Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 26.02.2016

betriebsübergang, betriebsführung, wirtschaftliche einheit, unwirksamkeit der kündigung

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 26.2.2016, 17 Sa 58/15
Betriebsübergang; Betriebsinhaberwechsel; Betriebsführungsvertrag;
Verfristung iSd. § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB; Verwirkung; entgegenstehende
Rechtskraft
Leitsätze
1. Ein Betriebsübergang iSd. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB setzt einen Wechsel in der
Person des Inhabers des Betriebs voraus. Der bisherige Betriebsinhaber muss seine
wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb einstellen, der Übernehmer muss die
Geschäftstätigkeit tatsächlich weiterführen oder wieder aufnehmen.
2. Maßgeblich ist die Weiterführung der Geschäftstätigkeit durch diejenige Person, die
nunmehr für den Betrieb als Inhaber "verantwortlich" ist. Verantwortlich ist die Person,
die den Betrieb im eigenen Namen führt und nach außen als Betriebsinhaber auftritt.
Es kommt nicht allein darauf an, wer im Verhältnis zur Belegschaft als Inhaber auftritt,
sondern auf die umfassende Nutzung des Betriebs nach außen.
3. Anwendung der in den Leitsätzen Ziff. 1 bis 2 wiedergegebenen Rechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichts (etwa BAG 27. September 2012 - 8 AZR 826/11) im
Einzelfall eines Betriebsführungsvertrages.
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten zu 2. wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart -
Kammern Ludwigsburg - vom 8. Mai 2015 - 26 Ca 1869/14 - teilweise abgeändert und
werden die Ziff. 1 und 2 des Urteilstenors zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2.
über den 31. März 2011 hinaus jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen
Verhandlung erster Instanz am 8. Mai 2015 ein Arbeitsverhältnis bestand.
2. Im Übrigen wird die gegen die Beklagte zu 2. gerichtete Klage
abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung der Beklagten zu 2. gegen das Urteil des
Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Ludwigsburg - vom 8. Mai 2015 - 26 Ca 1869/14 -
wird zurückgewiesen.
III. Von den gerichtlichen Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 14 %, die
Beklagte zu 1. und zu 2. jeweils 43 % zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten
des Rechtsstreits des Klägers haben die Beklagte zu 1. und zu. 2 jeweils 43 % zu
tragen. Von den außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits der Beklagten zu 2. hat
der Kläger 25 % zu tragen. Im Übrigen haben die Parteien ihre außergerichtlichen
Kosten des Rechtsstreits selbst zu tragen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1 Der Kläger und die Beklagte zu 2. streiten insbesondere noch darüber, ob das
Arbeitsverhältnis zwischen ihnen zum 1. April 2011 durch einen Betriebsübergang
auf die Beklagte zu 1. übergegangen ist oder ob es bei der Beklagten zu 2
verblieben ist. Ferner begehrt der Kläger, von der Beklagten zu 2. weiterbeschäftigt
zu werden.
2 Der Kläger war langjährig bei der Beklagten zu 2. (bzw. deren Rechtsvorgängerin)
als Produktionsmitarbeiter in deren Betrieb in O. beschäftigt. Der Betrieb war darauf
ausgerichtet, Industrieprodukte, insbesondere in den Bereichen Holz- und
Kunststoffwerkstoffe sowie Formteile, herzustellen, diese zu veredeln und Werk-
und Dienstleistungen auf diesen Gebieten zu erbringen. Hierzu setzte die Beklagte
zu 2. die in ihrem Eigentum stehenden Betriebsmittel, insbesondere Maschinen,
Produktionsanlagen und das Betriebsgrundstück, sowie über 150 Arbeitnehmer
ein. Weitere Betriebe unterhielt die Beklagte zu 2. in N. (T.) und in B.
3 Im Sommer des Jahres 2010 beschloss der Beirat der Beklagten zu 2.
auszugsweise das Folgende (vgl. Anlage der Beklagten):
4
„Die W. GmbH + Co. KG soll in Zukunft nur noch die Immobilien halten und
verwalten sowie das Anlagevermögen, die Lizenzrechte sowie die sonstigen
Vermögensgegenstände der Gesellschaft.
5
Der Betrieb der Gesellschaft soll zukünftig - im Wesentlichen unverändert - durch
eine neu gegründete Schwestergesellschaft in der Rechtsform einer GmbH + Co.
KG mit den gleichen Beteiligungsverhältnissen wie bei der W. GmbH + Co. KG
geführt werden (W. I. GmbH + Co. KG). In der neuen Gesellschaft soll derselbe
Beirat installiert werden wie bei der W. GmbH + Co. KG.
6
Diese neue Gesellschaft soll die Produktion der W.-Produkte als Lohnfertigung für
die W. GmbH + Co. KG übernehmen sowie die Bereiche Einkauf, Vertrieb,
Marketing, Forschung und Entwicklung sowie das Rechnungswesen etc. für die
W. GmbH + Co. KG mittels Dienstleistungsverträgen erledigen. Die neu
gegründete Gesellschaft soll dabei die Möglichkeit haben, neben der
Auftragsproduktion für die W. GmbH + Co. KG eigene, nicht in Konkurrenz zu den
W.-Produkten stehende Produkte zu entwickeln und zu vertreiben sowie
Fremdaufträge von anderen Unternehmen (ausgenommen
Konkurrenzunternehmen) zu übernehmen.
7
Die Arbeitsverhältnisse der W. GmbH + Co. KG sollen auf die neu gegründete W.
I. GmbH + Co. KG übergehen (Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB).
8
Die Rechtsverhältnisse zwischen den beiden Gesellschaften werden durch
Abschluss entsprechender Verträge (z.B. Dienstleistungsverträge) geregelt.
9
Es handelt sich um eine strategische Entscheidung, die mittel- und langfristige
Vorteile für das Unternehmen hat, v.a. im arbeitsrechtlichen Bereich.“
10 Am 28. Oktober 2010 schlossen die Beklagte zu 2. und der bei ihr gebildete
Gesamtbetriebsrat zur Umsetzung dieses Konzepts einen Interessenausgleich,
der insbesondere die Übernahme aller Arbeitnehmer durch die neu zu gründende
Gesellschaft im Wege eines Betriebsüberganges zum Gegenstand hatte (vgl.
Anlage der Beklagten, auf deren Inhalt Bezug genommen wird).
11 Im März 2011 schlossen die Beklagte zu 2. und die neu gegründete, damals noch
als I. W. GmbH + Co. KG firmierende Beklagte zu 1. - jeweils vertreten durch die
Geschäftsführer der Komplementärinnen Herrn J. W. und Herrn Dr. J. K. - eine
„Vereinbarung über Lohnfertigung und Geschäftsbesorgungsvertrag über
Betriebsführung“ (im Folgenden: Vereinbarung 2011, in der die Beklagte zu 2. als
„W.“, die heutige Beklagte zu 1. als „I. W.“ bezeichnet ist; im Kammertermin erster
Instanz vorgelegte Anlage). Darin heißt es ua.:
12 „Vorbemerkung:
13 W. ist ein weltweit tätiger Hersteller von Bauelementen (Fensterbänke, Balkon-,
Fassadenelemente, Terrassenprofile), Tischplatten, Industrieformteilen und
Sperrholz-Formteilen (insbesondere Federleisten) und verfügt in Deutschland
über 3 Standorte in O., N. und B..
14 Im Dezember 2010 wurde eine neue Schwestergesellschaft, die I. W. GmbH + Co.
KG, mit dem Sitz in O. gegründet. Diese neue Gesellschaft soll in Zukunft die
Produkte von W. in Lohnfertigung herstellen und im Übrigen die drei Betriebe von
W. in Deutschland führen. Die Mitarbeiter von W. werden zum Stichtag 1. April
2011 im Rahmen eines gesetzlichen Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB auf
die neu gegründete I. W. GmbH + Co. KG übergehen.
15 Dies vorausgeschickt, vereinbaren die Vertragsparteien folgendes:
16 A. Lohnfertigung
17 § 1 Vertragsinhalt/Entgelt
18 Die I. W. führt die komplette Produktion der W.-Produkte an allen 3 inländischen
Standorten ab dem 1. April 2011 in Lohnfertigung weiter. Dies umfasst
insbesondere die Herstellung und Bearbeitung der folgenden Produkte nach den
Vorgaben von W.:
19 …
Die Vergütung der von der I. W. erbrachten Leistungen erfolgt anhand der von der
I. W. nachgewiesenen Lohnkosten (zuzüglich Arbeitgeberbeiträgen zur
Sozialversicherung sowie sonstigen Lohnnebenkosten) plus eines Aufschlags zu
den Brutto-Lohnsummen von 3%. Darüber hinaus hat die I. W. Anspruch auf
Erstattung der gerechtfertigten Sachkosten, die im direkten Zusammenhang mit
der Wertschöpfung entstehen.
20 § 3 Gewährleistung des Lohnfertigers
21 Im Zusammenhang mit der Lohnfertigung gewährleisten die I. W. die Bearbeitung
der betreffenden Ware sowie die Verarbeitung der Rohstoffe, Vorprodukte und
Halbzeuge gemäß den Vorgaben von W.. Diese Vorgaben werden von der I. W.
nicht überprüft. W. ist für diese allein verantwortlich.
22 § 4 Eigentum und Gefahrübergang bei Lohnfertigung
23 An Ware für Lohnfertigung erwerben die I. W. zu keinem Zeitpunkt Eigentum. Die
Beschaffung von Ware für Lohnfertigung, welche die I. W. bei Dritten beziehen,
erfolgt im Namen und auf Rechnung von W.. Von W. an die I. W. gelieferte Ware
für Lohnfertigung bleibt im Eigentum von W., bis ein Dritter diese Ware zu
Eigentum erwirbt.
24 B. Betriebsführung im Übrigen
25 § 6 Betriebsführung mittels Geschäftsbesorgungsvertrag
26 Die I. W. übernehmen darüber hinaus für W. ab dem 1. April 2011 die
Betriebsführung des gesamten Geschäftsbetriebs an allein drei inländischen
Standorten. Insbesondere umfasst dies sämtliche, in den folgenden Abteilungen
zu erledigenden Arbeiten nach den Vorgaben von W.:
27
- Einkauf
- Vertrieb
- Marketing
- Finanzbuchhaltung
- Forschung und Entwicklung sowie
- Instandhaltung.
28 Der Auftrag zur Betriebsführung erstreckt sich auf alle Geschäfte und
Maßnahmen, die dem Betriebsablauf und dem gewerblichen Zweck des Betriebs
dienen.
29 Die Geschäftsbesorgung und die Betriebsführung erfolgt durch die I. W. mit
eigenen, auf sie gem. § 613a BGB übergegangenen Arbeitnehmern.
30 Grundlage dafür ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen den
Vertragsparteien mit folgendem Inhalt:
31 § 7 Handeln für Rechnung und im Namen von W. / Bevollmächtigung
32 Die I. W. handeln bei ihrer Tätigkeit gem. § 6, sofern diese im Zusammenhang mit
der Lohnfertigung und der Herstellung der W.-Produkte ausgeführt wird, für
welche W. die Patentrechte und das know-how besitzt, ausschließlich für
Rechnung und im Namen von W..
33 Insofern erteilt W. der I. W. Generalhandlungsvollmacht zur Vertretung von W. bei
allen Rechtsgeschäften und Rechtshandlungen, bei denen das Gesetz eine
Stellvertretung gestattet und die der Betrieb des Gewerbes von W. mit sich bringt.
Die I. W. dürfen von dieser Vollmacht nur für die Zwecke der Betriebsführung und
im Rahmen dieses Auftrags Gebrauch machen.
34 § 8 Verpflichtung des Auftragnehmers I. W.
35 Die I. W. erledigen und managen eigenverantwortlich die in § 6 aufgeführten
Abteilungen an allen drei Standorten. Sie sind verantwortlich für die gesamten
Abläufe ab Auftragseingang bis zum Zahlungseingang durch den Kunden von W..
Des Weiteren kümmern sie sich im Vertrieb darum, dass ausreichende
Auftragseingänge zu verzeichnen sind. Hinzu kommen die Erledigung der
erforderlichen Instandhaltungsmaßnahmen, der gebotenen Forschungs- und
Entwicklungstätigkeiten sowie die pünktliche und ordnungsgemäße Erstellung der
Finanzbuchhaltung.
36 Dabei sind neben den Vorgaben von W. alle gesetzlichen Vorgaben zu beachten.
37 § 9 Entgelt für die Geschäftsbesorgung
38 Die Vergütung der von der I. W. erbrachten Leistungen erfolgt anhand der von der
I. W. nachgewiesenen Kosten für die Gehälter der in den in § 6 genannten
Abteilungen eingesetzten Mitarbeiter (zuzüglich Arbeitgeberbeiträgen zur
Sozialversicherung sowie sonstigen Nebenkosten) plus eines Aufschlags zu den
Brutto-Gehaltssummen von 3%. Darüber hinaus haben die I. W. Anspruch auf
Erstattung der gerechtfertigten Sachkosten, die im direkten Zusammenhang mit
der Wertschöpfung entstehen.
39 Miete und/oder Pacht für die Nutzung der Verwaltungsgebäude sowie das
Anlagevermögen ist von der I. W. nicht zu entrichten. Die mit der Verwaltung
zusammenhängenden Nebenkosten (insbesondere Energiekosten und sonstige
Verbrauchskosten) trägt W..
40 § 10 Gewerbliche Schutzrechte
41 W. verfügt zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung über eine Reihe von
gewerblichen Schutzrechten (Altschutzrechte). Unbeschadet der Benutzung
dieser Schutzrechte zur Ausführung der Lohnfertigung und der Durchführung von
weiteren Entwicklungsarbeiten durch die Mitarbeiter der I. W. in der Forschung-
und Entwicklungsabteilung, berührt dieser Vertrag nicht die rechtliche Situation
der Schutzrechte, insbesondere verbleiben diese Schutzrechte im
ausschließlichen Eigentum von W..
42 Neue Entwicklungen und Erfindungen, die die Arbeitnehmer der I. W. während der
Dauer dieses Vertrages auf den Gebieten Produkte und Verfahrenstechniken im
Bereich Holz- und Kunststoffe sowie Holz- und Kunststoffformteile tätigen
(Neuschutzrechte), werden von W. unbeschränkt in Anspruch genommen und in
deren Namen zum Schutzrecht angemeldet. Die Anmeldung wird von der I. W. im
Namen und auf Rechnung von W. erledigt. Diese Schutzrechte stehen auch
eigentumsrechtlich ausschließlich W. zu.
43 C. Allgemeine Bestimmungen
44 § 12 Auskunftsrecht von W.
45 W. kann von der Geschäftsführung der I. W. jederzeit und in allen die
Lohnfertigung und die Betriebsführung betreffenden Angelegenheiten Auskünfte
verlangen. Im Hinblick auf die Betriebsführung gemäß Lit. B., nicht aber für Lit. A.
dieses Vertrages (mit Ausnahme der Vorgaben für die Herstellung, Bearbeitung
und Lieferung der Ware gemäß §§ 1, 2 und 3 Abs. 1), kann W. Richtlinien
erlassen und Weisungen erteilen. Insbesondere kann W. bestimmen, welche
Arten von Geschäften ihrer vorherigen Zustimmung bedürfen.“
46 Mit Schreiben vom 1. März 2011 (vgl. Anlage des Klägers, auf deren Inhalt Bezug
genommen wird) informierte die Beklagte zu 2. sämtliche Arbeitnehmer darüber,
dass ihre Arbeitsverhältnisse zum 1. April 2011 gemäß § 613 a BGB auf die
Beklagte zu 1. übergingen. Der Kläger widersprach dem wie auch die übrigen
Arbeitnehmer (mit Ausnahme eines Arbeitnehmers) nicht. Er und die anderen
erbrachten fortan ihre Arbeitsleistung an ihren bisherigen Arbeitsplätzen in
unveränderter Art und Weise und stellten weiter ausschließlich W.-Produkte her.
Verträge mit Dritten (insbesondere mit Kunden und Lieferanten) wurden von der
Beklagten zu 1. - entsprechend der Vereinbarung 2011 - auf Rechnung und im
Namen der Beklagten zu 2. geschlossen. Der Marktauftritt zum Vertrieb der W.-
Produkte erfolgte weiterhin über die Internetseite der Beklagten zu 2. Bei der Email-
Kommunikation nach außen versah das EDV-System die Emails der Mitarbeiter
automatisch mit einer Signatur der Beklagten zu 2., geschäftliche Korrespondenz
erfolgte auf dem Briefpapier der Beklagten zu 2. Gegenüber den Arbeitnehmern
trat demgegenüber die Beklagte zu 1. als Arbeitgeberin auf, etwa verwendete die
Personalabteilung bei der internen Kommunikation mit ihren Mitarbeitern eine
Signatur der Beklagten zu 1.
47 Im Mai/Juni 2013 beschlossen die Gesellschafter der Beklagten zu 1., diese zu
liquidieren und den Betrieb in O., wie auch die beiden anderen Betriebe in N. und
B., stillzulegen (vgl. Anlage der Beklagten). Die Liquidation der Gesellschaft wurde
am 12. Juli 2013 in das Handelsregister eingetragen (vgl. Anlage der Beklagten).
48 Am 17. Juli 2013 schlossen die Beklagten eine neue „Vereinbarung über
Lohnfertigung und Geschäftsbesorgungsvertrag über Betriebsführung“ (im
Folgenden: Vereinbarung 2013; Anlage der Beklagten, auf deren Inhalt Bezug
genommen wird). Danach führt die Beklagte zu 1. lediglich Teile der Produktion in
Lohnfertigung weiter, wobei „der Umfang der Tätigkeiten zwischen den Parteien
laufend abgestimmt“ wird (§ 1). Nach § 6 übernimmt die Beklagte zu 1. bis zur
Beendigung der Gesellschaft für die Beklagte zu 2. „die Betriebsführung einzelner
Bereiche des Geschäftsbetriebes gem. Einzelabsprache“. Die Beklagte zu 2. soll
weiter berechtigt sein, einzelne Gewerke oder Teile davon an andere
Unternehmen zu vergeben (§ 6 Satz 2). Auch soll der Auftrag zur Betriebsführung
nach Absprache eingeschränkt werden können, wenn wie beabsichtigt einzelne
Teilbereiche ganz oder teilweise an andere Unternehmen vergeben werden (§ 6
Satz 5). Auch nach der Vereinbarung 2013 handelt die Beklagte zu 1. bei der
Tätigkeit gemäß § 6, sofern diese im Zusammenhang mit der Lohnfertigung und
der Herstellung der W.-Produkte ausgeführt wird, ausschließlich für Rechnung und
im Namen der Beklagten zu 2.
