsweise erhobenen Widerklage sei. Nach der neueren Rechtsprechung des
EuGH sei eine „Anpassung nach oben“ unionsrechtlich in einem Fall wie dem
vorliegenden nicht geboten, sie verbiete sich sogar. Eine „Anpassung nach oben“
komme als Ausnahme zum Regelfall der Nichtanwendung nur in Betracht, wenn
diese als Ergebnis einer Auslegung nach den Methoden des nationalen Rechts
möglich sei und es überhaupt ein gültiges Bezugssystem für die bevorzugte
Gruppe gebe. Was den Hauptantrag anbelange, scheide eine „Anpassung nach
oben“ aus, weil eine unionsrechtskonforme Auslegung des ETV möglich sei, wie
bereits das Arbeitsgericht herausgearbeitet habe, und weil bei einer solchen kein
gültiges Bezugssystem verbleibe. Vielmehr komme es zu einer
„Diskriminierungszwickmühle“, die Beseitigung einer etwaigen Diskriminierung von
Teilzeitbeschäftigten bewirkte zwingend eine Altersdiskriminierung, so dass
lediglich die Nichtanwendung des § 5.1 ETV diskriminierungsfrei sei. Was den
Hilfsantrag anbelange, gelte nichts anderes. Eine Auslegung scheide - entgegen
der Auffassung des Arbeitsgerichts - aus. Jedenfalls aber entstünde dadurch, da
der Entlastungsgedanke bei Teilzeitbeschäftigten nicht trage, eine weiterhin oder
sogar vertieft diskriminierende Regelung, die deshalb kein gültiges Bezugssystem
darstelle. Dies werde auch daran deutlich, dass Mitarbeiter, die mit 35
Wochenstunden in Vollzeit arbeiteten, keine Zeitgutschriften erhielten. Erhielte die
Klägerin nunmehr Zeitgutschriften sei dies mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz
nicht in Einklang zu bringen. Daher müsste ein gänzlich neuartiges
diskriminierungsfreies System geschaffen werden, was ausschließlich den
Tarifvertragsparteien vorbehalten sei. Daher bleibe auch insoweit lediglich die
Nichtanwendung als Rechtsfolge möglich. Daher habe die Beklagte ein
berechtigtes Interesse an der Feststellung der Unanwendbarkeit des § 5.1 ETV auf
das Arbeitsverhältnis der Klägerin. Da eine Konstellation wie die Vorliegende
bisher nicht Gegenstand der Rechtsprechung des EuGH oder des BAG gewesen
sei, insbesondere kein sog. „acte clair“ vorliege, werde eine Vorlage an den EuGH
angeregt, wenn das Gericht zu dem Ergebnis gelange, dass § 5.1 ETV ganz oder
in Teilen Teilzeitbeschäftigte diskriminiere oder diskriminieren könne (zu den
vorgeschlagenen Vorlagefragen vgl. den Schriftsatz der Beklagten vom 10.
November 2015, S. 45, Bl. 148 der Berufungsakte).
72 Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend auf die
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
I.
73 Die Berufungen beider Parteien sind zulässig, aber nicht begründet. Das
Arbeitsgericht hat zu Recht den auf Zahlung von Vergütung gerichteten
Hauptantrag der Klägerin abgewiesen und den von ihr mit dem Hilfsantrag
verfolgten Anspruch auf eine Zeitgutschrift auf ihr tarifliches Langzeitkonto
zuerkannt. Die erstmals im zweiten Rechtszug von der Beklagten erhobene
hilfsweise Widerklage auf Feststellung, dass § 5.1 ETV auf das Arbeitsverhältnis
der Klägerin keine Anwendung findet, unterliegt mangels Zulässigkeit der
Abweisung.
74 1. Die Berufungen beider Parteien sind zulässig. Insbesondere sind sie jeweils
gemäß § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG statthaft und wurden jeweils gemäß §§ 66
Abs. 1 Sätze 1 und 5, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519 Abs. 1 und 2, 520 Abs. 1 und
3 frist- und formgerecht eingelegt und begründet.
75 2. Die Berufungen beider Parteien sind allerdings nicht begründet. Dies gilt zum
einen für die Berufung der Klägerin, mit der diese den Hauptantrag auf
Vergütungszahlung für den Zeitraum 1. März 2014 bis 30. November 2014 in
Höhe von 1.038,33 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit Klagezustellung weiterverfolgt. Zum anderen gilt dies für
die Berufung der Beklagten, mit der diese die Abweisung des auf eine
Zeitgutschrift für den genannten Zeitraum im Umfang von 46,8 Stunden auf das
tarifliche Langzeitkonto gerichteten Hilfsantrages der Klägerin erstrebt.
76 a) Bevor auf die Begründetheit der Berufungen beider Parteien, mithin auf die
Zulässigkeit und Begründetheit von Haupt- und Hilfsantrag und dabei
insbesondere auf die Frage, ob und in welcher Form die Klägerin als
Teilzeitbeschäftigte an dem tariflichen Modell der Verkürzung der Arbeitszeit im
Alter gemäß § 5.1 ETV teilnimmt, näher eingegangen wird, soll vorab, da im
Rahmen der späteren Argumentation hierauf zurückzukommen sein wird,
dargelegt werden, dass dieses tarifliche Modell für Vollzeitbeschäftigte mit einer
Wochenarbeitszeit von 40 Stunden, für die es jedenfalls Geltung beansprucht,
einer rechtlichen Überprüfung nach Maßgabe der Bestimmungen des AGG
standhält.
77 aa) Die Bestimmung des § 5.1 ETV sieht eine Verkürzung der Arbeitszeit nach
Lebensalter in zwei unterschiedlichen Ausgestaltungen vor. Gemäß § 5.1 Abs. 2
ETV erhalten Arbeitnehmer bei Beibehaltung der bisherigen Arbeitszeit in dieser
Höhe, dh. gemäß § 5.1 Abs. 1 Satz 2 ETV bei Beibehaltung der tariflichen
Regelarbeitszeit von 40 Stunden pro Woche, ab dem 50. Lebensjahr
Zeitgutschriften auf das tarifliche Langzeitkonto und zwar gestaffelt im Umfang
von zwei Stunden ab dem 50. Lebensjahr, von vier Stunden ab dem 53.
Lebensjahr und von fünf Stunden ab dem 55. Lebensjahr. Gemäß § 5.1 Abs. 4
ETV erfolgt auf Wunsch des Arbeitnehmers statt der Zeitgutschrift eine
entsprechende Verkürzung der wöchentlichen Regelarbeitszeit und zwar auf 38
Wochenstunden ab dem 50. Lebensjahr, auf 36 Wochenstunden ab dem 53.
Lebensjahr und auf 35 Wochenstunden ab dem 55. Lebensjahr. Gemäß § 5.1
Abs. 5 ETV erfolgt aus Anlass der Zeitgutschriften bzw.
Regelarbeitszeitverkürzungen keine Reduzierung des Jahreszielgehalts.
78 bb) Dieses tarifliche Modell einer Altersarbeitszeitverkürzung für
Vollzeitbeschäftigte mit einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden gemäß § 5.1
ETV ist rechtskonform, die Bestimmungen des AGG stehen ihm, wovon auch
beide Parteien übereinstimmend ausgehen, nicht entgegen.
79 aaa) Nach § 7 Abs. 1 Halbsatz 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in §
1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Unter Alter iSd. § 1 AGG ist das
Lebensalter zu verstehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes und aus der
Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 31; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR
956/12 - BAGE 149, 315; 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - BAGE 141, 73; 22.
Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - BAGE 129, 181). Eine unmittelbare
Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG gegeben, wenn eine Person
wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung
erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der für eine
unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits
dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG
genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist (vgl. BAG 21. Oktober 2014
- 9 AZR 956/12 - BAGE 149, 315; 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - BAGE 141,
73).
80 bbb) Gemessen daran liegt in der tariflichen Altersarbeitszeitverkürzung für
Vollzeitbeschäftigte mit einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden gemäß § 5.1
ETV eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters. Die tarifliche
Bestimmung knüpft bei der Gewährung von Zeitgutschriften bzw. der
unmittelbaren Arbeitszeitreduzierung an die Erreichung des 50. Lebensjahres
und in der Folge an weitere Altersstufen und damit unmittelbar an das
Lebensalter der Beschäftigten an. Arbeitnehmer mit einer 40-Stundenwoche, die
die Altersgrenzen nicht erreicht haben, werden wegen ihres Alters ungünstiger
behandelt (vgl. zur Minderung der regelmäßigen Arbeitszeit bayrischer Beamter
in einem am Lebensalter orientierten Stufenmodell: BayVGH 24. Oktober 2011 - 3
ZB 08.721 - juris).
81 ccc) Diese Ungleichbehandlung wegen des Alters ist jedoch gemäß § 10 Satz 3
Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Die Regelung des § 5.1 ETV bezweckt bei
Berücksichtigung des weiten Gestaltungsspielraumes, der den
Tarifvertragsparteien zukommt, den in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG als legitimes Ziel
iSd. § 10 Satz 1 AGG genannten Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet,
erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG, um diesen
sicherzustellen.
82 (1) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des
Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel
gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2
AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert ua.
das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei
dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und
Arbeitsbedingungen einschließen kann (vgl. BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR
956/12 - BAGE 149, 315; 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - BAGE 141, 73).
83 (2) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des
Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für
die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L
303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) in das nationale Recht (vgl. BAG 21. Oktober
2014 - 9 AZR 956/12 - BAGE 149, 315; 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - BAGE
147, 279). Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung den Text der Richtlinie
nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen. Dessen Regelungen sind
unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter
Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union
auszulegen (vgl. BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - BAGE 149, 315; 14.
März 2012 - 7 AZR 480/08 - juris).
84 (3) Die Tarifvertragsparteien verfügen auf nationaler Ebene beim gegenwärtigen
Stand des Unionsrechts nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel
von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen,
sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über
einen weiten Gestaltungsspielraum (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 -
[Palacios de la Villa] Slg. 2007, I-8531; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 -
BAGE 149, 315).
