Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 26.02.2016

betriebsübergang, wirtschaftliche einheit, betriebsführung, unwirksamkeit der kündigung

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 26.2.2016, 17 Sa 74/15
Betriebsübergang; Betriebsinhaberwechsel; Betriebsführungsvertrag;
Verfristung iSd. § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB; Verwirkung; entgegenstehende
Rechtskraft
Leitsätze
1. Ein Betriebsübergang iSd. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB setzt einen Wechsel in der
Person des Inhabers des Betriebs voraus. Der bisherige Betriebsinhaber muss seine
wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb einstellen, der Übernehmer muss die
Geschäftstätigkeit tatsächlich weiterführen oder wieder aufnehmen.
2. Maßgeblich ist die Weiterführung der Geschäftstätigkeit durch diejenige Person, die
nunmehr für den Betrieb als Inhaber "verantwortlich" ist. Verantwortlich ist die Person,
die den Betrieb im eigenen Namen führt und nach außen als Betriebsinhaber auftritt.
Es kommt nicht allein darauf an, wer im Verhältnis zur Belegschaft als Inhaber auftritt,
sondern auf die umfassende Nutzung des Betriebs nach außen.
3. Anwendung der in den Leitsätzen Ziff. 1 bis 2 wiedergegebenen Rechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichts (etwa BAG 27. September 2012 - 8 AZR 826/11) im
Einzelfall eines Betriebsführungsvertrages.
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern
Ludwigsburg - vom 17. Juli 2015 - 26 Ca 1810/14 insoweit abgeändert, als die Klage
gegen die Beklagte zu 2. abgewiesen wurde:
1. Es wird festgestellt, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2. über den
31. März 2011 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht.
2. Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, die Klägerin zu unveränderten arbeitsvertraglichen
Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits als gewerbliche
Arbeitnehmerin weiter zu beschäftigen.
II. 1. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu 2. zu tragen.
2. Von den gerichtlichen Kosten erster Instanz und den außergerichtlichen Kosten
erster Instanz der Klägerin haben die Beklagten zu 1. und zu 2. jeweils 50 % zu
tragen. Im Übrigen haben die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten erster Instanz
selbst zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1 Die Klägerin und die Beklagte zu 2. streiten insbesondere noch darüber, ob das
Arbeitsverhältnis zwischen ihnen zum 1. April 2011 durch einen Betriebsübergang
auf die Beklagte zu 1. übergegangen ist oder ob es bei der Beklagten zu 2
verblieben ist. Ferner begehrt die Klägerin, von der Beklagten zu 2.
weiterbeschäftigt zu werden.
2 Die Klägerin war langjährig bei der Beklagten zu 2. (bzw. deren
Rechtsvorgängerin) als Produktionsmitarbeiterin in deren Betrieb in O. beschäftigt.
Der Betrieb war darauf ausgerichtet, Industrieprodukte, insbesondere in den
Bereichen Holz- und Kunststoffwerkstoffe sowie Formteile, herzustellen, diese zu
veredeln und Werk- und Dienstleistungen auf diesen Gebieten zu erbringen.
Hierzu setzte die Beklagte zu 2. die in ihrem Eigentum stehenden Betriebsmittel,
insbesondere Maschinen, Produktionsanlagen und das Betriebsgrundstück, sowie
über 150 Arbeitnehmer ein. Weitere Betriebe unterhielt die Beklagte zu 2. in N. (T.)
und in B..
3 Im Sommer des Jahres 2010 beschloss der Beirat der Beklagten zu 2.
auszugsweise das Folgende:
4
„Die W. GmbH + Co. KG soll in Zukunft nur noch die Immobilien halten und
verwalten sowie das Anlagevermögen, die Lizenzrechte sowie die sonstigen
Vermögensgegenstände der Gesellschaft.
5
Der Betrieb der Gesellschaft soll zukünftig - im Wesentlichen unverändert - durch
eine neu gegründete Schwestergesellschaft in der Rechtsform einer GmbH + Co.
KG mit den gleichen Beteiligungsverhältnissen wie bei der W. GmbH + Co. KG
geführt werden (W. I. GmbH + Co. KG). In der neuen Gesellschaft soll derselbe
Beirat installiert werden wie bei der W. GmbH + Co. KG.
6
Diese neue Gesellschaft soll die Produktion der W.-Produkte als Lohnfertigung für
die W. GmbH + Co. KG übernehmen sowie die Bereiche Einkauf, Vertrieb,
Marketing, Forschung und Entwicklung sowie das Rechnungswesen etc. für die
W. GmbH + Co. KG mittels Dienstleistungsverträgen erledigen. Die neu
gegründete Gesellschaft soll dabei die Möglichkeit haben, neben der
Auftragsproduktion für die W. GmbH + Co. KG eigene, nicht in Konkurrenz zu den
W.-Produkten stehende Produkte zu entwickeln und zu vertreiben sowie
Fremdaufträge von anderen Unternehmen (ausgenommen
Konkurrenzunternehmen) zu übernehmen.
7
Die Arbeitsverhältnisse der W. GmbH + Co. KG sollen auf die neu gegründete W.
I. GmbH + Co. KG übergehen (Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB).
8
Die Rechtsverhältnisse zwischen den beiden Gesellschaften werden durch
Abschluss entsprechender Verträge (z.B. Dienstleistungsverträge) geregelt.
9
Es handelt sich um eine strategische Entscheidung, die mittel- und langfristige
Vorteile für das Unternehmen hat, v.a. im arbeitsrechtlichen Bereich.“
10 Am 28. Oktober 2010 schlossen die Beklagte zu 2. und der bei ihr gebildete
Gesamtbetriebsrat zur Umsetzung dieses Konzepts einen Interessenausgleich,
der insbesondere die Übernahme aller Arbeitnehmer durch die neu zu gründende
Gesellschaft im Wege eines Betriebsüberganges zum Gegenstand hatte (vgl.
Anlage der Beklagten, auf deren Inhalt Bezug genommen wird).
11 Im März 2011 schlossen die Beklagte zu 2. und die neu gegründete, damals noch
als I. W. GmbH + Co. KG firmierende Beklagte zu 1. - jeweils vertreten durch die
Geschäftsführer der Komplementärinnen Herrn J. W. und Herrn Dr. J. K. - eine
„Vereinbarung über Lohnfertigung und Geschäftsbesorgungsvertrag über
Betriebsführung“ (im Folgenden: Vereinbarung 2011, in der die Beklagte zu 2. als
„W.“, die heutige Beklagte zu 1. als „I. W.“ bezeichnet ist; Anlage der Beklagten).
Darin heißt es ua.:
12 „Vorbemerkung:
13 W. ist ein weltweit tätiger Hersteller von Bauelementen (Fensterbänke, Balkon-,
Fassadenelemente, Terrassenprofile), Tischplatten, Industrieformteilen und
Sperrholz-Formteilen (insbesondere Federleisten) und verfügt in Deutschland
über 3 Standorte in O., N. und B..
14 Im Dezember 2010 wurde eine neue Schwestergesellschaft, die I. W. GmbH + Co.
KG, mit dem Sitz in O. gegründet. Diese neue Gesellschaft soll in Zukunft die
Produkte von W. in Lohnfertigung herstellen und im Übrigen die drei Betriebe von
W. in D. führen. Die Mitarbeiter von W. werden zum Stichtag 1. April 2011 im
Rahmen eines gesetzlichen Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB auf die neu
gegründete I. W. GmbH + Co. KG übergehen.
15 Dies vorausgeschickt, vereinbaren die Vertragsparteien folgendes:
16 A. Lohnfertigung
17 § 1 Vertragsinhalt/Entgelt
18 Die I. W. führt die komplette Produktion der W.-Produkte an allen 3 inländischen
Standorten ab dem 1. April 2011 in Lohnfertigung weiter. Dies umfasst
insbesondere die Herstellung und Bearbeitung der folgenden Produkte nach den
Vorgaben von W.:
19 …
Die Vergütung der von der I. W. erbrachten Leistungen erfolgt anhand der von der
I. W. nachgewiesenen Lohnkosten (zuzüglich Arbeitgeberbeiträgen zur
Sozialversicherung sowie sonstigen Lohnnebenkosten) plus eines Aufschlags zu
den Brutto-Lohnsummen von 3%. Darüber hinaus hat die I. W. Anspruch auf
Erstattung der gerechtfertigten Sachkosten, die im direkten Zusammenhang mit
der Wertschöpfung entstehen.
20 § 3 Gewährleistung des Lohnfertigers
21 Im Zusammenhang mit der Lohnfertigung gewährleisten die I. W. die Bearbeitung
der betreffenden Ware sowie die Verarbeitung der Rohstoffe, Vorprodukte und
Halbzeuge gemäß den Vorgaben von W.. Diese Vorgaben werden von der I. W.
nicht überprüft. W. ist für diese allein verantwortlich.
22 § 4 Eigentum und Gefahrübergang bei Lohnfertigung
23 An Ware für Lohnfertigung erwerben die I. W. zu keinem Zeitpunkt Eigentum. Die
Beschaffung von Ware für Lohnfertigung, welche die I. W. bei Dritten beziehen,
erfolgt im Namen und auf Rechnung von W.. Von W. an die I. W. gelieferte Ware
für Lohnfertigung bleibt im Eigentum von W., bis ein Dritter diese Ware zu
Eigentum erwirbt.
24 B. Betriebsführung im Übrigen
25 § 6 Betriebsführung mittels Geschäftsbesorgungsvertrag
26 Die I. W. übernehmen darüber hinaus für W. ab dem 1. April 2011 die
Betriebsführung des gesamten Geschäftsbetriebs an allein drei inländischen
Standorten. Insbesondere umfasst dies sämtliche, in den folgenden Abteilungen
zu erledigenden Arbeiten nach den Vorgaben von W.:
27
- Einkauf
- Vertrieb
- Marketing
- Finanzbuchhaltung
- Forschung und Entwicklung sowie
- Instandhaltung.
28 Der Auftrag zur Betriebsführung erstreckt sich auf alle Geschäfte und
Maßnahmen, die dem Betriebsablauf und dem gewerblichen Zweck des Betriebs
dienen.
29 Die Geschäftsbesorgung und die Betriebsführung erfolgt durch die I. W. mit
eigenen, auf sie gem. § 613a BGB übergegangenen Arbeitnehmern.
30 Grundlage dafür ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen den
Vertragsparteien mit folgendem Inhalt:
31 § 7 Handeln für Rechnung und im Namen von W. / Bevollmächtigung
32 Die I. W. handeln bei ihrer Tätigkeit gem. § 6, sofern diese im Zusammenhang mit
der Lohnfertigung und der Herstellung der W.-Produkte ausgeführt wird, für
welche W. die Patentrechte und das know-how besitzt, ausschließlich für
Rechnung und im Namen von W..
33 Insofern erteilt W. der I. W. Generalhandlungsvollmacht zur Vertretung von W. bei
allen Rechtsgeschäften und Rechtshandlungen, bei denen das Gesetz eine
Stellvertretung gestattet und die der Betrieb des Gewerbes von W. mit sich bringt.
Die I. W. dürfen von dieser Vollmacht nur für die Zwecke der Betriebsführung und
im Rahmen dieses Auftrags Gebrauch machen.
34 § 8 Verpflichtung des Auftragnehmers I. W.
35 Die I. W. erledigen und managen eigenverantwortlich die in § 6 aufgeführten
Abteilungen an allen drei Standorten. Sie sind verantwortlich für die gesamten
Abläufe ab Auftragseingang bis zum Zahlungseingang durch den Kunden von W..
Des Weiteren kümmern sie sich im Vertrieb darum, dass ausreichende
Auftragseingänge zu verzeichnen sind. Hinzu kommen die Erledigung der
erforderlichen Instandhaltungsmaßnahmen, der gebotenen Forschungs- und
Entwicklungstätigkeiten sowie die pünktliche und ordnungsgemäße Erstellung der
Finanzbuchhaltung.
36 Dabei sind neben den Vorgaben von W. alle gesetzlichen Vorgaben zu beachten.
37 § 9 Entgelt für die Geschäftsbesorgung
38 Die Vergütung der von der I. W. erbrachten Leistungen erfolgt anhand der von der
I. W. nachgewiesenen Kosten für die Gehälter der in den in § 6 genannten
Abteilungen eingesetzten Mitarbeiter (zuzüglich Arbeitgeberbeiträgen zur
Sozialversicherung sowie sonstigen Nebenkosten) plus eines Aufschlags zu den
Brutto-Gehaltssummen von 3%. Darüber hinaus haben die I. W. Anspruch auf
Erstattung der gerechtfertigten Sachkosten, die im direkten Zusammenhang mit
der Wertschöpfung entstehen.
39 Miete und/oder Pacht für die Nutzung der Verwaltungsgebäude sowie das
Anlagevermögen ist von der I. W. nicht zu entrichten. Die mit der Verwaltung
zusammenhängenden Nebenkosten (insbesondere Energiekosten und sonstige
Verbrauchskosten) trägt W..
40 § 10 Gewerbliche Schutzrechte
41 W. verfügt zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung über eine Reihe von
gewerblichen Schutzrechten (Altschutzrechte). Unbeschadet der Benutzung
dieser Schutzrechte zur Ausführung der Lohnfertigung und der Durchführung von
weiteren Entwicklungsarbeiten durch die Mitarbeiter der I. W. in der Forschung-
und Entwicklungsabteilung, berührt dieser Vertrag nicht die rechtliche Situation
der Schutzrechte, insbesondere verbleiben diese Schutzrechte im
ausschließlichen Eigentum von W..
42 Neue Entwicklungen und Erfindungen, die die Arbeitnehmer der I. W. während der
Dauer dieses Vertrages auf den Gebieten Produkte und Verfahrenstechniken im
Bereich Holz- und Kunststoffe sowie Holz- und Kunststoffformteile tätigen
(Neuschutzrechte), werden von W. unbeschränkt in Anspruch genommen und in
deren Namen zum Schutzrecht angemeldet. Die Anmeldung wird von der I. W. im
Namen und auf Rechnung von W. erledigt. Diese Schutzrechte stehen auch
eigentumsrechtlich ausschließlich W. zu.
43 C. Allgemeine Bestimmungen
44 § 12 Auskunftsrecht von W.
45 W. kann von der Geschäftsführung der I. W. jederzeit und in allen die
Lohnfertigung und die Betriebsführung betreffenden Angelegenheiten Auskünfte
verlangen. Im Hinblick auf die Betriebsführung gemäß Lit. B., nicht aber für Lit. A.
dieses Vertrages (mit Ausnahme der Vorgaben für die Herstellung, Bearbeitung
und Lieferung der Ware gemäß §§ 1, 2 und 3 Abs. 1), kann W. Richtlinien
erlassen und Weisungen erteilen. Insbesondere kann W. bestimmen, welche
Arten von Geschäften ihrer vorherigen Zustimmung bedürfen.“
46 Mit Schreiben vom 1. März 2011 (vgl. Anlage der Klägerin, auf deren Inhalt Bezug
genommen wird) informierte die Beklagte zu 2. sämtliche Arbeitnehmer darüber,
dass ihre Arbeitsverhältnisse zum 1. April 2011 gemäß § 613 a BGB auf die
Beklagte zu 1. übergingen. Die Klägerin widersprach dem wie auch die übrigen
Arbeitnehmer (mit Ausnahme eines Arbeitnehmers) nicht. Sie und die anderen
erbrachten fortan ihre Arbeitsleistung an ihren bisherigen Arbeitsplätzen in
unveränderter Art und Weise und stellten weiter ausschließlich W.-Produkte her.
Verträge mit Dritten (insbesondere mit Kunden und Lieferanten) wurden von der
Beklagten zu 1. - entsprechend der Vereinbarung 2011 - auf Rechnung und im
Namen der Beklagten zu 2. geschlossen. Der Marktauftritt zum Vertrieb der W.-
Produkte erfolgte weiterhin über die Internetseite der Beklagten zu 2. Bei der Email-
Kommunikation nach außen versah das EDV-System die Emails der Mitarbeiter
automatisch mit einer Signatur der Beklagten zu 2., geschäftliche Korrespondenz
erfolgte auf dem Briefpapier der Beklagten zu 2. Gegenüber den Arbeitnehmern
trat demgegenüber die Beklagte zu 1. als Arbeitgeberin auf, etwa verwendete die
Personalabteilung bei der internen Kommunikation mit ihren Mitarbeitern eine
Signatur der Beklagten zu 1.
47 Im Mai/Juni 2013 beschlossen die Gesellschafter der Beklagten zu 1., diese zu
liquidieren und den Betrieb in O., wie auch die beiden anderen Betriebe in N. und
B., stillzulegen (vgl. Anlage der Beklagten). Die Liquidation der Gesellschaft wurde
am 12. Juli 2013 in das Handelsregister eingetragen (vgl. Anlage der Beklagten).
48 Am 17. Juli 2013 schlossen die Beklagten eine neue „Vereinbarung über
Lohnfertigung und Geschäftsbesorgungsvertrag über Betriebsführung“ (im
Folgenden: Vereinbarung 2013; Anlage der Beklagten, auf deren Inhalt Bezug
genommen wird). Danach führt die Beklagte zu 1. lediglich Teile der Produktion in
Lohnfertigung weiter, wobei „der Umfang der Tätigkeiten zwischen den Parteien
laufend abgestimmt“ wird (§ 1). Nach § 6 übernimmt die Beklagte zu 1. bis zur
Beendigung der Gesellschaft für die Beklagte zu 2. „die Betriebsführung einzelner
Bereiche des Geschäftsbetriebes gem. Einzelabsprache“. Die Beklagte zu 2. soll
weiter berechtigt sein, einzelne Gewerke oder Teile davon an andere
Unternehmen zu vergeben (§ 6 Satz 2). Auch soll der Auftrag zur Betriebsführung
nach Absprache eingeschränkt werden können, wenn wie beabsichtigt einzelne
Teilbereiche ganz oder teilweise an andere Unternehmen vergeben werden (§ 6
Satz 5). Auch nach der Vereinbarung 2013 handelt die Beklagte zu 1. bei der
Tätigkeit gemäß § 6, sofern diese im Zusammenhang mit der Lohnfertigung und
der Herstellung der W.-Produkte ausgeführt wird, ausschließlich für Rechnung und
im Namen der Beklagten zu 2.