49 Nachdem in der Folgezeit Verhandlungen über einen Interessenausgleich vor der
Einigungsstelle gescheitert waren (vgl. Anlage der Beklagten), kündigte die
Beklagte zu 1. die Arbeitsverhältnisse mit ihren Arbeitnehmern nach Beteiligung
des Betriebsrats (vgl. Anlagen der Beklagten) und Erstattung einer
Massenentlassungsanzeige (vgl. Anlagen der Beklagten), dasjenige mit dem
Kläger mit Schreiben vom 28. Oktober 2014 zum 31. Mai 2015.
50 Am 25. November 2014 kam durch Spruch der Einigungsstelle ein Sozialplan
zustande, der allerdings keine Abfindungsleistungen für die Arbeitnehmer vorsah
(vgl. Anlage der Beklagten).
51 Mit Schreiben vom 31. Dezember 2014 (Anlage der Beklagten) kündigte die
Beklagte zu 2. die Vereinbarung 2013 zum 31. März 2015. Unter dem 26. März
2015 schlossen die Beklagten eine bis zum 31. Mai 2015 befristete, den Betrieb in
O. betreffende „Vereinbarung über Geschäftsbesorgung und Betriebsführung“ (im
Folgenden: Vereinbarung 2015; Anlage der Beklagten, auf deren Inhalt Bezug
genommen wird). Der Betrieb in B. wurde zum 30. September 2014, der Betrieb in
N. zum 28. Februar 2015 geschlossen.
52 Der Kläger hat zunächst gegen die Kündigung der Beklagten zu 1.
Kündigungsschutzklage erhoben. Im März 2015 erweiterte er seine Klage auf die
Beklagte zu 2. mit dem - laut seinem Vortrag - vorrangigen Begehren festzustellen,
dass das Arbeitsverhältnis nach wie vor mit der Beklagten zu 2. bestehe, und
diese zu seiner Weiterbeschäftigung zu verurteilen. Er hat die Auffassung
vertreten, das Arbeitsverhältnis sei im Jahr 2011 nicht im Wege eines
Betriebsüberganges auf die Beklagte zu 1. übergegangen. Vielmehr sei die
Beklagte zu 2. Arbeitgeberin geblieben. Ein Betriebsübergang setze die Wahrung
der Identität der wirtschaftlichen Einheit voraus, die nicht gegeben sei, wenn
lediglich die Arbeitnehmer eines betriebsmittelgeprägten Betriebs übernommen
würden, wie es hier der Fall sei. Die Beklagte zu 1. habe keinerlei materielle
Betriebsmittel oder Kunden- und Lieferantenbeziehungen übernommen. Selbst
wenn ein Betriebsübergang stattgefunden habe, sei das Arbeitsverhältnis durch
die Kündigung der Beklagten zu 1. nicht beendet worden. Diese sei mangels
sozialer Rechtfertigung iSd. § 1 KSchG und mangels ordnungsgemäßer
Durchführung des Verfahrens nach § 17 Abs. 2 KSchG unwirksam.
53
Der Kläger hat - erstinstanzlich, zuletzt unbedingt - beantragt,
54
festzustellen, dass zwischen der Beklagten zu 2. und dem Kläger über den
31. März 2011 hinaus ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht;
55
die Beklagte zu 2. zu verurteilen, den Kläger zu den bisherigen
Arbeitsbedingungen als Maschinen- und Anlagenführer weiter zu
beschäftigen;
56
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten zu 1.
durch die Kündigung der Beklagten zu 1. vom 28. Oktober 2014 nicht
beendet wird.
57
Die Beklagten haben - erstinstanzlich - jeweils beantragt,
58
die Klage abzuweisen.
59 Während die Beklagte zu 1. die Rechtfertigung der Kündigung verteidigt hat, indem
sie vorgebracht hat, diese sei wegen Betriebsstillegung aus betriebsbedingten
Gründen iSd. § 1 KSchG sozial gerechtfertigt und auch unter Zugrundelegung des
§ 17 Abs. 2 KSchG nicht zu beanstanden, hat die Beklagte zu 2. die Ansicht
vertreten, das Arbeitsverhältnis sei im Jahr 2011 im Wege eines
Betriebsüberganges auf die Beklagte zu 1. übergegangen. Gemäß dem
Interessenausgleich vom 28. Oktober 2010 seien zum 1. April 2011 die
Fertigungsaktivitäten, die Bereiche Forschung und Entwicklung, Logistik, Einkauf,
Vertrieb, Finanzbuchhaltung und Instandhaltung auf die Beklagte zu 1. übertragen
und dieser das Immobilien-, Anlage- und Umlaufvermögen sowie die Patente und
Lizenzverträge unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden. Der Produktionsbetrieb
der Beklagten zu 2. sei unter Wahrung der wirtschaftlichen Identität übergegangen
und von der Beklagten zu 1. tatsächlich fortgeführt worden. Da ein
betriebsmittelarmer Betrieb vorliege, komme es wesentlich auf die Fähigkeiten der
Mitarbeiter an, die - bis auf einen Mitarbeiter - alle übernommen worden seien. Aber
auch wenn man von einem betriebsmittelgeprägten Betrieb ausgehe, liege ein
Betriebsübergang vor, da die Betriebsmittel gerade mitübernommen worden seien
und es insoweit nicht auf die Eigentumsverhältnisse ankomme. Ausreichend sei,
dass die sächlichen Betriebsmittel der Beklagten zu 1. von der Beklagten zu 2. zur
Verfügung gestellt worden seien. Auch habe der Vorsitzende im vergleichsweise
am 22. November 2012 beigelegten Rechtsstreit vor dem Landesarbeitsgericht
Baden-Württemberg - 6 Sa 31/12 - darauf hingewiesen, dass von einem
Betriebsübergang auszugehen sei. Die Inanspruchnahme der Beklagten zu 2.
neben derjenigen der Beklagten zu 1. sei im Übrigen widersprüchlich. Eine
Beschäftigung bei der Beklagten zu 2. sei zudem nicht möglich, da diese keinen
Betrieb mehr führe. Aufgaben, die einem gewerblichen Mitarbeiter übertragen
werden könnten, seien nicht vorhanden.
60 Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 8. Mai 2015 den gegen die Beklagte zu 2.
gerichteten Klaganträgen des Klägers stattgegeben, während es den gegen die
Beklagte zu 1. gerichteten Kündigungsschutzantrag abgewiesen hat. Ebenso
entschied es grundsätzlich in den weiteren am 8. Mai 2015 entschiedenen
Parallelverfahren. Zur Begründung hat es ausgeführt, der gegen die Beklagte zu 2.
gerichtete Feststellungsantrag habe Erfolg, da diese ihre Arbeitsgeberstellung
nicht zum 1. April 2011 - oder zu einem späteren Zeitpunkt - infolge eines
Betriebsüberganges auf die Beklagte zu 1. verloren habe, ohne dass es dem
Kläger infolge von Prozessverwirkung verwehrt sei, sich hierauf zu berufen. Die
Beklagte zu 1. sei nicht Betriebsinhaberin geworden, die Beklagte zu 2. habe ihrer
Inhaberstellung nicht verloren. Die Vereinbarung 2011 stelle sich als sog. echte
Betriebsführungsvereinbarung dar, die keinen Betriebsübergang zur Folge habe.
Dem Vortrag der Beklagten zu 2. könne nicht entnommen werden, dass die
Beklagte zu 1. im Rahmen der Betriebsführung nach außen als Vollrechtsinhaberin
aufgetreten sei. Vielmehr sei den Vereinbarungen und der tatsächlichen
Praktizierung der Betriebsführung zu entnehmen, dass die Beklagte zu 2. weiterhin
für den Betrieb verantwortlich geblieben sei. Die Beklagte zu 1. habe diesen nach
außen nicht im eigenen Namen geführt und sei nicht als Betriebsinhaberin
aufgetreten. Sie habe bei ihrer Betriebsführung aufgrund interner Anweisung und
externer Vollmacht gehandelt und habe in Bezug auf den gesamten betrieblichen
Funktionszusammenhang keine eigene Leitungs- und Organisationskompetenz
ausgeübt. Die Beklagte zu 1. habe vertragsgemäß keine Waren im eigenen,
sondern im fremden Namen bezogen. Weitergehend habe sie bei der gesamten
Betriebsführung ausschließlich für Rechnung und im Namen der Beklagten zu 2.
gehandelt. Der eingeräumten Generalhandlungsvollmacht hätte es nicht bedurft,
wenn eine sog. unechte Betriebsführung im eigenen Namen vorläge. Sämtliche
Verträge mit Kunden und die Lieferung der Produkte seien im Namen der
Beklagten zu 2. erfolgt, ebenso die gesamte Kommunikation nach außen. Die
Arbeitnehmer seien aufgrund der Weiternutzung der Berufskleidung mit dem
Aufdruck „W.“ weiter als solche der Beklagten zu 2. identifizierbar gewesen. Auch
der werbende Marktauftritt im Internet sei unverändert allein derjenige der
Beklagten zu 2. gewesen. Soweit neue Produkte bzw. Verfahrenstechniken
entwickelt worden seien, seien etwaig begründete gewerbliche Schutzrechte von
der Beklagten zu 1. im Namen der Beklagten zu 2. anzumelden gewesen und
ausschließlich dieser zugute gekommen. Die Beklagte zu 1. habe also nicht
sämtliche zur Erreichung des Betriebszwecks wesentlichen Faktoren, zu denen
vorliegend insb. auch die Lieferanten- und Kundenbeziehungen, die Stellung am
Markt und die Produktionsmethoden gehörten, im eigenen Namen koordiniert.
Nicht ausreichend sei, dass die Beklagte zu 1. gegenüber den Arbeitnehmern im
eigenen Namen, dh. als Arbeitgeberin aufgetreten sei und vom Weisungsrecht
Gebrauch gemacht habe. Die bloße „Personalverwaltung“ genüge zur
Herbeiführung eines Inhaberwechsels nicht. Nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts komme es gerade nicht allein darauf an, wer im Verhältnis
zur Belegschaft als Inhaber auftrete, sondern auf die umfassende Nutzung des
Betriebs nach außen. Genau diese umfassende Nutzung im eigenen Namen
könne nicht festgestellt werden. Der für einen Betriebsübergang erforderlich
tatsächliche Wechsel in der Person des Betriebsinhabers sei gerade nicht
gegeben. Hinzu komme - im Rahmen einer Gesamtwürdigung -, dass die Beklagte
zu 1. auch keine nennenswerten eigenen wirtschaftlichen Zwecke verfolgt habe.
Sie habe nach der Vereinbarung 2011 lediglich eine Vergütung von 3 % der
Bruttolohnsumme und eine Kostenerstattung verlangen können und damit weder
von einem positiven Ergebnis profitiert, noch einen Anreiz zu einer wirtschaftlichen,
effizienten und kostensparenden Betriebsführung gehabt. Die wirtschaftlichen
Chancen und Risiken hätten weiterhin die Beklagte zu 2. getroffen, woran deutlich
werde, dass die Beklagte zu 1. keine eigenen, sondern fremdbestimmte Zwecke
im Rahmen der Betriebsführung verfolgt habe. Das so gefundene Ergebnis
entspreche auch dem Normzweck des § 613 a BGB, einen Gleichlauf zwischen
Arbeitsplatz und Arbeitsverhältnis sicherzustellen und den Arbeitnehmern das
Substrat der wirtschaftlichen Einheit nicht gegen deren Willen entziehen zu
können. Da es an einem Betriebsinhaberwechsel und damit an einem
Betriebsübergang fehle, müsse der Frage, ob - läge ein solcher vor - der Beklagten
zu 2. eine Berufung hierauf nach § 242 BGB wegen Gestaltungsmissbrauchs
verwehrt wäre, nicht nachgegangen werden. Anhaltspunkte dafür, dass es zu
einem späteren, nach dem 1. April 2011 liegenden Zeitpunkt zu einem
Betriebsinhaberwechsel gekommen sei, seien nicht gegeben. Vielmehr bestätige
die Vereinbarung 2013, dass die Beklagte zu 1. nur „verlängerter Arm“ der
Beklagten zu 2. gewesen sei, nicht aber diejenige die eine eigene Organisations-
und Leitungskompetenz bezogen auf den betrieblichen Funktionszusammenhang
ausgeübt habe. Dem Kläger sei es gemäß § 242 BGB auch materiell-rechtlich
nicht verwehrt, sich auf ein mit der Beklagten zu 2. fortbestehendes
Arbeitsverhältnis zu berufen. Die Inanspruchnahme beider Beklagter stelle kein
widersprüchliches Verhalten dar. Auch liege keine materiell-rechtliche Verwirkung
vor. Das Stammrecht unterliege keiner Verwirkung, ein Arbeitsverhältnis als
solches könne nicht verwirken. Im Übrigen fehle es an den Voraussetzungen einer
Verwirkung (Zeit- und Umstandsmoment). Auch der Weiterbeschäftigungsantrag
des Klägers habe Erfolg. Er sei zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt, und
auch begründet. Die Beklagte zu 2. sei weiterhin Betriebsinhaberin, eine
Beschäftigung sei ihr möglich und zumutbar. Die gegen die Beklagte zu 1.
gerichtete Kündigungsschutzklage sei hingegen unbegründet, weil im Zeitpunkt
des Zugangs der Kündigung ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 1. nicht
bestanden habe.
61 In Anbetracht dieses Urteils, gegen das die Beklagte zu 2. und der Kläger
Berufung einlegten, bekräftigte der Beirat der Beklagten zu 2. am 20. Mai 2015 für
die Zukunft seine Entscheidung, im Unternehmen der Beklagten zu 2. keine
betrieblichen Aktivitäten auszuführen (vgl. Anlage der Beklagten). Ferner kündigte
die Beklagte zu 2. ein etwaig mit ihr bestehendes Arbeitsverhältnis des Klägers
vorsorglich mit Schreiben vom 27. Mai 2015 unter Berufung auf betriebsbedingte
Gründe außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31. Dezember 2015 (vgl.
Anlage der Beklagten). Hiergegen erhob der Kläger gesondert
Kündigungsschutzklage (mit einem punktuelle Kündigungsschutzantrag und
einem allgemeinen Feststellungsantrag), die derzeit beim Arbeitsgericht Stuttgart -
Kammern Ludwigsburg - anhängig ist.
62 In weiteren mit Urteilen vom 17. Juli 2015 entschiedenen parallel gelagerten Fällen
entschied das Arbeitsgericht abweichend (vgl. Anlage der Beklagten). In diesen
Fällen bejahte es einen Betriebsübergang auf die Beklagte zu 1. und wies
dementsprechend die gegen die Beklagte zu 2. gerichteten Klaganträge ab. Die
von der Beklagten zu 1. ausgesprochene Kündigung erachtete es in diesen Fällen
als unwirksam und gab den Kündigungsschutzklagen gegen die Beklagte zu 1.
statt.
63 Mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2015 erkannte die Beklagte zu 1. im vorliegenden
Verfahren den gegen sie gerichteten Kündigungsschutzantrag an. Mit mittlerweile
rechtskräftigem Teilanerkenntnisurteil des Landesarbeitsgerichts vom 19.
November 2015 wurde daraufhin festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des
Klägers mit der Beklagten zu 1. durch die Kündigung der Beklagten zu 1. vom 28.
Oktober 2014 nicht beendet wurde.
64 Die Beklagte zu 2. ist der Auffassung, die gegen sie gerichteten Klaganträge seien
bereits unzulässig.
65 Die Klage sei widersprüchlich, wenn der Kläger erkläre, es gehe ihm „in erster
Linie“ um die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2. Die
Anträge gegen die Beklagten stünden prozessual gleichwertig und unbedingt
nebeneinander. Jedenfalls sei von einer Prozessverwirkung auszugehen, da das
Begehren des Klägers auch im offenen Widerspruch zu seinem Verhalten seit dem
1. April 2011 bis zur Klagerweiterung auf die Beklagte zu 2. im März 2015 stehe.
Die Klage gegen die Beklagte zu 2. sei rechtsmissbräuchlich. In allen gesetzlich
geregelten und von der Rechtsprechung bisher zu beantwortenden Fällen sei ein
auf die Feststellung oder Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses gerichteter Antrag
aus Gründen der Rechtssicherheit nur innerhalb von wenigen Wochen oder
Monaten zulässig (näher dazu vgl. das schriftsätzliche Vorbringen der Beklagten
zu 2.). All diesen Wertungen widerspräche es, wenn der Kläger vier Jahre nach
Kenntnis von dem Übertragungsvorgang durch umfassende Unterrichtung und
außerdem vier Monate nach einer isolierten Kündigungsschutzklage gegen die
Beklagte zu 1. erstmals noch die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses zur
Beklagten zu 2. geltend machen könne. Die Monatsfrist des § 613 a Abs. 6 Satz 1
BGB sei insoweit als Zeitmoment heranzuziehen. Auch das Umstandsmoment sei
gegeben. Die Beklagte zu 2. habe nicht mehr damit rechnen müssen, wieder als
Arbeitgeberin betrachtet zu werden, ein Vertrauenstatbestand sei gegeben. Der
Kläger habe seit dem 1. April 2011 bis März 2015 durchgängig und ausschließlich
Interesse an einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 1. gezeigt. Trotz
umfassender Unterrichtung über den Betriebsübergang habe er nicht
widersprochen, sondern sein Wahlrecht zugunsten eines Arbeitsverhältnisses mit
der Beklagten zu 1. ausgeübt und dort über Jahre weitergearbeitet. Auch bei
keiner anderen Gelegenheit habe er zum Ausdruck gebracht, das Arbeitsverhältnis
mit der Beklagten zu 2. fortsetzen zu wollen. Spätestens die Betriebsratswahl im
Jahr 2014 habe dazu eine anschauliche Gelegenheit geboten, wie das dem Kläger
bekannte Wahlausschreiben der Beklagten zu 1. zeige (vgl. Anlage der
Beklagten). Auch habe sich der Kläger mit keinem einzigen arbeitsvertraglichen
Anliegen an die Beklagte zu 2. gewandt. Nachdem ein Betriebsübergang in einer
Vielzahl von arbeitsgerichtlichen Entscheidungen angenommen worden sei (näher
dazu siehe unten), habe die Beklagte zu 2. entsprechend disponiert und die
tatsächliche Handhabung des Betriebsführungsvertrages über mehrere Jahre nicht
im Einzelnen dokumentiert, wie dies nahe gelegen hätte, wäre dieser von Anfang
an streitig gewesen. Ihre Rechtsverteidigung sei aufgrund des Zeitablaufs
beeinträchtigt. Darüber hinaus habe sie weitere Gesellschaften mit der
Lohnfertigung und Dienstleistungen beauftragt. Spätestens ab der Vereinbarung
2013 - und teilweise davor - seien neben der Beklagten zu 1. auch andere
Unternehmen für die Beklagte zu 2. tätig geworden. Durch die verspätete
Durchsetzung des Rechts entstünden der Beklagten zu 2. unzumutbare Nachteile.