85 (4) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Benachteiligung der
Vollzeitbeschäftigten mit einer 40-Stundenwoche, die die Altersstaffelung des §
5.1 ETV nicht erreicht haben, gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.
86 (a) Ein legitimes Ziel liegt vor. Die Regelung des § 5.1 ETV gewährt ab dem 50.
Lebensjahr aufgrund der nachlassenden Leistungsfähigkeit und des demzufolge
gesteigerten Erholungsbedürfnisses im Alter eine gestaffelte
Arbeitszeitverkürzung und bezweckt damit die Sicherstellung des Schutzes
älterer Beschäftigter iSd. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Da dieser Schutz - wie bereits
erwähnt - die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließt, unterfällt
ihm auch eine Arbeitszeitverkürzung, sei es in Form von Zeitgutschriften, sei es in
Form einer unmittelbaren Absenkung der Arbeitszeit, wie sie die tarifliche
Regelung hier vorsieht.
87 (aa) Die Tarifvertragsparteien durften Arbeitnehmer ab dem 50. Lebensjahr als
„ältere Beschäftigte“ iSd. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, deren Schutz es sicherzustellen
gilt, ansehen. Zwar definiert das AGG in dieser Vorschrift - ebenso wie Art. 6 Abs.
1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - nicht, wann ein Beschäftigter
„älter“ im Sinne der Norm ist (vgl. zum herkömmlichen Verständnis: BAG 18.
September 2014 - 6 AZR 636/13 - BAGE 149, 125).Nach dem Sinn und Zweck
des Benachteiligungsverbots reicht es ohne das Vorliegen anderer
Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer
höher ist als das Alter der nicht begünstigten (vgl. BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR
956/12 - BAGE 149, 315). Dementsprechend hat das Bundesarbeitsgericht
angenommen, ein Arbeitnehmer sei nach der Vollendung seines 31.
Lebensjahres offensichtlich noch kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1
AGG (BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - BAGE 132, 210). Aus dem
systematischen Zusammenhang mit § 10 Satz 1 AGG und aus dem
Regelungszweck folgt aber, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres
Alters des Schutzes bedürfen müssen (vgl. BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR
956/12 - BAGE 149, 315).
88 (bb) Unter Zugrundelegung dessen durften die Tarifvertragsparteien im Rahmen
ihres weiten Gestaltungsspielraumes bei Beschäftigten ab dem 50. Lebensjahr
davon ausgehen, dass diese aufgrund ihres Alters des Schutzes bedürfen. Es ist
nicht zu beanstanden, wenn sie ab dieser Altersgrenze eine altersbedingt
nachlassende Leistungsfähigkeit und ein damit einhergehendes gesteigertes
Erholungsbedürfnis angenommen haben. Dabei durften die Tarifvertragsparteien
von dem Erfahrungssatz, den das Berufungsgericht aus eigener Sachkunde als
zutreffend erachtet, ausgehen, dass das Erholungsbedürfnis im höheren Alter
steigt. Das Bundesarbeitsgericht hat hinsichtlich der Frage, ab wann ein „höheres
Alter“ in diesem Sinne bzw. ein „älterer Beschäftigter“ iSd. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG
angenommen werden kann, ausgeführt, dass bei über 50-jährigen ein
altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis „eher nachvollziehbar“ ist (vgl.
BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - BAGE 149, 315; 20. März 2012 - 9 AZR
529/10 - BAGE 141, 73), so dass es nicht zu beanstanden ist, wenn die
Tarifvertragsparteien dieses Alter als Ausgangspunkt ihrer Staffelung gewählt
haben. Diese Altersgrenze erscheint plausibel, selbst wenn keine klassischen
Produktionsbetriebe mit körperlich anstrengenden Tätigkeiten (vgl. dazu BAG 21.
Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - BAGE 149, 315) von Geltungsbereich des ETV
erfasst sein sollten (vgl. Hessisches LAG 9. Mai 2014 - 3 Sa 685/13 - juris; 17.
Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - juris). Von dessen Geltungsbereich sind eine
Vielzahl unterschiedlichster Tätigkeiten unterschiedlichen Belastungsgrades
erfasst, wohl auch einfache Dienstleistungen, bezüglich derer - wie das
Bundesarbeitsgericht angemerkt hat - die Annahme eines größeren
Erholungsbedarfs im erhöhten Alter als nicht fehlerhaft erscheint (vgl. BAG 21.
Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - BAGE 149, 315 unter Hinweis auf die ILO-
Empfehlung Nr. 162 vom 23. Juni 1980 , den WHO Technical Report Series 835
„Aging and Working Capacity” (dt. Übersetzung: „Altern und Arbeit“ 1994) und
den „Fortschrittsreport Altersgerechte Arbeitswelt“, Ausgabe 3 des
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Stand September 2013), den die
Beklagte als Anlage B 5 auszugsweise vorgelegt hat und der den genannten
Erfahrungssatz zu stützen vermag). Es ist daher vom weiten
Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien als gedeckt anzusehen ist, wenn
diese insoweit tätigkeitsübergreifend eine typisierende Betrachtung angestellt
haben (vgl. Hessisches LAG 20. Mai 2015 - 2 Sa 1556/14 - juris). Diese
Auffassung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bayerischen
Verwaltungsgerichtshofes, der eine gestaffelte Altersarbeitszeitverkürzung ab
dem 50. Lebensjahr für bayerische Beamte (§ 2 Abs. 1 ArbZV BY aF) insoweit
nicht beanstandet hat (vgl. BayVGH 24. Oktober 2011 - 3 ZB 08.721 - juris).
89 (cc) Soweit das legitime Ziel in Gestalt des Schutzes älterer Arbeitnehmer
aufgrund der nachlassenden Leistungsfähigkeit und des gesteigerten
Erholungsbedürfnisses nicht unmittelbar dem Text des ETV entnommen werden
kann, ist dies unschädlich. Zwar müssen, wenn eine Regelung kein Ziel benennt,
zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter
der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die
Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu
seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können (BAG 21.
Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - BAGE 149, 315; 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 -
BAGE 141, 73; vgl. zur Richtlinie 2000/78/EG: EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-
160/10 - [Fuchs und Köhler] Slg. 2011, I-6919). Staffelt eine Tarifregelung die
Arbeitszeit nach dem Lebensalter, liegt indes die Annahme nahe, die
Tarifvertragsparteien hätten einer mit zunehmendem Alter nachlassenden
Leistungsfähigkeit und einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer
Beschäftigter Rechnung tragen wollen. Diese Annahme darf freilich nicht durch
die konkrete Wahl der Altersgrenzen widerlegt werden (vgl. BAG 21. Oktober
2014 - 9 AZR 956/12 - BAGE 149, 315; 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - BAGE
141, 73). Dies ist aber hier - wie aufgezeigt - nicht der Fall. Dabei kann
dahinstehen, ab welchem Alter die Annahme, die Arbeitszeitverkürzung diene
dem höheren Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1
AGG, nicht mehr ohne Weiteres aufrechterhalten bzw. als widerlegt erachtet
werden kann. Das Bundesarbeitsgericht hat - gemäß dem Rechtsgedanken aus
§ 417 Abs. 1 SGB III - gerade eine Altersgrenze von 50 Lebensjahren für die
Einordnung als älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG in Betracht
gezogen, die hier von den Tarifvertragsparteien als Beginn der Staffelung
herangezogen wurde (vgl. BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - BAGE 149,
315; 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - BAGE 141, 73). Hinzu kommt, dass die
Parteien dargelegt haben, dass die Regelung des § 5.1 ETV tarifgeschichtlich
dem Konflikt um die Ablösung der 35-Stundenwoche durch die 40-Stundenwoche
entsprang, im Zuge dessen sich die Tarifvertragsparteien schließlich darauf
verständigt haben, älteren Arbeitnehmern die 40-Stundenwoche nicht mehr
zuzumuten, sondern diese - im Wege der Besitzstandssicherung für die bereits
damals Beschäftigten - gestaffelt auf 35 Stunden pro Woche abzuschmelzen,
was die bereits naheliegende Annahme des genannten Tarifziels bestätigt (vgl.
Hessisches LAG 20. Mai 2015 - 2 Sa 1556/14 - juris).
90 (b) Die Regelung ist geeignet, den in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG beschriebenen
Zweck zu fördern. Eine Arbeitszeitverkürzung ist ohne weiteres geeignet, dem
gesteigerten Erholungsbedürfnis der älteren Beschäftigten Rechnung zu tragen,
da die freiwerdende Zeit bedürfnisgerecht verwendet werden kann (vgl.
Hessisches LAG 20. Mai 2015 - 2 Sa 1556/14 - juris). Dass § 5.1 Abs. 2 ETV
regelmäßig eine Beibehaltung der bisherigen Arbeitszeit von 40 Stunden sowie
die Gewährung von Zeitgutschriften auf das tarifliche Langzeitkonto und dass §
5.1 Abs. 4 ETV nur auf Wunsch des Arbeitnehmers eine unmittelbare Absenkung
der Arbeitszeit vorsieht, steht dem nicht entgegen. Im Gegenteil, diese
differenzierte Gestaltung ermöglicht es den Arbeitnehmern, das Modell nach ihren
individuellen Bedürfnissen zu nutzen. Während Arbeitnehmer, bei denen das
gesteigerte Erholungsbedürfnis bereits mit 50 virulent ist, von der Option
Gebrauch machen können, die Arbeitszeit sogleich unmittelbar zu verringern,
können andere Arbeitnehmer, die erst zu einem späteren Zeitpunkt ein solches
verspüren, dann auf ihre Zeitgutschriften zurückgreifen, bspw. um vorzeitig aus
dem Erwerbsleben auszuscheiden.
91 (c) Die Regelung ist unter Berücksichtigung des Gestaltungsspielraumes der
Tarifvertragsparteien auch erforderlich und angemessen iSd. § 10 Satz 2 AGG.
Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz der älteren Arbeitnehmer
verwirklichen könnten, sind nicht ersichtlich. Etwaige andere Maßnahmen mit
einem erhöhten Dotierungsrahmen haben bei dieser Betrachtung außen vor zu
bleiben (vgl. BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - BAGE 149, 315). Die
konkret gewählte Staffelung des § 5.1 Abs. 2 ETV (2 Stunden ab dem 50.