49 Nachdem in der Folgezeit Verhandlungen über einen Interessenausgleich vor der
Einigungsstelle gescheitert waren (vgl. Anlage der Beklagten), kündigte die
Beklagte zu 1. die Arbeitsverhältnisse mit ihren Arbeitnehmern nach Beteiligung
des Betriebsrats (vgl. Anlagen der Beklagten) und Erstattung einer
Massenentlassungsanzeige (vgl. Anlagen der Beklagten), dasjenige mit der
Klägerin mit Schreiben vom 28. Oktober 2014 zum 31. Mai 2015.
50 Am 25. November 2014 kam durch Spruch der Einigungsstelle ein Sozialplan
zustande, der allerdings keine Abfindungsleistungen für die Arbeitnehmer vorsah
(vgl. Anlage der Beklagten).
51 Mit Schreiben vom 31. Dezember 2014 (Anlage der Beklagten) kündigte die
Beklagte zu 2. die Vereinbarung 2013 zum 31. März 2015. Unter dem 26. März
2015 schlossen die Beklagten eine bis zum 31. Mai 2015 befristete, den Betrieb in
O. betreffende „Vereinbarung über Geschäftsbesorgung und Betriebsführung“ (im
Folgenden: Vereinbarung 2015; Anlage der Beklagten, auf deren Inhalt Bezug
genommen wird). Der Betrieb in B. wurde zum 30. September 2014, der Betrieb in
N. zum 28. Februar 2015 geschlossen.
52 Die Klägerin hat zunächst gegen die Kündigung der Beklagten zu 1.
Kündigungsschutzklage erhoben. Im April 2015 erweiterte sie ihre Klage auf die
Beklagte zu 2. mit dem Begehren festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nach
wie vor mit der Beklagten zu 2. bestehe, und diese zu ihrer Weiterbeschäftigung zu
verurteilen. Sie hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis sei im Jahr 2011
nicht im Wege eines Betriebsüberganges auf die Beklagte zu 1. übergegangen.
Vielmehr sei die Beklagte zu 2. Arbeitgeberin geblieben. Ein Betriebsübergang
setze die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit voraus, die nicht
gegeben sei, wenn lediglich die Arbeitnehmer eines betriebsmittelgeprägten
Betriebs übernommen würden, wie es hier der Fall sei. Die Beklagte zu 1. habe
keinerlei materielle Betriebsmittel oder Kunden- und Lieferantenbeziehungen
übernommen. Ein Betriebsinhaberwechsel habe nicht stattgefunden. Es liege ein
sog. echter Betriebsführungsvertrag vor, der keinen Betriebsübergang auslöse.
Auch wenn die Beklagte zu 1. beim Abschluss einiger Rechtsgeschäfte (über
Leiharbeit oder gegenüber Behörden) nach außen aufgetreten sei, sei sie zu
keinem Zeitpunkt am Markt aufgetreten oder habe Akquise betrieben. Die Beklagte
zu 2. sei das alleinige Tor zur Öffentlichkeit geblieben. Auch für die Arbeitnehmer
habe sich zum 1. April 2011 nichts verändert, der Personalleiter sei für beide
Unternehmen in Personalunion aufgetreten. Die Beklagten hätten einer
gemeinsamen Leitungsmacht unterlegen. Der Geschäftsführer der Beklagten zu 2.
sei erst kurz vor dem Liquidationsbeschluss als Geschäftsführer der Beklagten zu
1. ausgeschieden. Er habe auch die Geschicke der Beklagten zu 1. geleitet und
mit beiden Firmen einen einheitlichen wirtschaftlichen Zweck verfolgt. Aus der
Vereinbarung 2011 ergebe sich nichts anderes. § 1 Vereinbarung 2011 zeige,
dass die Beklagte zu 1. komplett nach den Vorgaben der Beklagten zu 2. deren
Personal einzusetzen gehabt habe. Vergütung für die Inanspruchnahme der
Betriebsmittel habe die Beklagte zu 1. nicht leisten müssen. In § 3 Vereinbarung
2011 sei nochmals geregelt, dass die Beklagte zu 1. die Ware und die
Verarbeitung ausschließlich gemäß den Vorgaben der Beklagten zu 2.
gewährleiste. Gemäß § 4 Vereinbarung 2011 erwerbe ausschließlich die Beklagte
zu 2. Eigentum an den Waren, deren Beschaffung erfolge immer im Namen und
auf Rechnung der Beklagten zu 2. Auch dies zeige die untergeordnete Stellung
der Beklagten zu 1. Dass die Beklagte zu 1. den Betriebsalltag in Teilen habe
selbst gestalten dürfen, ändere nichts daran, dass kein Inhaberwechsel
stattgefunden habe. Auch in § 7 Vereinbarung 2011 sei festgehalten, dass die
Beklagte zu 1. ausschließlich - mittels einer Generalhandlungsvollmacht - auf
Rechnung und im Namen der Beklagten zu 2. handle. Gemäß § 12 Vereinbarung
2011 habe die Beklagte zu 2. das Recht, Richtlinien zu erlassen und Weisungen
zu erteilen, was zeige, dass die Beklagte zu 1. überhaupt keine
Handlungsberechtigung im eigenen Namen und in eigener Verantwortung gehabt
habe. Die Vereinbarung 2011 bestätige, dass die Beziehungen zwischen den
Beklagten letztlich wie in einem Verhältnis zwischen Arbeitgeber und leitendem
Angestellten funktioniert hätten. Dass künstlich zwei Unternehmen geschaffen
worden seien, ändere daran nichts. Ein Betriebsübergang habe daher nicht
vorgelegen. Ob dies von anderen in der Vergangenheit anders gesehen worden
sei, sei ohne Relevanz. Soweit von Gerichten von einem Betriebsübergang
ausgegangen worden sei, sei anzunehmen, dass dies nicht in Kenntnis aller
relevanten Umstände und Beweismittel geschehen sei. Die
Einigungsstellenvorsitzenden hätten sich mit der Prüfung des Betriebsüberganges
als solchem nicht befasst, gleiches gelte für den Betriebsrat und dessen Vertreter.
Der Beschäftigungsbedarf für die Klägerin sei nicht entfallen, die Beklagte zu 2.
werde nicht stillgelegt. Es sei davon auszugehen, dass die Beklagte zu 2. schlicht
neue Arbeitnehmer suchen wolle, um den Betrieb fortzuführen. Die Kündigung der
Beklagten zu 1. sei allein schon mangels Arbeitsverhältnisses mit dieser
unwirksam. Jedenfalls könne sich die Beklagte zu 2. aufgrund
Gestaltungsmissbrauchs nicht auf das Vorliegen eines Betriebsüberganges
berufen. Die Beklagte zu 1. habe lediglich als mittellose Marionette fungieren
sollen, um sich - durch Liquidation derselben - der finanziellen, sozialen und
juristischen Verantwortung gegenüber der langjährig beschäftigten Belegschaft zu
entziehen. Eine Verwirkung, sich auf ein Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses mit
der Beklagten zu 2. zu berufen, liege nicht vor. Ein Umstandsmoment sei weder
vorgetragen noch ersichtlich. Demgemäß sei die Beklagte zu 2. auch zur
Weiterbeschäftigung der Klägerin zu verurteilen. Ein
Weiterbeschäftigungsanspruch bestehe auch in einem Falle wie hier, wenn über
einen Betriebsübergang als Beendigungstatbestand gestritten werde. Falsch sei,
dass keine Beschäftigungsmöglichkeit bestehe. Die Beklagte zu 2. beschäftige
auch Leiharbeitnehmer. Für den Fall, dass ein Betriebsübergang stattgefunden
habe und die Beklagte zu 2. sich hierauf berufen könne, sei die ausgesprochene
Kündigung der Beklagten zu 1. mangels sozialer Rechtfertigung iSd. § 1 KSchG
und mangels ordnungsgemäßer Beteiligung des Betriebsrats iSd. § 17 Abs. 2
KSchG unwirksam.
53
Die Klägerin hat - erstinstanzlich, zuletzt unbedingt - beantragt,
54
festzustellen, dass zwischen der Beklagten zu 2. und der Klägerin über den
31. März 2011 hinaus ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht;
55
die Beklagte zu 2. zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten
Bedingungen arbeitsvertragsgemäß bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Rechtsstreits als gewerbliche Arbeitnehmerin weiter zu beschäftigen;
56
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der
Beklagten zu 1. vom 28. Oktober 2014 zum 31. Mai 2015 nicht aufgelöst
worden ist,
57
die Beklagte zu 1. zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten
Bedingungen arbeitsvertragsgemäß bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Rechtsstreits als gewerbliche Arbeitnehmerin weiter zu beschäftigen;
58
Die Beklagten haben - erstinstanzlich - jeweils beantragt,
59
die Klage abzuweisen.
60 Während die Beklagte zu 1. die Rechtfertigung der Kündigung verteidigt hat, indem
sie vorgebracht hat, diese sei wegen Betriebsstillegung aus betriebsbedingten
Gründen iSd. § 1 KSchG sozial gerechtfertigt und auch unter Zugrundelegung des
§ 17 Abs. 2 KSchG nicht zu beanstanden, hat die Beklagte zu 2. die Ansicht
vertreten, das Arbeitsverhältnis sei im Jahr 2011 im Wege eines
Betriebsüberganges auf die Beklagte zu 1. übergegangen. Gemäß dem
Interessenausgleich vom 28. Oktober 2010 seien zum 1. April 2011 die
Fertigungsaktivitäten, die Bereiche Forschung und Entwicklung, Logistik, Einkauf,
Vertrieb, Finanzbuchhaltung und Instandhaltung auf die Beklagte zu 1. übertragen
und dieser das Immobilien-, Anlage- und Umlaufvermögen sowie die Patente und
Lizenzverträge unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden. Der Produktionsbetrieb
der Beklagten zu 2. sei unter Wahrung der wirtschaftlichen Identität übergegangen
und von der Beklagten zu 1. tatsächlich fortgeführt worden. Da ein
betriebsmittelarmer Betrieb vorliege, komme es wesentlich auf die Fähigkeiten der
Mitarbeiter an, die - bis auf einen Mitarbeiter - alle übernommen worden seien. Aber
auch wenn man von einem betriebsmittelgeprägten Betrieb ausgehe, liege ein
Betriebsübergang vor, da die Betriebsmittel gerade mitübernommen worden seien
und es insoweit nicht auf die Eigentumsverhältnisse ankomme. Ausreichend sei,
dass die sächlichen Betriebsmittel der Beklagten zu 1. von der Beklagten zu 2. zur
Verfügung gestellt worden seien. Auch habe der Vorsitzende im vergleichsweise
am 22. November 2012 beigelegten Rechtsstreit vor dem Landesarbeitsgericht
Baden-Württemberg - 6 Sa 31/12 - darauf hingewiesen, dass von einem
Betriebsübergang auszugehen sei. Die Inanspruchnahme der Beklagten zu 2.
neben derjenigen der Beklagten zu 1. sei im Übrigen widersprüchlich. Eine
Beschäftigung bei der Beklagten zu 2. sei zudem nicht möglich, da diese keinen
Betrieb mehr führe. Aufgaben, die einer gewerblichen Mitarbeiterin übertragen
werden könnten, seien nicht vorhanden.
61 Mit weiterem Schriftsatz vom 3. Juni 2015 hat die Beklagte zu 2. ihren Vortrag
vertieft und ausgeführt, dass das Vorliegen eines Betriebsübergangs nicht davon
abhänge, ob ein wie auch immer gearteter Betriebsführungsvertrag geschlossen
worden sei. Die Begriffe „echte Betriebsführung“ und „unechte Betriebsführung“
seien nicht eindeutig definiert und damit keiner isolierten rechtlichen Würdigung
zugänglich. Maßgeblich seien vielmehr die tatsächlichen Umstände und die
Prüfung der Kriterien, die nach der Rechtsprechung einen Betriebsübergang
begründeten. Diese seien hier allesamt erfüllt:
62 Gegenstand der Übertragung sei ein Betrieb gewesen, der Fertigungsaktivitäten
und die damit verbundenen und administrativen Funktionen (insb. Forschung und
Entwicklung, Logistik, Einkauf, Vertrieb, Finanzbuchhaltung und Instandhaltung)
verfolgt habe. Dessen Personal sei zum 1. April 2011 von der Beklagten zu 1.
übernommen worden. Diese habe den Betrieb ab dem 1. April 2011 als ein
anderer Inhaber fortgeführt. Bei den Beklagten handle es sich um verschiedene
Rechtsträger. Die geschäftsführenden Gesellschaften (Komplementärinnen) seien
nie identisch gewesen, die für die unternehmerischen Entscheidungen
zuständigen Beiräte seien nicht personenidentisch besetzt. Soweit vorübergehend
Personenidentität in der Geschäftsführung der Komplementärinnen im Jahr 2011
bestanden habe, hätten die handelnden Personen stets erkennen lassen, in
welcher Funktion für welche Gesellschaft sie handelten. Unabhängig davon sei die
Beklagte zu 1. auch nach außen aufgetreten und habe Rechtsgeschäfte getätigt,
zB. Verträge mit anderen Unternehmen und Körperschaften (Leiharbeit, IHK,
Finanzverwaltung, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater etc.) abgeschlossen. Die
Übertragung sei durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung in Gestalt der
Vereinbarung 2011 erfolgt. Die Herstellung und Bearbeitung der Produkte sei
durch die darin enthaltene Lohnfertigungsvereinbarung auf die Beklagte zu 1.
übertragen worden, wobei der Beklagten zu 2. produktbezogene Vorgaben
vorbehalten geblieben seien. Bezogen auf die Abteilungen Forschung und
Entwicklung, Logistik, Einkauf, Vertrieb, Finanzbuchhaltung und Instandhaltung
habe die Beklagte zu 2. der Beklagten zu 1. einen Auftrag in Form eines
Geschäftsbesorgungsvertrages erteilt und sich vorbehalten, auf den Gegenstand
der Geschäftsbesorgung bezogene Vorgaben zu machen. Zugleich sei aber
vereinbart worden, dass die Beklagte zu 1. diese Aufgaben eigenverantwortlich
erledige und manage und sie für sämtliche Abläufe ab Auftragseingang bis zum
Zahlungseingang verantwortlich sei. Diese Aufgaben habe die Beklagte zu 1. bis
mindestens zum Abschluss der Vereinbarung 2013, mit der sie die Exklusivität als
Vertragspartner verloren habe, eigenverantwortlich erfüllt, teilweise darüber hinaus.
Die Vereinbarung 2011 räume der Beklagten zu 2. insbesondere kein
Weisungsrecht gegenüber einzelnen Arbeitnehmern ein. Die Beklagte zu 2. habe
der Beklagten zu 1. die Betriebsmittel gemäß der Vereinbarung 2011 unentgeltlich
überlassen, was diese in die Lage versetzt habe, den Betrieb zu führen. Die
Beklagte zu 1. habe diesen nach dem Betriebsübergang auch tatsächlich geführt,
ihre Mitarbeiter angeleitet und angewiesen und deren Vergütung bezahlt. Die
Beklagte zu 1. habe ab dem 1. April 2011 die Leitungsmacht über den Betrieb und
sämtliche zur Erreichung des Betriebszwecks wesentlichen Faktoren gesteuert
und koordiniert. Sie sei gegenüber den Arbeitnehmern, dem Betriebsrat und der
zuständigen Gewerkschaft klar erkennbar unter ihrer Firma und nicht unter dem
Namen der Beklagten zu 2. aufgetreten. Der Umstand, wie die Beklagte zu 1. am
Markt aufgetreten sei, sei unerheblich für die Frage, ob der Betrieb übertragen
worden sei. Unerheblich sei auch, dass gebrauchte, von der Beklagten zu 2.
einstmals ihren Arbeitnehmern überlassene Arbeitskleidung mit dem Schriftzug
„W.“ möglicherweise nach dem 31. März 2011 weiterbenutzt worden sei. Dass die
Beklagte zu 1. ihre eigene Belegschaft danach mit solcher Arbeitskleidung
ausgestattet habe, werde mit Nichtwissen bestritten. Maßgeblich sei allein, dass
die Beklagte zu 1. ab dem 1. April 2011 deutlich als Arbeitgeber aufgetreten sei.