Bei einer früheren Geltendmachung wären ihr die zeit- und kostenaufwändigen
gerichtlichen Auseinandersetzungen erspart geblieben.
66 Ferner seien die Klaganträge des Klägers aufgrund entgegenstehender
Rechtskraft unzulässig. Infolge des rechtskräftigen Anerkenntnisurteils gegen die
Beklagte zu 1. stehe fest, dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung der
Beklagten zu 1. mit dieser ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Die materielle
Rechtskraft, die auch einem Anerkenntnisurteil innewohne, präkludiere auch im
Verhältnis zur Beklagten zu 2. jede anderslautende Entscheidung, insbesondere
das vom Kläger verfolgte Begehren. Ein Obsiegen sei nur im Verhältnis zu einer
der Beklagten rechtlich möglich. Auch wenn gesetzlich keine
Rechtskrafterstreckung angeordnet sei, sei die Feststellung des
Anerkenntnisurteils vorgreiflich. Es bestehe eine zwingende zivilrechtliche
Abhängigkeit der Klageziele. Dass der Kläger den Weg der unbedingten
subjektiven Klagehäufung beschritten habe, könne nicht dazu führen, dass er auf
diesem Wege zwei sich widersprechende Urteile erlangen und rechtskräftige
Feststellungen über die Arbeitgeberstellung zweier verschiedener Personen in ein
und demselben Arbeitsverhältnis erstreiten könne.
67 Die Anträge seien auch deswegen unzulässig, weil sie nicht hinreichend bestimmt
seien. Bzgl. des Weiterbeschäftigungsantrages sei nicht klar, mit welchen
Tätigkeiten der Kläger beschäftigt werden solle, zumal sein Arbeitsplatz
weggefallen sei. Auch in zeitlicher Hinsicht sei dieser Antrag zu unbestimmt.
Soweit das Landesarbeitsgericht in Zwangsvollstreckungsverfahren die
hinreichende Bestimmtheit bejaht habe, müsse dies mit der Auslegung des
Feststellungsantrages in Einklang gebracht werden. Dieser knüpfe dann daran an,
ob im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz ein
Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2. bestanden habe.
Spätere Entwicklungen könnten - ohne Anschlussberufung des Klägers und in
Anbetracht der Tatsache, dass er die Kündigung der Beklagten zu 2. in einem
gesonderten Verfahren angegriffen habe, in dem auch ein allgemeiner
Feststellungsantrag gestellt sei - nicht Streitgegenstand sein.
68 Zumindest aber seien die vom Kläger gegen die Beklagte zu 2. gerichteten
Klaganträge unbegründet.
69 Der Betrieb und damit auch das Arbeitsverhältnis des Klägers seien zum 1. April
2011 im Wege eines Betriebsüberganges auf die Beklagte zu 1. übergegangen.
Das Vorliegen eines Betriebsübergangs hänge nicht davon ab, ob ein wie auch
immer gearteter Betriebsführungsvertrag geschlossen worden sei. Die Begriffe
„echte Betriebsführung“ und „unechte Betriebsführung“ seien nicht eindeutig
definiert und damit keiner isolierten rechtlichen Würdigung zugänglich. Maßgeblich
seien vielmehr die tatsächlichen Umstände und die Prüfung der Kriterien, die nach
der Rechtsprechung einen Betriebsübergang begründeten. Diese seien hier
allesamt erfüllt:
70 Gegenstand der Übertragung sei ein Betrieb gewesen, der Fertigungsaktivitäten
und die damit verbundenen und administrativen Funktionen (insb. Forschung und
Entwicklung, Logistik, Einkauf, Vertrieb, Finanzbuchhaltung und Instandhaltung)
verfolgt habe. Das Personal sei zum 1. April 2011 von der Beklagten zu 1.
übernommen worden, wobei insoweit die faktische Weiterbeschäftigung beim
Erwerber genüge, ohne dass ein Arbeitsvertragsschluss erforderlich sei. Die
Beklagte zu 1. habe diesen Betrieb als ein anderer Inhaber fortgeführt. Bei den
Beklagten handle es sich um verschiedene Rechtsträger. Die geschäftsführenden
Gesellschaften (Komplementärinnen) seien nie identisch gewesen, die für die
unternehmerischen Entscheidungen zuständigen Beiräte seien nicht
personenidentisch besetzt. Soweit vorübergehend Personenidentität in der
Geschäftsführung der Komplementärinnen im Jahr 2011 bestanden habe, hätten
die handelnden Personen stets erkennen lassen, in welcher Funktion für welche
Gesellschaft sie handelten. Unabhängig davon sei die Beklagte zu 1. auch nach
außen aufgetreten und habe Rechtsgeschäfte getätigt, zB. Verträge mit anderen
Unternehmen und Körperschaften (Leiharbeit, IHK, Finanzverwaltung,
Wirtschaftsprüfer, Steuerberater etc.) abgeschlossen. Die Übertragung sei durch
eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung in Gestalt der Vereinbarung 2011 erfolgt.
Die Herstellung und Bearbeitung der Produkte sei durch die darin enthaltene
Lohnfertigungsvereinbarung auf die Beklagte zu 1. übertragen worden, wobei der
Beklagten zu 2. produktbezogene Vorgaben vorbehalten geblieben seien.
Bezogen auf die Abteilungen Forschung und Entwicklung, Logistik, Einkauf,
Vertrieb, Finanzbuchhaltung und Instandhaltung habe die Beklagte zu 2. der
Beklagten zu 1. einen Auftrag in Form eines Geschäftsbesorgungsvertrages erteilt
und sich vorbehalten, auf den Gegenstand der Geschäftsbesorgung bezogene
Vorgaben zu machen. Zugleich sei aber vereinbart worden, dass die Beklagte zu
1. diese Aufgaben eigenverantwortlich erledige und manage und sie für sämtliche
Abläufe ab Auftragseingang bis zum Zahlungseingang verantwortlich sei. Diese
Aufgaben habe die Beklagte zu 1. bis mindestens zum Abschluss der
Vereinbarung 2013, mit der sie die Exklusivität als Vertragspartner verloren habe,
eigenverantwortlich erfüllt, teilweise darüber hinaus. Die Vereinbarung 2011 räume
der Beklagten zu 2. insbesondere kein Weisungsrecht gegenüber einzelnen
Arbeitnehmern ein. Die Beklagte zu 2. habe der Beklagten zu 1. die Betriebsmittel
gemäß der Vereinbarung 2011 unentgeltlich überlassen, was diese in die Lage
versetzt habe, den Betrieb zu führen. Die Beklagte zu 1. habe diesen nach dem
Betriebsübergang auch tatsächlich geführt, ihre Mitarbeiter angeleitet und
angewiesen und deren Vergütung bezahlt. Falsch sei, dass die Beklagte zu 1. die
Leitungsmacht über den Betrieb nie übernommen habe. Sie habe sämtliche zur
Erreichung des Betriebszwecks wesentlichen Faktoren gesteuert und koordiniert.
Sie sei gegenüber den Arbeitnehmern, dem Betriebsrat und der zuständigen
Gewerkschaft klar erkennbar unter ihrer Firma und nicht unter dem Namen der
Beklagten zu 2. aufgetreten. Die vom Kläger zT. unsubstantiierten Behauptungen
einzelner Begegnungen zwischen Herrn W. und einzelnen Arbeitnehmern
entkräfteten die Tatsache des Übergangs der Leitungsmacht nicht. Falsch sei,
dass der Geschäftsführer der Beklagten zu 2. auch nach dem 1. April 2011 und
nach seinem Ausscheiden aus der Geschäftsführung der Beklagten zu 1.
Weisungsrechte ausgeübt habe. Herr W. sei zugleich Geschäftsführer der
Komplementärin der Beklagten zu 1. (bis Mai 2013) und Gesellschafter der
Beklagten zu 1. (bis zur Veräußerung seiner Anteile) gewesen sowie Bewohner
von Wohnräumen unmittelbar angrenzend an das Betriebsgelände. Soweit der
Kläger einzelne Beispiele benenne, werde nicht schlüssig behauptet, Herr W. sei in
seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten zu 2.
aufgetreten. Dies legten die Vorfälle auch nicht nahe. Soweit Zweifel entstanden
sein sollten, seien diese durch unmissverständliche Erklärungen der Beklagten zu
1. ausgeräumt worden (näher zu den einzelnen vom Kläger angeführten
Beispielen vgl. das schriftsätzliche Vorbringen der Beklagten zu 2.). Der Umstand,
wie die Beklagte zu 1. in Kunden- und Lieferantenbeziehungen aufgetreten sei, sei
unerheblich für die Frage, ob der Betrieb übertragen worden sei. Im Übrigen habe
die Beklagte zu 1. - mit intern eigenständig organisiertem Vertrieb/Einkauf - die
Kunden- und Lieferantenbeziehungen fortgeführt, lediglich nach außen sei sie im
fremden Namen aufgetreten. Unerheblich sei auch, dass gebrauchte, von der
Beklagten zu 2. einstmals ihren Arbeitnehmern überlassene Arbeitskleidung mit
dem Schriftzug „W.“ möglicherweise nach dem 31. März 2011 weiterbenutzt
worden sei. Dass die Beklagte zu 1. ihre eigene Belegschaft danach mit solcher
Arbeitskleidung ausgestattet habe, werde mit Nichtwissen bestritten. Maßgeblich
sei allein, dass die Beklagte zu 1. ab dem 1. April 2011 deutlich als Arbeitgeber
aufgetreten sei. Die eigenverantwortliche Ausübung der Arbeitgeberstellung sei
ausreichend, um einen Betriebsübergang zu begründen. Nach europäischem
Recht sei Betriebsinhaber gerade derjenige, der die Arbeitgeberverpflichtungen
gegenüber den Beschäftigten eingehe, was ab dem 1. April 2011 eindeutig die
Beklagte zu 1. gewesen sei. Arbeitgeber sei derjenige, der das Weisungsrecht
gegenüber den Arbeitnehmern eigenverantwortlich ausübe und in dessen
betriebliche Organisation diese eingegliedert seien. Da die Beklagte zu 1.
gegenüber den Arbeitnehmern im eigenen Namen aufgetreten sei und die
betrieblichen Organisationsstrukturen tatsächlich genutzt habe, seien diese
Voraussetzungen erfüllt. Was das wirtschaftliche Ergebnis der Tätigkeit anbelange,
sei darauf hinzuweisen, dass die Beklagte zu 1. mit der getroffenen
Vergütungsvereinbarung eine branchentypische Umsatzrendite erwirtschaftet
habe. Diese liege über dem Ergebnis, das die Beklagte zu 2. in den Jahren vor
dem Betriebsübergang erzielt habe. Es sei falsch, dass die wirtschaftlichen
Chancen und Risiken weiterhin die Beklagte zu 2. getroffen hätten. Darüber hinaus
habe die Beklagte zu 1. mit der Betriebsführung ihren originären betrieblichen
Zweck als Betriebsführungsgesellschaft verwirklicht. Der herangezogene
Normzweck des § 613 a BGB, einen Gleichlauf zwischen Arbeitsplatz und
Arbeitsverhältnis sicherzustellen, stehe der Annahme eines Betriebsüberganges
nicht entgegen. Insoweit sei nicht richtig, dass der betriebliche
Funktionszusammenhang und der Arbeitsplatz des Klägers bei der Beklagten zu
2. verblieben sei. Der über den Betriebsübergang unterrichtete Kläger habe in
Kenntnis der Vorgänge vier Jahre nie die Arbeitgeberstellung der Beklagten zu 1.
bezweifelt oder die Beklagte zu 2. als Arbeitgeberin angesprochen. Auch
Betriebsrat und Gewerkschaft hätten die Beklagte zu 1. als Arbeitgeberin
angesprochen und anerkannt; im Jahr 2014 sei der Betriebsrat als Betriebsrat der
Beklagten zu 1. gewählt worden (näher dazu vgl. das schriftsätzliche Vorbringen
der Beklagten zu 2.). Die rechtliche Qualität der Zusammenarbeit der Beklagten sei
zudem vielfach Vorfrage arbeitsgerichtlicher Auseinandersetzungen gewesen.
Dabei sei stets von einem Betriebsübergang ausgegangen worden. Dies gelte für
ein Beschlussverfahren vor der 26. Kammer des Arbeitsgerichts Stuttgart -
Kammern Ludwigsburg - 26 BV 62/13 -, in dem das Gericht zu dem Ergebnis
gekommen sei, dass es sich bei der Zusammenarbeit der Beklagten um eine
bloße unternehmerische Zusammenarbeit handle und das Bestehen eines
gemeinsamen Betriebes nicht ansatzweise ersichtlich sei. Weiter gelte dies für ein
Verfahren vor dem Arbeitsgericht Stuttgart - Kammern Ludwigsburg - 12 Ca 905/11
-, bezüglich dem der Vorsitzende im Berufungsverfahren vor dem
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 6 Sa 31/12 - im Berufungstermin
ebenfalls geäußert habe, dass er von einem Betriebsübergang ausgehe. Auch das
Arbeitsgericht Berlin habe in mehreren Verfahren (55 Ca 4863/14, 57 Ca 4865/14
und 42 Ca 8643/15) einen Betriebsübergang angenommen, erstgenanntes Urteil
sei vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mittlerweile rechtskräftig
bestätigt worden. In letztgenanntem Urteil habe das Arbeitsgericht Berlin in einem
vergleichbaren, den Standort B. betreffenden Verfahren entscheidend darauf
abgestellt, wer im Außenverhältnis gegenüber dem Personal die originären
Arbeitgeberrechte ausübe. Auch die jeweiligen Einigungsstellenvorsitzenden
hätten bei der Bejahung ihrer Zuständigkeit die Arbeitsgeberstellung der Beklagten
zu 1. anerkannt. Vor diesem Hintergrund gebiete auch die Rechtssicherheit die
Annahme eines Betriebsüberganges. In der übrigen Rechtsprechung zu
Betriebsführungsverträgen und zur Lohnfertigung, soweit solche existiere, sei
ebenfalls von Betriebsübergängen ausgegangen worden (vgl. LAG Baden-
Württemberg 24. Juni 2005 - 7 Sa 10/05; LAG Rheinland-Pfalz 12. Juli 2012 - 2 Sa
144/12).
71 Ein Gestaltungsmissbrauch liege nicht vor. Eine solcher könne nur in absoluten
Ausnahmefällen angenommen werden. Es gebe keine zum Zeitpunkt des
Betriebsübergangs vorliegenden Umstände, die hierfür sprechen könnten. Die
Nutzung eines Betriebsführungsvertrages sei eine rechtlich zulässige
Gestaltungsmöglichkeit. Es sei nicht zulässig aufgrund späterer Entwicklungen auf
die Motivation bei dessen Abschluss im Jahr 2011 zu schließen. Der Vorgang sei
Gegenstand eines Interessenausgleichs gewesen, lediglich ein Arbeitnehmer
habe dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprochen, obgleich ein
Widerspruch bei Anzeichen für einen Gestaltungsmissbrauch nahegelegen hätte.
Die Einflussmöglichkeiten von Herrn W. als Mehrheitsgesellschafter der
Gesellschaften indizierten keinen Gestaltungsmissbrauch, abgesehen davon,
dass noch andere Gesellschafter vorhanden und Beiräte gebildet seien, die
unternehmerische Entscheidungen überwachten und mitbestimmten.
72 Ferner sei eine Verfristung eingetreten. Der Kläger habe dem Betriebsübergang
nicht innerhalb der Monatsfrist des § 613 a Abs. 6 Satz 1 BGB widersprochen. Die
Vorschrift unterscheide nicht danach, mit welcher Motivation ein Arbeitnehmer
widerspreche, auch ein Widerspruch mit der Begründung, es liege möglicherweise
kein Betriebsübergang vor, unterliege der Frist. Die Bestimmung sei bereits
unmittelbar anwendbar. Die Unterrichtungspflicht sei subjektiv determiniert nach
dem Kenntnisstand des Veräußerers und des Erwerbers. Gingen diese
übereinstimmend von einem Betriebsübergang aus, seien sie zur Unterrichtung
verpflichtet, unabhängig davon ob der Arbeitnehmer die rechtliche Bewertung teile.
Die Unterrichtungspflicht bestehe in Zweifelsfällen zum Schutz der
Arbeitnehmerinteressen, um diesen das Wahlrecht zu eröffnen. Damit werde auch
in solch einem Falle wie hier die Frist ausgelöst. Das Fortsetzungsverlangen des
Arbeitsverhältnisses mit dem bisherigen Arbeitgeber könne der Arbeitnehmer auch
hier unkompliziert innerhalb eines Monats zum Ausdruck bringen. Sowohl aus
Gründen der Rechtssicherheit als auch nach dem Regelungszweck sei dieses
Ergebnis geboten. Zumindest aber sei § 613 a Abs. 6 Satz 1 BGB analog
anzuwenden.