Lebensjahr, 4 Stunden ab dem 53. Lebensjahr und 5 Stunden ab dem 55.
Lebensjahr) ist vom Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien gedeckt, eine
Verpflichtung zu einer weitergehenden Individualisierung der Regelung unter
Berücksichtigung des individuellen Erholungsbedarfs bestand nicht (näher dazu
vgl. BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - BAGE 149, 315 unter Hinweis auf
EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 - [Specht] NZA 2014, 831).
92 b) An dem nach alledem AGG-konformen tariflichen Modell einer
Altersarbeitszeitverkürzung des § 5.1 ETV partizipiert die Klägerin als
Teilzeitbeschäftigte nicht dergestalt, dass sich ihr Tarifgehalt (Jahreszielgehalt)
bei Beibehaltung ihrer bisherigen Arbeitszeit von 24 Wochenstunden im
Verhältnis zu der für Vollzeitbeschäftigte mit einer 40-Stundenwoche reduzierten
Arbeitszeit erhöht. Ihre Berufung ist unbegründet, denn der fraglos zulässige,
hierauf zielende Hauptantrag ist in der Sache nicht begründet. Für den von der
Klägerin damit geltend gemachten Vergütungsanspruch gibt es keine
Anspruchsgrundlage, die geeignet wäre, diesen zu begründen. Insbesondere
folgt der geltend gemachte Anspruch weder aus § 3.6 ETV, noch aus Ziff. 4
Buchst. a KBV, noch aus einem Schuldanerkenntnis der Beklagten.
93 aa) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus § 3.6 ETV der von ihr
geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht. Dabei kann an dieser Stelle noch
dahinstehen, ob die Klägerin als Teilzeitbeschäftigte an dem Modell der
Reduzierung der Arbeitszeit ab dem 50. Lebensjahr gemäß § 5.1 ETV, an dem
Vollzeitbeschäftigte mit einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden teilnehmen,
überhaupt partizipiert, jedenfalls erfolgt keine Teilnahme daran in Gestalt des von
ihr geltend gemachten Zahlungsanspruches. Dies folgt aus der Auslegung des §
3.6 ETV.
94 aaa) Tarifliche Inhaltsnormen sind wie Gesetze auszulegen. Auszugehen ist vom
Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn.
Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn ist der wirkliche Wille der
Tarifvertragsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck der tariflichen
Regelung zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Regelungswerk ihren
Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den
Gesamtzusammenhang der Regelung, weil dieser Anhaltspunkte für den
wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern kann. Bleiben im Einzelfall
gleichwohl Zweifel, können die Gerichte ohne Bindung an eine bestimmte
Reihenfolge auf weitere Kriterien zurückgreifen, wie etwa auf die
Entstehungsgeschichte und die bisherige Anwendung der Regelung in der
Praxis. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu
berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu
einer vernünftigen, sachgerechten, gesetzeskonformen und praktisch
brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., vgl. etwa BAG 30. Oktober 2012 - 1 AZR
794/11 - ZTR 2013, 333).
95 bbb) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist § 3.6 ETV dahingehend
auszulegen, dass diese Bestimmung den von der Klägerin reklamierten
Vergütungsanspruch nicht gewährt.
96 (1) Der Wortlaut der Bestimmung ist, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt
hat, nicht völlig eindeutig. Gemäß § 3.6 ETV bemisst sich das Tarifgehalt
(tarifliche Jahreszielgehalt) für Teilzeitbeschäftigte nach dem Verhältnis der
individuell vereinbarten Arbeitszeit zu der sich nach § 5 ergebenden tariflichen
Arbeitszeit. Die individuell vereinbarte Arbeitszeit der Klägerin beträgt 24 Stunden.
Diese bleibt von einer altersbedingten Verkürzung der Arbeitszeit gemäß § 5.2
ETV in jedem Falle unberührt. Die Vergütung der Klägerin bemisst sich daher
nach dem Verhältnis der 24 Stunden zu der „sich nach § 5 ergebenden tariflichen
Arbeitszeit“, mithin zu der sich nach dieser Bestimmung ergebenden tariflichen
Arbeitszeit Vollzeitbeschäftigter. Gemeint könnte damit zum einen die gemäß § 5
Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ETV ua. altersbedingt zwischen 40 und 35 Wochenstunden
variierende tarifliche Regelarbeitszeit sein, zum anderen aber auch die
allgemeine, regelmäßige tarifliche Regelarbeitszeit von 40 Stunden pro Woche.
Für letztgenannte Auffassung könnte indes sprechen, dass die 40-
Stundenwoche ab dem 50. Lebensjahr nach dem tariflichen Modell regelmäßig -
unter Gewährung von Zeitgutschriften - beibehalten wird, nur auf Wunsch des
Arbeitnehmers tatsächlich sogleich verkürzt gearbeitet wird und letztgenannte
Option Teilzeitkräften gerade nicht offensteht.
97 (2) Ein wirklicher Wille der Tarifvertragsparteien, der zu dem von der Klägerin
vertretenen Auslegungsergebnis führte, lässt sich aus § 3.6 ETV nicht ableiten.
Zweck und Gesamtzusammenhang dieser Bestimmung machen vielmehr
deutlich, dass sich der von ihr geltend gemachte Vergütungsanspruch aus dem
ETV nicht ergibt.
98 (a) Mit der Regelung des § 3.6 ETV wollten die Tarifvertragsparteien, wie auch
das Arbeitsgericht angenommen hat, ersichtlich § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG
Rechnung tragen. Nach dieser Gesetzesnorm ist einem teilzeitbeschäftigten
Arbeitnehmer Arbeitsentgelt mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem
Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren
vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Bei einem vergleichbaren
vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers führt die Reduzierung der Arbeitszeit ab dem
50. Lebensjahr, gleich ob diese durch Zeitgutschriften oder aber durch eine
unmittelbare tatsächliche Arbeitszeitreduzierung erfolgt, gemäß § 5 Abs. 5 ETV
dazu, dass sich sein Jahreszielgehalt nicht reduziert. Es bleibt unverändert
gleich, es erhöht sich nicht. Wollte man § 3.6 ETV, der ausdrücklich an das
Tarifgehalt in Gestalt des Jahreszielgehaltes anknüpft, im Sinne der Klägerin
verstehen, erhöhte sich deren Tarifgehalt (Jahreszielgehalt) im Gegensatz dazu.
Eine solche Besserstellung Teilzeitbeschäftigter gebietet § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG
nicht. Partizipierte die Klägerin als Teilzeitbeschäftigte nicht an dem Modell des §
5.1 ETV, ohne dass dies sachlich gerechtfertigt wäre, läge ihre Benachteiligung
darin, dass sie ab dem 50. Lebensjahr - ohne ausgleichende Zeitgutschriften
bzw. ohne unmittelbare Absenkung der Arbeitszeit - überproportional zur Arbeit
herangezogen würde. Hieraus würde jedoch kein Zahlungsanspruch folgen,
denn die Klägerin wäre gegenüber den Vollzeitbeschäftigten nicht hinsichtlich der
Vergütung, sondern hinsichtlich des Umfangs der von ihr für die (anteilig) gleiche
Vergütung zu erbringenden Leistung benachteiligt (vgl. BAG 3. Dezember 2008 -
5 AZR 469/07 - ZTR 2009, 369; ebenso, einen Geldanspruch nur bei
Unmöglichkeit eines Zeitausgleichs zuerkennend: BAG 16. Januar 2003 - 6 AZR
222/01 - BAGE 104, 250; 30. September 1998 - 5 AZR 18/98 - NZA 1999, 774).
Soweit die Klägerin an die Vergütung pro tatsächlich geleisteter Arbeitsstunde
anknüpft, verkennt sie, dass § 3.6 ETV ausdrücklich an das Tarifgehalt in Gestalt
des tariflichen Jahreszielgehaltes anknüpft, das sich bei Vollzeitbeschäftigten
gerade nicht erhöht, und dass die Tatsache, dass sich deren Stundensatz pro
tatsächlich geleisteter Arbeitsstunde rechnerisch erhöht, sich lediglich als Reflex
der Zeitgutschriften oder der unmittelbar erfolgenden Arbeitszeitreduzierung
ergibt. Aus § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG lässt sich ergo nicht herleiten, auch der
Stundensatz der Klägerin müsse mit der Folge, dass sich ihr Tarifgehalt erhöhte,
angehoben werden.
99 (b) Dafür, dass die Tarifvertragsparteien mit § 3.6 ETV über dasjenige hinaus,
was § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG demzufolge gebietet, Teilzeitbeschäftigten einen
vergütungsrechtlichen Vorteil zuwenden wollten, gibt es keine hinreichenden
Anhaltspunkte. Entgegen der Auffassung der Klägerin verbietet es sich, zum
Zwecke der Auslegung des § 3.6 ETV auf Ziff. 4 Buchst. a KBV zurückzugreifen.
Zwar haben die d. und deren Konzernbetriebsratsrat in der
„Konzernbetriebsvereinbarung zu Umsetzungsfragen des ETV“ dort geregelt,
dass sich - bei Teilzeit mit fester Stundenzahl, wie bei der Klägerin der Fall - der
für das Gehalt maßgebliche Stundensatz entsprechend dem Verhältnis von
vereinbarter Arbeitszeit zu der hypothetischen Arbeitszeit, die bei Fehlen einer
Teilzeitvereinbarung gelten würde, verändert, was - den Wortlaut betrachtet - zu
dem von der Klägerin vertretenen Auslegungsergebnis führen dürfte. Die
Tarifvertragsparteien sind allerdings andere: So wurde der ETV auf
Arbeitgeberseite von der „Tarifgemeinschaft von Dienstleistungsunternehmen,
die Mitglieder im Verband der Metallindustrie Baden-Württemberg e.V. (VMI) sind“
und der Gewerkschaft I. geschlossen, so dass deren Willen nicht aus einem
nachträglichen Handeln anderer Vertragspartner, nämlich derjenigen, die die KBV
vereinbarten, abgeleitet werden kann, auch wenn es zutreffen mag, dass, wie die
Klägerin vorbringt, einzelne am Abschluss der KBV beteiligte Personen (Herr Dr.