Die eigenverantwortliche Ausübung der Arbeitgeberstellung sei ausreichend, um
einen Betriebsübergang zu begründen. Nach europäischem Recht sei
Betriebsinhaber gerade derjenige, der die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber
den Beschäftigten eingehe, was ab dem 1. April 2011 eindeutig die Beklagte zu 1.
gewesen sei. Arbeitgeber sei derjenige, der das Weisungsrecht gegenüber den
Arbeitnehmern eigenverantwortlich ausübe und in dessen betriebliche
Organisation diese eingegliedert seien. Da die Beklagte zu 1. gegenüber den
Arbeitnehmern im eigenen Namen aufgetreten sei und die betrieblichen
Organisationsstrukturen tatsächlich genutzt habe, seien diese Voraussetzungen
erfüllt. Die über den Betriebsübergang unterrichtete Klägerin habe in Kenntnis der
Vorgänge vier Jahre nie die Arbeitgeberstellung der Beklagten zu 1. bezweifelt
oder die Beklagte zu 2. als Arbeitgeberin angesprochen. Auch Betriebsrat -
vertreten durch die Sozietät der Vertreterin der Klägerin - und Gewerkschaft hätten
die Beklagte zu 1. als Arbeitgeberin angesprochen und anerkannt; im Jahr 2014
sei der Betriebsrat als Betriebsrat der Beklagten zu 1. gewählt worden (näher dazu
vgl. das schriftsätzliche Vorbringen der Beklagten zu 2.). Die rechtliche Qualität der
Zusammenarbeit der Beklagten sei zudem vielfach Vorfrage arbeitsgerichtlicher
Auseinandersetzungen gewesen. Dabei sei stets von einem Betriebsübergang
ausgegangen worden. Dies gelte für ein Beschlussverfahren vor der 26. Kammer
des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Ludwigsburg - 26 BV 62/13 -, in dem das
Gericht zu dem Ergebnis gekommen sei, dass es sich bei der Zusammenarbeit der
Beklagten um eine bloße unternehmerische Zusammenarbeit handle und das
Bestehen eines gemeinsamen Betriebes nicht ansatzweise ersichtlich sei. Weiter
gelte dies für ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht Stuttgart - Kammern
Ludwigsburg - 12 Ca 905/11 -, bezüglich dem der Vorsitzende im
Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 6 Sa
31/12 - im Berufungstermin ebenfalls geäußert habe, dass er von einem
Betriebsübergang ausgehe. Auch das Arbeitsgericht Berlin habe in mehreren
Verfahren (55 Ca 4863/14 und 57 Ca 4865/14) einen Betriebsübergang
angenommen, erstgenanntes Urteil sei vom Landesarbeitsgericht Berlin-
Brandenburg mittlerweile rechtskräftig bestätigt worden. Auch die jeweiligen
Einigungsstellenvorsitzenden hätten bei der Bejahung ihrer Zuständigkeit die
Arbeitsgeberstellung der Beklagten zu 1. anerkannt. Vor diesem Hintergrund
gebiete auch die Rechtssicherheit die Annahme eines Betriebsüberganges. In der
übrigen Rechtsprechung zu Betriebsführungsverträgen und zur Lohnfertigung,
soweit solche existiere, sei ebenfalls von Betriebsübergängen ausgegangen
worden (vgl. LAG Baden-Württemberg 24. Juni 2005 - 7 Sa 10/05; LAG Rheinland-
Pfalz 12. Juli 2012 - 2 Sa 144/12).
63 Im Übrigen sei das Recht der Klägerin, sich auf ein Fortbestehen des
Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2. zu berufen, verwirkt.
64 Der Weiterbeschäftigungsantrag gegen die Beklagte zu 2. sei auch deshalb
unbegründet, weil eine Weiterbeschäftigung unmöglich sei. Die Beklagte zu 2.
unterhalte keinen Betrieb und keine Arbeitsplätze, sie vergebe die
Fertigungsaufträge seit 2011 an andere Unternehmen, wie sie am 20. Mai 2015
nochmals bekräftigt habe. Sie sei durch die Beiratsbeschlüsse gebunden und
vertraglich verpflichtet, Räume und Maschinen diesen zur Nutzung zu überlassen.
Auch verfüge sie nicht über technisch erfahrene Aufsichtspersonen für die
Produktionsmitarbeiter. Falsch sei, dass die Beklagte zu 2. Leiharbeitnehmer
beschäftige, lediglich die Beklagte zu 1. habe solche eingesetzt. Im Übrigen
existiere ein allgemeiner Weiterbeschäftigungsanspruch vor rechtskräftiger
Entscheidung über den Feststellungsantrag hier nicht. Nur in
Kündigungsschutzprozessen sei ein solcher ausnahmsweise anerkannt, nicht
aber in einem atypischen Falle wie dem vorliegenden, in dem das Bestehen des
Arbeitsverhältnisses auch deswegen streitig sei, weil um das Vorliegen eines
Betriebsüberganges im Jahr 2011 gestritten werde. Das Beschäftigungsinteresse
der Klägerin überwiege nicht. Diese habe über vier Jahre Zeit gehabt, über den
Bestand des Arbeitsverhältnisses zu streiten, was sie unterlassen habe. Dem
gegenüber bestehe ein schutzwertes Interesse der Beklagten zu 2. an der
Nichtbeschäftigung der Klägerin, nachdem in vorangegangenen Entscheidungen
von einem Betriebsübergang ausgegangen worden sei.
65 Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 17. Juli 2015 die gegen die Beklagte zu 2.
gerichteten Klaganträge der Klägerin mit der Argumentation abgewiesen, ihr
Arbeitsverhältnis sei am 1. April 2011 im Wege des Betriebsüberganges auf die
Beklagte zu 1. übergegangen. Den gegen die Beklagte zu 1. gerichteten
Klaganträgen hat es hingegen stattgegeben.
66 In am 8. Mai 2015 entschiedenen Parallelverfahren hatte das Arbeitsgericht noch
abweichend entschieden. Damals hatte es einen Betriebsübergang verneint und
entsprechenden Anträgen anderer Kläger gegen die Beklagte zu 2. stattgegeben
sowie deren Kündigungsschutzklagen gegen die Beklagte zu 1. abgewiesen.
67 Zur Begründung seiner abweichenden Auffassung hat das Arbeitsgericht im Urteil
vom 17. Juli 2015 ausgeführt, der zulässige Feststellungsantrag gegen die
Beklagte zu 2. sei nicht begründet. Die Beklagte zu 2. habe ihre
Arbeitgeberstellung am 1. April 2011 infolge eines Betriebsüberganges an die
Beklagte zu 1. verloren. Aus dem Vortrag der darlegungs- und beweisbelasteten
Beklagten zu 2. ergebe sich das Vorliegen eines Betriebsüberganges und als
Folge auch der Übergang des Arbeitsverhältnisses. Neben der Übernahme des
Personals seien der Beklagten zu 1. sämtliche Betriebsmittel zur Nutzung
überlassen worden, was für die Übertragung einer wirtschaftlichen Einheit bei
einem betriebsmittelgeprägten Betrieb, wie er hier vorliege, entscheidend sei. Es
liege keine andere Situation vor, als sie bei der Verpachtung eines Betriebes
vorzufinden sei. Die Beklagte zu 1. habe ab dem 1. April 2011 sämtliche
Betriebsmittel zur Herstellung der Produkte genutzt und sei vom Auftragseingang
bis zum Zahlungseingang durch den Kunden verantwortlich gewesen. Die
Beklagte zu 1. habe hierfür die von der Beklagten zu 2. geschaffene
Betriebsorganisation und die aufgebauten Kunden- und Lieferantenbeziehungen
genutzt und habe für einen ausreichenden Auftragseingang zu sorgen gehabt. Sie
habe also nicht lediglich das Personal getrennt von den Betriebsmitteln
übernommen. Die Art und der Zweck des Betriebes seien unverändert geblieben,
eine Unterbrechung der Tätigkeit habe nicht stattgefunden. Die Beklagte zu 1.
habe ab dem 1. April 2011 den betrieblichen Funktionszusammenhang für eine
(eigene) wirtschaftliche Tätigkeit genutzt. Irrelevant sei, dass die gesamte
Produktion und Betriebsführung mit fremden Betriebsmitteln durchzuführen
gewesen sei. Nicht die Eigentümerstellung sei insoweit maßgeblich, sondern allein
die tatsächliche Nutzungs- und Verfügungsgewalt. Die eigenwirtschaftliche
Nutzung von Betriebsmitteln sei keine Voraussetzung für einen Betriebsübergang.
Auch sei die wirtschaftliche Einheit durch Rechtsgeschäft, nämlich durch die
Vereinbarung 2011, übertragen worden, ohne dass es auf dessen Wirksamkeit
ankäme. Die Beklagte zu 1. sei auch Betriebsinhaberin des zuvor von der
Beklagten zu 2. geführten Betriebes geworden. Keine entscheidende Bedeutung
habe der Umstand, dass das wirtschaftliche Ergebnis der Tätigkeit - mit Ausnahme
der geregelten Vergütung von 3 % der Bruttolohnsumme - letztlich der Beklagten
zu 2. zugute gekommen sei. Auch Bindungen im Innenverhältnis oder die fehlende
Befugnis zur Veräußerung der Betriebsmittel stünden einem
Betriebsinhaberwechsel nicht entgegen. Die Beklagte zu 1. habe auch die
maßgebliche Arbeitgeberfunktion gegenüber den Beschäftigten übernommen und
sei nach außen als Vollrechtsinhaberin aufgetreten. Aus den zwischen den
Beklagten geschlossenen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Praktizierung
könne nicht entnommen werden, dass die Beklagte zu 2. weiterhin für den Betrieb
verantwortlich geblieben sei. Zwar habe die Kammer in den Entscheidungen vom
8. Mai 2015 die Auffassung vertreten, ein Betriebsinhaberwechsel habe am 1. April
2011 nicht stattgefunden, weil es hierfür nicht genüge, wenn der neue Inhaber
lediglich gegenüber den Arbeitnehmern im eigenen Namen auftrete, und es
vielmehr auch erforderlich sei, dass gegenüber Lieferanten, Kunden und am Markt
im eigenen Namen aufgetreten werde. Für diese Auffassung sprächen auch einige
Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (näher dazu vgl. S. 21 f. des Urteils), in
deren Folge die Kammer die Vereinbarung 2011 als sog. echte
Betriebsführungsvereinbarung eingeordnet habe, die keinen Betriebsübergang
ausgelöst habe. Weil die Beklagte zu 1. weder Waren im eigenen Namen bezogen
noch Verträge mit Kunden im eigenen Namen geschlossen und die Lieferung der
Produkte und die gesamte Kommunikation nach außen im fremden Namen
stattgefunden habe, sei die Kammer damals zu der Einschätzung gelangt, die
Beklagte zu 1. sei nicht Betriebsinhaberin geworden. Dass die Beklagte zu 1.
gegenüber den eigenen Arbeitnehmern im eigenen Namen aufgetreten sei, habe
dem Gericht am 8. Mai 2015 nicht genügt. In anderen Entscheidungen des
Bundesarbeitsgerichts habe demgegenüber für die Erlangung der Organisations-
und Leitungsmacht die Ausübung des arbeitsgeberseitigen Weisungsrechts -
neben den Nutzung des betrieblichen Funktionszusammenhangs - genügt (näher
dazu vgl. S. 22 f. des Urteils). In ihrer jetzigen Besetzung halte die Kammer die
letztgenannten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts und damit ein
Abstellen allein auf die Ausübung des Weisungsrechts im eigenen Namen
gegenüber der Belegschaft für überzeugender. Entscheidendes Argument sei
hierbei der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit. Genügte für die Ausübung der
betrieblichen Leitungsmacht das Gebrauchmachen vom Weisungsrecht
gegenüber den Arbeitnehmern nicht, stellte sich die Frage, ab welchem Zeitpunkt
(bspw. durch ein Handeln im eigenen Namen gegenüber Kunden und Lieferanten)
ein Betriebsinhaberwechsel eintrete, was rechtssicher kaum feststellbar und
letztlich ein Einfallstor für mögliche Manipulationen wäre. Werde demgegenüber
auf das Weisungsrecht abgestellt, lasse sich der Zeitpunkt des
Betriebsinhaberwechsels rechtssicher feststellen. Für den arbeitsrechtlichen
Sinnzusammenhang müsse es also letztlich ausschlaggebend sein, wer ab wann
gegenüber den Arbeitnehmer das Weisungsrecht im eigenen Namen ausübe.
Andernfalls könne ein Unternehmen einer Auffanggesellschaft die Betriebsmittel
zur Verfügung stellen und diese mit der Produktion von Waren im fremden Namen
beauftragen, um sich von der Belegschaft zu lösen. Nach Sinn und Zweck des §
613 a BGB soll jedoch genau ein solches Auseinanderfallen von Arbeitsplatz und
Arbeitsverhältnis vermieden werden. Zudem entspreche dieses Verständnis dem
Unionsrecht, wonach Betriebsinhaber die für den Betrieb verantwortliche Person
sei, die die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten eingehe.
Gemessen daran sei es ab 1. April 2011 zu einem Betriebsinhaberwechsel
gekommen. Die Beklagte zu 1. habe ab diesem Zeitpunkt - unstreitig - gegenüber
den Arbeitnehmern das arbeitgeberseitige Weisungsrecht im eigenen Namen
durch den Geschäftsführer und den Personalleiter ausgeübt. Auch gegenüber dem
Betriebsrat sei die Beklagte zu 1. im eigenen Namen auf eigenem Briefpapier
aufgetreten, worauf dieser die Beklagte zu 1. als Ansprechpartnerin für die
wahrzunehmenden kollektiven Rechte identifiziert habe. Gegenüber dem
Gesamtbetriebsrat, der Gewerkschaft, der Einigungsstelle und anderen Dritten sei
die Beklagte zu 1. in Bezug auf die Arbeitsverhältnisse ebenfalls im eigenen
Namen aufgetreten. Sie habe ferner die Arbeitsentgelte im eigenen Namen
abgerechnet und bezahlt, die sie dann zuzüglich des Aufschlages von 3 % von der
Beklagten zu 2. erstattet bekommen habe. Ein Handeln im fremden Namen sei
insoweit nicht ansatzweise ersichtlich. Die Beklagte zu 1. habe die für § 613 a BGB
maßgebliche Leitungsmacht über den betrieblichen Funktionszusammenhang
wahrgenommen. Sie sei zudem für sämtliche Abläufe, beginnend mit dem Vertrieb
und dem Auftragseingang bis hin zum Zahlungseingang, verantwortlich gewesen
und sei daher auch nach außen - wenn auch im fremden Namen - aufgetreten.
Eigene Betriebstätigkeit einer betriebsführenden Gesellschaft sei gerade die
Interessenwahrnehmung für die Eigentümergesellschaft. Dies sei letztlich auch der
Hintergrund dafür, dass die Klägerin vor Ausspruch der Kündigung durch die
Beklagte zu 1. eine Arbeitgeberstellung der Beklagten zu 2. niemals geltend
gemacht habe. Darauf, dass die Beklagte zu 1. gegenüber Dritten, dh. Kunden und
Lieferanten, vereinbarungsgemäß im fremden Namen aufgetreten sei, komme es
danach nicht an. Dies sei lediglich Ausdruck der Bindungen der Beklagten zu 1. im
Innenverhältnis und der geschlossenen Vereinbarung zur Betriebsführung. Die
Arbeitnehmer hätten die Beklagte zu 1. in Anbetracht der Ausübung der Leitungs-
und Organisationsmacht iSd. Gebrauchmachens vom arbeitsgeberseitigen
Weisungsrecht als Arbeitgeberin identifizieren können. Der Beklagten zu 2. sei es
nicht verwehrt, sich infolge Gestaltungsmissbrauchs auf den eingetretenen
Betriebsinhaberwechsel zu berufen. Es fehle an ausreichenden Anhaltspunkten
dafür, dass bereits im Frühjahr 2011 geplant gewesen sei, etwas mehr als zwei
Jahre später die Liquidation der Beklagten zu 1. und die Kündigung der
Arbeitsverhältnisse einzuleiten. Hiergegen sprächen auch die geführten
Verhandlungen über Auffanglösungen. Da die Beklagte zu 2. ihre
Arbeitgeberfunktion zum 1. April 2011 verloren habe, sei auch der zulässige
Weiterbeschäftigungsantrag gegen sie unbegründet. Zulässig und begründet
seien hingegen der Kündigungsschutz- und der Weiterbeschäftigungsantrag
gegen die Beklagte zu 1. Die von dieser ausgesprochene Kündigung sei
unwirksam, da weder das nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderliche
Konsultationsverfahren mit dem zuständigen Betriebsrat durchgeführt, noch
gemäß § 17 Abs. 3 Sätze 2 und 3 KSchG eine ordnungsgemäße
Massenentlassungsanzeige erstattet worden sei. Eine Weiterbeschäftigung sei der
Beklagten zu 1. nicht unzumutbar.
68 Die Beklagten legten gegen dieses Urteil keine Berufung ein. Die Klägerin, der das
Urteil am 23. Juli 2015 zugestellt worden war, legte dagegen am 13. August 2015
gegenüber der Beklagten zu 2. Berufung ein und begründete diese - innerhalb der
verlängerten Frist - am 29. Oktober 2015.
69 Gegenüber den am 8. Mai 2015 gegenüber der Beklagten zu 2. obsiegenden
Klägern, sprach die Beklagte zu 2. vorsorglich außerordentliche fristlose, hilfsweise
ordentliche Kündigungen aus. Gegenüber der Klägerin erfolgte indes keine
vorsorgliche Kündigung durch die Beklagte zu 2.
70 Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Berufung vor, diese sei entgegen der
Auffassung der Beklagten zu 2. zulässig. In Rechtskraft erwachsen sei lediglich die
Feststellung, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1. ein
Arbeitsverhältnis bestehe. Bei der Frage des Vorliegens eines Betriebsüberganges
handle es sich um eine Tatsache, von der das Arbeitsgericht als Prozessstoff
ausgegangen sei. Eine solche gemeinsame Vorfrage werde niemals rechtskräftig
festgestellt. Eine Kollision mehrerer rechtskräftiger Entscheidungen sei nicht
dadurch vermeidbar, dass die Berufung für unzulässig erklärt werde. Vielmehr
müsse die Rechtskraft des jüngeren Urteils derjenigen des älteren Urteils nach der
lex-posterior-Regel vorgehen, so dass das Berufungsurteil ausschlaggebend sei.
Auch sei es keine Seltenheit, dass sich ein Arbeitnehmer am Ende eines
Rechtsstreits in zwei wirksamen Arbeitsverhältnissen vorfinde, wie die in § 12
KSchG geregelte Wahlmöglichkeit zeige. Die Berufung sei demgemäß nicht mit
dem Verstreichen der Rechtsmittelfrist für die Beklagte zu 1. unzulässig geworden.