73 Schließlich liege eine materiell-rechtliche Verwirkung vor. Soweit angenommen
werde, das Stammrecht könne nicht verwirken, sei dieser Ansatzpunkt falsch. Es
gehe nicht um die Verwirkung des Arbeitsverhältnisses selbst, sondern darum, ob
der Kläger sich noch auf Rechte aus diesem berufen könne. Dies sei gerade - wie
bereits im Rahmen der Ausführungen zur Prozessverwirkung dargetan - nicht der
Fall. Eine materiell-rechtliche Verwirkung habe zwischenzeitlich auch das
Arbeitsgericht Berlin (42 Ca 8643/15) bejaht.
74 Der Weiterbeschäftigungsantrag gegen die Beklagte zu 2. sei auch deshalb
unbegründet, weil eine Weiterbeschäftigung unmöglich sei. Die Beklagte zu 2.
unterhalte keinen Betrieb und keine Arbeitsplätze, sie vergebe die
Fertigungsaufträge seit 2011 an andere Unternehmen, wie sie am 20. Mai 2015
nochmals bekräftigt habe. Sie sei durch die Beiratsbeschlüsse gebunden und
vertraglich verpflichtet, Räume und Maschinen diesen zur Nutzung zu überlassen.
Auch verfüge sie nicht über technisch erfahrene Aufsichtspersonen für die
Produktionsmitarbeiter und sei deshalb bei einer Wiederaufnahme der Produktion
der Gefahr behördlicher Sanktionen ausgesetzt. Ihr sei es nicht zumutbar, den
Kläger tatsächlich zu beschäftigen. Im Übrigen existiere ein allgemeiner
Weiterbeschäftigungsanspruch vor rechtskräftiger Entscheidung über den
Feststellungsantrag hier nicht. Nur in Kündigungsschutzprozessen sei ein solcher
ausnahmsweise anerkannt, nicht aber in einem atypischen Falle wie dem
vorliegenden, in dem das Bestehen des Arbeitsverhältnisses auch deswegen
streitig sei, weil um das Vorliegen eines Betriebsüberganges im Jahr 2011
gestritten werde. Das Beschäftigungsinteresse des Klägers überwiege nicht.
Dieser habe über vier Jahre Zeit gehabt, über den Bestand des
Arbeitsverhältnisses zu streiten, was er unterlassen habe. Dem gegenüber
bestehe ein schutzwertes Interesse der Beklagten zu 2. an der Nichtbeschäftigung
des Klägers, nachdem in vorangegangenen Entscheidungen von einem
Betriebsübergang ausgegangen worden sei.
75
Die Beklagte zu 2. beantragt zuletzt,
76
das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Ludwigsburg - vom 8. Mai
2015 - 26 Ca 1869/14 - abzuändern;
77
die Klage gegen die Beklagte zu 2. abzuweisen.
78
Der Kläger beantragt zuletzt,
79
die Berufung der Beklagten zu 2. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Stuttgart - Kammern Ludwigsburg - vom 8. Mai 2015 - 26 Ca 1869/14 -
zurückzuweisen.
80 Der Kläger ist der Ansicht, die gegen die Beklagte zu 2. gerichteten Klaganträge
seien zulässig.
81 Eine Prozessverwirkung liege nicht vor. Das Unterlassen eines Widerspruchs
gegen den vermeintlichen Betriebsübergang spiele dabei keine Rolle, zumal dem
Kläger damals völlig unklar gewesen sei, ob ein solcher stattfinde. Bei einem
Widerspruch habe der Kläger zudem mit einer Kündigung rechnen müssen. Ein
Anlass zur Prüfung, ob ein Betriebsübergang vorliege, sei erst infolge des
Liquidationsbeschlusses und der Kündigung durch die Beklagte zu 1. entstanden.
Selbst wenn von der Erfüllung des Zeitmoments ausgegangen werden könnte,
fehle es jedenfalls am erforderlichen Umstandsmoment. Ein solches sei nicht
einmal behauptet, etwaige Dispositionen habe die Beklagte zu 2. selbst - ohne
Zutun des Klägers - veranlasst.
82 Das Anerkenntnis der Beklagten zu 1. wirke sich nicht auf das Verfahren gegen die
Beklagte zu 2. aus. Der Kläger habe gleichwohl ein Rechtsschutzinteresse an der
Klärung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses mit dieser.
83 Die vom Kläger gegen die Beklagte zu 2. gerichteten Klaganträge seien auch in
der Sache begründet.
84 Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei bei der Beklagten zu 2. verblieben, ein
Betriebsübergang auf die Beklagte zu 1. habe nicht stattgefunden. Das
Arbeitsgericht habe unter Zugrundelegung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
zutreffend festgestellt, dass die Beklagte zu 2. Betriebsinhaberin geblieben sei.
Soweit die Beklagte zu 2. ausführe, die Differenzierung zwischen sog. echten und
unechten Betriebsführungsverträgen spiele keine Rolle, sei dem entgegenzutreten,
nachdem diese Differenzierung in der Literatur herausgearbeitet worden sei. Beim
echten Betriebsführungsvertrag trete der Betriebsführer ausschließlich im fremden
Namen auf, weshalb diese Konstruktion insbesondere dann gewählt werde, wenn
das Haftungsrisiko beim Eigentümer verbleiben und die Organisationsstruktur
erhalten werden solle. Beim unechten Betriebsführungsvertrag trete der
Betriebsführer hingegen im eigenen Namen auf und sei derjenige, der sich
rechtsgeschäftlich verpflichte und das Haftungsrisiko trage. Nur in diesem Fall
könne es zu einem Betriebsübergang und einem Betriebsinhaberwechsel
kommen. Diese Betrachtungsweise entspreche der höchstrichterlichen
Rechtsprechung, nach der derjenige Betriebsinhaber sei, der den Betrieb im
eigenen Namen führe und nach außen als Betriebsinhaber auftrete. Hier liege eine
Betriebsführungsvereinbarung vor, die keinen Betriebsübergang zur Folge habe.
Die Beklagte zu 1. sei im Rahmen der Betriebsführung nicht nach außen als
Vollrechtsinhaberin aufgetreten, sondern habe lediglich als „verlängerter Arm“ der
Beklagten zu 2. aufgrund interner Anweisung und externer Vollmacht gehandelt.
Die Beklagte zu 1. habe ausschließlich W.-Produkte hergestellt, ihre
Vertragsbeziehungen, insb. Lieferanten- und Kundenbeziehungen, im Namen der
Beklagten zu 2. abgewickelt und nach außen allein in deren Namen kommuniziert.
Nach außen sei die Beklagte zu 1. mithin nicht als eigener Rechtsträger in
Erscheinung getreten, vielmehr sei sie ähnlich einer weiteren Leitungsebene der
Belegschaft vorgeschaltet worden. Das Haftungsrisiko gegenüber Dritten sei bei
der Beklagten zu 2. verblieben. Auch der werbende Marktauftritt im Internet und die
weiterhin der Belegschaft zur Verfügung gestellte Arbeitskleidung mit dem
Aufdruck „W.“, deren Tragen durch die Mitarbeiter der Beklagten zu 2. im Übrigen
bekannt sei, habe nur mit der Beklagten zu 2. in Verbindung gebracht werden
können. Gewerbliche Schutzrechte seien im Namen der Beklagten zu 2.
anzumelden gewesen und nur dieser zugestanden, obwohl der Beklagten zu 1.
auch die Führung der Abteilung „Entwicklung“ oblegen habe. Soweit die Beklagte
zu 1. den Arbeitnehmern gegenüber, nach innen hin als Betriebsinhaber
aufgetreten sei, nach außen hin aber ausschließlich im fremden Namen agiert
habe, liege möglicherweise eine Mischform aus echtem und unechtem
Betriebsführungsvertrag vor, die allerdings keinen Betriebsübergang begründe. Die
Annahme eines solchen im vorliegenden Fall entspreche nicht der
gesetzgeberischen Intention. Der beabsichtigte Schutzzweck des § 613 a BGB
könne nur erfüllt werden, wenn der Übernehmer als eigenständiger Rechtsträger
nicht nur den Arbeitnehmern gegenüber, sondern auch nach außen hin auftrete
und durch ein Mindestmaß an wirtschaftlicher und rechtlicher Autonomie
zumindest hypothetisch in der Lage sei, als Arbeitgeber zu existieren. Dies sei hier
nicht der Fall, da die Beklagte zu 1. nach außen hin nie als eigener Rechtsträger
auftrete, sie keine anderen Auftraggeber habe und damit wirtschaftlich komplett
von der Beklagten zu 2. abhängig sei, ihr faktisch die Möglichkeit fehle, eine
eigene unabhängige Entwicklung zu beschreiten, da Herr W. jeweils
Mehrheitsgesellschafter der Komplementärinnen der Beklagten sei, sie keine
eigenen, sondern ausschließlich die wirtschaftlichen Zwecke der Beklagten zu 2.
verfolge, sie am wirtschaftlichen Erfolg nicht beteiligt sei und am Markt nicht
selbständig agieren und andere Einnahmequellen erschließen könne. Es liefe dem
Schutzzweck der Norm gerade zuwider, wenn die Arbeitnehmer an einen
Arbeitgeber gebunden würden, bei dem ein „Überleben am Markt“ bereits von der
konzeptionellen Ausgestaltung nicht möglich und auch nicht vorgesehen sei.
Darüber hinaus dürfe nicht vergessen werden, dass ein Betriebsübergang die
Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit voraussetze, an der es fehle,
wenn der Übernehmer einen anderen Betriebszweck verfolge. Während es sich
bei der Beklagten zu 2. um ein produzierendes Unternehmen gehandelt habe, sei
Betriebszweck der Beklagten zu 1. die Führung eines fremden Betriebes, folglich
eine Dienstleistung. Der Betriebszweck unterscheide sich daher qualitativ
wesentlich, so dass die Identität nicht gewahrt sei. Bei der vorliegenden
Konstellation einen Betriebsübergang zu bejahen und damit ein
Auseinanderdriften von Belegschaft und Betriebsmitteln zu erlauben, öffne dem
Gestaltungsmissbrauch Tür und Tor. Der Eigentümer könne dann der
Betriebsführungsgesellschaft den Auftrag entziehen, sie ihrer wirtschaftlichen
Grundlage berauben oder sie - wie hier geschehen - liquidieren, ohne dass Mittel
für einen Sozialplan zur Verfügung ständen. Die aufgrund der Liquidation
gekündigten Arbeitnehmer erhielten dann das Angebot bei einer anderen vom
Eigentümer gegründeten Betriebsführungsgesellschaft zu schlechteren
Konditionen an ihren „alten Arbeitsplatz“ zurückzukehren. Auch die
Rechtsprechung des EuGH spreche dafür, dass in solch einer Konstellation die
Annahme eines Betriebsüberganges nicht zulässig sei. Selbst wenn es für die
Frage der Betriebsinhaberschaft alleine auf die interne Arbeitgeberstellung
ankäme, sei festzustellen, dass der Geschäftsführer der Beklagten zu 2. die
Weisungsmacht auch nach dem 1. April 2011 ausgeübt habe und weiterhin
ausübe, wofür es eine Reihe von Beispielen gebe (näher dazu vgl. das
schriftsätzliche Vorbringen des Klägers). Soweit die Beklagte zu 2. auf bisherige
gerichtliche Entscheidungen abstelle, nach denen ein Betriebsübergang
stattgefunden haben solle, sei nicht erkennbar auf welchem Sachvortrag diese
basierten. Im Verfahren vor der 26. Kammer des Arbeitsgerichts Stuttgart -
Kammern Ludwigsburg - 26 BV 62/13 - sei es zudem nicht um die Frage eines
Betriebsüberganges gegangen, sondern um das Vorliegen eines gemeinsamen
Betriebes. Die von der Beklagten zu 2. zitierten Entscheidungen des LAG Baden-
Württemberg (24. Juni 2005 - 7 Sa 10/05) und des LAG Rheinland-Pfalz (12. Juli
2012 - 2 Sa 144/12) beträfen anders gelagerte Sachverhalte.
85 Selbst wenn ein Betriebsübergang vorläge, könne sich die Beklagte zu 2. wegen
Gestaltungsmissbrauchs hierauf nicht berufen, weil sie weiterhin „die Fäden
gezogen“ habe und ein „Strohmanngeschäft“ vorliegen könne. Dafür spreche die
sofortige erhebliche Beschränkung der Betriebsführung durch die Vereinbarung
2013 nach dem Liquidationsbeschluss und die Tatsache, dass faktisch die
Beklagte zu 2., vertreten durch den Geschäftsführer ihrer Komplementärin Herrn
W., über die Nutzung des betrieblichen Funktionszusammenhangs entscheide.
Dieser habe Mitarbeitern, von denen er behaupte, sie seien solche der Beklagten
zu 1. Arbeitsverträge mit Drittunternehmen zur Unterzeichnung vorgelegt, und
Betriebsräten, die er ebenfalls als Mitarbeiter der Beklagten zu 1. ansehe, am 1.
Juni 2015 den Zutritt zum Betrieb zwecks Wahrnehmung von Betriebsratstätigkeit
verwehrt.
86 Selbst wenn im Jahr 2011 ein Betriebsübergang stattgefunden habe und kein
Gestaltungsmissbrauch vorliege, sei der Betrieb jedenfalls spätestens mit dem
Entzug der Betriebsführungsbefugnis der Beklagten zu 1. durch die Beklagte zu 2.
an diese im Wege eines erneuten Betriebsübergangs zurückgefallen.
87 Die Geltendmachung, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2. ein
Arbeitsverhältnis bestehe, sei nicht verfristet. Die Widerspruchsfrist des § 613 a
Abs. 6 Satz 1 BGB finde keine Anwendung, da kein Betriebsübergang vorliege.
Nur bei Vorliegen eines Betriebsüberganges komme es auf die Ausübung des
Widerspruchsrechts an.
88 Eine materiell-rechtliche Verwirkung liege ebenfalls nicht vor. Die Nichtausübung
des Widerspruchsrechts spiele insoweit keine Rolle, zumal dem Kläger nicht
bewusst gewesen sei, dass - entgegen der Unterrichtung - kein Betriebsübergang
stattgefunden habe. Ein Umstandsmoment bestehe nicht, wenn der Berechtigte
von den ihm zustehenden Ansprüchen nichts wisse, insb. wenn die Unkenntnis
auf einem Verhalten des Verpflichteten beruhe. Der Kläger sei nicht verpflichtet
gewesen, das Unterrichtungsschreiben auf seine sachliche Richtigkeit zu
überprüfen, sondern habe von einer zutreffenden Unterrichtung durch die Beklagte
zu 2. ausgehen dürfen. Wie bereits erwähnt habe der Kläger bei einem
Widerspruch im Übrigen mit einer Kündigung rechnen müssen und habe ein
Anlass zur Prüfung, ob ein Betriebsübergang vorliege, sich erst infolge des
Liquidationsbeschlusses und der Kündigung durch die Beklagte zu 1. ergeben.
89 Der Weiterbeschäftigungsantrag sei ebenfalls begründet. Da die Beklagte zu 2.
weiterhin Betriebsinhaberin sei, sei ihr eine Weiterbeschäftigung möglich. Mit
Nichtwissen werde bestritten, dass sie die Produktionsmittel nicht frei verfügbar zur
Beschäftigung des Klägers einsetzen könne. Soweit überhaupt wirksame Verträge
abgeschlossen worden seien, seien diese zwischenzeitlich gekündigt bzw.
kündbar, so dass eine Beschäftigung ermöglicht werden könne.
90 Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend auf die
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die
Protokolle der Termine zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer erster und
zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
91 Die zulässige Berufung der Beklagten zu 2. ist nur teilweise begründet.
Unbegründet ist sie, soweit die Beklagte zu 2. sich mit ihrer Berufung gegen die
Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses zwischen ihr und dem
Kläger wendet. Begründet ist sie, soweit sich ihre Berufung gegen die
Weiterbeschäftigungsverurteilung richtet.
92 1. Die Berufung der Beklagten zu 2. ist zulässig, insbesondere ist sie gemäß § 64
Abs. 2 Buchst. b und c ArbGG statthaft und wurde gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64
Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519 Abs. 1 und 2, 520 Abs. 1 und 3 ZPO frist- und
formgerecht eingelegt und begründet.
93 2. Die Berufung der Beklagten zu 2. ist allerdings unbegründet, soweit sie sich mit
ihr gegen die Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses zwischen ihr
und dem Kläger wendet. Der Feststellungsantrag des Klägers, der dahingehend
zu verstehen ist, dass damit festgestellt werden soll, dass zwischen ihm und der
Beklagten zu 2. über den 31. März 2011 hinaus jedenfalls bis zum Schluss der
mündlichen Verhandlung erster Instanz am 8. Mai 2015 ein Arbeitsverhältnis
bestand, ist zulässig und auch in der Sache begründet.
94 a) Der allgemeine Feststellungsantrag des Klägers gemäß § 256 Abs. 1 ZPO,
wonach festgestellt werden soll, dass zwischen ihm und der Beklagten zu 2. über
den 31. März 2011 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht, ist so zu verstehen, dass
damit die Feststellung begehrt wird, dass zwischen ihm und der Beklagten zu 2.
über den 31. März 2011 hinaus jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen
Verhandlung erster Instanz am 8. Mai 2015 ein Arbeitsverhältnis bestand.
95 aa) Gegenstand eines erstinstanzlichen Urteils, mit dem der Arbeitnehmer
hinsichtlich eines gegen den Arbeitgeber auf das Bestehen eines
Arbeitsverhältnisses gerichteten allgemeinen Feststellungsantrages iSd. § 256
Abs. 1 ZPO obsiegt, ist der Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluss
der mündlichen Verhandlung erster Instanz. Da Urteilsgegenstand und
Streitgegenstand identisch sind, kann der Antrag des Arbeitnehmers nicht weiter
reichen (vgl. BAG 10. Oktober 2002 - 2 AZR 622/01 - Rn. 32; HaKo-Gallner 5.
Aufl. § 4 Rn. 54).