B. auf Arbeitgeberseite und Herr S. auf Seite des Konzernbetriebsrats)
gleichzeitig Mitglieder der Tarifkommission gewesen sein mögen. Die KBV nimmt,
abgesehen davon, keinen Bezug auf die Regelung des § 3.6 ETV, sondern trifft
losgelöst von dieser Bestimmung in Ziff. 4 eine Regelung, was für
Teilzeitbeschäftigte bei Erreichen der jeweiligen altersbedingten Arbeitszeitstufen
gemäß § 5.1 ETV gelten soll. Eine Bedeutung für die Auslegung des § 3.6 ETV
kommt der KBV mithin nicht zu.
100 (3) Wollte man annehmen, dass bei der Ermittlung des wirklichen Willens der
Tarifvertragsparteien - trotz der erfolgten Ausführungen zu Zweck und
Gesamtzusammenhang des § 3.6 ETV - Zweifel verbleiben, streitet jedenfalls des
Gebot, dass in solch einem Falle einer gesetzeskonformen Auslegung der
Vorzug zu geben ist, gegen eine Auslegung des § 3.6 ETV dergestalt, dass sich
dadurch eine Erhöhung des Tarifgehaltes (tariflichen Jahreszielgehaltes) der
Klägerin ergäbe. Eine derartige - wie dargestellt von § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG
gerade nicht gebotene - Auslegung verstieße nämlich im Vergleich zu jüngeren
Teilzeitbeschäftigten, dh. solchen, die das 50. Lebensjahr noch nicht erreicht
haben, gegen das Benachteiligungsverbot wegen Alters gemäß § 7 Abs. 1
Halbsatz 1 iVm. § 1 AGG, ohne dass dies gemäß § 10 AGG gerechtfertigt wäre,
mit der Folge, dass die tarifliche Regelung sich gemäß § 7 Abs. 2 AGG als
unwirksam erwiese. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.
101 (a) Legte man § 3.6 ETV im Sinne der Klägerin aus, läge fraglos eine unmittelbare
Ungleichbehandlung wegen des Alters iSd. §§ 7 Abs. 1 Halbsatz 1, 3 Abs. 1 Satz
1, 1 AGG vor. Das ab dem 50. Lebensjahr erhöhte Tarifgehalt (Jahreszielgehalt)
knüpfte unmittelbar an das Lebensalter der Teilzeitbeschäftigten an. Jüngere
Teilzeitbeschäftigte, die diese Altersgrenze nicht erreicht hätten, würden wegen
ihres Alters ungünstiger behandelt, indem sie bei gleicher Arbeitszeit ein
niedrigeres Tarifgehalt (Jahreszielgehalt) erhielten.
102 (b) Diese Ungleichbehandlung in Gestalt einer erhöhten Vergütung ab dem
Lebensalter von 50 im Vergleich zur Vergütung jüngerer Teilzeitkräfte bis
einschließlich 49 wäre nicht gemäß § 10 AGG, insbesondere nicht gemäß § 10
Satz 3 Nr. 1 AGG, gerechtfertigt. Unterstellte man an dieser Stelle zu Gunsten der
Klägerin, dass es legitim erschiene, ältere Teilzeitbeschäftigte ab dem 50.
Lebensjahr aufgrund einer etwaigen altersbedingt nachlassenden
Leistungsfähigkeit und eines damit einhergehenden gesteigerten
Erholungsbedürfnisses durch besondere Beschäftigungsbedingungen zu
schützen, und dass die Tarifvertragsparteien des ETV dieses legitime Ziel verfolgt
hätten, wie dies bei Vollzeitbeschäftigten mit einer 40-Stundenwoche, wie
dargelegt wurde, der Fall ist, wäre ein von ihnen gewähltes Mittel einer
Vergütungserhöhung in Gestalt einer Erhöhung des Tarifgehaltes
(Jahreszielgehaltes), unterstellt § 3.6 ETV sähe eine solche vor, trotz ihres weiten
Gestaltungsspielraumes nämlich nicht angemessen und erforderlich iSd. § 10
Satz 2 AGG, um dieses Ziel sicherzustellen. Dies hat das Arbeitsgericht
zutreffend herausgearbeitet. Ein „Mehr an Geld“ ist regelmäßig nicht dazu
geeignet, ein etwaig gesteigertes Erholungsbedürfnis eines Arbeitnehmers zu
befriedigen. Hierfür ist ein „Mehr an Freizeit“ (bspw. in Gestalt einer unmittelbaren
Verkürzung der Arbeitszeit, in Gestalt von Zeitgutschriften oder in Gestalt von
Mehrurlaub) das weitaus naheliegendere Mittel. Zwar mag es im Einzelfall
zutreffen, dass das Geld dazu eingesetzt werden könnte, zusätzliche Hilfen im
privaten Bereich zu finanzieren und damit mittelbar dem erhöhten
Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen. Es kann indes schon nicht davon
ausgegangen werden, dass dies typischerweise der Fall ist, abgesehen davon,
dass die Verwendung des Geldes allein dem Ermessen des Arbeitnehmers
überlassen bliebe. Die Gewährung eines „Mehr an Freizeit“ wirkt im Gegensatz
dazu unmittelbar, indem sie bereits im Rahmen des bestehenden
Arbeitsverhältnisses für eine Entlastung sorgt. Damit liegt darin, wie das
Arbeitsgericht richtig erkannt hat, eine die jüngeren Arbeitnehmer weniger
benachteiligende Maßnahme, so dass es, wenn nicht schon an der Eignung des
Mittels, jedenfalls aber an dessen Erforderlichkeit fehlt. Ein „Mehr an Freizeit“
wäre ein milderes Mittel, das nicht nur in gleicher, sondern in besserer Weise dem
Schutzgedanken Rechnung tragen könnte. Verstände man § 3.6 ETV im Sinne
der Klägerin läge darin folglich zwangsläufig eine unzulässige vom
Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien nicht mehr gedeckte
Diskriminierung jüngerer Teilzeitbeschäftigter. Letzten Endes handelte es sich
dann dabei im Bereich der Teilzeitbeschäftigten nämlich um nichts anderes als
um ein bloßes Vergütungsmodell nach Lebensaltersstufen mit Erhöhungen des
Tarifgehaltes ab 50, ab 53 und ab 55, das gegen das Verbot der
Altersdiskriminierung verstößt (vgl. EuGH 8. September 2011 - C-297/10 und
298/10 - [Hennings und Mai] Slg 2011, I-7965; BAG 10. November 2011 - 6 AZR
481/09 - NZA-RR 2012, 100; 25. März 2015 - 5 AZR 458/13 - NZA 2015, 1059).
Eine gesetzes- und unionsrechtskonforme Auslegung des § 3.6 ETV gebietet es
daher, dieser Norm diesen Bedeutungsgehalt nicht beizulegen. Dies bestätigt
das bereits unter Heranziehung des Zwecks und des Gesamtzusammenhangs
der tariflichen Regelung gefundene Auslegungsergebnis, dass § 3.6 ETV älteren
Teilzeitbeschäftigten keinen Anspruch auf eine Vergütungserhöhung einräumt.
103 bb) Der von der Klägerin verfolgte Zahlungsanspruch ergibt sich auch nicht
unmittelbar aus Ziff. 4 Buchst. a KBV. Dies folgt bereits aus der Regelungssperre
des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, wie das Arbeitsgericht mit Recht erkannt hat.
104 aaa) Gemäß § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG können Arbeitsentgelte, die durch
Tarifvertrag geregelt sind, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein.
Gemäß § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG gilt dies nicht, wenn ein Tarifvertrag den
Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt. Danach
sind nicht nur Betriebsvereinbarungen zulässig, in denen unter Aufrechterhaltung
der tariflichen Regelung zusätzliche und damit ergänzende Vereinbarungen
getroffen werden, sondern auch solche die von der tariflichen Regelung
abweichen, allerdings nur sofern die Öffnungsklausel dies gestattet. Dies folgt
daraus, dass die Tarifvertragsparteien selbst bestimmen können, inwieweit sie
von ihrer Regelungsbefugnis im Rahmen des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG
Gebrauch machen (vgl. BAG 9. September 1992 - 10 AZR 45/91 - juris).
105 bbb) Gemessen daran verstößt Ziff. 4 Buchst. a KBV gegen die Regelungssperre
des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Nach der in § 1.3 Abs. 1 Satz 2 ETV enthaltenen
Öffnungsklausel können ergänzende, nicht aber abweichende Bestimmungen
durch Betriebsvereinbarungen vereinbart werden. Ist § 3.6 ETV aber - wie gezeigt
wurde - dahingehend auszulegen, dass dieser Teilzeitbeschäftigten ab dem 50.
Lebensjahr keine Erhöhung des Tarifgehaltes gewährt, liegt eine abschließende
tarifliche Arbeitsentgeltregelung vor, die es nicht zulässt, abweichend davon, den
Teilzeitbeschäftigten diesen Vergütungsanspruch gleichwohl durch
Betriebsvereinbarung einzuräumen. Gerade dies ist aber geschehen, versteht
man Ziff. 4 Buchst. a KBV, was nach dem Wortlaut der Regelung durchaus
naheliegt, im Sinne der Klägerin.
106 ccc) Lediglich angemerkt sei, dass das Arbeitsgericht im Übrigen zutreffend
darauf hingewiesen hat, dass Ziff. 4 Buchst. a KBV im Sinne der Klägerin
verstanden - ebenso wie ein in diesem Sinne verstandener § 3.6 ETV - aus den
bereits genannten Gründen gegen das Benachteiligungsverbot wegen Alters
gemäß § 7 Abs. 1 Halbsatz iVm. § 1 AGG verstieße und damit gemäß § 7 Abs. 2
AGG unwirksam wäre.
107 cc) Schließlich vermag die Klägerin den von ihr geltend gemachten
Zahlungsanspruch auch nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom 2. Oktober
2014 abzuleiten. Darin liegt - wie das Arbeitsgericht zu Recht erkannt hat - kein
selbständiges abstraktes (konstitutives) Schuldversprechen oder -anerkenntnis
iSd. §§ 780, 781 BGB, aber auch kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis.