Die Berufung sei auch begründet, es habe zum 1. April 2011 kein
Betriebsübergang stattgefunden. Bei dem betriebsmittelgeprägten Betrieb seien
lediglich die Arbeitnehmer auf die Beklagte zu 1. übergegangen, nicht aber die
zentralen Betriebsmittel, wie die Maschinen und der Kundenstamm. Die
Arbeitnehmer hätten unverändert dieselben Maschinen in denselben
Räumlichkeiten genutzt und dieselben Produkte der Beklagten zu 2. hergestellt.
Die Beklagte zu 1. sei zu keinem Zeitpunkt am Markt aufgetreten. Sie sei nicht
Betriebsinhaberin geworden. Dass die Beklagte zu 1. gegenüber den
Beschäftigten als Arbeitgeberin aufgetreten sei, führe nicht zu einem
Inhaberwechsel. Hier liege ein echter Betriebsführungsvertrag vor, bei dem der
Betriebsführer lediglich im fremden Namen als „verlängerter Arm“ des Veräußerers
auftrete, und der zu keinem Betriebsübergang führe. Dies habe das Arbeitsgericht
in den Urteilen vom 8. Mai 2015 noch zutreffend erkannt. Der Personalleiter der
Beklagten zu 1., der zugleich Personalleiter der Beklagten zu 2. sei, nehme zwar
Urlaubsanträge und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen entgegen, lasse sich
aber bei den Entscheidungen, wann Urlaub gewährt werde, allein davon leiten,
was die Beklagte zu 2. an Auftragsvolumen an die Beklagte zu 1. vergebe, die
dieses dann zu erledigen habe, wie es sich der Kunde der Beklagten zu 2.
vorstelle. Die Beklagte zu 1. habe keinerlei eigen akquirierte Kunden und trete am
Markt nicht auf. Die Beklagte zu 2. stelle die Maschinen zur Verfügung, an denen
ausschließlich ihre Produkte hergestellt würden. Die Beklagte zu 1. sei daher nicht
in der Lage, eigenständige Entscheidungen zu treffen. Sie habe lediglich den
Einsatz der Arbeitnehmer vor Ort geregelt, der aber maßgeblich von den Vorgaben
der Beklagten zu 2. abhänge. Letztlich sei die Beklagte zu 1. anzusehen, als wäre
sie ein leitender Angestellter der Beklagten zu 2. mit entsprechender
Personalverantwortung. Unzutreffend gehe das Arbeitsgericht in dem
angefochtenen Urteil daher von einem unechten Betriebsführungsvertrag aus.
Dass die Arbeitnehmer Anweisungen ihres „Kapo“ bekämen sei unstreitig, dies
mache diesen jedoch nicht zu einem eigenen Arbeitgeber. Die Ausübung des
Direktionsrechts durch Vorgesetzte der Beklagten zu 1. könne unmöglich
entscheidend für die Frage des Vorliegens eines Betriebsüberganges sein, zumal
sich diese auf die Beklagte zu 2. und deren Bedürfnisse beriefen, wenn es um den
Einsatz der Arbeitnehmer gehe. Wenn das Arbeitsgericht von Rechtssicherheit
spreche, genüge die Ausübung des Direktionsrecht gerade nicht, um einen
Betriebsübergang anzunehmen. Im Gegenteil, es sei keine Rechtssicherheit
gegeben, solange der „Betriebsübernehmer“ nicht am Markt auftrete, keinerlei
eigenwirtschaftlichen Nutzen verfolge, keine Betriebsmittel übernehme, lediglich
Kunden des Veräußerers bediene, dessen Arbeitskleidung getragen werde und
der Personalleiter für beide zuständig sei. Wenn die wichtigen Entscheidungen,
wann welches Auftragsvolumen zu bearbeiten sei und ob dies mit der eigenen
Mannschaft oder Leiharbeitnehmern geschehe, wie hier im Ermessen des
Veräußerers lägen, sei kein Betriebsübergang gegeben. Dem Feststellungs- und
dem Weiterbeschäftigungsantrag gegen die Beklagte zu 2. sei daher stattzugeben.
71
Die Klägerin beantragt,
72
das Urteil des Arbeitsgericht Stuttgart - Kammern Ludwigsburg - vom 17. Juli
2015 - 26 Ca 1810/14 - in Ziff. 3 abzuändern;
73
festzustellen, dass zwischen der Beklagten zu 2. und der Klägerin über den
31. März 2011 hinaus ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht;
74
die Beklagte zu 2. zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten
Bedingungen arbeitsvertragsgemäß bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Rechtsstreits als gewerbliche Arbeitnehmerin weiter zu beschäftigen.
75
Die Beklagte zu 2. beantragt,
76
die Berufung der Klägerin als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, die
Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
77 Die Beklagte zu 2. ist der Auffassung, die Berufung sei wegen entgegenstehender
Rechtskraft unzulässig. Da die Beklagte zu 1. gegen das Sachurteil vom 17. Juli
2015 keine Berufung eingelegt habe, stehe rechtskräftig fest, dass deren
Kündigung unwirksam sei und dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs derselben
zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1. ein Arbeitsverhältnis bestanden
habe. Die Rechtskraft des Urteils stehe dem Ziel, das die Klägerin mit ihrer
Berufung verfolge, entgegen, diese sei unzulässig geworden. Die Klägerin habe,
obgleich andere prozessuale Möglichkeiten hätten gewählt werden können, eine
unbedingte subjektive Klagehäufung gewählt. Dieser Weg führe schnell zu einer
einheitlichen Entscheidung desselben Spruchkörpers, mindestens aber zu einem
Unterliegen gegen eine der beiden Beklagten. Es sei zwingend vorgegeben, dass
mit der Rechtskraft eines obsiegenden Urteils zu einer der Beklagten (hier der
Beklagten zu 1.) nicht noch ein weiteres obsiegendes Urteil zu der anderen
Beklagten (hier der Beklagten zu 2.) erzielt werden könne. Jede andere Bewertung
führe zu widersprüchlichen Entscheidungen. Bei der subjektiven unbedingten
Klagehäufung bestehe ein Feststellungsinteresse nur dann, wenn sich die
Beklagten im Verhältnis zur Klägerin gegenteiliger Rechtspositionen berühmten.
Falle diese Voraussetzung weg, wenn eine Beklagte, wie hier die Beklagte zu 1.,
ihre Rechtsposition aufgebe, könne die Klägerin nicht in demselben Rechtsstreit
weiter ein Ziel verfolgen, das den in Rechtskraft erwachsenen bindenden
Feststellungen unauflöslich widerspreche. Falsch sei, dass im arbeitsgerichtlichen
Urteil offen geblieben sei, ob ein Betriebsübergang stattgefunden habe. Dieser sei
nicht nur Prozessstoff, sondern juristisch zwingende Voraussetzung der
Arbeitgeberstellung der Beklagten zu 1. Soweit die Klägerin unter Berufung auf §
12 KSchG ausführe, dass zwei wirksame Arbeitsverhältnisse bestehen könnten,
übersehe sie, dass es hier um dasselbe Arbeitsverhältnis gehe, bei dem nur die
Beklagte zu 1. oder die Beklagte zu 2. Arbeitgeberin sein könne, nicht aber beide
gleichzeitig. Jedenfalls aber sei die Berufung der Klägerin aus diesen Erwägungen
rechtsmissbräuchlich und unbegründet. Unbegründet sei die Berufung ferner, weil
das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt habe, dass der Betrieb zum 1. April 2011
durch Betriebsübergang von der Beklagten zu 2. auf die Beklagte zu 1.
übergegangen sei. Es stelle zutreffend auf die Kriterien der Rechtsprechung ab
und komme in Anwendung derselben zu dem richtigen Ergebnis. Zutreffend habe
das Arbeitsgericht festgestellt, dass die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer
Identität zum 1. April 2011 durch Rechtsgeschäft von der Beklagten zu 2. auf die
Beklagte zu 1. übertragen worden sei, und habe als entscheidendes Kriterium für
den Betriebsübergang die tatsächliche Weiterführung der Geschäftstätigkeit
genannt. Zu Recht habe das Arbeitsgericht für die Erlangung der Organisations-
und Leitungsmacht auf die Ausübung des arbeitsgeberseitigen Weisungsrechts
neben der tatsächlichen Nutzung des betrieblichen Funktionszusammenhangs
abgestellt und dies mit dem Erfordernis der Rechtssicherheit begründet. Zutreffend
habe es die mit Schriftsatz vom 3. Juni 2015 dargelegten Tatsachen (Abrechnung
und Zahlung der Arbeitsentgelte durch die Beklagte zu 1. im eigenen Namen,
Schreiben der Beklagten zu 1. an den Betriebsrat, Auftreten der Beklagten zu 1.
gegenüber der Einigungsstelle als Arbeitgeber und dortige Anerkennung als
Arbeitgeber durch den Betriebsrat, Auftreten gegenüber Behörden als Arbeitgeber)
bewertet. Zu Recht habe das Arbeitsgericht angenommen, dass bei der Beklagten
zu 2. kein betrieblicher Bereich verblieben sei. Die Behauptung der Klägerin, die
Beklagte zu 1. sei nach außen nicht als eigener Rechtsträger aufgetreten sei daher
ebenso falsch, wie die Behauptung, die Betriebsmittel seien bei der Beklagten zu
2. verblieben. Diese habe die Nutzungsbefugnis auf die Beklagte zu 1. übertragen.
Zutreffend habe das Arbeitsgericht bewertet, dass die Beklagte zu 1. ab 1. April
2011 für sämtliche Abläufe (insb. den Vertrieb, den Auftragseingang und alle
weiteren Abläufe in der Produktion und Verwaltung bis zum Zahlungseingang)
verantwortlich gewesen sei. Zu Unrecht meine die Klägerin, der Personalleiter der
Beklagten zu 1. sei zugleich auch Personalleiter der Beklagten zu 2. Die Beklagte
zu 2. habe kein Personal und beschäftige keinen Personalleiter. Soweit die
Beklagte zu 1. die Urlaubsbewilligung an der Auftragslage ausgerichtet habe, sei
dies sachgerecht. Dies mache den Auftraggeber nicht zum Arbeitgeber. Falsch sei
die pauschale Behauptung, die Beklagte zu 1. sei „verlängerter Arm“ der Beklagten
zu 2. gewesen. Nicht nachvollziehbar sei die weitere Behauptung, die Beklagte zu
1. sei „ein leitender Angestellter der Beklagten zu 2. mit entsprechender
Personalverantwortung“ gewesen. Die Klägerin formuliere Anforderungen an die
Arbeitgeberstellung, die kein Konzernunternehmen erfüllen würde und für die es in
der Rechtsordnung keine Anknüpfung gebe. Auch in Konzernen seien die
Geschäftsführungen der abhängigen Gesellschaften nicht vollständig frei in ihren
Entscheidungen, sondern an Weisungen ihrer Gesellschafter gebunden, und
könnten wirtschaftlich vollständig abhängig sein. Unklar sei, was die Klägerin mit
der Bezeichnung „Kapo“ meine. Weisungen hätten die Arbeitnehmer von der
Geschäftsführung der Komplementärin der Beklagten zu 1. und von deren
Führungskräften erhalten. Die pauschale Behauptung, dass Vertreter der
Beklagten zu 1. Erklärungen im Namen der Beklagten zu 2. abgegeben hätten, sie
völlig unsubstantiiert und durch Tatsachen widerlegt. Insbesondere werde auf den
Schriftsatz vom 3. Juni 2015 Bezug genommen, der das Arbeitsgericht veranlasst
habe, den vorliegenden Fall anders zu entscheiden als die parallel gelagerten, am
8. Mai 2015 entschiedenen Fälle. Abgesehen davon könne auch infolge der
Nichtausübung des Widerspruchsrechts des § 613 a Abs. 6 BGB und infolge von
Verwirkung nicht vom Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu
2. ausgegangen werden. Die Klage gegen die Beklagte zu 2. sei
rechtsmissbräuchlich, ihre Rechtsverteidigung sei durch Zeitablauf nach mehr als
vier Jahren beeinträchtigt. In allen gesetzlich geregelten und von der
Rechtsprechung bisher zu beantwortenden Fällen sei ein auf die Feststellung oder
Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses gerichteter Antrag aus Gründen der
Rechtssicherheit nur innerhalb von wenigen Wochen oder Monaten zulässig
(näher dazu vgl. S. 7 f. der Berufungsbeantwortung). All diesen Wertungen
widerspräche es, wenn die Klägerin vier Jahre nach Kenntnis von dem
Übertragungsvorgang durch umfassende Unterrichtung und außerdem vier
Monate nach einer isolierten Kündigungsschutzklage gegen die Beklagte zu 1.
erstmals noch die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten zu 2.
geltend machen könne. Die Klägerin habe dem Betriebsübergang nicht innerhalb
der Monatsfrist des § 613 a Abs. 6 Satz 1 BGB widersprochen. Die Bestimmung
sei bereits unmittelbar anwendbar. Die Unterrichtungspflicht sei subjektiv
determiniert nach dem Kenntnisstand des Veräußerers und des Erwerbers. Gingen
diese übereinstimmend von einem Betriebsübergang aus, seien sie zur
Unterrichtung verpflichtet, unabhängig davon ob der Arbeitnehmer die rechtliche
Bewertung teile. Die Unterrichtungspflicht bestehe in Zweifelsfällen zum Schutz der
Arbeitnehmerinteressen, um diesen das Wahlrecht zu eröffnen. Damit werde auch
in solch einem Falle wie hier die Frist ausgelöst. Das Fortsetzungsverlangen des
Arbeitsverhältnisses mit dem bisherigen Arbeitgeber könne der Arbeitnehmer auch
hier unkompliziert innerhalb eines Monats zum Ausdruck bringen. Sowohl aus
Gründen der Rechtssicherheit als auch nach dem Regelungszweck sei dieses
Ergebnis geboten. Zumindest aber sei § 613 a Abs. 6 Satz 1 BGB analog
anzuwenden, jedenfalls aber als Zeitmoment im Rahmen der Verwirkung des
Klagerechts (Prozessverwirkung) und des materiellen Rechts zur Feststellung
eines Arbeitsverhältnisses. Auch das Umstandsmoment sei gegeben. Die
Beklagte zu 2. habe nicht mehr damit rechnen müssen, wieder als Arbeitgeberin
betrachtet zu werden, ein Vertrauenstatbestand sei gegeben. Die Klägerin habe
seit dem 1. April 2011 bis April 2015 durchgängig und ausschließlich Interesse an
einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 1. gezeigt. Trotz umfassender
Unterrichtung über den Betriebsübergang habe sie nicht widersprochen, sondern
ihr Wahlrecht zugunsten eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 1.
ausgeübt und dort über Jahre weitergearbeitet. Auch bei keiner anderen
Gelegenheit habe sie zum Ausdruck gebracht, das Arbeitsverhältnis mit der
Beklagten zu 2. fortsetzen zu wollen. Spätestens die Betriebsratswahl im Jahr
2014 habe dazu eine anschauliche Gelegenheit geboten, wie das der Klägerin
bekannte Wahlausschreiben der Beklagten zu 1. zeige (vgl. Anlage der Beklagten
zu 2.). Auch habe sich die Klägerin mit keinem einzigen arbeitsvertraglichen
Anliegen an die Beklagte zu 2. gewandt. Die Klägervertreterin lasse
unkommentiert, dass der von ihrer Sozietät über mehrere Jahre beratene
Betriebsrat in Beschluss- und Einigungsstellenverfahren stets die Beklagte zu 1.
als Arbeitgeberin angesprochen habe. Es liege daher eine Prozessverwirkung vor,
erst recht nachdem die Klägerin ihr Klageziel gegenüber der Beklagten zu 1.
erreicht habe. Durch die verspätete Durchsetzung des Rechts entstünden der
Beklagten zu 2. unzumutbare Nachteile. Bei einer früheren Geltendmachung
wären ihr die zeit- und kostenaufwändigen gerichtlichen Auseinandersetzungen
erspart geblieben.
78 Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend auf die
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die
Protokolle der Termine zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer erster und
zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
79 Die zulässige Berufung der Klägerin gegen die Beklagte zu 2. ist begründet. Dies
gilt sowohl, soweit sie mit ihrer Berufung die Feststellung des Bestehens eines
Arbeitsverhältnisses zwischen ihr und der Beklagten zu 2. begehrt, als auch,
soweit sie damit deren Verurteilung zu ihrer Weiterbeschäftigung verlangt.
80 1. Die Berufung der Klägerin gegen die Beklagte zu 2. ist zulässig, insbesondere
ist sie gemäß § 64 Abs. 2 Buchst. b und c ArbGG statthaft und wurde gemäß §§
66 Abs. 1 Sätze 1 und 5, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519 Abs. 1 und 2, 520 Abs. 1
und 3 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet. Soweit die Beklagte
zu 2. die Zulässigkeit der Berufung in Anbetracht des - im Hinblick auf die
Beklagte zu 1. - rechtskräftigen erstinstanzlichen Urteils in Abrede stellt, kann
dem nicht gefolgt werden. Eine etwaige entgegenstehende Rechtskraft stünde
einer Zulässigkeit der Klaganträge der Klägerin entgegen, nicht aber der
Zulässigkeit ihrer Berufung. Die Klägerin ist durch das - im Hinblick auf die
Beklagte zu 2. - klagabweisende erstinstanzliche Urteil fraglos beschwert, ihre
Berufung kann mithin mit dieser Argumentation nicht in Frage gestellt werden.
81 2. Die Berufung der Klägerin gegen die Beklagte zu 2. ist auch begründet. Sowohl
ihr Feststellungsantrag, mit dem sie die Feststellung begehrt, dass zwischen ihr
und der Beklagten zu 2. über den 31. März 2011 hinaus ein Arbeitsverhältnis
besteht, als auch ihr Weiterbeschäftigungsantrag, mit dem sie die Verurteilung der
Beklagten zu 2. erstrebt, sie zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen
bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits als gewerbliche
Arbeitnehmerin weiter zu beschäftigen, ist zulässig und auch in der Sache
begründet.