96 bb) Legt der Arbeitgeber gegen ein solches Urteil Berufung ein, hat das
Landesarbeitsgericht zu prüfen, ob das Vorbringen des Arbeitnehmers im
Berufungsverfahren dahin zu deuten ist, dass er seinen Antrag im Wege der
Anschlussberufung nach § 524 ZPO auf die Feststellung der Fortdauer des
Arbeitsverhältnisses bis zum Ende der Berufungsverhandlung erweitern und
somit das sonst zugunsten des Arbeitgebers wirkende Verschlechterungsverbot
„ausschalten“ will. Dabei sind eindeutige Anhaltspunkte im Berufungsvorbringen
des Arbeitnehmers erforderlich, um eine zeitliche Erweiterung des
Feststellungsantrages annehmen zu können. Der mit dem Streitgegenstand
identische Urteilsgegenstand kann sich andernfalls nicht auf Sachverhalte
beziehen, die sich erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten
Rechtszug zugetragen haben, wie etwa den danach erfolgten Ausspruch einer
Kündigung. Ohne neuen, als Anschlussberufung zu verstehenden Vortrag im
Berufungsverfahren kann sich der Streitgegenstand nach Verkündung des
erstinstanzlichen Urteils nicht ändern. Ansonsten wäre der Arbeitgeber, der
während der Berufungsfrist eine Kündigung ausspricht, bei einem positiv
beschiedenen allgemeinen Feststellungsantrag gezwungen, deren Wirksamkeit
im Wege der Berufungseinlegung geltend zu machen. Nur der Vortrag der
Parteien kann eine solche Kündigung daher zum Gegenstand des
Berufungsverfahrens machen (vgl. BAG 10. Oktober 2002 - 2 AZR 622/01 - Rn.
32; HaKo-Gallner 5. Aufl. § 4 Rn. 54).
97 cc) Gemessen daran umfasst der Streitgegenstand des allgemeinen
Feststellungsantrages des Klägers im Berufungsverfahren - wie bereits
erstinstanzlich - die Feststellung, dass zwischen ihm und der Beklagten zu 2.
über den 31. März 2011 hinaus jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen
Verhandlung erster Instanz am 8. Mai 2015 ein Arbeitsverhältnis bestand. Der
Kläger hat weder ausdrücklich eine Anschlussberufung gemäß § 524 ZPO
eingelegt, noch kann sein Vortrag im Berufungsverfahren in diesem Sinne
gedeutet werden. Im Gegenteil, der Kläger hat die nach Verkündung des
erstinstanzlichen Urteils von der Beklagten zu 2. vorsorglich ausgesprochene
Kündigung in einem gesonderten Kündigungsschutzverfahren vor dem
Arbeitsgericht Stuttgart - Kammern Ludwigsburg - angegriffen und dort sowohl
einen punktuellen Kündigungsschutzantrag nach § 4 Satz 1 KSchG als auch
einen allgemeinen Feststellungsantrag (in Gestalt eines sog.
„Schleppnetzantrages“) nach § 256 Abs. 1 ZPO gestellt. Damit hat er deutlich
zum Ausdruck gebracht, dass er die Wirksamkeit dieser Kündigung und etwaiger
Folgekündigungen der Beklagten zu 2. gerade nicht im Rahmen des
Berufungsverfahrens, sondern im Rahmen des arbeitsgerichtlichen
Folgeverfahrens überprüft wissen will. Verstände man das Vorbringen des
Klägers im Berufungsverfahren anders, erschiene dies auch deshalb nicht
sachgerecht, da dann eine doppelte Rechtshängigkeit einträte, die der Kläger
gewiss nicht beabsichtigt hat.
98 b) Ist der Feststellungsantrag des Klägers iSv. § 256 Abs. 1 ZPO demzufolge im
genannten Sinne zu verstehen, genügt er den Anforderungen an die Zulässigkeit.
Insbesondere ist er nicht wegen entgegenstehender Rechtskraft, doppelter
Rechtshängigkeit, Prozessverwirkung oder fehlendem Feststellungsinteresse
unzulässig.
99 aa) Das Feststellungsbegehren des Klägers ist nicht wegen entgegenstehender
Rechtskraft iSd. § 322 Abs. 1 ZPO unzulässig. Eine solche ergibt sich nicht aus
dem rechtskräftigen Teilanerkenntnisurteil des Berufungsgerichts vom 19.
November 2015, mit dem festgestellt wurde, dass das Arbeitsverhältnis des
Klägers mit der Beklagten zu 1. durch die Kündigung der Beklagten zu 1. vom 28.
Oktober 2014 nicht beendet wurde. Hierzu hat das Gericht in den
Zwangsvollstreckungsbeschlüssen bereits das Folgende ausgeführt (vgl. etwa
LAG Baden-Württemberg 9. November 2015 - 18 Ta 18/15):
100 „Entgegen der Auffassung der Beklagten Ziff. 2 steht mit dem Anerkenntnis der
Beklagten Ziff. 1, auch wenn dieses in Rechtskraft erwachsen sollte, nicht fest,
dass die Klage gegenüber der Beklagten Ziff. 2 zwangsläufig unzulässig (…) ist.
Richtig ist zwar, dass bei materieller Prüfung der Klage entweder die Anträge
gegen die Beklagte Ziff. 1 oder aber diejenigen gegen die Beklagte Ziff. 2
abzuweisen wären. Da bei einem Anerkenntnis aber gerade keine
Schlüssigkeits- und Begründetheitsprüfung stattfindet, sondern bei zulässigen
Anträgen ohne weitere Prüfung dem Anerkenntnis gemäß verurteilt wird, besteht
in diesem Fall gerade kein Ausschlussverhältnis. Erwiese sich die
Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts, dass das Arbeitsverhältnis nicht auf die
Beklagte Ziff. 1 übergegangen, sondern bei der Beklagten Ziff. 2 verblieben ist,
als zutreffend, wäre das Landesarbeitsgericht nicht gehindert, das
arbeitsgerichtliche Urteil insoweit zu bestätigen. Soweit das zu erlassende
Anerkenntnisurteil in Rechtskraft erwachsen sollte, wirkt diese nur inter partes im
Verhältnis zwischen Kläger und Beklagter Ziff. 1. Die von der Beklagten Ziff. 2
angenommene Präklusion besteht nicht.“
101 An dieser Auffassung hält die Kammer fest. In Ergänzung dieser Begründung ist
darauf hinzuweisen, dass, wenn in Betriebsübergangsfällen der (vermeintliche)
Betriebsveräußerer und der (vermeintliche) Betriebserwerber in einem Verfahren
verklagt werden - wie es hier der Fall war, diese lediglich einfache Streitgenossen
iSd. §§ 59, 60 ZPO und nicht etwa notwendige Streitgenossen iSd. § 62 ZPO sind
(vgl. BAG 22. August 2013 - 8 AZR 521/12 - Rn. 37; 24. Juni 2004 - 2 AZR 215/03
- Rn. 26; 25. April 1996 - 5 AS 1/96 - Rn. 31). Eine notwendige
Streitgenossenschaft entsteht nämlich nicht allein dadurch, dass in
verschiedenen Rechtsstreitigkeiten bzw. in verschiedenen
Prozessrechtsverhältnissen in einem Verfahren dieselbe (Vor-)Frage von
Bedeutung ist, wie etwa die Frage, ob ein Betriebsübergang vorgelegen hat (vgl.
BAG 22. August 2013 - 8 AZR 521/12 - Rn. 37). Liegt demgemäß eine einfache
Streitgenossenschaft vor, wurden die gegen die beiden Beklagten gerichteten
Klagen lediglich aus Gründen der prozessualen Zweckmäßigkeit in einem
einheitlichen Verfahren zusammengefasst, in welchem jedoch die Entscheidung -
aus prozessualen Gründen - gegen den einen Streitgenossen anders lauten
kann als diejenige gegen den anderen Streitgenossen (vgl. BAG 25. April 1996 -
5 AS 1/96 - Rn. 31). Eine Rechtskrafterstreckung bei einfacher
Streitgenossenschaft, wie sie hier zwischen den Beklagten zu 1. und zu 2. vorlag,
erfolgt nicht. Allein dass aus Gründen der Logik eine einheitliche Entscheidung
wünschenswert wäre, genügt nicht für die Annahme einer
Rechtskrafterstreckung. Lediglich angemerkt sei, dass es die Beklagten selbst in
der Hand gehabt hätten, eine Feststellung von Arbeitsverhältnissen mit beiden
Beklagten im Falle des Nichtvorliegens eines Betriebsüberganges zu vermeiden.
Hätte die Beklagte zu 1. den gegen sie gerichteten punktuellen
Kündigungsschutzantrag nicht anerkannt, wäre dieser - wie bereits vom
Arbeitsgericht zutreffend erkannt und begründet - abzuweisen gewesen. Da eine
subjektiv bedingte Klagehäufung unzulässig ist und eine alternative
Antragstellung durch den Kläger, wie sie die Beklagte zu 2. als zweckmäßig
erachtet (negative Feststellungsklage gegen die Beklagte zu 1., dass mit ihr kein
Arbeitsverhältnis bestehe, hilfsweise punktuelle Kündigungsschutzklage gegen
die Beklagte zu 1. sowie Klage auf Feststellung des Bestehens eines
Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2.; vgl. HaKo-Mestwerdt/Wemheuer 5.
Aufl. § 613a BGB Rn. 212), ihrerseits mit erheblichen Risiken für den Kläger
verbunden ist, wie das Bundesarbeitsgericht jüngst aufgezeigt hat (vgl. BAG 24.
September 2015 - 2 AZR 562/14 - Rn. 21), ist es nachvollziehbar, dass der Kläger
den Weg einer unbedingten subjektiven Klagehäufung, wie sie hier vorlag,
beschritten hat. Das Ergebnis der Feststellung von Arbeitsverhältnissen mit
beiden Beklagten im Falle des Nichtvorliegens eines Betriebsüberganges ist
daher nicht einer nicht nachvollziehbaren Antragstellung des Klägers, sondern
der Prozesstaktik der Beklagten geschuldet.
102 bb) Der Feststellungsantrag des Klägers ist nicht wegen doppelter
Rechtshängigkeit iSd. § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO unzulässig. Es wurde bereits
aufgezeigt, dass dieser dahingehend zu verstehen ist, dass damit die
Feststellung begehrt wird, dass zwischen ihm und der Beklagten zu 2. über den
31. März 2011 hinaus jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung
erster Instanz am 8. Mai 2015 ein Arbeitsverhältnis bestand. Eine doppelte
Rechtshängigkeit wird damit vermieden. Soweit der Kläger vor dem Arbeitsgericht
Stuttgart - Kammern Ludwigsburg - einen punktuellen Kündigungsschutzantrag
nach § 4 Satz 1 KSchG gegen die vorsorgliche Kündigung der Beklagten zu 2.
erhoben hat, erfasst dieser - unter Zugrundelegung des sog. erweiterten
punktuellen Streitgegenstandsbegriffes - zwar grundsätzlich die Frage, ob zum
Zeitpunkt der Kündigung zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2. ein
Arbeitsverhältnis bestand, mithin auch, ob ein solches schon zuvor infolge eines
Betriebsüberganges nicht mehr mit der Beklagten zu 2. fortbestand (vgl. BAG 18.
Dezember 2014 - 2 AZR 163/14 - Rn. 22). Vorliegend ist indes - bei
sachgerechtem Antragsverständnis - davon auszugehen, dass der Kläger
konkludent den Gegenstand seines Kündigungsschutzantrages in dem vor dem
Arbeitsgericht anhängigen Folgeverfahren gegen die Beklagte zu 2. - rein
punktuell - im Wege der sog. Ausklammerung begrenzt und das Vorliegen eines
Betriebsüberganges im vorliegenden Verfahren und nicht ein erneutes Mal vor
dem Arbeitsgericht überprüft wissen will (zur sog. Ausklammerung vgl. etwa BAG
22. November 2012 - 2 AZR 732/11 - Rn. 20; 18. Dezember 2014 - 2 AZR 163/14
- Rn. 22). Entsprechendes gilt im Hinblick auf den dort weiter erhobenen, allein
zukunftsgerichtet zu verstehenden allgemeinen Feststellungsantrag (in Gestalt
eines sog. „Schleppnetzantrages“) gemäß § 256 Abs. 1 ZPO.
103 cc) Der Feststellungantrag des Klägers ist entgegen der Auffassung der
Beklagten zu 2. nicht wegen Prozessverwirkung unzulässig.
104 (1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann das Recht,
eine Klage zu erheben, verwirkt werden mit der Folge, dass eine dennoch
erhobene Klage unzulässig ist. Dies kommt jedoch nur unter besonderen
Voraussetzungen in Betracht. Das Klagerecht soll ausnahmsweise verwirken
können, wenn der Anspruchsteller die Klage erst nach Ablauf eines längeren
Zeitraums erhebt und zusätzlich ein Vertrauenstatbestand beim
Anspruchsgegner geschaffen worden ist, dass er gerichtlich nicht mehr belangt
werde. Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes das Interesse des
Berechtigten an der sachlichen Prüfung des von ihm behaupteten Anspruchs
derart überwiegen, dass dem Gegner die Einlassung auf die nicht innerhalb
angemessener Frist erhobene Klage nicht mehr zumutbar ist. Durch die
Annahme einer prozessualen Verwirkung darf der Weg zu den Gerichten nicht in
unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigenden Weise erschwert
werden. Dies ist im Zusammenhang mit den an das Zeit- und Umstandsmoment
zu stellenden Anforderungen zu berücksichtigen (vgl. etwa BAG 20. April 2011 - 4
AZR 368/09 - Rn. 23; 10. Oktober 2007 - 7 AZR 448/06 - Rn. 17).
105 (2) Die Voraussetzungen einer Prozessverwirkung liegen im Streitfall nicht vor.
Der Beklagten zu 2. ist die Einlassung auf das Klagebegehren des Klägers nicht
unzumutbar. Dabei kann dahinstehen, ob das Recht, sich auf den Bestand eines
Arbeitsverhältnisses zu berufen, in Gestalt einer Prozessverwirkung überhaupt
verwirken kann (offenlassend bzgl. der materiell-rechtlichen Verwirkung BAG 13.
August 2008 - 7 AZR 269/07 - Rn. 36 mwN) und ob das Zeitmoment erfüllt ist,
nachdem der Kläger das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses mit der
Beklagten zu 2. erstmals nahezu vier Jahre nach dem behaupteten
Betriebsübergang auf die Beklagte zu 1. geltend gemacht hat. Jedenfalls fehlt es
an dem für eine Prozessverwirkung erforderlichen Umstandsmoment. Ein
Verhalten des Klägers, aus dem die Beklagte zu 2. ein berechtigtes Vertrauen
hätte ableiten können, dieser sei in Kenntnis eines ihm zustehenden Rechts
untätig geblieben, ist nicht ersichtlich. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass
dem Kläger bekannt war, dass in Wirklichkeit zum 1. April 2011 kein
Betriebsübergang stattgefunden hat und er in Kenntnis dessen untätig geblieben
ist. Er durfte vielmehr - infolge der Unterrichtung nach §613a Abs. 5 BGB durch
die Beklagte zu 2. - gerade davon ausgehen, dass ein solcher erfolgt ist. Dabei
war er nicht verpflichtet, das Unterrichtungsschreiben auf seine sachliche
Richtigkeit zu überprüfen und die Beklagte zu 2. auf deren möglicherweise
fehlerhafte Rechtsauffassung hinzuweisen. Er konnte vielmehr davon ausgehen,
dass die Beklagte zu 2. ihn entsprechend ihrer gesetzlichen Verpflichtung nach §
613a Abs. 5 BGB zutreffend unterrichtet hat. Allein aus der widerspruchsfreien
Vertragsdurchführung in der Folgezeit, etwa durch seine Weiterarbeit bei der
Beklagten zu 1. oder bspw. durch eine etwaige Teilnahme an der
Betriebsratswahl bei der Beklagten zu 1. im Jahr 2014, kann ein
Umstandsmoment nicht hergeleitet werden. Der Kläger hat letztlich nur
nachvollzogen, was ihm in dem Unterrichtungsschreiben anlässlich des
behaupteten Betriebsübergangs von der Beklagten zu 2. als bestehende
Rechtslage mitgeteilt wurde. Es fehlt an einer besonderen
vertrauensbegründenden Verhaltensweise des Klägers, mit der er gegenüber der
Beklagten zu 2. den Anschein hätte erwecken können, er werde sich auf den
Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses mit ihr nicht mehr berufen (vgl. dazu BAG
22. Februar 2012 - 4 AZR 3/10 - Rn. 32). Die Beklagte zu 2. musste damit
rechnen im Falle der Liquidation der Beklagten zu 1. und im Falle von darauf
gestützten Kündigungen, von den Gekündigten als Arbeitgeber in Anspruch
genommen zu werden, zumal das Vorliegen eines Betriebsüberganges bereits im
Jahr 2012 in einem vergleichsweise beigelegten Rechtsstreit vor dem
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 6 Sa 31/12 - thematisiert wurde. Auch
wenn der Vorsitzende der 6. Kammer damals darauf hingewiesen haben mag,
dass von einem Betriebsübergang auf die Beklagte zu 1. auszugehen sei,
musste die Beklagte zu 2. damit rechnen, dass gekündigte Arbeitnehmer eine
andere Rechtsauffassung vertreten und diese einer gerichtlichen Klärung
zuführen, nachdem der Übertragungsvorgang ihrem eigenen Vortrag nach
„möglicherweise ein Grenzfall“ ist. Soweit die Beklagte zu 2. anführt, sie habe die
tatsächliche Handhabung des Betriebsführungsvertrages über mehrere Jahre
nicht im Einzelnen dokumentiert, wie dies nahe gelegen hätte, wäre dieser von
Anfang an streitig gewesen, so dass ihre Rechtsverteidigung beeinträchtigt sei, ist
dies bereits deshalb unerheblich, weil der Kläger - wie dargelegt - keine
besondere vertrauensbegründende Verhaltensweise an den Tag gelegt hat. Im
Übrigen kommt zum einen hinzu, dass die tatsächliche Handhabung des
Betriebsführungsvertrages weitestgehend unstreitig ist, so dass in einer etwaig
fehlenden Dokumentation keine Beeinträchtigung der Rechtsverteidigung liegen
kann. Abgesehen davon geht das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass
Beweisschwierigkeiten, denen der Verpflichtete deshalb ausgesetzt ist, weil der
Gläubiger seine Rechte erst nach längerer Zeit geltend macht, den Einwand der
Prozessverwirkung grundsätzlich nicht rechtfertigen (vgl. BAG 10. Oktober 2007 -
7 AZR 448/06 - Rn. 19). Soweit die Beklagte zu 2. darauf hinweist, dass sie
Dispositionen getroffen habe, indem sie weitere Gesellschaften mit der
Lohnfertigung und Dienstleistungen beauftragt habe, ist auch dies schon
deswegen irrelevant, da der Kläger keine besondere vertrauensbegründende
Verhaltensweise gezeigt hat, die Auslöser hierfür gewesen sein könnte. Soweit
die Beklagte zu 2. schließlich anmerkt, der Kläger habe unproblematisch im Jahr
2011 einem Betriebsübergang widersprechen können, wenn er das
Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 2. habe fortsetzen wollen, weist der Kläger
zu Recht darauf hin, dass ihm dann bereits damals die Kündigung gedroht hätte.