108 aaa) Ein selbständiges abstraktes (konstitutives) Schuldversprechen iSv. § 780
BGB bzw. ein selbständig verpflichtendes (konstitutives) Schuldanerkenntnis iSv.
§ 781 BGB liegt vor, wenn sich der Erklärung im Wege der Auslegung der Wille
des Erklärenden entnehmen lässt, eine selbständige, von den zugrunde
liegenden Rechtsbeziehungen losgelöste Verpflichtung zur Zahlung zu
übernehmen. Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis stellt eine Erklärung dann
dar, wenn ihre Auslegung ergibt, dass die Parteien das Vertragsverhältnis ganz
oder teilweise dem Streit oder der Ungewissheit entziehen und es endgültig
festlegen wollten. Sowohl ein selbständiges abstraktes (konstitutives)
Schuldversprechen iSv. § 780 BGB bzw. ein selbständig verpflichtendes
(konstitutives) Schuldanerkenntnis iSv. § 781 BGB als auch ein deklaratorisches
Schuldanerkenntnis setzen demnach einen Rechtsbindungswillen des
Erklärenden voraus. Daran fehlt es, soweit dieser lediglich eine Mitteilung macht.
Dann handelt es sich allenfalls um eine rein deklaratorische Wissenserklärung
ohne Rechtsbindungswillen und nicht um eine Willenserklärung (vgl. BAG 4.
August 2015 - 3 AZR 137/13 - NZA 2015, 1447).
109 bbb) Gemessen daran liegt in dem Schreiben der Beklagten vom 2. Oktober
2014 zweifelsohne kein konstitutives Schuldversprechen oder -anerkenntnis iSd.
§§ 780, 781 BGB. Die Beklagte wollte gerade keine von den zugrunde liegenden
Rechtsbeziehungen - hier denjenigen des ETV und der KBV - losgelöste
Verpflichtung zur Zahlung übernehmen, sondern stützte sich - wie die
ausführliche Begründung in dem Schreiben zeigt - gerade auf diese
kollektivrechtlichen Grundlagen im Rahmen dieser Verlautbarung. Aber auch ein
deklaratorisches Schuldanerkenntnis liegt in dem Schreiben der Beklagten vom
2. Oktober 2014 nicht, wie das Arbeitsgericht mit zutreffender Begründung
herausgearbeitet hat. Für das Vorliegen einer Willenserklärung der Beklagten mit
dem hierfür erforderlichen Rechtsbindungswillen gibt es keine hinreichenden
Anhaltspunkte, vielmehr muss von einer bloßen Wissenserklärung ohne
Rechtsbindungswillen ausgegangen werden. Die Beklagte erklärte in dem
Schreiben lediglich, dass und aus welchen Gründen sie die Forderung der
Klägerin als berechtigt ansieht und bis wann sie beabsichtigt, diese zu erfüllen.
Für die Abgabe einer Willenserklärung, um das Vertragsverhältnis ganz oder
teilweise einem Streit oder einer Ungewissheit zu entziehen und es endgültig
festzulegen, bestand aus Sicht der Beklagten - für die Klägerin erkennbar - zum
damaligen Zeitpunkt keine Veranlassung. Dem Schreiben kann nicht entnommen
werden, dass die Beklagte sich endgültig hätte binden wollen, selbst wenn sich
die Forderung entgegen ihrer damaligen Rechtsauffassung nach den
Bestimmungen des ETV und der KBV doch noch als unbegründet erweist.
110 c) Die Berufung der Beklagten ist ebenfalls unbegründet. Der Hilfsantrag der
Klägerin ist zulässig und auch in der Sache begründet. Sie partizipiert als
Teilzeitbeschäftigte an dem tariflichen Modell des Altersarbeitszeitverkürzung des
§ 5.1 ETV dergestalt, dass sie (anteilige) Zeitgutschriften gemäß § 5.1 Abs. 2
ETV verlangen kann.
111 aa) Zunächst ist festzuhalten, dass der Hilfsantrag der Klägerin, die Beklagte zu
verurteilen, der Klägerin 46,8 Arbeitsstunden auf das bei ihr bestehende
„Arbeitszeitkonto“ gutzuschreiben, sachgerecht dahingehend zu verstehen ist,
dass diese Gutschrift aus das „tarifliche Langzeitkonto“ erfolgen soll. Dieses
Verständnis entspricht der Regelung des § 5.1 Abs. 2 ETV, wonach die
Zeitgutschriften auf das tarifliche Langzeitkonto erfolgen, deren Anwendung die
Klägerin auf ihr Teilzeitarbeitsverhältnis hilfsweise erstrebt. Im Tenor des
Berufungsurteils war dies präzisierend klarzustellen.
112 bb) Der so verstandene Hilfsantrag der Klägerin ist zulässig, insbesondere ist er
als Antrag, dem tariflichen Langzeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, hinreichend
bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, da die Beklagte für die Klägerin ein
solches Konto führt, auf dem etwaig zu Unrecht nicht erfasste Zeitgutschriften
noch gutgeschrieben werden können (vgl. etwa BAG 10. November 2010 - 5
AZR 766/09 - BAGE 136, 152).
113 cc) Der Hilfsantrag der Klägerin ist auch begründet. Sie hat gegen die Beklagte
einen Anspruch darauf, dass ihr für den Zeitraum 1. März 2014 bis 30. November
2014 46,8 Arbeitsstunden auf ihrem tariflichen Langzeitkonto gutgeschrieben
werden. Dieser Anspruch folgt aus § 5.1 Abs. 2 ETV. Das Berufungsgericht
schließt sich der Auffassung des Arbeitsgerichts an, dass die tarifliche Regelung
dahingehend auszulegen ist, dass die Klägerin als Teilzeitbeschäftigte an den
darin vorgesehenen Zeitgutschriften (anteilig) partizipiert. Selbst wenn man aber,
abweichend davon, zu dem Auslegungsergebnis gelangte, dass der Tarifvertrag
die Klägerin von Zeitgutschriften ausschlösse, ergäbe sich kein anderes
Ergebnis, da die tarifliche Regelung in diesem Falle mit der Folge ihrer
Unwirksamkeit gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG verstieße. Der Anspruch der
Klägerin folgte dann im Wege einer sog. „Anpassung nach oben“ aus § 4 Abs. 1
Satz 2 TzBfG iVm. §§ 134, 612 Abs.2 BGB.
114 aaa) Die tarifliche Regelung des § 5.1 ETV ist - unter Zugrundelegung der bereits
benannten Auslegungsmaßstäbe für Tarifnormen - dahingehend auszulegen,
dass die Klägerin als Teilzeitbeschäftigte an den in § 5.1 Abs. 2 ETV
vorgesehenen Zeitgutschriften (anteilig) partizipiert.
115 (1) Betrachtet man ausschließlich den Wortlaut des § 5.1 ETV könnte man auf
den ersten Blick annehmen, die dort getroffene Regelung beziehe sich
ausschließlich auf Vollzeitbeschäftigte mit einer Wochenarbeitszeit von 40
Stunden. So heißt es in § 5.1 Abs. 2 ETV, dass die Arbeitnehmer ab dem 50.
Lebensjahr bei Beibehaltung der bisherigen Arbeitszeit „in dieser Höhe“
Gutschriften auf das tarifliche Langzeitkonto erhalten. Die Formulierung „in dieser
Höhe“ knüpft dabei an den vorstehenden § 5.1 Abs. 1 Satz 2 ETV an, in dem die
tarifliche Regelarbeitszeit bis zur Vollendung des 49. Lebensjahres mit 40
Stunden pro Woche benannt wird. Auch werden in beiden Staffelungen,
derjenigen hinsichtlich der Zeitgutschriften (Abs. 2) und derjenigen hinsichtlich der
optionalen unmittelbaren Absenkung der Arbeitszeit (Abs. 4), hinsichtlich des
Umfangs der Zeitgutschriften bzw. der Absenkung die Zahlen benannt, die sich
auf die 40-Stundenwoche beziehen. Von einer anteiligen Beteiligung von
Teilzeitbeschäftigten an dem Modell ist in § 5.1 ETV nicht die Rede. Andererseits
wird aber auch nicht ausdrücklich in dieser Bestimmung geregelt, dass
Teilzeitbeschäftigte davon ausgeschlossen sind, wie dies etwa in § 2 a des
Manteltarifvertrages der chemischen Industrie der Fall ist, so dass auf weitere
Auslegungskriterien zurückzugreifen ist.
116 (2) In § 5.2 ETV heißt es, dass die individuelle regelmäßige wöchentliche
Arbeitszeit der Arbeitnehmer mit einer tariflichen oder einzelvertraglichen
Regelarbeitszeit, die unter der oben genannten Staffelung liegt, unberührt bleibt.
Dies bedeutet jedenfalls, dass Teilzeitbeschäftigte im Sinne des § 5 Abs.1 Satz 2
ETV von der optionalen Möglichkeit einer unmittelbaren Arbeitszeitabsenkung
gemäß § 5.1 Abs. 4 ETV ausgeschlossen sind. Ihre Arbeitszeit, mithin bei der
Klägerin die Arbeitszeit von 24 Stunden pro Woche, bleibt bei Erreichen der
Altersgrenzen des § 5.1 Abs. 2 ETV unangetastet. Dass mit der Regelung des §
5.2 ETV - wie die Beklagte meint - Teilzeitbeschäftigten darüber hinaus auch
keine Zeitgutschriften zukommen sollen, lässt sich der Regelung indes nicht
eindeutig entnehmen. Wie das Arbeitsgericht anmerkt, könnte der Umstand, dass
§ 5.2 ETV an die „individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit“ anknüpft,
dafür sprechen, dass lediglich die in § 5.1 Abs. 4 ETV vorgesehene Option einer
„Verkürzung der wöchentlichen Regelarbeitszeit“ für Teilzeitbeschäftigte
ausgeschlossen bleiben soll.
117 (3) Ein wirklicher Wille der Tarifvertragsparteien, § 5.2 ETV im Sinne der
Beklagten als umfassenden Ausschluss Teilzeitbeschäftigter vom Modell der
Arbeitszeitreduzierung zu verstehen, lässt sich, nimmt man den
Gesamtzusammenhang und den Zweck der tariflichen Bestimmungen des ETV
in den Blick, nicht annehmen, wovon auch das Arbeitsgericht mit Recht
ausgegangen ist.