82 a) Der allgemeine Feststellungsantrag der Klägerin gemäß § 256 Abs. 1 ZPO,
wonach festgestellt werden soll, dass zwischen ihr und der Beklagten zu 2. über
den 31. März 2011 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht, ist zulässig und
begründet.
83 aa) Dieser Antrag - dies sei zunächst angemerkt - ist so zu verstehen, dass damit
die Feststellung begehrt wird, dass zwischen ihr und der Beklagten zu 2. über
den 31. März 2011 hinaus im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in
der Tatsacheninstanz, dh. in der Berufungsinstanz, ein Arbeitsverhältnis besteht.
Anders als in den Fällen, in denen die Beklagte zu 2. gegen arbeitsgerichtliche
Urteile vom 8. Mai 2015 Berufung einlegte (vgl. dazu etwa LAG Baden-
Württemberg 26. Februar 2015 - 17 Sa 58/15), ist der Antrag hier nicht zeitlich
beschränkt - auf einen Bestand des Arbeitsverhältnisses über den 31. März 2011
hinaus bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz - zu
verstehen. Hier stellt sich die Frage nicht, ob der Vortrag der Klägerin als
Anschlussberufung zu bewerten ist, sie ist selbst Berufungsführerin. Auch
existiert vorliegend keine vorsorgliche Kündigung der Beklagten zu 2., bezüglich
der ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht anhängig wäre. Ein zeitlich
beschränktes Antragsverständnis wäre demgemäß nicht sachgerecht.
84 bb) Der in diesem Sinne zu verstehende Feststellungsantrag der Klägerin iSv. §
256 Abs. 1 ZPO genügt den Anforderungen an die Zulässigkeit. Insbesondere ist
er nicht wegen entgegenstehender Rechtskraft, Prozessverwirkung oder
fehlendem Feststellungsinteresse unzulässig.
85 aaa) Das Feststellungsbegehren der Klägerin ist nicht wegen entgegenstehender
Rechtskraft iSd. § 322 Abs. 1 ZPO unzulässig. Eine solche ergibt sich nicht aus
dem - in Bezug auf die Beklagte zu 1. - rechtskräftigen Sachurteil des
Arbeitsgerichts, mit dem festgestellt wurde, dass das Arbeitsverhältnis der
Klägerin mit der Beklagten zu 1. durch die Kündigung der Beklagten zu 1. vom
28. Oktober 2014 nicht beendet wurde. Zu den am 8. Mai 2015 entschiedenen
Parallelfällen, in denen die Beklagte zu 1. in den Berufungsverfahren die
Kündigungsschutzanträge der dortigen Kläger anerkannt hat, worauf jeweils
Teilanerkenntnisurteil erging, hat das Gericht in den
Zwangsvollstreckungsbeschlüssen bereits das Folgende ausgeführt (vgl. etwa
LAG Baden-Württemberg 9. November 2015 - 18 Ta 18/15):
86
„Entgegen der Auffassung der Beklagten Ziff. 2 steht mit dem Anerkenntnis der
Beklagten Ziff. 1, auch wenn dieses in Rechtskraft erwachsen sollte, nicht fest,
dass die Klage gegenüber der Beklagten Ziff. 2 zwangsläufig unzulässig (…) ist.
Richtig ist zwar, dass bei materieller Prüfung der Klage entweder die Anträge
gegen die Beklagte Ziff. 1 oder aber diejenigen gegen die Beklagte Ziff. 2
abzuweisen wären. Da bei einem Anerkenntnis aber gerade keine
Schlüssigkeits- und Begründetheitsprüfung stattfindet, sondern bei zulässigen
Anträgen ohne weitere Prüfung dem Anerkenntnis gemäß verurteilt wird, besteht
in diesem Fall gerade kein Ausschlussverhältnis. Erwiese sich die
Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts, dass das Arbeitsverhältnis nicht auf die
Beklagte Ziff. 1 übergegangen, sondern bei der Beklagten Ziff. 2 verblieben ist,
als zutreffend, wäre das Landesarbeitsgericht nicht gehindert, das
arbeitsgerichtliche Urteil insoweit zu bestätigen. Soweit das zu erlassende
Anerkenntnisurteil in Rechtskraft erwachsen sollte, wirkt diese nur inter partes im
Verhältnis zwischen Kläger und Beklagter Ziff. 1. Die von der Beklagten Ziff. 2
angenommene Präklusion besteht nicht.“
87 In den die Fälle vom 8. Mai 2015 betreffenden Berufungsurteilen hat die Kammer
weiter ausgeführt (vgl. etwa LAG Baden-Württemberg 26. Februar 2015 - 17 Sa
58/15):
88
„An dieser Auffassung hält die Kammer fest. In Ergänzung dieser Begründung ist
darauf hinzuweisen, dass, wenn in Betriebsübergangsfällen der (vermeintliche)
Betriebsveräußerer und der (vermeintliche) Betriebserwerber in einem Verfahren
verklagt werden - wie es hier der Fall war -, diese lediglich einfache
Streitgenossen iSd. §§ 59, 60 ZPO und nicht etwa notwendige Streitgenossen
iSd. § 62 ZPO sind (vgl. BAG 22. August 2013 - 8 AZR 521/12 - Rn. 37; 24. Juni
2004 - 2 AZR 215/03 - Rn. 26; 25. April 1996 - 5 AS 1/96 - Rn. 31). Eine
notwendige Streitgenossenschaft entsteht nämlich nicht allein dadurch, dass in
verschiedenen Rechtsstreitigkeiten bzw. in verschiedenen
Prozessrechtsverhältnissen in einem Verfahren dieselbe (Vor-)Frage von
Bedeutung ist, wie etwa die Frage, ob ein Betriebsübergang vorgelegen hat (vgl.
BAG 22. August 2013 - 8 AZR 521/12 - Rn. 37). Liegt demgemäß eine einfache
Streitgenossenschaft vor, wurden die gegen die beiden Beklagten gerichteten
Klagen lediglich aus Gründen der prozessualen Zweckmäßigkeit in einem
einheitlichen Verfahren zusammengefasst, in welchem jedoch die Entscheidung
- aus prozessualen Gründen - gegen den einen Streitgenossen anders lauten
kann als diejenige gegen den anderen Streitgenossen (vgl. BAG 25. April 1996 -
5 AS 1/96 - Rn. 31). Eine Rechtskrafterstreckung bei einfacher
Streitgenossenschaft, wie sie hier zwischen den Beklagten zu 1. und zu 2.
vorlag, erfolgt nicht. Allein dass aus Gründen der Logik eine einheitliche
Entscheidung wünschenswert wäre, genügt nicht für die Annahme einer
Rechtskrafterstreckung. Lediglich angemerkt sei, dass es die Beklagten selbst in
der Hand gehabt hätten, eine Feststellung von Arbeitsverhältnissen mit beiden
Beklagten im Falle des Nichtvorliegens eines Betriebsüberganges zu vermeiden.
Hätte die Beklagte zu 1. den gegen sie gerichteten punktuellen
Kündigungsschutzantrag nicht anerkannt, wäre dieser - wie bereits vom
Arbeitsgericht zutreffend erkannt und begründet - abzuweisen gewesen. Da eine
subjektiv bedingte Klagehäufung unzulässig ist und eine alternative
Antragstellung durch den Kläger, wie sie die Beklagte zu 2. als zweckmäßig
erachtet (negative Feststellungsklage gegen die Beklagte zu 1., dass mit ihr kein
Arbeitsverhältnis bestehe, hilfsweise punktuelle Kündigungsschutzklage gegen
die Beklagte zu 1. sowie Klage auf Feststellung des Bestehens eines
Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2.; vgl. HaKo-Mestwerdt/Wemheuer 5.
Aufl. § 613a BGB Rn. 212), ihrerseits mit erheblichen Risiken für den Kläger
verbunden ist, wie das Bundesarbeitsgericht jüngst aufgezeigt hat (vgl. BAG 24.
September 2015 - 2 AZR 562/14 - Rn. 21), ist es nachvollziehbar, dass der
Kläger den Weg einer unbedingten subjektiven Klagehäufung, wie sie hier
vorlag, beschritten hat. Das Ergebnis der Feststellung von Arbeitsverhältnissen
mit beiden Beklagten im Falle des Nichtvorliegens eines Betriebsüberganges ist
daher nicht einer nicht nachvollziehbaren Antragstellung des Klägers, sondern
der Prozesstaktik der Beklagten geschuldet.“
89 Diese ergänzende Begründung macht deutlich, dass insoweit nicht zwischen
Teilanerkenntnisurteil und Sachurteil unterschieden werden kann. Auch bei
einem Sachurteil kann aus den genannten Gründen - bei der hier vorliegenden
einfachen Streitgenossenschaft - keine Rechtskrafterstreckung angenommen
werden. Auch hier sei angemerkt, dass es die Beklagten selbst in der Hand
gehabt hätten, eine Feststellung von Arbeitsverhältnissen mit beiden Beklagten
im Falle des Nichtvorliegens eines Betriebsüberganges zu vermeiden. Hätte die
Beklagte zu 1. Berufung gegen das arbeitsgerichtliche Urteil eingelegt, wären die
gegen sie gerichteten Anträge vom Berufungsgericht mangels Bestehens eines
Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 1. im Zeitpunkt ihrer Kündigung
abzuweisen gewesen.
90 bbb) Der Feststellungantrag der Klägerin ist entgegen der Auffassung der
Beklagten zu 2. nicht wegen Prozessverwirkung unzulässig.
91 (1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann das Recht,
eine Klage zu erheben, verwirkt werden mit der Folge, dass eine dennoch
erhobene Klage unzulässig ist. Dies kommt jedoch nur unter besonderen
Voraussetzungen in Betracht. Das Klagerecht soll ausnahmsweise verwirken
können, wenn der Anspruchsteller die Klage erst nach Ablauf eines längeren
Zeitraums erhebt und zusätzlich ein Vertrauenstatbestand beim
Anspruchsgegner geschaffen worden ist, dass er gerichtlich nicht mehr belangt
werde. Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes das Interesse des
Berechtigten an der sachlichen Prüfung des von ihm behaupteten Anspruchs
derart überwiegen, dass dem Gegner die Einlassung auf die nicht innerhalb
angemessener Frist erhobene Klage nicht mehr zumutbar ist. Durch die
Annahme einer prozessualen Verwirkung darf der Weg zu den Gerichten nicht in
unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigenden Weise erschwert
werden. Dies ist im Zusammenhang mit den an das Zeit- und Umstandsmoment
zu stellenden Anforderungen zu berücksichtigen (vgl. etwa BAG 20. April 2011 - 4
AZR 368/09 - Rn. 23; 10. Oktober 2007 - 7 AZR 448/06 - Rn. 17).
92 (2) Die Voraussetzungen einer Prozessverwirkung liegen im Streitfall nicht vor.
Der Beklagten zu 2. ist die Einlassung auf das Klagebegehren der Klägerin nicht
unzumutbar. Dabei kann dahinstehen, ob das Recht, sich auf den Bestand eines
Arbeitsverhältnisses zu berufen, in Gestalt einer Prozessverwirkung überhaupt
verwirken kann (offenlassend bzgl. der materiell-rechtlichen Verwirkung BAG 13.
August 2008 - 7 AZR 269/07 - Rn. 36 mwN) und ob das Zeitmoment erfüllt ist,
nachdem die Klägerin das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses mit der
Beklagten zu 2. erstmals vier Jahre nach dem behaupteten Betriebsübergang auf
die Beklagte zu 1. geltend gemacht hat. Jedenfalls fehlt es an dem für eine
Prozessverwirkung erforderlichen Umstandsmoment. Ein Verhalten der Klägerin,
aus dem die Beklagte zu 2. ein berechtigtes Vertrauen hätte ableiten können,
diese sei in Kenntnis eines ihr zustehenden Rechts untätig geblieben, ist nicht
ersichtlich. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin bekannt war,
dass in Wirklichkeit zum 1. April 2011 kein Betriebsübergang stattgefunden hat
und sie in Kenntnis dessen untätig geblieben ist. Sie durfte vielmehr - infolge der
Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB durch die Beklagte zu 2. - gerade davon
ausgehen, dass ein solcher erfolgt ist. Dabei war sie nicht verpflichtet, das
Unterrichtungsschreiben auf seine sachliche Richtigkeit zu überprüfen und die
Beklagte zu 2. auf deren möglicherweise fehlerhafte Rechtsauffassung
hinzuweisen. Sie konnte vielmehr davon ausgehen, dass die Beklagte zu 2. sie
entsprechend ihrer gesetzlichen Verpflichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB
zutreffend unterrichtet hat. Allein aus der widerspruchsfreien
Vertragsdurchführung in der Folgezeit, etwa durch ihre Weiterarbeit bei der
Beklagten zu 1. oder bspw. durch eine etwaige Teilnahme an der
Betriebsratswahl bei der Beklagten zu 1. im Jahr 2014, kann ein
Umstandsmoment nicht hergeleitet werden. Die Klägerin hat letztlich nur
nachvollzogen, was ihr in dem Unterrichtungsschreiben anlässlich des
behaupteten Betriebsübergangs von der Beklagten zu 2. als bestehende
Rechtslage mitgeteilt wurde. Es fehlt an einer besonderen
vertrauensbegründenden Verhaltensweise der Klägerin, mit der sie gegenüber
der Beklagten zu 2. den Anschein hätte erwecken können, sie werde sich auf den
Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses mit ihr nicht mehr berufen (vgl. dazu BAG
22. Februar 2012 - 4 AZR 3/10 - Rn. 32). Die Beklagte zu 2. musste damit
rechnen im Falle der Liquidation der Beklagten zu 1. und im Falle von darauf
gestützten Kündigungen, von den Gekündigten als Arbeitgeber in Anspruch
genommen zu werden, zumal das Vorliegen eines Betriebsüberganges bereits im
Jahr 2012 in einem vergleichsweise beigelegten Rechtsstreit vor dem
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 6 Sa 31/12 - thematisiert wurde. Auch
wenn der Vorsitzende der 6. Kammer damals darauf hingewiesen haben mag,
dass von einem Betriebsübergang auf die Beklagte zu 1. auszugehen sei,
musste die Beklagte zu 2. damit rechnen, dass gekündigte Arbeitnehmer eine
andere Rechtsauffassung vertreten und diese einer gerichtlichen Klärung
zuführen, nachdem der Übertragungsvorgang - so ihr eigener Vortrag in den
Parallelverfahren - „möglicherweise ein Grenzfall“ ist. Soweit die Beklagte zu 2.
anführt, sie habe die tatsächliche Handhabung des Betriebsführungsvertrages
über mehrere Jahre nicht im Einzelnen dokumentiert, wie dies nahe gelegen
hätte, wäre dieser von Anfang an streitig gewesen, so dass ihre
Rechtsverteidigung beeinträchtigt sei, ist dies bereits deshalb unerheblich, weil
die Klägerin - wie dargelegt - keine besondere vertrauensbegründende
Verhaltensweise an den Tag gelegt hat. Im Übrigen kommt zum einen hinzu,
dass die tatsächliche Handhabung des Betriebsführungsvertrages weitestgehend
unstreitig ist, so dass in einer etwaig fehlenden Dokumentation keine
Beeinträchtigung der Rechtsverteidigung liegen kann. Abgesehen davon geht
das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass Beweisschwierigkeiten, denen der
Verpflichtete deshalb ausgesetzt ist, weil der Gläubiger seine Rechte erst nach
längerer Zeit geltend macht, den Einwand der Prozessverwirkung grundsätzlich
nicht rechtfertigen (vgl. BAG 10. Oktober 2007 - 7 AZR 448/06 - Rn. 19). Soweit
die Beklagte zu 2. darauf hinweist, dass sie Dispositionen getroffen habe, indem
sie weitere Gesellschaften mit der Lohnfertigung und Dienstleistungen beauftragt
habe, ist auch dies schon deswegen irrelevant, da die Klägerin keine besondere
vertrauensbegründende Verhaltensweise gezeigt hat, die Auslöser hierfür
gewesen sein könnte. Soweit die Beklagte zu 2. schließlich anmerkt, die Klägerin
habe unproblematisch im Jahr 2011 einem Betriebsübergang widersprechen
können, wenn sie das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 2. habe fortsetzen
wollen, ist darauf hinzuweisen, dass ihr dann bereits damals die Kündigung
gedroht hätte. Schon in § 3 Ziff. 5 des Interessenausgleichs vom 28. Oktober
2010 heißt es, dass bei einem Widerspruch damit gerechnet werden muss, dass
der Arbeitsplatz gefährdet ist. Der einzig widersprechende Arbeitnehmer erhielt
damals offenbar auch eine Kündigung. Veranlassung für die Klägerin, die
Beklagte zu 2. in Anspruch zu nehmen, bestand erst nach der Kündigung ihres
Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte zu 1., im Zuge des hiergegen
angestrengten Kündigungsschutzprozesses hat sie dies getan.
93 ccc) Schließlich ist der Feststellungsantrag der Klägerin auch nicht mangels
Feststellungsinteresses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO unzulässig. Da die Beklagte zu 2.
das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit ihr über den 31. März 2011 hinaus
bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz in Abrede
stellt, besteht ein Feststellungsinteresse. Soweit die Beklagte zu 2. den Antrag als
„widersprüchlich“ und „rechtsmissbräuchlich“ bezeichnet und damit
möglicherweise das Feststellungsinteresse (oder das Rechtsschutzbedürfnis) in
Abrede stellen will, ist dies nicht plausibel. Dass das prozessuale Vorgehen der
Klägerin nachvollziehbar erscheint, wurde bereits im Rahmen der Erörterungen
zur Rechtskraft und zur Prozessverwirkung aufgezeigt.
94 cc) Der Feststellungantrag der Klägerin ist auch in der Sache begründet.