Schon in § 3 Ziff. 5 des Interessenausgleichs vom 28. Oktober 2010 heißt es,
dass bei einem Widerspruch damit gerechnet werden muss, dass der Arbeitsplatz
gefährdet ist. Der einzig widersprechende Arbeitnehmer erhielt damals offenbar
auch eine Kündigung. Veranlassung für den Kläger, die Beklagte zu 2. in
Anspruch zu nehmen, bestand erst nach der Kündigung seines
Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte zu 1., im Zuge des hiergegen
angestrengten Kündigungsschutzprozesses hat er dies getan.
106 dd) Schließlich ist der Feststellungsantrag des Klägers auch nicht mangels
Feststellungsinteresses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO unzulässig. Da die Beklagte zu 2.
das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit ihr über den 31. März 2011 hinaus
bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz am 8. Mai 2015 in
Abrede stellt, besteht ein Feststellungsinteresse. Soweit der Antrag in der
dargelegten, gebotenen Auslegung mittlerweile den Charakter einer
vergangenheitsbezogenen Feststellung angenommen hat, steht dies dem nicht
entgegen. Die Entscheidung über den Feststellungsantrag zeitigt Rechtsfolgen
für die Zukunft, da mit ihr der Streit über das Vorliegen eines Betriebsüberganges
und damit die Frage der Arbeitgeberstellung einer Klärung zugeführt werden kann
(vgl. etwa BAG 16. November 2011 - 4 AZR 839/09 - Rn. 24). Soweit die Beklagte
zu 2. den Antrag als „widersprüchlich“ und „rechtsmissbräuchlich“ bezeichnet und
damit möglicherweise das Feststellungsinteresse (oder das
Rechtsschutzbedürfnis) in Abrede stellen will, ist dies nicht plausibel. Dass das
prozessuale Vorgehen des Klägers nachvollziehbar erscheint, wurde bereits im
Rahmen der Erörterungen zur Rechtskraft und zur Prozessverwirkung aufgezeigt.
107 c) Der Feststellungantrag des Klägers ist auch in der Sache begründet.
Antragsgemäß war festzustellen, dass zwischen ihm und der Beklagten zu 2.
über den 31. März 2011 hinaus jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen
Verhandlung erster Instanz am 8. Mai 2015 ein Arbeitsverhältnis bestand. Da
sonstige Beendigungstatbestände in diesem Zeitraum nicht im Streit stehen, folgt
dies daraus, dass das unstreitig bis zum 31. März 2011 mit der Beklagten zu 2.
bestehende Arbeitsverhältnis nicht zum 1. April 2011 - oder zu einem späteren
Zeitpunkt im streitgegenständlichen Zeitraum - von der Beklagten zu 2. auf die
Beklagte zu 1. im Wege eines Betriebsüberganges nach § 613 a Abs. 1 Satz 1
BGB übergegangen ist. Die Voraussetzungen für einen Betriebsübergang sind
nicht gegeben, das Arbeitsverhältnis verblieb bei der Beklagten zu 2. Die
Berufung des Klägers auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit der
Beklagten zu 2. ist materiell-rechtlich weder verfristet noch verwirkt mit der Folge,
dass sein Feststellungsantrag begründet ist.
108 aa) Die Voraussetzungen für einen Betriebsübergang iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1
BGB sind nicht gegeben, das Arbeitsverhältnis des Klägers verblieb über den 31.
März 2011 hinaus jedenfalls bis zum 8. Mai 2015 bei der Beklagten zu 2, es ging
nicht auf die Beklagte zu 1. über. Denn es fehlt bereits an einem für einen
Betriebsübergang zwingend erforderlichen Betriebsinhaberwechsel. Ob die
übrigen Voraussetzungen für einen Betriebsübergang gegeben sind, bedarf
angesichts dessen keiner Erörterung.
109 (1) Ein Betriebsübergang iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB und im Sinne der
Richtlinie 2001/23/EG liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger eine bestehende
wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt (vgl. EuGH 6. März
2014 - C-458/12 - [Amatori ua.] Rn. 30 mwN; BAG 22. Januar 2015 - 8 AZR
139/14 - Rn. 13). Dabei muss es um eine auf Dauer angelegte Einheit gehen,
deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt
ist. Um eine solche Einheit handelt es sich bei jeder hinreichend strukturierten
und selbständigen Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer
wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck (vgl. EuGH 6. März 2014 - C-458/12
- Amatori ua.] Rn. 31 f. mwN; BAG 22. Januar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 14). Den
für das Vorliegen eines Übergangs maßgebenden Kriterien kommt je nach der
ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden
unterschiedliches Gewicht zu (vgl. EuGH 15. Dezember 2005 - C-232/04 und C-
233/04 - [Güney-Görres und Demir] Rn. 35; BAG 22. Januar 2015 - 8 AZR 139/14
- Rn. 15). Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit ihre Identität bewahrt, müssen
sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt
werden. Dazu gehören namentlich die Art des Unternehmens oder Betriebs, der
etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche
Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige
Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige
Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und
nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen
Unterbrechung dieser Tätigkeiten. Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte
der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert
betrachtet werden (vgl. EuGH 20. Januar 2011 - C-463/09 - [CLECE] Rn. 34; BAG
22. Januar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 15).
110 (2) Kommt es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an, kann eine
strukturierte Gesamtheit von Arbeitnehmern trotz des Fehlens nennenswerter
materieller oder immaterieller Vermögenswerte eine wirtschaftliche Einheit
darstellen. Wenn eine Einheit ohne nennenswerte Vermögenswerte funktioniert,
kann die Wahrung ihrer Identität nach ihrer Übernahme nicht von der Übernahme
derartiger Vermögenswerte abhängen. Die Wahrung der Identität der
wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue
Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch
einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt (vgl.
EuGH 6. September 2011 - C-108/10 - [Scattolon] Rn. 49; BAG 22. Januar 2015 -
8 AZR 139/14 - Rn. 16). Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch
einen anderen (Funktionsnachfolge) ebenso wenig einen Betriebsübergang dar
wie die reine Auftragsnachfolge (vgl. EuGH 20. Januar 2011 - C-463/09 -
[CLECE] Rn. 36 und 415; BAG 22. Januar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 18). Eine
wirtschaftliche Einheit darf nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden (vgl. EuGH
20. Januar 2011 - C-463/09 - [CLECE] Rn. 41, BAG 22. August 2013 - 8 AZR
521/12 - Rn. 41). Kommt es im Wesentlichen auf die Betriebsmittel wie etwa das
Inventar an, dann kann ein Übergang einer ihre Identität bewahrenden Einheit
auch ohne Übernahme von Personal vorliegen (vgl. EuGH 20. November 2003 -
C-340/01 - [Abler ua.] Rn. 37; BAG 22. Januar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 17).
Ohne Bedeutung ist, ob das Eigentum an den eingesetzten Betriebsmitteln
übertragen worden ist (vgl. EuGH 20. November 2003 - C-340/01 - [Abler ua.] Rn.
41; BAG 22. Januar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 17).
111 (3) Wesentliche Änderungen in der Organisation, der Struktur oder im Konzept
der betrieblichen Tätigkeit können einer Wahrung der Identität entgegenstehen.
So spricht eine Änderung des Betriebszwecks gegen eine im Wesentlichen
unveränderte Fortführung des Betriebes und damit gegen die für einen
Betriebsübergang erforderliche Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit
(vgl. BAG 23. Mai 2013 - 8 AZR 207/12 - Rn. 24; 22. August 2013 - 8 AZR 521/12
- Rn. 43). Ein Betriebsübergang scheidet auch aus, wenn die funktionelle
Verknüpfung der Wechselbeziehung und gegenseitigen Ergänzung zwischen
den Produktionsfaktoren beim anderen Unternehmer verloren geht. Bei einer
Eingliederung der übertragenen Einheit in die Struktur des Erwerbers fällt der
Zusammenhang dieser funktionellen Verknüpfung der Wechselbeziehung und
gegenseitigen Ergänzung zwischen den für einen Betriebsübergang
maßgeblichen Faktoren nicht zwangsläufig weg. Die Beibehaltung der
„organisatorischen Selbstständigkeit“ ist nicht erforderlich, wohl aber die
Beibehaltung des Funktions- und Zweckzusammenhangs zwischen den
verschiedenen übertragenen Faktoren, der es dem Erwerber erlaubt, diese
Faktoren, auch wenn sie in eine andere Organisationsstruktur eingegliedert
werden, zur Verfolgung einer bestimmten wirtschaftlichen Tätigkeit zu nutzen (vgl.
EuGH 12. Februar 2009 - C-466/07 - [Klarenberg] - Rn. 48; BAG 22. August 2013
- 8 AZR 521/12 - Rn. 44)
112 (4) Der Betriebsübergang tritt mit dem Wechsel in der Person des Inhabers des
Betriebs ein. Der bisherige Betriebsinhaber muss seine wirtschaftliche Betätigung
in dem Betrieb einstellen, der Übernehmer muss die Geschäftstätigkeit tatsächlich
weiterführen oder wieder aufnehmen (vgl. BAG 27. September 2012 - 8 AZR
826/11 - Rn. 21; 31. Januar 2008 - 8 AZR 2/07 - Rn. 28). Entscheidendes
Kriterium für den Betriebsübergang ist die tatsächliche Weiterführung oder
Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit. Einer besonderen Übertragung einer
irgendwie gearteten Leitungsmacht bedarf es wegen des Merkmals der
Fortführung des Betriebs nicht (vgl. BAG 27. September 2012 - 8 AZR 826/11 -
Rn. 21; 10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11 - Rn. 27). Allerdings tritt der Wechsel der
Inhaberschaft nicht ein, wenn der neue „Inhaber” den Betrieb gar nicht führt (vgl.
BAG 10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11 - Rn. 27). Maßgeblich ist die Weiterführung der
Geschäftstätigkeit durch diejenige Person, die nunmehr für den Betrieb als
Inhaber „verantwortlich“ ist (vgl. BAG 27. September 2012 - 8 AZR 826/11 - Rn.
21; 10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11 - Rn. 27; 31. Januar 2008 - 8 AZR 2/07 - Rn.
28). Verantwortlich ist die Person, die den Betrieb im eigenen Namen führt und
nach außen als Betriebsinhaber auftritt (vgl. BAG 27. September 2012 - 8 AZR
826/11 - Rn. 21; 10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11 - Rn. 27, 49; 31. Januar 2008 - 8
AZR 2/07 - Rn. 28) . Es kommt nicht allein darauf an, wer im Verhältnis zur
Belegschaft als Inhaber auftritt, sondern auf die umfassende Nutzung des
Betriebs nach außen (vgl. BAG 27. September 2012 - 8 AZR 826/11 - Rn. 21; 10.
Mai 2012 - 8 AZR 434/11 - Rn. 27, 49; 31. Januar 2008 - 8 AZR 2/07 - Rn. 28; 13.
Dezember 2007 - 8 AZR 1107/06 - Rn. 24; 20. März 2003 - 8 AZR 312/02 - Rn.
43). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des EuGH, wonach der Zeitpunkt
des Übergangs dem Zeitpunkt entspricht, zu dem die Inhaberschaft, mit der die
Verantwortung für den Betrieb der übertragenen Einheit verbunden ist, vom
Veräußerer auf den Erwerber übergeht und dieser den Betrieb fortführt (vgl.
EuGH 26. Mai 2005 - C-478/03 - [Celtec] Rn. 36). Nicht erforderlich ist es dabei,
dass der neue Inhaber den Betrieb auf eigene Rechnung führt. Unschädlich ist es
daher, wenn der Gewinn an einen anderen abgeführt wird (vgl. BAG 10. Mai 2012
- 8 AZR 434/11 - Rn. 27; 13. Dezember 2007 - 8 AZR 1107/06 - Rn. 24). Einem
Betriebsinhaberwechsel steht es auch nicht entgegen, wenn der Erwerber im
Innenverhältnis Bindungen unterliegt oder zur Veräußerung der Betriebsmittel im
eigenen Namen nicht befugt ist. Entscheidend ist vielmehr, dass er im
Außenverhältnis als Vollrechtsinhaber auftritt und die Verfügungsbefugnis über
den betrieblichen Funktionszusammenhang erlangt hat (vgl. BAG 10. Mai 2012 -
8 AZR 434/11 - Rn. 43).
113 (5) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der Betrieb der Beklagten zu 2.
nicht zum 1. April 2011 gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagte zu 1.
übergegangen, weil kein Wechsel in der Person des Inhabers des Betriebs
vorliegt. Die Beklagte zu 2. hat ihre Inhaberstellung damals nicht verloren, die
Beklagte zu 1. ist nicht Betriebsinhaberin geworden. Dies folgt daraus, dass durch
die Beklagte zu 1. gerade keine umfassende Nutzung des Betriebs nach außen
erfolgt ist, sie nicht im Außenverhältnis als Vollrechtsinhaberin aufgetreten ist und
sie nicht die Verfügungsbefugnis über den betrieblichen
Funktionszusammenhang erlangt hat. Ob vorliegend noch andere Gründe einem
Betriebsinhaberwechsel entgegenstehen, kann dahinstehen.
114 (a) Gemäß der Vereinbarung 2011 übernahm die Beklagte zu 1. ab dem 1. April
2011 die komplette Produktion der W.-Produkte in Lohnfertigung und war im
Übrigen beauftragt, den Betrieb führen (vgl. Vorbemerkung und §§ 1, 6
Vereinbarung 2011). Die Lohnfertigung durch die Beklagte zu 1. umfasste gemäß
§ 1 Vereinbarung 2011 bei unentgeltlicher Überlassung der Betriebsmittel die
Herstellung der Produkte nach den Vorgaben der Beklagten zu 2., wobei hierfür
als Vergütung die Erstattung der Lohnkosten zuzüglich eines Aufschlages von 3
% auf die Bruttolohnsummen und die Erstattung von Sachkosten vorgesehen
war. Die Warenbeschaffung für die Lohnfertigung bei Dritten durch die Beklagte
zu 1. erfolgte gemäß § 4 Vereinbarung 2011 im Namen und auf Rechnung der
Beklagten zu 2. In Lieferantenbeziehungen trat die Beklagte zu 1. demgemäß
ausschließlich im Namen der Beklagten zu 2. auf. Die Betriebsführung durch die
Beklagte zu 1. umfasste gemäß § 6 Vereinbarung 2011 bei unentgeltlicher
Überlassung der Betriebsmittel (§ 9 Vereinbarung 2011) den gesamten
Geschäftsbetrieb bzw. alle Geschäfte und Maßnahmen, die dem Betriebsablauf
und dem gewerblichen Zweck des Betriebes dienen, insbesondere sämtliche in
den Abteilungen Einkauf, Vertrieb, Marketing, Finanzbuchhaltung, Forschung und
Entwicklung sowie Instandhaltung zu erledigenden Arbeiten nach den Vorgaben
der Beklagten zu 1, wobei als Vergütung hierfür in § 9 Vereinbarung 2011 eine
der Vergütung für die Lohnfertigung entsprechende Regelung getroffen war. Bei
der Betriebsführung handelte die Beklagte zu 1. gemäß § 7 Vereinbarung 2011,
sofern diese im Zusammenhang mit der Lohnfertigung und der Herstellung der
W.-Produkte ausgeführt wurde, für welche die Beklagte zu 2. die Patentrechte
und das Know-how besitzt, mit der ihr in dieser Regelung vertraglich
eingeräumten Generalhandlungsvollmacht ausschließlich für Rechnung und im
Namen der Beklagten zu 2. Ua. in Kundenbeziehungen trat die Beklagte zu 1.
demgemäß ausschließlich im Namen der Beklagten zu 2. auf. Der Marktauftritt
zum Vertrieb der W.-Produkte erfolgte dementsprechend weiterhin über die
Internetseite der Beklagten zu 2. Bei der Email-Kommunikation nach außen
versah das EDV-System die Emails der Mitarbeiter automatisch mit einer Signatur
der Beklagten zu 2., geschäftliche Korrespondenz erfolgte auf dem Briefpapier
der Beklagten zu 2. Zwar heißt es in § 8 Vereinbarung 2011, dass die Beklagte
zu 1. die genannten Abteilungen eigenverantwortlich managt und verantwortlich
für die gesamten Abläufe ab Auftragseingang bis zum Zahlungseingang ist, im
weiteren Verlauf wird aber wiederholt, dass dabei die Vorgaben der Beklagten zu
2. zu beachten sind. Weiter heißt es in § 12 Vereinbarung 2011, dass im Hinblick
auf die Betriebsführung die Beklagte zu 2. Richtlinien erlassen und Weisungen
erteilen und insbesondere bestimmen kann, welche Arten von Geschäften der
vorherigen Zustimmung bedürfen. Was die gewerblichen Schutzrechte anbelangt,
regelt § 10 Vereinbarung 2011 - neben dem Umstand, dass die bisherigen
gewerblichen Schutzrechte im ausschließlichen Eigentum der Beklagten zu 2.
verbleiben -, dass neue Entwicklungen und Erfindungen von der Beklagten zu 2.
unbeschränkt in Anspruch genommen und in deren Namen von der Beklagten zu
1. zum Schutzrecht angemeldet werden.