118 (a) Hierbei ist wiederum zu berücksichtigten, dass - wie bereits erläutert - die
Tarifvertragsparteien mit § 3.6 ETV den gesetzlichen Vorgaben des § 4 Abs. 1
Satz 2 TzBfG Rechnung tragen wollten. Diese Bestimmung gebietet zwar, wie
dargelegt wurde, keine Erhöhung des Tarifgehaltes (tariflichen
Jahreszielgehaltes) der Klägerin, sie gebietet aber dieser (anteilig)
Zeitgutschriften zukommen zu lassen.
119 (aa) Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer
nicht wegen der Teilzeitarbeit schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer
vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine
unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Der bereits zitierte § 4 Abs. 1 Satz 2
TzBfG konkretisiert das allgemeine Diskriminierungsverbot des § 4 Abs. 1 Satz 1
TzBfG für den Bereich des Entgelts oder einer anderen teilbaren geldwerten
Leistung. Nachdem das Bundesarbeitsgericht Erholungsurlaub als „andere
teilbare geldwerte Leistung“ iSd. § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG versteht (vgl. BAG 10.
Februar 2015 - 9 AZR 53/14 (F) - NZA 2015, 1005), kann für Zeitgutschriften
nichts anderes gelten. Die gesetzliche Regelung verbietet eine Abweichung vom
Pro-rata-temporis-Grundsatz zum Nachteil des teilzeitbeschäftigten
Arbeitnehmers, ohne dass dafür ein sachlicher Grund vorliegt. Auch tarifliche
Regelungen müssen mit § 4 Abs. 1 TzBfG vereinbar sein. Die in dieser Vorschrift
geregelten Diskriminierungsverbote stehen nach § 22 TzBfG nicht zur Disposition
der Tarifvertragsparteien. Nach § 22 Abs. 1 TzBfG sind von diesem Gesetz
abweichende Vereinbarungen, außer in den dort genannten Ausnahmen, zu
denen § 4 Abs. 1 TzBfG nicht gehört, nur zugunsten der Arbeitnehmer möglich
(vgl. BAG 10. Februar 2015 - 9 AZR 53/14 (F) - NZA 2015, 1005; 24. September
2008 - 10 AZR 638/07 - juris).
120 (bb) Legte man § 5.2 ETV im Sinne der Beklagten aus, würde die Klägerin
unzweifelhaft wegen ihrer Teilzeitarbeit unterschiedlich gegenüber
Vollzeitbeschäftigten mit einer 40-Stundenwoche behandelt. Anders als diese
erhielte sie keine der Staffelung des § 5.1 ETV entsprechenden anteiligen
Zeitgutschriften, was sich als Reflex im Bereich der Vergütung auswirkte (vgl.
BAG 30. September 1998 - 5 AZR 18/98 - NZA 1999, 774; 16. Januar 2003 - 6
AZR 222/01 - BAGE 104, 250). Die Arbeitsverkürzung unter Beibehaltung der
bisherigen Vergütung führte rechnerisch zu einer Erhöhung des Arbeitsentgelts
pro tatsächlich geleisteter Arbeitsstunde (vgl. BAG 30. September 1998 - 5 AZR
18/98 - NZA 1999, 774; 16. Januar 2003 - 6 AZR 222/01 - BAGE 104, 250). Dies
und der Umstand, dass Zeitgutschriften unter den Begriff der anderen teilbaren
geldwerten Leistung iSd. § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG fallen, eröffnet den
Anwendungsbereich dieser Regelung.
121 (cc) Ein sachlicher Grund, der diese Ungleichbehandlung iSd. § 4 Abs. 1 Satz 2
TzBfG, verstände man § 5.2 ETV im Sinne der Beklagten, rechtfertigen könnte,
liegt nicht vor.
122 (aaa) Allein das unterschiedliche Arbeitspensum berechtigt zu einer
unterschiedlichen Behandlung von Vollzeit- und Teilzeitkräften nicht.
Entsprechende Sachgründe müssen anderer Art sein. Sie können etwa auf
unterschiedlicher Arbeitsbelastung, Qualifikation, Berufserfahrung,
unterschiedlichen Anforderungen am Arbeitsplatz oder Gründen des
Arbeitsschutzes beruhen (vgl. BAG 30. September 1998 - 5 AZR 18/98 - NZA
1999, 774; 16. Januar 2003 - 6 AZR 222/01 - BAGE 104, 250; 3. Dezember 2008
- 5 AZR 469/07 - ZTR 2009, 369). Wirkt die Ungleichbehandlung sich - wie dies
hier der Fall wäre - im Bereich der Vergütung und damit unmittelbar auf das
Verhältnis von Leistung und Gegenleistung aus, kommt eine
Ungleichbehandlung nur in Betracht, wenn etwa die besonderen Anforderungen
oder Erschwernisse, um deren Ausgleich es geht, bei den vergleichbaren
Teilzeitkräften selbst anteilig nicht gegeben sind. Der behauptete
Differenzierungsgrund muss objektiv vorhanden sein. Die bloße Einschätzung,
bestimmte Belastungen träten nur bei vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern ein,
reicht nicht aus, auch dann nicht, wenn diese Einschätzung vertretbar erscheint
(vgl. BAG 30. September 1998 - 5 AZR 18/98 - NZA 1999, 774). Die Darlegungs-
und Beweislast für das objektive Vorliegen eines diesen Anforderungen
genügenden Sachgrundes liegt beim Arbeitgeber (vgl. BAG 30. September 1998
- 5 AZR 18/98 - NZA 1999, 774; 16. Januar 2003 - 6 AZR 222/01 - BAGE 104,
250; 3. Dezember 2008 - 5 AZR 469/07 - ZTR 2009, 369).
123 (bbb) Gemessen daran verstieße die von der Beklagten vertretene Auslegung
des § 5.2 ETV gegen das Verbot der Diskriminierung wegen Teilzeit des § 4 Abs.
1 Satz 2 TzBfG. Ein sachlicher Grund, der die Ungleichbehandlung rechtfertigte,
liegt nicht vor. Soweit das LAG Hamm und das LAG Köln ohne nähere
Begründung angenommen haben, der Grund für die Arbeitszeitverkürzung für
Vollzeitbeschäftigte im Alter, nämlich das gesteigerte Erholungsbedürfnis, treffe
auf die Gruppe der Teilzeitbeschäftigten nicht zu, und zwar auch nicht
proportional im Verhältnis von Teilzeit zu Vollzeit (vgl. LAG Hamm 30. Januar
2014 - 8 Sa 942/13 - juris; LAG Köln 12. Mai 2000 - 12 (10) Sa 1474/99 - juris), ist
dem zu widersprechen. Das Bundesarbeitsgericht hat überzeugend deutlich
gemacht, dass gerade nicht feststeht, dass die Belastung durch Arbeitsstunden
mit zunehmendem Umfang exponentiell (gemeint iSv. verhältnismäßig) ansteigt,
und dass von einem entsprechenden Erfahrungssatz nicht ausgegangen werden
kann (vgl. BAG 30. September 1998 - 5 AZR 18/98 - NZA 1999, 774). Ferner hat
es zutreffend darauf hingewiesen, dass Teilzeitbeschäftigte wegen
außerdienstlicher Zusatzaufgaben besonders belastet sein können (vgl. BAG 30.
September 1998 - 5 AZR 18/98 - NZA 1999, 774). Das Arbeitsgericht verweist in
diesem Zusammenhang völlig zu Recht darauf hin, dass die geringere
wöchentliche Arbeitszeit eines Teilzeitbeschäftigten nicht besagt, dass diesem
typischerweise mehr Erholungszeit zur Verfügung steht, und dass
Teilzeittätigkeit, die nach wie vor weit überwiegend von Frauen ausgeübt wird,
häufig durch die Doppelbelastung von Erwerbstätigkeit und Familienarbeit, sei es
in Gestalt der Kindererziehung, sei es in der Gestalt der Pflege naher
Angehöriger, geprägt ist.
124 (ccc) Die von der Beklagten erst- und zweitinstanzlich auszugsweise vorgelegten
empirischen Studien (Erwerbstätigenbefragung „Sicherheit und Gesundheit bei
der Arbeit 2011“ und Machbarkeitsstudie „Untersuchungen zum Zusammenhang
zwischen der Dauer der Arbeitszeit und gesundheitlicher Beeinträchtigung“ aus
dem Jahr 2005) belegen nicht, dass die altersbedingt zunehmenden Belastungen
und das damit einhergehende gesteigerte Erholungsbedürfnis bei
Teilzeitbeschäftigten selbst anteilig nicht gegeben sind. Dies behauptet die
Beklagte auch nicht, sie spricht in diesem Zusammenhang lediglich von einem
„signifikant geringeren Umfang“ an gesundheitlichen Beeinträchtigungen
Teilzeitbeschäftigter. Es kann dahinstehen, ob sich aus den Studien, wie die
Beklagte behauptet, überhaupt ergibt, dass Teilzeitbeschäftigte absolut geringer
belastet sind als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte. Insoweit sei indes angemerkt,
dass dies bereits Zweifeln begegnet. Das Arbeitsgericht hat insoweit zu Recht
darauf hingewiesen, dass nach dem erstinstanzlich vorgelegten Zahlenmaterial
der Unterschied zwischen den Beschwerden teilzeitbeschäftigter Frauen und
vollzeitbeschäftigter Männer marginal ist. Soweit die Beklagte rügt, das
Arbeitsgericht habe zu Unrecht Frauen mit Männern verglichen, ist nicht
nachvollziehbar, weshalb in diesem Zusammenhang vor dem Hintergrund, dass
Teilzeitarbeit weit überwiegend von Frauen ausgeübt wird, eine
geschlechtsspezifische Gruppenbildung angezeigt sein soll, die der ETV
seinerseits nicht vornimmt. Welche Arten von gesundheitlichen Beschwerden
signifikant unterschiedlich häufig bei Frauen einerseits und bei Männern
andererseits auftreten sollen, wird nicht näher erläutert. Betrachtet man die
zweitinstanzlich vorgelegte Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2005 ergeben sich
bspw. im Bereich der musculo-skeletalen Beschwerden in 3 von 4 Altersgruppen,
gerade auch bei denjenigen, die sich auf ein Alter von 40 und mehr Jahren
beziehen, kaum Unterschiede zwischen Beschäftigten mit einer Arbeitszeit von
40 - 49 Wochenstunden und solchen mit einer Arbeitszeit von 20 bis 39
Wochenstunden. Ungeachtet dessen wird aus den Studien jedenfalls nicht
deutlich und von der Beklagten auch gar nicht behauptet, dass
Teilzeitbeschäftigte selbst anteilig nicht in dem Maße belastet sind wie
vergleichbare Vollzeitbeschäftigte, gerade dies wäre aber Voraussetzung, um
einen rechtfertigenden sachlichen Grund für deren Ausschluss von der
Arbeitszeitreduzierung durch Zeitgutschriften annehmen zu können (vgl. BAG 30.