Antragsgemäß war festzustellen, dass zwischen ihr und der Beklagten zu 2. über
den 31. März 2011 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht. Da sonstige
Beendigungstatbestände nicht im Streit stehen, folgt dies daraus, dass das
unstreitig bis zum 31. März 2011 mit der Beklagten zu 2. bestehende
Arbeitsverhältnis nicht zum 1. April 2011 - oder zu einem späteren Zeitpunkt im
streitgegenständlichen Zeitraum - von der Beklagten zu 2. auf die Beklagte zu 1.
im Wege eines Betriebsüberganges nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB
übergegangen ist. Die Voraussetzungen für einen Betriebsübergang sind nicht
gegeben, das Arbeitsverhältnis verblieb bei der Beklagten zu 2. Die Berufung der
Klägerin auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2. ist
materiell-rechtlich weder verfristet noch verwirkt mit der Folge, dass ihr
Feststellungsantrag begründet ist.
95 aaa) Die Voraussetzungen für einen Betriebsübergang iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1
BGB sind nicht gegeben, das Arbeitsverhältnis der Klägerin verblieb über den 31.
März 2011 hinaus bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der
Tatsacheninstanz bei der Beklagten zu 2, es ging nicht auf die Beklagte zu 1.
über. Denn es fehlt bereits an einem für einen Betriebsübergang zwingend
erforderlichen Betriebsinhaberwechsel. Ob die übrigen Voraussetzungen für
einen Betriebsübergang gegeben sind, bedarf angesichts dessen keiner
Erörterung.
96 (1) Ein Betriebsübergang iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB und im Sinne der
Richtlinie 2001/23/EG liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger eine bestehende
wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt (vgl. EuGH 6. März
2014 - C-458/12 - [Amatori ua.] Rn. 30 mwN; BAG 22. Januar 2015 - 8 AZR
139/14 - Rn. 13). Dabei muss es um eine auf Dauer angelegte Einheit gehen,
deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt
ist. Um eine solche Einheit handelt es sich bei jeder hinreichend strukturierten
und selbständigen Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer
wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck (vgl. EuGH 6. März 2014 - C-458/12
- Amatori ua.] Rn. 31 f. mwN; BAG 22. Januar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 14). Den
für das Vorliegen eines Übergangs maßgebenden Kriterien kommt je nach der
ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden
unterschiedliches Gewicht zu (vgl. EuGH 15. Dezember 2005 - C-232/04 und C-
233/04 - [Güney-Görres und Demir] Rn. 35; BAG 22. Januar 2015 - 8 AZR 139/14
- Rn. 15). Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit ihre Identität bewahrt, müssen
sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt
werden. Dazu gehören namentlich die Art des Unternehmens oder Betriebs, der
etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche
Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige
Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige
Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und
nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen
Unterbrechung dieser Tätigkeiten. Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte
der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert
betrachtet werden (vgl. EuGH 20. Januar 2011 - C-463/09 - [CLECE] Rn. 34; BAG
22. Januar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 15).
97 (2) Kommt es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an, kann eine
strukturierte Gesamtheit von Arbeitnehmern trotz des Fehlens nennenswerter
materieller oder immaterieller Vermögenswerte eine wirtschaftliche Einheit
darstellen. Wenn eine Einheit ohne nennenswerte Vermögenswerte funktioniert,
kann die Wahrung ihrer Identität nach ihrer Übernahme nicht von der Übernahme
derartiger Vermögenswerte abhängen. Die Wahrung der Identität der
wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue
Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch
einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt (vgl.
EuGH 6. September 2011 - C-108/10 - [Scattolon] Rn. 49; BAG 22. Januar 2015 -
8 AZR 139/14 - Rn. 16). Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch
einen anderen (Funktionsnachfolge) ebenso wenig einen Betriebsübergang dar
wie die reine Auftragsnachfolge (vgl. EuGH 20. Januar 2011 - C-463/09 -
[CLECE] Rn. 36 und 415; BAG 22. Januar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 18). Eine
wirtschaftliche Einheit darf nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden (vgl. EuGH
20. Januar 2011 - C-463/09 - [CLECE] Rn. 41, BAG 22. August 2013 - 8 AZR
521/12 - Rn. 41). Kommt es im Wesentlichen auf die Betriebsmittel wie etwa das
Inventar an, dann kann ein Übergang einer ihre Identität bewahrenden Einheit
auch ohne Übernahme von Personal vorliegen (vgl. EuGH 20. November 2003 -
C-340/01 - [Abler ua.] Rn. 37; BAG 22. Januar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 17).
Ohne Bedeutung ist, ob das Eigentum an den eingesetzten Betriebsmitteln
übertragen worden ist (vgl. EuGH 20. November 2003 - C-340/01 - [Abler ua.] Rn.
41; BAG 22. Januar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 17).
98 (3) Wesentliche Änderungen in der Organisation, der Struktur oder im Konzept
der betrieblichen Tätigkeit können einer Wahrung der Identität entgegenstehen.
So spricht eine Änderung des Betriebszwecks gegen eine im Wesentlichen
unveränderte Fortführung des Betriebes und damit gegen die für einen
Betriebsübergang erforderliche Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit
(vgl. BAG 23. Mai 2013 - 8 AZR 207/12 - Rn. 24; 22. August 2013 - 8 AZR 521/12
- Rn. 43). Ein Betriebsübergang scheidet auch aus, wenn die funktionelle
Verknüpfung der Wechselbeziehung und gegenseitigen Ergänzung zwischen
den Produktionsfaktoren beim anderen Unternehmer verloren geht. Bei einer
Eingliederung der übertragenen Einheit in die Struktur des Erwerbers fällt der
Zusammenhang dieser funktionellen Verknüpfung der Wechselbeziehung und
gegenseitigen Ergänzung zwischen den für einen Betriebsübergang
maßgeblichen Faktoren nicht zwangsläufig weg. Die Beibehaltung der
„organisatorischen Selbstständigkeit“ ist nicht erforderlich, wohl aber die
Beibehaltung des Funktions- und Zweckzusammenhangs zwischen den
verschiedenen übertragenen Faktoren, der es dem Erwerber erlaubt, diese
Faktoren, auch wenn sie in eine andere Organisationsstruktur eingegliedert
werden, zur Verfolgung einer bestimmten wirtschaftlichen Tätigkeit zu nutzen (vgl.
EuGH 12. Februar 2009 - C-466/07 - [Klarenberg] - Rn. 48; BAG 22. August 2013
- 8 AZR 521/12 - Rn. 44)
99 (4) Der Betriebsübergang tritt mit dem Wechsel in der Person des Inhabers des
Betriebs ein. Der bisherige Betriebsinhaber muss seine wirtschaftliche Betätigung
in dem Betrieb einstellen, der Übernehmer muss die Geschäftstätigkeit tatsächlich
weiterführen oder wieder aufnehmen (vgl. BAG 27. September 2012 - 8 AZR
826/11 - Rn. 21; 31. Januar 2008 - 8 AZR 2/07 - Rn. 28). Entscheidendes
Kriterium für den Betriebsübergang ist die tatsächliche Weiterführung oder
Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit. Einer besonderen Übertragung einer
irgendwie gearteten Leitungsmacht bedarf es wegen des Merkmals der
Fortführung des Betriebs nicht (vgl. BAG 27. September 2012 - 8 AZR 826/11 -
Rn. 21; 10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11 - Rn. 27). Allerdings tritt der Wechsel der
Inhaberschaft nicht ein, wenn der neue „Inhaber” den Betrieb gar nicht führt (vgl.
BAG 10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11 - Rn. 27). Maßgeblich ist die Weiterführung der
Geschäftstätigkeit durch diejenige Person, die nunmehr für den Betrieb als
Inhaber „verantwortlich“ ist (vgl. BAG 27. September 2012 - 8 AZR 826/11 - Rn.
21; 10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11 - Rn. 27; 31. Januar 2008 - 8 AZR 2/07 - Rn.
28). Verantwortlich ist die Person, die den Betrieb im eigenen Namen führt und
nach außen als Betriebsinhaber auftritt (vgl. BAG 27. September 2012 - 8 AZR
826/11 - Rn. 21; 10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11 - Rn. 27, 49; 31. Januar 2008 - 8
AZR 2/07 - Rn. 28) . Es kommt nicht allein darauf an, wer im Verhältnis zur
Belegschaft als Inhaber auftritt, sondern auf die umfassende Nutzung des
Betriebs nach außen (vgl. BAG 27. September 2012 - 8 AZR 826/11 - Rn. 21; 10.
Mai 2012 - 8 AZR 434/11 - Rn. 27, 49; 31. Januar 2008 - 8 AZR 2/07 - Rn. 28; 13.
Dezember 2007 - 8 AZR 1107/06 - Rn. 24; 20. März 2003 - 8 AZR 312/02 - Rn.
43). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des EuGH, wonach der Zeitpunkt
des Übergangs dem Zeitpunkt entspricht, zu dem die Inhaberschaft, mit der die
Verantwortung für den Betrieb der übertragenen Einheit verbunden ist, vom
Veräußerer auf den Erwerber übergeht und dieser den Betrieb fortführt (vgl.
EuGH 26. Mai 2005 - C-478/03 - [Celtec] Rn. 36). Nicht erforderlich ist es dabei,
dass der neue Inhaber den Betrieb auf eigene Rechnung führt. Unschädlich ist es
daher, wenn der Gewinn an einen anderen abgeführt wird (vgl. BAG 10. Mai 2012
- 8 AZR 434/11 - Rn. 27; 13. Dezember 2007 - 8 AZR 1107/06 - Rn. 24). Einem
Betriebsinhaberwechsel steht es auch nicht entgegen, wenn der Erwerber im
Innenverhältnis Bindungen unterliegt oder zur Veräußerung der Betriebsmittel im
eigenen Namen nicht befugt ist. Entscheidend ist vielmehr, dass er im
Außenverhältnis als Vollrechtsinhaber auftritt und die Verfügungsbefugnis über
den betrieblichen Funktionszusammenhang erlangt hat (vgl. BAG 10. Mai 2012 -
8 AZR 434/11 - Rn. 43).
100 (5) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der Betrieb der Beklagten zu 2.
nicht zum 1. April 2011 gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagte zu 1.
übergegangen, weil kein Wechsel in der Person des Inhabers des Betriebs
vorliegt. Die Beklagte zu 2. hat ihre Inhaberstellung damals nicht verloren, die
Beklagte zu 1. ist nicht Betriebsinhaberin geworden. Dies folgt daraus, dass durch
die Beklagte zu 1. gerade keine umfassende Nutzung des Betriebs nach außen
erfolgt ist, sie nicht im Außenverhältnis als Vollrechtsinhaberin aufgetreten ist und
sie nicht die Verfügungsbefugnis über den betrieblichen
Funktionszusammenhang erlangt hat. Ob vorliegend noch andere Gründe einem
Betriebsinhaberwechsel entgegenstehen, kann dahinstehen.
101 (a) Gemäß der Vereinbarung 2011 übernahm die Beklagte zu 1. ab dem 1. April
2011 die komplette Produktion der W.-Produkte in Lohnfertigung und war im
Übrigen beauftragt, den Betrieb führen (vgl. Vorbemerkung und §§ 1, 6
Vereinbarung 2011). Die Lohnfertigung durch die Beklagte zu 1. umfasste gemäß
§ 1 Vereinbarung 2011 bei unentgeltlicher Überlassung der Betriebsmittel die
Herstellung der Produkte nach den Vorgaben der Beklagten zu 2., wobei hierfür
als Vergütung die Erstattung der Lohnkosten zuzüglich eines Aufschlages von 3
% auf die Bruttolohnsummen und die Erstattung von Sachkosten vorgesehen
war. Die Warenbeschaffung für die Lohnfertigung bei Dritten durch die Beklagte
zu 1. erfolgte gemäß § 4 Vereinbarung 2011 im Namen und auf Rechnung der
Beklagten zu 2. In Lieferantenbeziehungen trat die Beklagte zu 1. demgemäß
ausschließlich im Namen der Beklagten zu 2. auf. Die Betriebsführung durch die
Beklagte zu 1. umfasste gemäß § 6 Vereinbarung 2011 bei unentgeltlicher
Überlassung der Betriebsmittel (§ 9 Vereinbarung 2011) den gesamten
Geschäftsbetrieb bzw. alle Geschäfte und Maßnahmen, die dem Betriebsablauf
und dem gewerblichen Zweck des Betriebes dienen, insbesondere sämtliche in
den Abteilungen Einkauf, Vertrieb, Marketing, Finanzbuchhaltung, Forschung und
Entwicklung sowie Instandhaltung zu erledigenden Arbeiten nach den Vorgaben
der Beklagten zu 1, wobei als Vergütung hierfür in § 9 Vereinbarung 2011 eine
der Vergütung für die Lohnfertigung entsprechende Regelung getroffen war. Bei
der Betriebsführung handelte die Beklagte zu 1. gemäß § 7 Vereinbarung 2011,
sofern diese im Zusammenhang mit der Lohnfertigung und der Herstellung der
W.-Produkte ausgeführt wurde, für welche die Beklagte zu 2. die Patentrechte
und das Know-how besitzt, mit der ihr in dieser Regelung vertraglich
eingeräumten Generalhandlungsvollmacht ausschließlich für Rechnung und im
Namen der Beklagten zu 2. Ua. in Kundenbeziehungen trat die Beklagte zu 1.
demgemäß ausschließlich im Namen der Beklagten zu 2. auf. Der Marktauftritt
zum Vertrieb der W.-Produkte erfolgte dementsprechend weiterhin über die
Internetseite der Beklagten zu 2. Bei der Email-Kommunikation nach außen
versah das EDV-System die Emails der Mitarbeiter automatisch mit einer Signatur
der Beklagten zu 2., geschäftliche Korrespondenz erfolgte auf dem Briefpapier
der Beklagten zu 2. Zwar heißt es in § 8 Vereinbarung 2011, dass die Beklagte
zu 1. die genannten Abteilungen eigenverantwortlich managt und verantwortlich
für die gesamten Abläufe ab Auftragseingang bis zum Zahlungseingang ist, im
weiteren Verlauf wird aber wiederholt, dass dabei die Vorgaben der Beklagten zu
2. zu beachten sind. Weiter heißt es in § 12 Vereinbarung 2011, dass im Hinblick
auf die Betriebsführung die Beklagte zu 2. Richtlinien erlassen und Weisungen
erteilen und insbesondere bestimmen kann, welche Arten von Geschäften der
vorherigen Zustimmung bedürfen. Was die gewerblichen Schutzrechte anbelangt,
regelt § 10 Vereinbarung 2011 - neben dem Umstand, dass die bisherigen
gewerblichen Schutzrechte im ausschließlichen Eigentum der Beklagten zu 2.
verbleiben -, dass neue Entwicklungen und Erfindungen von der Beklagten zu 2.
unbeschränkt in Anspruch genommen und in deren Namen von der Beklagten zu
1. zum Schutzrecht angemeldet werden.
102 (b) Die vertragliche Ausgestaltung der Vereinbarung 2011 und die davon nicht
abweichende tatsächliche Handhabung derselben, die die Beklagte zu 2. in den
Terminen zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer erster Instanz am 8. Mai
2015 in den Parallelfällen bestätigt hat, lässt deutlich werden, dass die von der
höchstrichterlichen Rechtsprechung für einen Betriebsinhaberwechsel
geforderten Kriterien, nämlich die umfassende Nutzung des Betriebs nach außen,
das Auftreten als Vollrechtsinhaber im Außenverhältnis und das Erlangen der
Verfügungsbefugnis über den betrieblichen Funktionszusammenhang, bei der
Beklagten zu 1. gerade nicht vorliegen.
103 (aa) Die Beklagte zu 1. ist im Außenverhältnis, insb. gegenüber Kunden und
Lieferanten, nicht als Vollrechtsinhaberin, dh. im eigenen Namen, sondern als
Generalbevollmächtigte im fremden Namen, nämlich demjenigen der Beklagten
zu 2., aufgetreten. Die notwendige umfassende Nutzung des Betriebs nach
außen liegt damit nicht vor. Dass die Beklagte zu 1. im Verhältnis zu ihren
Arbeitnehmern im eigenen Namen als Betriebsinhaberin aufgetreten ist, genügt
nicht. Es kommt, wie das Bundesarbeitsgericht wiederholt deutlich gemacht hat,
gerade nicht allein darauf an, wer im Verhältnis zur Belegschaft als Inhaber
auftritt, sondern auf die umfassende Nutzung des Betriebs nach außen (vgl. BAG
27. September 2012 - 8 AZR 826/11 - Rn. 21; 10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11 - Rn.
27, 49; 31. Januar 2008 - 8 AZR 2/07 - Rn. 28; 13. Dezember 2007 - 8 AZR
1107/06 - Rn. 24; 20. März 2003 - 8 AZR 312/02 - Rn. 43).
104 (bb) Die Beklagte zu 1. hat nicht die Verfügungsbefugnis über den betrieblichen
Funktionszusammenhang erlangt. Die Betriebsführung durch die Beklagte zu 1.
hatte, wie die §§ 6, 8 Vereinbarung 2011 zeigen, nach den Vorgaben der
Beklagten zu 2. zu erfolgen, nach § 12 Vereinbarung 2011 war es der Beklagten
zu 2. gestattet, diesbezüglich - einseitig und ohne jede Einschränkung -
Richtlinien zu erlassen und Weisungen zu erteilen. Die vertragliche Regelung
belässt dadurch „die Zügel“ unzweideutig in der Hand der Beklagten zu 2., sie
kann die Betriebsführung der Beklagten zu 1. jederzeit in beliebigem Ausmaß
einschränken und wieder an sich ziehen (vgl. dazu Ingenfeld Die
Betriebsausgliederung aus der Sicht des Arbeitsrechts 1992 S. 227, der ausführt,
dass die beauftragende Gesellschaft Betriebsinhaberin bleibt, wenn sich die
Betriebsführungsgesellschaft deren Weisungen unterordnet bzw. wenn die
beauftragende Gesellschaft die Betriebsführung wieder an sich ziehen kann). Es
kann vor diesem Hintergrund nicht davon gesprochen werden, dass die Beklagte
zu 1. eine eigenständige betriebliche Leitungs- und Organisationsbefugnis bzw.