115 (b) Die vertragliche Ausgestaltung der Vereinbarung 2011 und die davon nicht
abweichende tatsächliche Handhabung derselben, die die Beklagte zu 2. im
Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer erster Instanz am 8. Mai
2015 bestätigt hat, lässt deutlich werden, dass die von der höchstrichterlichen
Rechtsprechung für einen Betriebsinhaberwechsel geforderten Kriterien, nämlich
die umfassende Nutzung des Betriebs nach außen, das Auftreten als
Vollrechtsinhaber im Außenverhältnis und das Erlangen der Verfügungsbefugnis
über den betrieblichen Funktionszusammenhang, bei der Beklagten zu 1. gerade
nicht vorliegen.
116 (aa) Die Beklagte zu 1. ist im Außenverhältnis, insb. gegenüber Kunden und
Lieferanten, nicht als Vollrechtsinhaberin, dh. im eigenen Namen, sondern als
Generalbevollmächtigte im fremden Namen, nämlich demjenigen der Beklagten
zu 2., aufgetreten. Die notwendige umfassende Nutzung des Betriebs nach
außen liegt damit nicht vor. Dass die Beklagte zu 1. im Verhältnis zu ihren
Arbeitnehmern im eigenen Namen als Betriebsinhaberin aufgetreten ist, genügt
nicht. Es kommt, wie das Bundesarbeitsgericht wiederholt deutlich gemacht hat,
gerade nicht allein darauf an, wer im Verhältnis zur Belegschaft als Inhaber
auftritt, sondern auf die umfassende Nutzung des Betriebs nach außen (vgl. BAG
27. September 2012 - 8 AZR 826/11 - Rn. 21; 10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11 - Rn.
27, 49; 31. Januar 2008 - 8 AZR 2/07 - Rn. 28; 13. Dezember 2007 - 8 AZR
1107/06 - Rn. 24; 20. März 2003 - 8 AZR 312/02 - Rn. 43).
117 (bb) Die Beklagte zu 1. hat nicht die Verfügungsbefugnis über den betrieblichen
Funktionszusammenhang erlangt. Die Betriebsführung durch die Beklagte zu 1.
hatte, wie die §§ 6, 8 Vereinbarung 2011 zeigen, nach den Vorgaben der
Beklagten zu 2. zu erfolgen, nach § 12 Vereinbarung 2011 war es der Beklagten
zu 2. gestattet, diesbezüglich - einseitig und ohne jede Einschränkung -
Richtlinien zu erlassen und Weisungen zu erteilen. Die vertragliche Regelung
belässt dadurch „die Zügel“ unzweideutig in der Hand der Beklagten zu 2., sie
kann die Betriebsführung der Beklagten zu 1. jederzeit in beliebigem Ausmaß
einschränken und wieder an sich ziehen (vgl. dazu Ingenfeld Die
Betriebsausgliederung aus der Sicht des Arbeitsrechts 1992 S. 227, der ausführt,
dass die beauftragende Gesellschaft Betriebsinhaberin bleibt, wenn sich die
Betriebsführungsgesellschaft deren Weisungen unterordnet bzw. wenn die
beauftragende Gesellschaft die Betriebsführung wieder an sich ziehen kann). Es
kann vor diesem Hintergrund nicht davon gesprochen werden, dass die Beklagte
zu 1. eine eigenständige betriebliche Leitungs- und Organisationsbefugnis bzw.
Leitungsmacht - bezogen auf den betrieblichen Funktionszusammenhang -
erlangt hat. Auch ist nicht nachvollziehbar, wie diese vertragliche
Gestaltungsweise mit der vom Bundesarbeitsgericht formulierten Definition eines
Betriebsinhaberwechsels, nach der der bisherige Betriebsinhaber seine
wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb einstellen muss, in Einklang zu bringen
sein soll. Die Beklagte zu 1. fungierte letzten Endes lediglich als „verlängerter
Arm“ der Beklagten zu 2. und hatte die gleiche Funktion wie jeder sonstige
Generalbevollmächtigte einer Arbeitgeberin auch, was für einen
Betriebsübergang gerade nicht ausreichend ist (vgl. MüKo HGB-von Hoyningen-
Huene 3. Aufl. § 59 Rn. 24). Für den Betrieb „verantwortlich“ iSd. Rechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichts blieb unter Zugrundelegung der Vereinbarung 2011
die Beklagte zu 2.
118 (c) Dass vorliegend nicht von einem Betriebsinhaberwechsel auszugehen ist,
wird aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10. Mai 2012 - 8 AZR
434/11, die sich mit der Frage eines Betriebsübergangs im
Rettungsdienstgewerbe zu beschäftigen hatte, besonders deutlich. In Rn. 49
grenzt das Bundesarbeitsgericht die - einen Inhaberwechsel bewirkende -
umfassende Nutzung nach außen bzw. das Handeln im eigenen Namen nach
außen, die hier nicht vorliegen, gerade von einer - keinen Inhaberwechsel
bewirkenden - Betriebsführung im fremden Namen - als „verlängerter Arm“ des
Auftraggebers - ab, wie sie hier, wie anhand der vertraglichen Gestaltung
aufgezeigt wurde, gerade gegeben ist. Will man an die Kategorisierung in der
Rechtsliteratur, nämlich die Einteilung von Betriebsführungsverträgen in sog.
echte Betriebsführungsverträge, die keinen Betriebsübergang bewirken, und sog.
unechte Betriebsführungsverträge, die einen Betriebsübergang nach sich ziehen,
anknüpfen, ist die Vereinbarung 2011 als echter Betriebsführungsvertrag
anzusehen. Nach dieser Kategorisierung liegt ein echter Betriebsführungsvertrag
vor, wenn der Betriebsführer nicht im eigenen, sondern im fremden Namen,
nämlich demjenigen des Auftraggebers, auftritt, wie es hier nach außen der Fall
war. Hingegen handelt es sich um einen unechten Betriebsführungsvertrag, wenn
der Betriebsführer im eigenen Namen auftritt und mit den Betriebsmitteln und
Arbeitnehmern nach außen hin erkennbar eigene Zwecke verfolgt, woran es hier
fehlt (zu dieser Unterscheidung vgl. etwa Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt
Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen 3. Aufl. G. Rn. 109;
Niklas/Schauß BB 2014, 2805, 2809; Rieble NZA 2010, 1145, 1147; Ingenfeld
Die Betriebsausgliederung aus der Sicht des Arbeitsrechts 1992 S. 227). Soweit
in der Literatur zT darauf abgestellt wird, dass es für das Auftreten im eigenen
Namen allein auf die Ausübung des Weisungsrechts gegenüber den
Arbeitnehmern im eigenen Namen ankomme, nicht aber darauf, wer gegenüber
außerhalb des Arbeitsverhältnisses stehenden Dritten als Betriebsinhaber in
Erscheinung trete (vgl. HWK/Willemsen 6. Auflage § 613 a Rn. 47;
Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Umstrukturierung und Übertragung von
Unternehmen 3. Aufl. G. Rn. 110), ist dies mit der aufgezeigten Rechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichts nicht in Einklang zu bringen, nach der es gerade nicht
allein darauf ankommt, wer im Verhältnis zur Belegschaft als Inhaber auftritt (vgl.
auch Winter/Theisen AG 2011, 662, 663, die von einer echten, keinen
Betriebsübergang bewirkenden Betriebsführung ausgehen, wenn der
Betriebsführer gegenüber Geschäftspartnern weiterhin unter der „Marke“ des
Betriebseigentümers auftritt).
119 (d) Da im Ergebnis zum 1. April 2011 aus den genannten Gründen kein
Betriebsinhaberwechsel auf die Beklagte zu 1. erfolgte, kann dahinstehen, ob der
Annahme eines solchen auch noch andere Gründe entgegenständen. Dies
betrifft die Problematik, ob und inwieweit der Betriebsführer, um selbst
Betriebsinhaber zu werden, neben dem Auftreten im eigenen Namen nach außen
mit der Betriebsführung eigene wirtschaftliche Zwecke verfolgen muss (vgl. dazu
Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Umstrukturierung und Übertragung von
Unternehmen 3. Aufl. G. Rn. 111 f.). Wäre die Verfolgung eigener wirtschaftlicher
Zwecke Voraussetzung für einen Inhaberwechsel, erschiene es in Anbetracht der
in der Vereinbarung 2011 getroffenen Vergütungsregelung (Kostenerstattung
zuzüglich eines Aufschlages von 3 %) nicht völlig unzweifelhaft, ob vor diesem
Hintergrund von einem Betriebsinhaberwechsel ausgegangen werden könnte.
Mangels Entscheidungserheblichkeit bedarf diese Thematik indes keiner näheren
Erörterung.
120 (6) Da bereits mangels Betriebsinhaberwechsels zum 1. April 2011 kein
Betriebsübergang iSd. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB angenommen werden kann,
bedarf es keiner Ausführungen dazu, ob die übrigen Voraussetzungen für einen
Betriebsübergang gegeben wären, läge ein Inhaberwechsel vor. Dies betrifft
insbesondere den Einwand des Klägers, es sei keine wirtschaftliche Einheit unter
Wahrung ihrer Identität fortgeführt worden, weil sich der Betriebszweck von einem
Produktionsbetrieb hin zu einem Dienstleistungsbetrieb (mit der Betriebsführung
als Dienstleistung) geändert habe (vgl. dazu BAG 23. September 2010 - 8 AZR
567/09 - Rn. 36).
121 (7) Auch zu einem späteren Zeitpunkt im streitgegenständlichen Zeitraum kam es
nicht zu einem Betriebsübergang iSd. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB von der
Beklagten zu 2. auf die Beklagte zu 1. Derartiges ist weder behauptet noch
erkennbar. Im Gegenteil, die Vereinbarungen 2013 und 2015 beschränken im
Vergleich zur Vereinbarung 2011 die Betriebsführung der Beklagten zu 1. weiter.
Konnte die Umsetzung der Vereinbarung 2011 bereits keinen Betriebsübergang
bewirken, muss dies erst Recht für die Folgevereinbarungen gelten. Das
Arbeitsverhältnis des Klägers bestand daher über den 31. März 2011 hinaus
jedenfalls bis zum 8. Mai 2015 mit der Beklagten zu 2. fort.
122 bb) Dem Kläger ist es nicht aufgrund von materiell-rechtlicher Verfristung gemäß
§ 613 a Abs. 6 Satz 1 BGB verwehrt, sich auf das Fortbestehen des
Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2. zu berufen. Diese Vorschrift ist weder
unmittelbar noch analog anwendbar.
123 (1) Nach § 613 a Abs. 6 Satz 1 BGB kann der Arbeitnehmer dem Übergang des
Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung
nach § 613 a Abs. 5 BGB schriftlich widersprechen. Nach § 613 a Abs. 6 Satz 2
BGB kann der Widerspruch gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem
neuen Inhaber erklärt werden. Erfolgt ein frist- und formgerechter Widerspruch
verbleibt das Arbeitsverhältnis beim bisherigen Arbeitgeber. Die einmonatige
Widerspruchsfrist wird allerdings nur durch eine ordnungsgemäße Unterrichtung
in Lauf gesetzt, andernfalls kann der Arbeitnehmer noch nach Fristablauf in den
Grenzen der Verwirkung dem Betriebsübergang widersprechen (vgl. etwa BAG
14. November 2013 - 8 AZR 824/12 - Rn. 18, 32). Das Widerspruchsrecht des §
613 a Abs. 6 Satz 1 BGB ist ein Gestaltungsrecht in Form eines
Rechtsfolgenverweigerungsrechts (vgl. etwa BAG 21. August 2014 - 8 AZR
619/13 - Rn. 27).
124 (2) § 613 a Abs. 6 Satz 1 BGB ist vorliegend nicht unmittelbar anwendbar. Die
Bestimmung setzt nämlich zwingend voraus, dass ein Betriebsübergang
stattgefunden hat. Bereits dem Wortlaut des Satz 1 ist zu entnehmen, dass ein
„Übergang des Arbeitsverhältnisses“ Voraussetzung für die Entstehung des
Widerspruchsrechts und damit auch für die Einhaltung des Fristerfordernisses ist.
Findet kein Betriebsübergang statt, fehlt es auch an einem bisherigen Arbeitgeber
und einem neuen Inhaber, die Satz 2 als Adressaten eines Widerspruchs
benennt. Für ein Gestaltungsrecht, das fristgebunden auszuüben ist, ist von
vornherein kein Raum, wenn das Arbeitsverhältnis mangels Betriebsüberganges
ohnehin beim bisherigen Arbeitgeber verbleibt. Eine Gestaltung eines
Rechtsverhältnisses ist in solch einem Falle nicht möglich.
125 (3) Auch eine analoge Anwendung des § 613 a Abs. 6 Satz 1 BGB kommt nicht in
Betracht. Die analoge Anwendung einer Norm setzt voraus, dass eine vom
Gesetzgeber unbeabsichtigt gelassene Lücke vorliegt und diese Planwidrigkeit
aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden kann. Analoge
Gesetzesanwendung erfordert darüber hinaus, dass der gesetzlich ungeregelte
Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von
Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangt wie die
gesetzessprachlich erfassten Fälle (vgl. BAG 10. Dezember 2013 - 9 AZR 51/13 -
Rn. 23). Diese Voraussetzungen liegen offenkundig nicht vor. Weder kann
aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden, dass eine
unbeabsichtigt gelassene Gesetzeslücke vorliegt, noch verlangt der gesetzlich
ungeregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von
Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge. Im Gegenteil, es wäre
widersprüchlich ein fristgebundenes Gestaltungsrecht analog anwenden zu
wollen, wo ein Gestaltungsbedürfnis überhaupt nicht gegeben ist. Den Belangen
des Arbeitgebers im Falle eines vermeintlichen Betriebsüberganges, der sich im
Nachhinein nicht als solcher erweist, kann ggf. durch die Anwendung der
Grundsätze der materiell-rechtlichen Verwirkung hinreichend Rechnung getragen
werden, sofern deren Voraussetzungen vorliegen. Liegt kein Betriebsübergang
vor, ist die Unterrichtung des Arbeitgebers, ein solcher finde statt, unrichtig.
Weshalb gerade hier eine Widerspruchsfrist zu laufen beginnen soll, während sie
in den übrigen Fällen einer fehlerhaften Unterrichtung bei Vorliegen eines
Betriebsübergangs gerade nicht in Lauf gesetzt wird, ist nicht nachvollziehbar.
Eine Analogie vermiede hier keine Wertungswidersprüche, sondern führte zu
solchen.
126 cc) Dem Kläger ist es nicht aufgrund von materiell-rechtlicher Verwirkung gemäß
§ 242 BGB verwehrt, sich auf das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses mit der
Beklagten zu 2. zu berufen. Die Voraussetzung einer materiell-rechtlichen
Verwirkung liegen nicht vor.
127 (1) Die materiell-rechtliche Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen
Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit ihr wird die illoyal verspätete Geltendmachung
von Rechten ausgeschlossen. Sie beruht auf dem Gedanken des
Vertrauensschutzes und dient - wie die Verjährung - dem Bedürfnis nach
Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Mit der Verwirkung soll das
Auseinanderfallen zwischen rechtlicher und sozialer Wirklichkeit beseitigt werden;
die Rechtslage wird der sozialen Wirklichkeit angeglichen. Die Verwirkung verfolgt
nicht den Zweck, den Schuldner bereits dann von seiner Verpflichtung zu
befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend
gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen
untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er sein Recht nicht
mehr geltend machen wolle, sodass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte,
nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss
das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das
Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des
Begehrens nicht mehr zuzumuten ist (vgl. etwa BAG 11. Dezember 2014 - 8 AZR
838/13 - Rn. 24, 25).
128 (2) Gemessen daran liegt keine materiell-rechtliche Verwirkung vor. Es fehlt
jedenfalls an dem erforderlichen Umstandsmoment. Dies folgt aus den
Erwägungen, die die Kammer im Rahmen der Erörterung der Prozessverwirkung
angestellt hat und auf die an dieser Stelle Bezug genommen wird (siehe oben,
Ziff. I. 2. b) cc) (2)). Aufgrund der dort dargelegten Gründe kann auch im Rahmen
der Prüfung der materiell-rechtlichen Verwirkung nicht vom Vorliegen eines
Umstandsmoments ausgegangen werden. Der Beklagten zu 2. ist die
Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit ihr über
den 31. März 2011 hinaus im streitgegenständlichen Zeitraum nicht unzumutbar.
129 dd) Da das Arbeitsverhältnis des Klägers mangels Betriebsüberganges auf die
Beklagte zu 1. im streitgegenständlichen Zeitraum bei der Beklagten zu 2.
verblieben ist, es dem Kläger mangels Verfristung und mangels Verwirkung auch
nicht verwehrt ist, sich hierauf zu berufen, und sein Feststellungsantrag bereits
deswegen begründet ist, kann offen bleiben, ob das Arbeitsverhältnis, selbst
wenn zum 1. April 2011 ein Betriebsübergang stattgefunden hätte,
möglicherweise gleichwohl in der Folgezeit mit Beklagten zu 2. fortbestanden
hätte bzw. ob sich diese so behandeln lassen müsste, als hätte es mit ihr
fortbestanden. Dies betrifft zum einen die Frage, ob, hätte ein Betriebsübergang
vorgelegen, der Kläger infolge etwaiger unzureichender Unterrichtung iSd. § 613
Abs. 5 BGB diesem mit seiner Klageerweiterung gegen die Beklagte zu 2. noch
wirksam widersprechen hätte können und das Arbeitsverhältnis deswegen bei
dieser verblieben wäre. Dies betrifft zum anderen die Problematik, ob, hätte ein
Betriebsübergang vorgelegen, die Beklagte zu 2. sich aufgrund des Einwandes
des Gestaltungsmissbrauches (§ 242 BGB) so behandeln lassen müsste, als
wäre dieser nicht erfolgt und deswegen nach wie vor als Arbeitgeberin
anzusehen wäre (vgl. dazu Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt
Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen 3. Aufl. G. Rn. 113).