September 1998 - 5 AZR 18/98 - NZA 1999, 774). Hinzu kommt, dass eine
Regelung, die alle Teilzeitbeschäftigten unabhängig vom Umfang ihrer Arbeitszeit
von einem tariflichen Anspruch ausschließt, allen Teilzeitbeschäftigten
gegenüber sachlich begründet sein muss (vgl. BAG 18. März 2003 - 9 AZR
126/02 - juris), dh. hier auch bezüglich solcher, die mit weit mehr Stunden als die
Klägerin in Teilzeit arbeiten. Inwieweit bei diesen einem Vollzeitarbeitsverhältnis
angenäherten Teilzeitarbeitsverhältnisses kein entsprechendes gesteigertes
Erholungsbedürfnis vorliegen soll, erschließt sich erst recht nicht. Es muss daher
davon ausgegangen werden, dass der altersbedingt nachlassenden
Leistungsfähigkeit und dem damit einhergehenden gesteigerten
Erholungsbedürfnis auch teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer in einem Maße
ausgesetzt sind, die keine Differenzierung sachlich rechtfertigt (vgl. auch VG
Karlsruhe 13. Dezember 2006 - 10 K 2246/04 - juris).
125 (b) Dafür, dass die Tarifvertragsparteien mit der Regelung des § 5.2 ETV
Teilzeitbeschäftigte insgesamt von der Regelung des § 5.1 ETV, dh. auch von
den dort in § 5.1 Abs. 2 ETV vorgesehenen Zeitgutschriften, ausschließen
wollten, gibt es vor dem Hintergrund, dass diese gleichzeitig mit § 3.6 ETV gerade
der gesetzlichen Vorgabe des § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG Rechnung tragen wollten,
der - wie gezeigt - eine Einbeziehung von Teilzeitbeschäftigten in dieses Modell
gebietet, keine tragfähigen Anhaltspunkte. Bereits der tarifliche
Gesamtzusammenhang und der Zweck des § 3.6 ETV lassen damit auf den
wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien schließen, Teilzeitbeschäftigte an dem
tariflichen Altersarbeitszeitverkürzungsmodell - in Gestalt von anteiligen
Zeitgutschriften - teilhaben zu lassen.
126 (3) Wollte man annehmen, dass bei der Ermittlung des wirklichen Willens der
Tarifvertragsparteien - trotz der erfolgten Ausführungen zu
Gesamtzusammenhang und Zweck der relevanten Bestimmungen des ETV -
Zweifel verbleiben, streitet jedenfalls des Gebot, dass in solch einem Falle einer
gesetzeskonformen Auslegung der Vorzug zu geben ist, gegen eine Auslegung
des § 5.2 ETV dergestalt, dass die Klägerin dadurch insgesamt von dem Modell
des § 5.1 ETV - auch im Hinblick auf die Zeitgutschriften - ausgeschlossen ist.
127 (a) Dies folgt aus § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG. Diese Vorschrift gebietet, wie erörtert
wurde, gerade die Einbeziehung der Teilzeitbeschäftigten in die Regelung des §
5.1 Abs. 2 ETV, so dass jedenfalls das Gebot einer gesetzeskonformen
Auslegung tariflicher Regelungen dazu führen muss, dass der Klägerin anteilig
Zeitgutschriften zustehen.
128 (b) Die Bestimmungen des AGG stehen dem nicht entgegen. Zwar liegt in der
anteiligen Gewährung von Zeitgutschriften an Teilzeitbeschäftigte ab dem 50.
Lebensjahr eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters iSd. §§ 7
Abs. 1 Halbsatz 1, 3 Abs. 1 Satz 1, 1 AGG, da jüngere Teilzeitbeschäftigte diese
nicht erhalten und demzufolge wegen ihres Alters ungünstiger behandelt werden.
Diese Ungleichbehandlung ist jedoch aus den Gründen, die für
Vollzeitbeschäftigte mit einer Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche ausführlich
dargelegt wurden, gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Insoweit kann auf
die obigen Ausführungen verwiesen werden. In Anbetracht des § 4 Abs. 1 Satz 2
TzBfG, nach dem ein Ausschluss Teilzeitbeschäftigter von den (anteiligen)
Zeitgutschriften des § 5.1 Abs. 2 ETV nicht gerechtfertigt ist, da nicht von einem
nicht einmal anteilig gesteigerten Erholungsbedürfnis dieser Personengruppe
ausgegangen werden kann, verbietet sich die Annahme, dass bei
Teilzeitbeschäftigten - anders als bei Vollzeitbeschäftigten - ein Verstoß gegen
das Verbot der Altersdiskriminierung vorliegt.
129 bbb) Selbst wenn man schließlich - anders als vom Berufungsgericht vertreten -
zu dem Ergebnis gelangte, die Bestimmungen des ETV, insbesondere § 5.2
ETV, seien dahingehend auszulegen, dass Teilzeitbeschäftigte insgesamt von
der Altersarbeitszeitverkürzung - auch in Gestalt der Zeitgutschriften -
ausgeschlossen sind, erwiese sich der Hilfsantrag der Klägerin gleichwohl als
begründet. Die so verstandene tarifliche Regelung verstieße aus den genannten
Gründen mit der Folge ihrer Unwirksamkeit gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG. Der
Anspruch auf die mit dem Hilfsantrag geltend gemachten Zeitgutschriften ergäbe
sich in diesem Falle im Wege einer sog. „Anpassung nach oben“ aus § 4 Abs. 1
Satz 2 TzBfG iVm. §§ 134, 612 Abs.2 BGB.
130 (1) Grundsätzlich ist es zwar Aufgabe der Tarifvertragsparteien, eine
benachteiligungsfreie Regelung zu treffen, wofür ihnen ggf. verschiedene
Möglichkeiten zu Verfügung stehen. Doch scheidet eine Aussetzung des
Rechtsstreits unter Fristsetzung zur Lückenschließung durch die
Tarifvertragsparteien selbst von vornherein aus. Nach der Rechtsprechung des
EuGH sind für den Fall, dass tarifvertragliche Regelungen eine mit
Richtlinienrecht unvereinbare Diskriminierung vorsehen, die nationalen Gerichte
gehalten, die Diskriminierung auf jede denkbare Weise und insbesondere
dadurch auszuschließen, dass sie die Regelung für die nicht benachteiligte
Gruppe auch auf die benachteiligte Gruppe anwenden, ohne die Beseitigung der
Diskriminierung durch die Tarifvertragsparteien abzuwarten (vgl. so bereits zur
Richtlinie 76/207/EWG: EuGH 20. März 2003 - C-187/00 - [Kutz-Bauer] Slg. 2003,
I-2741; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - BAGE 141, 73). Auch nach Art. 9
Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wäre eine
Aussetzung grundsätzlich allenfalls zur Beseitigung einer Diskriminierung für die
Zukunft geboten (vgl. BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - BAGE 141, 73; 10.
November 2011 - 6 AZR 148/09 - NZA 2012, 161). Vorliegend geht es jedoch um
die Beseitigung einer Diskriminierung in der Vergangenheit, nämlich um
Zeitgutschriften für den Zeitraum vom 1. März 2014 bis 30. November 2014, die
die Klägerin mit ihrem Hilfsantrag erstrebt.
131 (2) Verstoßen tarifliche Vereinbarungen gegen das Verbot der Benachteiligung
wegen Teilzeitarbeit aus § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG, sind demgemäß
leistungsgewährende Tarifvertragsbestimmungen auf diejenigen Personen zu
erstrecken, die entgegen dem Gebot der Gleichbehandlung von der Gewährung
der Leistungen ausgeschlossen wurden. Diese Rechtsfolge ergibt sich aus § 134
iVm. § 612 Abs. 2 BGB und nicht unmittelbar aus § 4 Abs. 1 TzBfG (sog.
„Anpassung nach oben“, vgl. etwa BAG 5. August 2009 - 10 AZR 634/08 - ZTR
2009, 646; 24. September 2008 - 6 AZR 657/07 - BAGE 128, 63).
132 (3) Gemessen daran wäre vorliegend, schlösse der ETV Teilzeitbeschäftigte
entgegen § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG von (anteiligen) Zeitgutschriften ab dem 50.
Lebensjahr aus, die leistungsgewährende Tarifvertragsbestimmung des § 5.1
Abs. 2 ETV auf die Klägerin als Teilzeitbeschäftigte hinsichtlich des von ihr mit
dem Hilfsantrag geltend gemachten Anspruchs im Wege einer „Anpassung nach
oben“ zu erstrecken. Die hiergegen von der Beklagten vorgebrachten Argumente
vermögen nicht zu überzeugen.
133 (a) Soweit die Beklagte einwendet, eine „Anpassung nach oben“ komme nicht in
Betracht, weil nur durch die Nichtanwendung der tariflichen Regelung ein
diskriminierungsfreier herbeigeführt werden könne, trifft dies nicht zu. Zum einen
kann die Beklagte den von der Altersarbeitszeitreduzierung begünstigten
Vollzeitbeschäftigten mit einer 40-Stundenwoche für die Vergangenheit keine
Leistungen entziehen. Dies gilt in besonderem Maße für diejenigen Begünstigten,
die auf ihren Wunsch ihre Arbeitszeit tatsächlich unmittelbar abgesenkt haben.