Leitungsmacht - bezogen auf den betrieblichen Funktionszusammenhang -
erlangt hat. Auch ist nicht nachvollziehbar, wie diese vertragliche
Gestaltungsweise mit der vom Bundesarbeitsgericht formulierten Definition eines
Betriebsinhaberwechsels, nach der der bisherige Betriebsinhaber seine
wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb einstellen muss, in Einklang zu bringen
sein soll. Die Beklagte zu 1. fungierte letzten Endes lediglich als „verlängerter
Arm“ der Beklagten zu 2. und hatte die gleiche Funktion wie jeder sonstige
Generalbevollmächtigte einer Arbeitgeberin auch, was für einen
Betriebsübergang gerade nicht ausreichend ist (vgl. MüKo HGB-von Hoyningen-
Huene 3. Aufl. § 59 Rn. 24). Für den Betrieb „verantwortlich“ iSd. Rechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichts blieb unter Zugrundelegung der Vereinbarung 2011
die Beklagte zu 2.
105 (c) Dass vorliegend nicht von einem Betriebsinhaberwechsel auszugehen ist,
wird aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10. Mai 2012 - 8 AZR
434/11, die sich mit der Frage eines Betriebsübergangs im
Rettungsdienstgewerbe zu beschäftigen hatte, besonders deutlich. In Rn. 49
grenzt das Bundesarbeitsgericht die - einen Inhaberwechsel bewirkende -
umfassende Nutzung nach außen bzw. das Handeln im eigenen Namen nach
außen, die hier nicht vorliegen, gerade von einer - keinen Inhaberwechsel
bewirkenden - Betriebsführung im fremden Namen - als „verlängerter Arm“ des
Auftraggebers - ab, wie sie hier, wie anhand der vertraglichen Gestaltung
aufgezeigt wurde, gerade gegeben ist. Will man an die Kategorisierung in der
Rechtsliteratur, nämlich die Einteilung von Betriebsführungsverträgen in sog.
echte Betriebsführungsverträge, die keinen Betriebsübergang bewirken, und sog.
unechte Betriebsführungsverträge, die einen Betriebsübergang nach sich ziehen,
anknüpfen, ist die Vereinbarung 2011 als echter Betriebsführungsvertrag
anzusehen. Nach dieser Kategorisierung liegt ein echter Betriebsführungsvertrag
vor, wenn der Betriebsführer nicht im eigenen, sondern im fremden Namen,
nämlich demjenigen des Auftraggebers, auftritt, wie es hier nach außen der Fall
war. Hingegen handelt es sich um einen unechten Betriebsführungsvertrag, wenn
der Betriebsführer im eigenen Namen auftritt und mit den Betriebsmitteln und
Arbeitnehmern nach außen hin erkennbar eigene Zwecke verfolgt, woran es hier
fehlt (zu dieser Unterscheidung vgl. etwa Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt
Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen 3. Aufl. G. Rn. 109;
Niklas/Schauß BB 2014, 2805, 2809; Rieble NZA 2010, 1145, 1147; Ingenfeld
Die Betriebsausgliederung aus der Sicht des Arbeitsrechts 1992 S. 227). Soweit
in der Literatur zT darauf abgestellt wird, dass es für das Auftreten im eigenen
Namen allein auf die Ausübung des Weisungsrechts gegenüber den
Arbeitnehmern im eigenen Namen ankomme, nicht aber darauf, wer gegenüber
außerhalb des Arbeitsverhältnisses stehenden Dritten als Betriebsinhaber in
Erscheinung trete (vgl. HWK/Willemsen 6. Auflage § 613 a Rn. 47;
Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Umstrukturierung und Übertragung von
Unternehmen 3. Aufl. G. Rn. 110), ist dies mit der aufgezeigten Rechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichts nicht in Einklang zu bringen, nach der es gerade nicht
allein darauf ankommt, wer im Verhältnis zur Belegschaft als Inhaber auftritt (vgl.
auch Winter/Theisen AG 2011, 662, 663, die von einer echten, keinen
Betriebsübergang bewirkenden Betriebsführung ausgehen, wenn der
Betriebsführer gegenüber Geschäftspartnern weiterhin unter der „Marke“ des
Betriebseigentümers auftritt).
106 (d) Da im Ergebnis zum 1. April 2011 aus den genannten Gründen kein
Betriebsinhaberwechsel auf die Beklagte zu 1. erfolgte, kann dahinstehen, ob der
Annahme eines solchen auch noch andere Gründe entgegenständen. Dies
betrifft die Problematik, ob und inwieweit der Betriebsführer, um selbst
Betriebsinhaber zu werden, neben dem Auftreten im eigenen Namen nach außen
mit der Betriebsführung eigene wirtschaftliche Zwecke verfolgen muss (vgl. dazu
Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Umstrukturierung und Übertragung von
Unternehmen 3. Aufl. G. Rn. 111 f.). Wäre die Verfolgung eigener wirtschaftlicher
Zwecke Voraussetzung für einen Inhaberwechsel, erschiene es in Anbetracht der
in der Vereinbarung 2011 getroffenen Vergütungsregelung (Kostenerstattung
zuzüglich eines Aufschlages von 3 %) nicht völlig unzweifelhaft, ob vor diesem
Hintergrund von einem Betriebsinhaberwechsel ausgegangen werden könnte.
Mangels Entscheidungserheblichkeit bedarf diese Thematik indes keiner näheren
Erörterung.
107 (6) Da bereits mangels Betriebsinhaberwechsels zum 1. April 2011 kein
Betriebsübergang iSd. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB angenommen werden kann,
bedarf es keiner Ausführungen dazu, ob die übrigen Voraussetzungen für einen
Betriebsübergang gegeben wären, läge ein Inhaberwechsel vor. Dies betrifft
insbesondere den Einwand der Klägerin, es sei keine wirtschaftliche Einheit unter
Wahrung ihrer Identität fortgeführt worden (vgl. dazu BAG 23. September 2010 - 8
AZR 567/09 - Rn. 36).
108 (7) Auch zu einem späteren Zeitpunkt im streitgegenständlichen Zeitraum kam es
nicht zu einem Betriebsübergang iSd. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB von der
Beklagten zu 2. auf die Beklagte zu 1. Derartiges ist weder behauptet noch
erkennbar. Im Gegenteil, die Vereinbarungen 2013 und 2015 beschränken im
Vergleich zur Vereinbarung 2011 die Betriebsführung der Beklagten zu 1. weiter.
Konnte die Umsetzung der Vereinbarung 2011 bereits keinen Betriebsübergang
bewirken, muss dies erst Recht für die Folgevereinbarungen gelten. Das
Arbeitsverhältnis der Klägerin besteht daher über den 31. März 2011 hinaus mit
der Beklagten zu 2. fort.
109 bbb) Der Klägerin ist es nicht aufgrund von materiell-rechtlicher Verfristung
gemäß § 613 a Abs. 6 Satz 1 BGB verwehrt, sich auf das Fortbestehen des
Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2. zu berufen. Diese Vorschrift ist weder
unmittelbar noch analog anwendbar.
110 (1) Nach § 613 a Abs. 6 Satz 1 BGB kann der Arbeitnehmer dem Übergang des
Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung
nach § 613 a Abs. 5 BGB schriftlich widersprechen. Nach § 613 a Abs. 6 Satz 2
BGB kann der Widerspruch gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem
neuen Inhaber erklärt werden. Erfolgt ein frist- und formgerechter Widerspruch
verbleibt das Arbeitsverhältnis beim bisherigen Arbeitgeber. Die einmonatige
Widerspruchsfrist wird allerdings nur durch eine ordnungsgemäße Unterrichtung
in Lauf gesetzt, andernfalls kann der Arbeitnehmer noch nach Fristablauf in den
Grenzen der Verwirkung dem Betriebsübergang widersprechen (vgl. etwa BAG
14. November 2013 - 8 AZR 824/12 - Rn. 18, 32). Das Widerspruchsrecht des §
613 a Abs. 6 Satz 1 BGB ist ein Gestaltungsrecht in Form eines
Rechtsfolgenverweigerungsrechts (vgl. etwa BAG 21. August 2014 - 8 AZR
619/13 - Rn. 27).
111 (2) § 613 a Abs. 6 Satz 1 BGB ist vorliegend nicht unmittelbar anwendbar. Die
Bestimmung setzt nämlich zwingend voraus, dass ein Betriebsübergang
stattgefunden hat. Bereits dem Wortlaut des Satz 1 ist zu entnehmen, dass ein
„Übergang des Arbeitsverhältnisses“ Voraussetzung für die Entstehung des
Widerspruchsrechts und damit auch für die Einhaltung des Fristerfordernisses ist.
Findet kein Betriebsübergang statt, fehlt es auch an einem bisherigen Arbeitgeber
und einem neuen Inhaber, die Satz 2 als Adressaten eines Widerspruchs
benennt. Für ein Gestaltungsrecht, das fristgebunden auszuüben ist, ist von
vornherein kein Raum, wenn das Arbeitsverhältnis mangels Betriebsüberganges
ohnehin beim bisherigen Arbeitgeber verbleibt. Eine Gestaltung eines
Rechtsverhältnisses ist in solch einem Falle nicht möglich.
112 (3) Auch eine analoge Anwendung des § 613 a Abs. 6 Satz 1 BGB kommt nicht in
Betracht. Die analoge Anwendung einer Norm setzt voraus, dass eine vom
Gesetzgeber unbeabsichtigt gelassene Lücke vorliegt und diese Planwidrigkeit
aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden kann. Analoge
Gesetzesanwendung erfordert darüber hinaus, dass der gesetzlich ungeregelte
Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von
Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangt wie die
gesetzessprachlich erfassten Fälle (vgl. BAG 10. Dezember 2013 - 9 AZR 51/13 -
Rn. 23). Diese Voraussetzungen liegen offenkundig nicht vor. Weder kann
aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden, dass eine
unbeabsichtigt gelassene Gesetzeslücke vorliegt, noch verlangt der gesetzlich
ungeregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von
Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge. Im Gegenteil, es wäre
widersprüchlich ein fristgebundenes Gestaltungsrecht analog anwenden zu
wollen, wo ein Gestaltungsbedürfnis überhaupt nicht gegeben ist. Den Belangen
des Arbeitgebers im Falle eines vermeintlichen Betriebsüberganges, der sich im
Nachhinein nicht als solcher erweist, kann ggf. durch die Anwendung der
Grundsätze der materiell-rechtlichen Verwirkung hinreichend Rechnung getragen
werden, sofern deren Voraussetzungen vorliegen. Liegt kein Betriebsübergang
vor, ist die Unterrichtung des Arbeitgebers, ein solcher finde statt, unrichtig.
Weshalb gerade hier eine Widerspruchsfrist zu laufen beginnen soll, während sie
in den übrigen Fällen einer fehlerhaften Unterrichtung bei Vorliegen eines
Betriebsübergangs gerade nicht in Lauf gesetzt wird, ist nicht nachvollziehbar.
Eine Analogie vermiede hier keine Wertungswidersprüche, sondern führte zu
solchen.
113 ccc) Der Klägerin ist es nicht aufgrund von materiell-rechtlicher Verwirkung
gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses
mit der Beklagten zu 2. zu berufen. Die Voraussetzung einer materiell-rechtlichen
Verwirkung liegen nicht vor.
114 (1) Die materiell-rechtliche Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen
Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit ihr wird die illoyal verspätete Geltendmachung
von Rechten ausgeschlossen. Sie beruht auf dem Gedanken des
Vertrauensschutzes und dient - wie die Verjährung - dem Bedürfnis nach
Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Mit der Verwirkung soll das
Auseinanderfallen zwischen rechtlicher und sozialer Wirklichkeit beseitigt werden;
die Rechtslage wird der sozialen Wirklichkeit angeglichen. Die Verwirkung verfolgt
nicht den Zweck, den Schuldner bereits dann von seiner Verpflichtung zu
befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend
gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen
untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er sein Recht nicht
mehr geltend machen wolle, sodass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte,
nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss
das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das
Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des
Begehrens nicht mehr zuzumuten ist (vgl. etwa BAG 11. Dezember 2014 - 8 AZR
838/13 - Rn. 24, 25).
115 (2) Gemessen daran liegt keine materiell-rechtliche Verwirkung vor. Es fehlt
jedenfalls an dem erforderlichen Umstandsmoment. Dies folgt aus den
Erwägungen, die die Kammer im Rahmen der Erörterung der Prozessverwirkung
angestellt hat und auf die an dieser Stelle Bezug genommen wird (siehe oben,
Ziff. I. 2. a) bb) bbb) (2)). Aufgrund der dort dargelegten Gründe kann auch im
Rahmen der Prüfung der materiell-rechtlichen Verwirkung nicht vom Vorliegen
eines Umstandsmoments ausgegangen werden. Der Beklagten zu 2. ist die
Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses der Klägerin mit ihr über
den 31. März 2011 hinaus nicht unzumutbar.
116 ddd) Da das Arbeitsverhältnis der Klägerin mangels Betriebsüberganges auf die
Beklagte zu 1. bei der Beklagten zu 2. verblieben ist, es der Klägerin mangels
Verfristung und mangels Verwirkung auch nicht verwehrt ist, sich hierauf zu
berufen, und ihr Feststellungsantrag bereits deswegen begründet ist, kann offen
bleiben, ob das Arbeitsverhältnis, selbst wenn zum 1. April 2011 ein
Betriebsübergang stattgefunden hätte, möglicherweise gleichwohl in der
Folgezeit mit Beklagten zu 2. fortbestanden hätte bzw. ob sich diese so
behandeln lassen müsste, als hätte es mit ihr fortbestanden. Dies betrifft zum
einen die Frage, ob, hätte ein Betriebsübergang vorgelegen, die Klägerin infolge
etwaiger unzureichender Unterrichtung iSd. § 613 Abs. 5 BGB diesem mit ihrer
Klageerweiterung gegen die Beklagte zu 2. noch wirksam widersprechen hätte
können und das Arbeitsverhältnis deswegen bei dieser verblieben wäre. Dies
betrifft zum anderen die Problematik, ob, hätte ein Betriebsübergang vorgelegen,
die Beklagte zu 2. sich aufgrund des Einwandes des Gestaltungsmissbrauches
(§ 242 BGB) so behandeln lassen müsste, als wäre dieser nicht erfolgt und
deswegen nach wie vor als Arbeitgeberin anzusehen wäre (vgl. dazu
Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Umstrukturierung und Übertragung von
Unternehmen 3. Aufl. G. Rn. 113).
117 b) Der Weiterbeschäftigungsantrag, mit dem die Klägerin die Verurteilung der
Beklagten zu 2. erstrebt, sie zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen
bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits als gewerbliche
Arbeitnehmerin weiter zu beschäftigen, ist ebenfalls zulässig und begründet.
118 aa) Der Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin ist zulässig. Insbesondere ist er
nicht wegen entgegenstehender Rechtskraft, Prozessverwirkung, fehlender
Bestimmtheit oder fehlendem Rechtsschutzbedürfnis unzulässig.
119 aaa) Entgegenstehende Rechtskraft iSd. § 322 Abs. 1 ZPO kann nicht zu einer
Unzulässigkeit des Weiterbeschäftigungsantrages der Klägerin führen. Zwar
wurde - rechtkräftig - durch das arbeitsgerichtliche Sachurteil gegenüber der
Beklagten zu 1. eine Weiterbeschäftigungsverpflichtung tituliert. Aus den unter
Ziff. I. 2. a) bb) aaa) genannten Gründen kann auch insoweit allerdings keine
Rechtskrafterstreckung angenommen werden.
120 bbb) Der Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin ist auch nicht wegen
Prozessverwirkung unzulässig. Insoweit kann vollumfänglich auf die
Ausführungen zum Feststellungsantrag unter Ziff. I. 2. a) bb) bbb) Bezug
genommen werden, die für den Weiterbeschäftigungsantrag entsprechend
gelten.
121 ccc) Der Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin ist ferner nicht wegen
fehlender Bestimmtheit unzulässig. Die Kammer hält insoweit uneingeschränkt an
den Ausführungen fest, die in den Zwangsvollstreckungsverfahren zur
Bestimmtheit von Weiterbeschäftigungstiteln erfolgt sind, wo das Folgende
ausgeführt wurde (vgl. Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg 9. November
2015 - 21 Ta 10/15):
122 „Der Umfang der materiellen Rechtskraft gemäß § 322 Abs. 1 ZPO ist aus dem
Urteil und den dazu ergangenen Gründen zu bestimmen. Der Titel muss aus
sich heraus einen bestimmten oder zumindest bestimmbaren Inhalt haben. Das
Erfordernis der - von Amts wegen zu prüfenden - Bestimmtheit des
Urteilsausspruchs dient der Rechtsklarheit und -sicherheit. Der Umfang der
materiellen Rechtskraft und damit die Entscheidungswirkungen müssen
festgestellt werden können. Andernfalls würden Unklarheiten über den Inhalt der
Verpflichtung aus dem Erkenntnis- in das Vollstreckungsverfahren verlagert
werden, dessen Aufgabe es nicht ist zu klären, worin die festgelegte
Verpflichtung des Schuldners besteht (st. Rspr., vgl. etwa BAG 27. Mai 2015 - 5
AZR 88/14 - juris; 15. April 2009 - 3 AZB 93/08 - juris).
123 Gemessen daran ist der in Ziff. 2 des Tenors des Urteils vom 8. Mai 2015
titulierte Weiterbeschäftigungsanspruch hinreichend bestimmt. Der Umfang der
materiellen Rechtskraft ist feststellbar. Dies gilt sowohl hinsichtlich des Inhalts
der ausgeurteilten Beschäftigungspflicht als auch in zeitlicher Hinsicht, innerhalb
der diese zu erfolgen hat.
124 Der Inhalt der ausgeurteilten Beschäftigungspflicht ist dem Titel mit hinreichender
Bestimmtheit zu entnehmen. Die erfolgte Titulierung, wonach der Kläger laut
Tenor „als gewerblicher Arbeitnehmer“ weiter zu beschäftigen ist, genügt
vorliegend den Anforderungen.
125 Bei der Titulierung eines dem Arbeitnehmer während des bestehenden
Arbeitsverhältnisses zustehenden Beschäftigungsanspruchs oder eines ihm
während des Laufs eines Kündigungsschutzprozesses zustehenden
Weiterbeschäftigungsanspruchs muss der Vollstreckungstitel verdeutlichen, um
welche Art von Beschäftigung es geht. Für den Schuldner muss aus
rechtsstaatlichen Gründen erkennbar sein, in welchen Fällen er mit einem
Zwangsmittel zu rechnen hat. Andererseits erfordert das Rechtsstaatsprinzip
und das daraus folgende Gebot effektiven Rechtsschutzes, dass materiell-
rechtliche Ansprüche effektiv durchgesetzt werden können. Bei im Arbeitsvertrag
nur rahmenmäßig umschriebener Arbeitspflicht kann der Titel aus materiell-
rechtlichen Gründen nicht so genau sein, dass er auf eine ganz bestimmte im
Einzelnen beschriebene Tätigkeit oder Stelle zugeschnitten ist. Darauf hat der
Arbeitnehmer regelmäßig keinen Anspruch, weil das Weisungsrecht nach § 106
Satz 1 GewO dem Arbeitgeber zusteht. Um diesen Gesichtspunkten gerecht
werden, ist es jedenfalls erforderlich, dass die Art der ausgeurteilten
Beschäftigung des Arbeitnehmers aus dem Titel ersichtlich ist. Einzelheiten
hinsichtlich der Art der Beschäftigung oder sonstigen Arbeitsbedingungen muss
der Titel demgegenüber nicht enthalten. Es reicht aus, wenn sich aus dem Titel
das Berufsbild, mit dem der Arbeitnehmer beschäftigt werden soll, ergibt oder
diesem zu entnehmen ist, worin die ihm zuzuweisende Tätigkeit bestehen soll
(vgl. BAG 27. Mai 2015 - 5 AZR 88/14 - juris; 15. April 2009 - 3 AZB 93/08 - juris).
126 Gemessen daran ist vorliegend der Inhalt der Tätigkeit hinreichend bestimmt.
Anders als in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Mai 2015 (5
AZR 88/14 - juris), die sich mit einem Sachverhalt auseinandersetzte, bei dem
lediglich eine Weiterbeschäftigung „gemäß Arbeitsvertrag“ mit dem in diesem
Fall widersprüchlichen Zusatz „zu unveränderten Arbeitsbedingungen“ tituliert
war, was zur Unbestimmtheit des Titels führte, lässt sich hier bereits aus dem
Tenor die Art der Tätigkeit erkennen. Danach ist der Kläger „als gewerblicher
Arbeiternehmer“ einzusetzen. Da aus dem Titel nur der
Weiterbeschäftigungsanspruch, nicht aber die damit zusammenhängenden
Ansprüche auf Entgelt, Zuwendungen etc. vollstreckt werden, erfüllt die Beklagte
Ziff. 2 den Anspruch bereits dadurch, dass sie den Kläger aufgrund ihres
Weisungsrechts im Betrieb als gewerblichen Arbeitnehmer einsetzt. Es ist weder
vorgetragen noch erkennbar, dass der Kläger eine näher bestimmte Tätigkeit
aufgrund des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts überhaupt beanspruchen
könnte. So liegt kein Arbeitsvertrag vor, aus dem sich Derartiges ergäbe. Auch in
der Anlage zur Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 KSchG „Liste der zur
Entlassung vorgesehenen Arbeitnehmer“ bezeichnet die Beklagte Ziff. 1 bei
einem Großteil der Gekündigten die „zuletzt ausgeübte Tätigkeit“ schlicht mit
„gewerblicher Arbeitnehmer“. Auch die Beklagte Ziff. 2 trägt vor, dass es sich bei
den Vollstreckenden um un- oder angelernte Arbeitnehmer handelt. Hinzu
kommt, dass nicht ersichtlich ist, dass zwischen den Parteien Streit über die vom
Kläger auszuführende Tätigkeit herrscht. Vor diesem Hintergrund erweist es sich
als hinreichend bestimmt, wenn das Arbeitsgericht die Beklagte Ziff. 2 dazu
verurteilt hat, den Kläger „als gewerblichen Arbeitnehmer“ weiter zu beschäftigen
(vgl. dazu, die Titulierung einer Weiterbeschäftigung „als Arbeiter“ als
hinreichend bestimmt ansehend, LAG Baden-Württemberg 21. Februar 2007 -
17 Ta 1/07 - juris; sowie noch weitergehend, die Titulierung einer
Weiterbeschäftigung „als Mitarbeiterin zu den bisherigen Bedingungen“ als
hinreichend bestimmt ansehend, BAG 17. März 2015 - 9 AZR 702/13 - ZIP 2015,
1653).
127 In zeitlicher Hinsicht ist der Weiterbeschäftigungstitel ebenfalls hinreichend
bestimmt. Die titulierte Beschäftigungspflicht bedurfte vorliegend keiner zeitlichen
Eingrenzung im Tenor.
128 Der Umfang der materiellen Rechtskraft iSd. § 322 Abs. 1 ZPO des Titels muss
sich auch in zeitlicher Hinsicht ermitteln lassen. Bei einem
Weiterbeschäftigungstitel muss feststellbar sein, ab welchem Zeitpunkt und ggfs.
bis zu welchem Zeitpunkt die Verpflichtung des Schuldners bestehen soll. Tenor
und Entscheidungsgründe dürfen sich insoweit nicht widersprechen (vgl. BAG
27. Mai 2015 - 5 AZR 88/14 - juris).
129 Gemessen daran ist der Titel vorliegend auch in zeitlicher Hinsicht hinreichend
bestimmt, auch wenn das Arbeitsgericht im Tenor die
Beschäftigungsverpflichtung zeitlich nicht eingegrenzt hat. Anders als in der
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Mai 2015 (5 AZR 88/14 -
juris), die sich mit einem Sachverhalt befasste, in dem am 17. Januar 2012 zum
einen rückwirkend und damit von vornherein unmöglich eine
Weiterbeschäftigung „über den 31. März 2007“ hinaus bis zum rechtskräftigen
Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens tituliert wurde, während zum
anderen in den Entscheidungsgründen die Entscheidung des Großen Senats
des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Februar 1985 (GS 1/84 - BAGE 48, 122)
herangezogen wurde, die für eine dem Weiterbeschäftigungsantrag
stattgebende Entscheidung ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes
Instanzurteil voraussetzt, ohne dass ein solches vor dem 17. Januar 2012
vorhanden gewesen wäre, so dass der Tenor mit den Entscheidungsgründen
nicht in Einklang zu bringen war, besteht diese Problematik vorliegend nicht. Das
Arbeitsgericht hat die Beklagte Ziff. 2 vorliegend nicht zu einer von vornherein
unmöglichen rückwirkenden Weiterbeschäftigung verurteilt, auch setzt es sich in
den Entscheidungsgründen nicht in Widerspruch zu seinem Ausspruch im
Tenor. Soweit kein abweichender Anfangszeitpunkt benannt wird, kann ein
Weiterbeschäftigungstitel naheliegender Weise nur so verstanden werden, dass
die titulierte Verpflichtung ab sofort, dh. ab deren Titulierung, greift. Einer
Benennung des Anfangszeitpunkts der Verpflichtung im Tenor bedarf es in
diesen Fällen grundsätzlich nicht. Deren Fehlen führt auch hier nicht zur
Unbestimmtheit des Titels. Aber auch eines Endzeitpunktes, bis zu welchem
Zeitpunkt die titulierte Verpflichtung greifen soll, bedurfte es vorliegend im Tenor
nicht. Aus den Entscheidungsgründen des Urteils vom 8. Mai 2015 und den dort
vom Arbeitsgericht zur Begründung des titulierten Anspruchs herangezogenen
Entscheidungen (vgl. A. II. 2. Buchst. a der Entscheidungsgründe) wird
hinreichend deutlich, worauf der Anspruch gestützt wurde, woraus auch dessen
zeitliche Wirkungsdauer hervorgeht. Dies hat das Landesarbeitsgericht bereits in
seinem Beschluss vom 18. August 2015 (4 Sa 19/15 - juris) deutlich gemacht.“
130 Da diese den Weiterbeschäftigungstitel betreffenden Ausführungen entsprechend
für den Weiterbeschäftigungsantrag gelten, fehlt es diesem nicht an einer
hinreichenden Bestimmtheit, abgesehen davon, dass der Antrag in zeitlicher
Hinsicht hier ausdrücklich „bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits“
beschränkt wurde.
131 ddd) Schließlich entbehrt der Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin auch nicht
eines Rechtsschutzbedürfnisses. Auch dieser Antrag ist weder „widersprüchlich“
noch „rechtsmissbräuchlich“. Allein die Tatsache, dass in dem gegenüber der
Beklagten zu 1. rechtskräftigen Urteil bereits ein Weiterbeschäftigungsanspruch
gegenüber dieser tituliert wurde, lässt das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen.
132 bb) Der Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin ist auch begründet. Die Klägerin
hat gegen die Beklagte zu 2. in Anbetracht ihres Obsiegens mit dem
Feststellungsantrag, mit dem das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit der
Beklagten zu 2. festgestellt wurde, einen allgemeinen
Weiterbeschäftigungsanspruch bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Rechtsstreits.
133 aaa) Der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch bis zum rechtskräftigen
Abschluss des Rechtsstreits ist bei einem erst- oder zweitinstanzlichen Obsiegen
des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess von der ständigen
Rechtsprechung anerkannt (st. Rspr. seit BAG 27. Februar 1985 - GS 1/84):
Danach begründet die Ungewissheit über den Ausgang des
Kündigungsprozesses - außer im Fall einer offensichtlich unwirksamen
Kündigung - zunächst ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der
Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des
Kündigungsprozesses. Dieses überwiegt in der Regel das
Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers allerdings nur bis zu dem Zeitpunkt,
in dem im Kündigungsprozess ein die Unwirksamkeit der Kündigung
feststellendes Urteil ergeht. Solange ein solches Urteil besteht, kann die
Ungewissheit des Prozessausgangs für sich allein ein überwiegendes
Gegeninteresse des Arbeitgebers nicht mehr begründen. Hinzukommen müssen
dann vielmehr zusätzliche Umstände, aus denen sich im Einzelfall ein
überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer trotz des
Urteils nicht zu beschäftigen. Andersfalls hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer
während der Dauer des Rechtsstreits weiter zu beschäftigen.
134 bbb) Dieser allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch besteht nicht nur, wenn
über die Wirksamkeit einer Kündigung gestritten wird, sondern auch bei einem
Streit über andere Beendigungstatbestände, etwa über eine Befristung, eine
auflösende Bedingung oder einen Aufhebungsvertrag (vgl. BAG 16. Januar 1992
- 2 AZR 412/91 - Rn. 34). Nicht anders kann die Rechtslage beurteilt werden,
wenn im Streit steht, ob ein Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber
infolge eines Betriebsüberganges geendet hat. Nimmt man hier zunächst ein im
Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigendes schutzwertes Interesse
des bisherigen Arbeitgebers an, den Arbeitnehmer bei unsicherem Bestand des
Arbeitsverhältnisses mit ihm für die Dauer des Rechtsstreits nicht zu
beschäftigen, muss, wenn - wie vorliegend - das Fortbestehen des
Arbeitsverhältnisses mit dem bisherigen Arbeitgeber durch Gerichtsurteil
festgestellt wird, der bisherige Arbeitgeber auch hier zusätzliche Gründe für eine
Nichtbeschäftigung für den weiteren Verlauf des Rechtsstreits anführen. Die
Interessenlage unterscheidet sich nicht (vgl. BAG 12. September 1985 - 2 AZR
193/14 - Rn. 49; LAG Baden-Württemberg 18. August 2015 - 4 Sa 19/15 - Rn. 36;
5. Juli 2012 - 21 Sa 173/11 - Rn. 101).
135 ccc) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat die Klägerin den von ihr geltend
gemachten Anspruch, von der Beklagten zu 2. zu unveränderten
arbeitsvertraglichen Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Rechtsstreits als gewerbliche Arbeitnehmerin weiterbeschäftigt zu werden. Sie
hat mit ihrem Feststellungsantrag obsiegt, vom Berufungsgericht wurde das
Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen der Klägerin und der Beklagten zu
2. festgestellt. Ein überwiegendes Gegeninteresse der Beklagten zu 2. an einer
Nichtbeschäftigung der Klägerin besteht nicht, insbesondere besteht keine
Unmöglichkeit, den Weiterbeschäftigungsanspruch zu erfüllen.
136 (1) Mit dem Einwand, eine Weiterbeschäftigung der Klägerin sei ihr unmöglich,
weil sie keinen Betrieb und keine Arbeitsplätze mehr unterhalte, vermag die
Beklagte zu 2. nicht durchzudringen. Es wurde gerade festgestellt, dass die
Beklagte zu 2. Betriebsinhaberin geblieben ist, ihr Betrieb mithin nicht auf die
Beklagte zu 1. übergegangen ist. Unstreitig standen und stehen die materiellen
und immateriellen Betriebsmittel sowie das Betriebsgrundstück unverändert im
Eigentum der Beklagten Ziff. 2. Die Produktion der W.-Produkte findet nach wie
vor statt, der Arbeitsplatz der Klägerin im Betrieb in O. existiert weiterhin. Es wird
gerade nicht geltend gemacht, dass die Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb
rein tatsächlich nicht mehr vorhanden ist, etwa weil die Produktion eingestellt
wurde. Soweit die Beklagte Ziff. 2 ihren Unmöglichkeitseinwand auf rechtliche
Hindernisse in Gestalt vertraglicher Beziehungen mit Drittunternehmen stützt, weil
sie die Fertigungsaufträge seit 2011 an andere Unternehmen vergebe und sie
vertraglich verpflichtet sei, Räume und Maschinen diesen zur Nutzung zu
überlassen, vermag auch daraus keine Unmöglichkeit einer Weiterbeschäftigung
der Klägerin abgeleitet zu werden. Die Beklagte zu 2. hat aufgrund der
vorliegenden Vereinbarungen 2011, 2013 und 2015 mit der Beklagten zu 1. die
Betriebsinhaberschaft nicht verloren. Letztgenannte Vereinbarung endete im
Übrigen am 31. Mai 2015 (vgl. § 8 Vereinbarung 2015). Sachvortrag, aufgrund
welcher etwaigen nachfolgenden Vereinbarungen mit welchen Firmen welchen
Inhalts mittlerweile eine Weiterbeschäftigung rechtlich unmöglich geworden sein
soll, fehlt im vorliegenden Verfahren. Soweit die Beklagte zu 2. vorgebracht hat,
sie verfüge sie nicht über technisch erfahrene Aufsichtspersonen für die
Produktionsmitarbeiter, ist darauf hinzuweisen, dass in Anbetracht der
Fortsetzung der Produktion davon auszugehen ist, dass geeignetes
Aufsichtspersonal vorhanden ist, auch wenn die Aufsichtspersonen nicht bei der
Beklagten zu 2. angestellt sein sollten (näher dazu vgl. LAG Baden-Württemberg
9. November 2015 - 17 Ta 23/15 - Rn. 57 f.).
137 (2) Der Umstand, dass die Klägerin vier Jahr lang nicht geltend gemacht, dass die
Beklagte zu 2. ihre Arbeitgeberin sei, ist ebenfalls unerheblich. Der
Weiterbeschäftigungsanspruch ist materiell-rechtlich nicht verwirkt. Insoweit kann
vollumfänglich auf die Ausführungen zum Feststellungsantrag unter Ziff. I. 2. a)
cc) ccc) Bezug genommen werden, die für den Weiterbeschäftigungsantrag
entsprechend gelten. Liegt aufgrund besagter Gründe keine Verwirkung vor, kann
allein aus der lang andauernden Nichtgeltendmachung des Anspruchs auch kein
überwiegendes Gegeninteresse der Beklagten zu 2. an einer Nichtbeschäftigung
der Klägerin abgeleitet werden.
138 (3) Ebenso unerheblich ist schließlich der Umstand, dass in der Vergangenheit
von einem Betriebsübergang ausgegangen wurde. Weshalb allein dies ein
überwiegendes Gegeninteresse der Beklagten zu 2. an einer Nichtbeschäftigung
der Klägerin begründen soll, ist nicht nachvollziehbar.
II.
139 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, 100 Abs. 1
ZPO. Danach hat die im Berufungsverfahren vollumfänglich unterlegene Beklagte
zu 2. die Kosten des Berufungsverfahrens und haben die erstinstanzlich
unterlegene Beklagte zu 1. und die Beklagte zu 2. die erstinstanzlichen Kosten zu
jeweils 50 % zu tragen. Soweit für die erste Instanz zwischen gerichtlichen und
außergerichtlichen Kosten differenziert wurde, bleibt § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG
freilich unberührt.
III.
140 Die Revision war nicht zuzulassen, da keine Zulassungsgründe iSd. § 72 Abs. 2
Nr. 1 oder Nr. 2 ArbGG vorliegen. Die Kammer vermag weder vom Vorliegen
einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd.
§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG auszugehen, noch ist eine entscheidungserhebliche
Divergenz iSd. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG erkennbar.