Der Grundsatz der Gleichbehandlung kann - jedenfalls für die Vergangenheit -
nur dadurch gewährleistet werden, dass den Angehörigen der benachteiligten
Gruppe dieselben Vorteile gewährt werden, wie sie den Angehörigen der
privilegierten Gruppe gewährt wurden (vgl. BAG 25. März 2015 - 5 AZR 458/13 -
NZA 2015, 1059). Zum anderen führt eine „Anpassung nach oben“ - wie
dargelegt wurde - gerade nicht zu einem AGG-widrigen Zustand.
134 (b) Soweit die Beklagte einwendet, es gehe bei Zeitgutschriften von vornherein
nicht um eine Entgeltdiskriminierung, so dass eine „Anpassung nach oben“ nicht
die vorprogrammierte Rechtsfolge sei, ist auch dem entgegenzutreten. Es wurde
bereits dargelegt, dass es sich gerade im Bereich der Vergütung auswirkte,
würden Teilzeitbeschäftigten die Zeitgutschriften vorenthalten (vgl. BAG 30.
September 1998 - 5 AZR 18/98 - NZA 1999, 774; 16. Januar 2003 - 6 AZR
222/01 - BAGE 104, 250), und dass diese ferner unter den Begriff der anderen
teilbaren geldwerten Leistung iSd. § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG fallen.
135 (c) In solchen Fällen eine „Anpassung nach oben“ vorzunehmen, steht auch im
Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH. Soweit sich die Beklagte auf die
Entscheidung des EuGH vom 19. Januar 2010 (C-555/07 - [Kücükdevici] Slg
2010, I-365) bezieht, kann diese für den vorliegenden Fall nicht fruchtbar
gemacht werden. Sie bezieht sich gerade nicht auf den Bereich der
Entgeltdiskriminierung. Für diesem Bereich hat der EuGH gerade postuliert, dass
die Wahrung des Gleichheitssatzes nur dadurch gewährleistet werden kann,
dass den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vorteile gewährt
werden wie die, in deren Genuss die Angehörigen der privilegierten Gruppe
kommen (vgl. EuGH 26. Januar 1999 - C-18/95 - [Terhoeve] Slg 1999, I-345; 22.
Juni 2011 - C-399/09 - [Landtová] Slg 2011, I-5573). Richtig ist, dass diese
Lösung nur dann zur Anwendung kommt, wenn es ein gültiges Bezugssystem
gibt (vgl. EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 - [Specht] NZA 2014, 831). Ein solches
existiert hier aber gerade mit der für die Angehörigen der bevorzugten
Vollzeitbeschäftigten mit einer 40-Stundenwoche geltenden Regelung, ohne dass
diese - auch bei Einbeziehung der Teilzeitbeschäftigten - gegen Verbot der
Altersdiskriminierung verstieße. Soweit die Beklagte vorbringt, gegen das
Vorliegen eines gültigen Bezugssystems spreche auch der Umstand, dass
Vollzeitbeschäftigte iSd. der tariflichen Definition in § 5 Abs. 1 Satz 1 ETV mit
einer 35-Stundenwochen keine Zeitgutschriften bekämen, vermag das Gericht
dem nicht zu folgen. Das gültige Bezugssystem liegt in der für die Angehörigen
der bevorzugten Vollzeitbeschäftigten mit einer 40-Stundenwoche geltenden
Regelung, nach der sich auch eine ggf. zu erfolgende „Anpassung nach oben“ im
Hinblick auf diesen Personenkreis der tariflich definierten Vollzeitbeschäftigten
richten könnte, denen keine Zeitgutschriften zukommen sollen.
136 ccc) Der im Ergebnis ergo dem Grunde nach gegebene Anspruch der Klägerin
als Teilzeitbeschäftigter auf Zeitgutschriften besteht auch in der geltend
gemachten Höhe. Er beläuft sich für den Zeitraum 1. März 2014 bis 30.
November 2014 auf 46,8 Stunden. Wöchentlich steht der Klägerin als
Teilzeitbeschäftigter mit einer Wochenarbeitszeit von 24 Stunden in diesem
Zeitraum, in dem sie das 50. Lebensjahr erreicht und das 53. Lebensjahr noch
nicht erreicht hat, eine Zeitgutschrift von anteilig 1,2 Stunden zu (24 Stunden ./.
40 Stunden x 2 Stunden). Da der genannte Zeitraum 39 Wochen umfasst, beläuft
sich die gutzuschreibende Stundenzahl somit auf 46,8 Stunden.
137 3. Die zur Entscheidung des Berufungsgerichts angefallene Hilfswiderklage der
Beklagten ist unzulässig.
138 aa) Die Hilfswiderklage ist zur Entscheidung des Berufungsgerichts angefallen.
Die Beklagte hat diese für den Fall des Unterliegens mit ihrem Berufungsantrag
gestellt. Dieser Fall ist eingetreten.
139 bb) Die Hilfswiderklage ist unzulässig. Ihr fehlt es an dem erforderlichen
Feststellungsinteresse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO.
140 aaa) Der Zulässigkeit der Widerklage steht nicht bereits entgegen, dass die
Beklagte diese erst im zweiten Rechtszug erhoben hat.
141 (1) Nach § 533 ZPO ist die Erhebung einer Widerklage in der Berufungsinstanz
zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält (§
533 Nr. 1 ZPO) und sie auf Tatsachen gestützt werden kann, die das
Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung
ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat (§ 533 Nr. 2 ZPO). Ob und
inwieweit die Berücksichtigung neuer Tatsachen in der Berufungsinstanz iSd. §
529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässig ist, richtet sich nach der Spezialregelung in § 67
ArbGG (vgl. BAG 25. Januar 2005 - 9 AZR 44/04 - BAGE 113, 247).
142 (2) Diese Voraussetzungen sind hier unproblematisch zu bejahen. Der Kläger hat
sich zum einen rügelos auf die Widerklage eingelassen, so dass eine
Einwilligung vorliegt; ungeachtet dessen ist diese unzweifelhaft
sachdienlich.Auch kann über die Widerklage aufgrund von Tatsachen
entschieden werden, die das Berufungsgericht seiner Entscheidung über die
Berufung ohnehin zugrunde zu legen hat.
143 bbb) Die Widerklage ist indes unzulässig, da sie eines Feststellungsinteresses
iSd. § 256 Abs. 1 ZPO entbehrt. Nach dieser Bestimmung kann Klage auf
Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses
erhoben werden, wenn die klagende Partei ein rechtliches Interesse daran hat,
dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt
wird.
144 (a) Eine Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus
einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf
den Umfang einer Leistungspflicht beschränken - sog.
Elementenfeststellungsklage. Auch die Anwendbarkeit eines bestimmten
Tarifvertrages oder aber einzelner tarifvertraglicher Bestimmungen auf ein
Arbeitsverhältnis kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein (vgl. etwa BAG
22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - BAGE 128, 165). Daher ist die von der
Beklagten begehrte Feststellung, dass die Regelung des § 5.1 ETV auf das
Arbeitsverhältnis der Klägerin keine Anwendung findet, tauglicher Gegenstand
einer Feststellungsklage.
145 (b) Indes fehlt es an dem erforderlichen Feststellungsinteresse. Das Gericht ist,
wie dargetan wurde, im Rahmen der Prüfung des Hilfsantrages der Klägerin zu
dem Ergebnis gelangt, dass § 5.1 ETV bereits dahingehend auszulegen ist, dass
diese Bestimmung auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin als Teilzeitbeschäftigter
Anwendung findet, ihr mithin danach (anteilig) Zeitgutschriften - sowohl für die
Vergangenheit als auch für die Zukunft - zustehen. Vor diesem Hintergrund kann
kein Interesse daran bestehen, Gegenteiliges gesondert feststellen zu lassen.
Lediglich im Falle, dass § 5.1 ETV sich nicht dergestalt hätte auslegen lassen,
und dass der Anspruch der Klägerin lediglich aufgrund der Unwirksamkeit der
nicht auslegbaren tariflichen Regelung im Wege einer „Anpassung nach oben“ für
die Vergangenheit zugesprochen worden wäre, bestände ein
Feststellungsinteresse der Beklagten, dass diese ungeachtet dessen für die
Zukunft nicht verpflichtet ist, die Regelung weiter anzuwenden. Dass sich
jedenfalls für die Zukunft eine „Anpassung nach oben“ verbiete, ist - wie die
Beklagte selbst ausführt - Gegenstand der hilfsweisen Widerklage. In Anbetracht
dessen, dass dem Hilfsantrag der Klägerin bereits aufgrund einer Auslegung des
ETV Erfolg beschieden war, stellt sich diese Problematik nicht, ein
Feststellungsinteresse ist demzufolge nicht gegeben.
146 cc) Wäre die Hilfswiderklage nicht schon unzulässig, wäre sie, wie angemerkt
sein soll, im Übrigen unbegründet, da § 5.1 ETV schon dahin auszulegen ist,
dass das darin geregelte Zeitgutschriftenmodell auf die Klägerin als
Teilzeitbeschäftigte anzuwenden ist.
II.
147 Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 2 ZPO. Danach fallen die Kosten
eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels der Partei zur Last, die es eingelegt.
Da vorliegend beide Parteien ein erfolgloses Rechtsmittel eingelegt haben, waren
die Kosten im Verhältnis der Rechtsmittelstreitwerte - unter Einbeziehung der
erfolglos in der Berufungsinstanz erhobenen Widerklage - quotenmäßig
aufzuteilen. Dies führt zu der tenorierten Kostenquote, die sich aufgrund der
erfolglosen Widerklage im Vergleich zur erstinstanzlich ausgeurteilten
Kostenquote zu Lasten der Beklagten verschoben hat.
III.
148 Die Revision war - für beide Parteien - gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ArbGG
sowohl wegen grundsätzlicher Bedeutung als auch wegen Divergenz,
insbesondere im Hinblick auf die Entscheidung des LAG Hamm vom 30. Januar
2014 (8 Sa 942/13 - juris), zuzulassen.