130 3. Die Berufung der Beklagten zu 2. ist hingegen begründet, soweit sie sich
dagegen wendet, dass das Arbeitsgericht sie verurteilt hat, den Kläger als
Maschinen- und Anlagenführer weiter zu beschäftigen. Insoweit war das
arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Der vom Kläger
geltend gemachte Weiterbeschäftigungsantrag ist zwar zulässig, begründet ist er
zur Zeit nicht mehr.
131 a) Der Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers ist zulässig. Insbesondere ist er
nicht wegen entgegenstehender Rechtskraft, doppelter Rechtshängigkeit,
Prozessverwirkung, fehlender Bestimmtheit oder fehlendem
Rechtsschutzbedürfnis unzulässig.
132 aa) Entgegenstehende Rechtskraft iSd. § 322 Abs. 1 ZPO kann nicht zu einer
Unzulässigkeit des Weiterbeschäftigungsantrages des Klägers führen. Es
existiert bereits kein Titel, der eine Weiterbeschäftigungsverpflichtung beinhaltet.
Mit dem Teilanerkenntnisurteil des Berufungsgerichts vom 19. November 2015
wurde lediglich festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der
Beklagten zu 1. durch die Kündigung der Beklagten zu 1. vom 28. Oktober 2014
nicht beendet wurde. Selbst wenn eine Weiterbeschäftigungsverpflichtung
gegenüber der Beklagten zu 1. darin tituliert worden wäre, führte dies im Übrigen
nicht zu einer entgegenstehenden Rechtskraft, da aus den unter Ziff. I. 2. b) aa)
genannten Gründen auch insoweit keine Rechtskrafterstreckung angenommen
werden könnte.
133 bb) Eine doppelte Rechtshängigkeit iSd. § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO kann ebenfalls
nicht zu einer Unzulässigkeit des Weiterbeschäftigungsantrages des Klägers
führen. Eine solche liegt nicht vor. Gegenstand des Antrages im vorliegenden
Verfahren in zeitlicher Hinsicht ist, wie das Gericht in den die
Zwangsvollstreckung betreffenden Beschlüssen (vgl. etwa Landesarbeitsgericht
Baden-Württemberg - 18. August 2015 - 17 Sa 58/15; 9. November 2015 - 18 Ta
18/15) herausgearbeitet hat, ein Weiterbeschäftigungsbegehren ab der
Titulierung desselben bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des
Rechtsstreits. Soweit im gegen die vorsorgliche Kündigung der Beklagten zu 2.
angestrengten Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Stuttgart -
Kammern Ludwigsburg - auch ein allgemeiner Weiterbeschäftigungsantrag (für
den Fall des Obsiegens) anhängig gemacht worden ist, kann auch dieser, sollte
der Kläger dort obsiegen, erst ab Titulierung bestehen. Eine zeitliche
Überschneidung der Gegenstände liegt (derzeit) folglich nicht vor, so dass keine
doppelte Rechtshängigkeit gegeben sein kann.
134 cc) Der Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers ist auch nicht wegen
Prozessverwirkung unzulässig. Insoweit kann vollumfänglich auf die
Ausführungen zum Feststellungsantrag unter Ziff. I. 2. b) cc) Bezug genommen
werden, die für den Weiterbeschäftigungsantrag entsprechend gelten.
135 dd) Der Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers ist ferner nicht wegen fehlender
Bestimmtheit unzulässig. Die Kammer hält insoweit uneingeschränkt an den
Ausführungen fest, die in den Zwangsvollstreckungsverfahren zur Bestimmtheit
des Weiterbeschäftigungstitels erfolgt sind, wo das Folgende ausgeführt wurde
(vgl. Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg 9. November 2015 - 18 Ta 18/15):
136 „Der Umfang der materiellen Rechtskraft gemäß § 322 Abs. 1 ZPO ist aus dem
Urteil und den dazu ergangenen Gründen zu bestimmen. Der Titel muss aus
sich heraus einen bestimmten oder zumindest bestimmbaren Inhalt haben. Das
Erfordernis der - von Amts wegen zu prüfenden - Bestimmtheit des
Urteilsausspruchs dient der Rechtsklarheit und -sicherheit. Der Umfang der
materiellen Rechtskraft und damit die Entscheidungswirkungen müssen
festgestellt werden können. Andernfalls würden Unklarheiten über den Inhalt der
Verpflichtung aus dem Erkenntnis- in das Vollstreckungsverfahren verlagert
werden, dessen Aufgabe es nicht ist zu klären, worin die festgelegte
Verpflichtung des Schuldners besteht (st. Rspr., vgl. etwa BAG 27. Mai 2015 - 5
AZR 88/14 - juris; 15. April 2009 - 3 AZB 93/08 - juris).
137 Gemessen daran ist der in Ziff. 2 des Tenors des Urteils vom 8. Mai 2015
titulierte Weiterbeschäftigungsanspruch hinreichend bestimmt. Der Umfang der
materiellen Rechtskraft ist feststellbar. Dies gilt sowohl hinsichtlich des Inhalts
der ausgeurteilten Beschäftigungspflicht als auch in zeitlicher Hinsicht, innerhalb
der diese zu erfolgen hat.
138 Der Inhalt der ausgeurteilten Beschäftigungspflicht ist dem Titel mit hinreichender
Bestimmtheit zu entnehmen. Die erfolgte Titulierung, wonach der Kläger laut
Tenor „als Maschinen- und Anlagenführer“ weiter zu beschäftigen ist, genügt
vorliegend den Anforderungen.
139 Bei der Titulierung eines dem Arbeitnehmer während des bestehenden
Arbeitsverhältnisses zustehenden Beschäftigungsanspruchs oder eines ihm
während des Laufs eines Kündigungsschutzprozesses zustehenden
Weiterbeschäftigungsanspruchs muss der Vollstreckungstitel verdeutlichen, um
welche Art von Beschäftigung es geht. Für den Schuldner muss aus
rechtsstaatlichen Gründen erkennbar sein, in welchen Fällen er mit einem
Zwangsmittel zu rechnen hat. Andererseits erfordert das Rechtsstaatsprinzip
und das daraus folgende Gebot effektiven Rechtsschutzes, dass materiell-
rechtliche Ansprüche effektiv durchgesetzt werden können. Bei im Arbeitsvertrag
nur rahmenmäßig umschriebener Arbeitspflicht kann der Titel aus materiell-
rechtlichen Gründen nicht so genau sein, dass er auf eine ganz bestimmte im
Einzelnen beschriebene Tätigkeit oder Stelle zugeschnitten ist. Darauf hat der
Arbeitnehmer regelmäßig keinen Anspruch, weil das Weisungsrecht nach § 106
Satz 1 GewO dem Arbeitgeber zusteht. Um diesen Gesichtspunkten gerecht
werden, ist es jedenfalls erforderlich, dass die Art der ausgeurteilten
Beschäftigung des Arbeitnehmers aus dem Titel ersichtlich ist. Einzelheiten
hinsichtlich der Art der Beschäftigung oder sonstigen Arbeitsbedingungen muss
der Titel demgegenüber nicht enthalten. Es reicht aus, wenn sich aus dem Titel
das Berufsbild, mit dem der Arbeitnehmer beschäftigt werden soll, ergibt oder
diesem zu entnehmen ist, worin die ihm zuzuweisende Tätigkeit bestehen soll
(vgl. BAG 27. Mai 2015 - 5 AZR 88/14 - juris; 15. April 2009 - 3 AZB 93/08 - juris).
140 Gemessen daran ist vorliegend der Inhalt der Tätigkeit hinreichend bestimmt.
Anders als in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Mai 2015 (5
AZR 88/14 - juris), die sich mit einem Sachverhalt auseinandersetzte, bei dem
lediglich eine Weiterbeschäftigung „gemäß Arbeitsvertrag“ mit dem in diesem
Fall widersprüchlichen Zusatz „zu unveränderten Arbeitsbedingungen“ tituliert
war, was zur Unbestimmtheit des Titels führte, lässt sich hier bereits aus dem
Tenor die Art der Tätigkeit erkennen. Danach ist der Kläger „als Maschinen- und
Anlagenführer“ einzusetzen. Da aus dem Titel nur der
Weiterbeschäftigungsanspruch, nicht aber die damit zusammenhängenden
Ansprüche auf Entgelt, Zuwendungen etc. vollstreckt werden, erfüllt die Beklagte
Ziff. 2 den Anspruch bereits dadurch, dass sie den Kläger aufgrund ihres
Weisungsrechts im Betrieb als Maschinen- und Anlagenführer einsetzt. Es ist
weder vorgetragen noch erkennbar, dass der Kläger eine näher bestimmte
Tätigkeit aufgrund des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts überhaupt
beanspruchen könnte. So liegt kein Arbeitsvertrag vor, aus dem sich Derartiges
ergäbe. Hinzu kommt, dass nicht ersichtlich ist, dass zwischen den Parteien
Streit über die vom Kläger auszuführende Tätigkeit herrscht. Vor diesem
Hintergrund erweist es sich als hinreichend bestimmt, wenn das Arbeitsgericht
die Beklagte Ziff. 2 dazu verurteilt hat, den Kläger „als Maschinen- und
Anlagenführer“ weiter zu beschäftigen, zumal das Beschwerdegericht in parallel
gelagerten Fällen, in denen die Beklagte Ziff. 2 verurteilt wurde, die dortigen
Kläger „als Arbeiter“ oder „als gewerblichen Arbeitnehmer“ weiter zu
beschäftigen, von einer hinreichenden Bestimmtheit der Titel ausgeht (vgl. auch,
die Titulierung einer Weiterbeschäftigung „als Arbeiter“ als hinreichend bestimmt
ansehend, LAG Baden-Württemberg 21. Februar 2007 - 17 Ta 1/07 - juris; sowie
noch weitergehend, die Titulierung einer Weiterbeschäftigung „als Mitarbeiterin
zu den bisherigen Bedingungen“ als hinreichend bestimmt ansehend, BAG 17.
März 2015 - 9 AZR 702/13 - ZIP 2015, 1653). Die präzisere Beschreibung der
Tätigkeit „als Maschinen- und Anlagenführer“ ist demgemäß erst recht
hinreichend bestimmt.
141 In zeitlicher Hinsicht ist der Weiterbeschäftigungstitel ebenfalls hinreichend
bestimmt. Die titulierte Beschäftigungspflicht bedurfte vorliegend keiner zeitlichen
Eingrenzung im Tenor.
142 Der Umfang der materiellen Rechtskraft iSd. § 322 Abs. 1 ZPO des Titels muss
sich auch in zeitlicher Hinsicht ermitteln lassen. Bei einem
Weiterbeschäftigungstitel muss feststellbar sein, ab welchem Zeitpunkt und ggfs.
bis zu welchem Zeitpunkt die Verpflichtung des Schuldners bestehen soll. Tenor
und Entscheidungsgründe dürfen sich insoweit nicht widersprechen (vgl. BAG
27. Mai 2015 - 5 AZR 88/14 - juris).
143 Gemessen daran ist der Titel vorliegend auch in zeitlicher Hinsicht hinreichend
bestimmt, auch wenn das Arbeitsgericht im Tenor die
Beschäftigungsverpflichtung zeitlich nicht eingegrenzt hat. Anders als in der
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Mai 2015 (5 AZR 88/14 -
juris), die sich mit einem Sachverhalt befasste, in dem am 17. Januar 2012 zum
einen rückwirkend und damit von vornherein unmöglich eine
Weiterbeschäftigung „über den 31. März 2007“ hinaus bis zum rechtskräftigen
Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens tituliert wurde, während zum
anderen in den Entscheidungsgründen die Entscheidung des Großen Senats
des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Februar 1985 (GS 1/84 - BAGE 48, 122)
herangezogen wurde, die für eine dem Weiterbeschäftigungsantrag
stattgebende Entscheidung ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes
Instanzurteil voraussetzt, ohne dass ein solches vor dem 17. Januar 2012
vorhanden gewesen wäre, so dass der Tenor mit den Entscheidungsgründen
nicht in Einklang zu bringen war, besteht diese Problematik vorliegend nicht. Das
Arbeitsgericht hat die Beklagte Ziff. 2 vorliegend nicht zu einer von vornherein
unmöglichen rückwirkenden Weiterbeschäftigung verurteilt, auch setzt es sich in
den Entscheidungsgründen nicht in Widerspruch zu seinem Ausspruch im
Tenor. Soweit kein abweichender Anfangszeitpunkt benannt wird, kann ein
Weiterbeschäftigungstitel naheliegender Weise nur so verstanden werden, dass
die titulierte Verpflichtung ab sofort, dh. ab deren Titulierung, greift. Einer
Benennung des Anfangszeitpunkts der Verpflichtung im Tenor bedarf es in
diesen Fällen grundsätzlich nicht. Deren Fehlen führt auch hier nicht zur
Unbestimmtheit des Titels. Aber auch eines Endzeitpunktes, bis zu welchem
Zeitpunkt die titulierte Verpflichtung greifen soll, bedurfte es vorliegend im Tenor
nicht. Aus den Entscheidungsgründen des Urteils vom 8. Mai 2015 und den dort
vom Arbeitsgericht zur Begründung des titulierten Anspruchs herangezogenen
Entscheidungen (vgl. A. II. 2. Buchst. a der Entscheidungsgründe) wird
hinreichend deutlich, worauf der Anspruch gestützt wurde, woraus auch dessen
zeitliche Wirkungsdauer hervorgeht. Dies hat das Landesarbeitsgericht bereits in
seinem Beschluss vom 18. August 2015 (4 Sa 19/15 - juris) deutlich gemacht.“
144 Da diese den Weiterbeschäftigungstitel betreffenden Ausführungen entsprechend
für den Weiterbeschäftigungsantrag gelten, fehlt es diesem nicht an einer
hinreichenden Bestimmtheit.
145 ee) Schließlich entbehrt der Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers auch nicht
eines Rechtsschutzbedürfnisses. Auch dieser Antrag ist weder „widersprüchlich“
noch „rechtsmissbräuchlich“. Soweit die Parteien im Güterichterverfahren eine
Vereinbarung geschlossen haben, nach der der Kläger auf die
Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Weiterbeschäftigungstitel für die
Dauer der ordnungsgemäßen Erfüllung der Weiterbeschäftigungs- und
Vergütungspflicht durch die Beklagte zu 1. bis zur rechtskräftigen Entscheidung
verzichtet, kann dies nicht zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses an der
Titulierung eines Weiterbeschäftigungsanspruchs gegen die Beklagte zu 2.
führen, zumal der Verzicht unter der Bedingung der ordnungsgemäßen Erfüllung
der Weiterbeschäftigungs- und Vergütungspflicht durch die Beklagte zu 1. steht,
deren Einhaltung nicht gewiss ist.
146 b) Der Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers ist allerdings unbegründet. Dies
folgt jedenfalls daraus, dass die Beklagte zu 2. das Arbeitsverhältnis nach
Verkündung des erstinstanzlichen Urteils mit Schreiben vom 27. Mai 2015
vorsorglich außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31. Dezember 2015
gekündigt hat. Hierdurch ist eine zusätzliche Ungewissheit über den Fortbestand
des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2. eingetreten, die deren
schutzwürdiges Interesse an einer Nichtbeschäftigung aktuell überwiegen lässt.
147 aa) Hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass ein bestimmter
Beendigungstatbestand, wie hier ein Betriebsübergang, ein Arbeitsverhältnis
nicht beendet hat, und hat es deshalb den Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung
verurteilt, hängt die Beantwortung der Frage, ob eine danach ausgesprochene
Kündigung den Weiterbeschäftigungsanspruch beendet, davon ab, ob sie zu
einer Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses führt, die
derjenigen entspricht, die vor Verkündung des Urteils bestanden hat, das die
Unwirksamkeit des ersten Beendigungstatbestandes festgestellt hat. Stützt der
Arbeitgeber die Kündigung auf einen Sachverhalt, der es nicht ausgeschlossen
erscheinen lässt, dass diese das Arbeitsverhältnis beendet hat, wird dadurch eine
zusätzliche Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses
begründet, die das schutzwürdige Interesse des Arbeitgebers an der
Nichtbeschäftigung wieder überwiegen lässt. Eine offensichtlich unwirksame
Kündigung lässt den Weiterbeschäftigungsanspruch hingegen nicht entfallen (vgl.
BAG 19. Dezember 1985 -2 AZR 190/85).
148 bb) Gemessen daran ist durch die vorsorgliche Kündigung der Beklagten zu 2.
nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils eine zusätzliche Ungewissheit
über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2.
eingetreten, die aktuell den Weiterbeschäftigungsanspruch entfallen lässt.
Abgesehen davon, dass der Kläger die Kündigung in einem gesonderten
Verfahren vor dem Arbeitsgericht Stuttgart - Kammern Ludwigsburg - angegriffen
und damit zum Ausdruck gebracht hat, deren Wirksamkeit dort und nicht vom
Berufungsgericht überprüfen lassen zu wollen, könnte zwar die außerordentliche
fristlose offensichtlich unwirksam sein, da eine solche aus betriebsbedingten
Gründen in aller Regel nicht möglich ist, jedenfalls aber kann nicht von einer
offensichtlichen Unwirksamkeit der hilfsweisen ordentlichen Kündigung
ausgegangen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass anders als in Fällen, in
denen der Arbeitgeber nach einer Erstkündigung, die bereits erstinstanzlich
überprüft wurde, eine Folgekündigung ausspricht, hier eine erstmalige Kündigung
der Beklagten zu 2. vorliegt, deren Überprüfung umfassenden Vortrages der
Parteien und einer umfassenden Würdigung der Sach- und Rechtslage bedarf.
Da die Wirksamkeit der betriebsbedingt begründeten hilfsweisen ordentlichen
Kündigung der Beklagten zu 2. im vorliegenden Verfahren nur am Rande
thematisiert wurde, sieht sich das Berufungsgericht außerstande anzunehmen,
diese sei von vornherein unwirksam. Da die hilfsweise ordentliche Kündigung,
wäre sie wirksam, das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2015 beendet hätte,
besteht zur Zeit eine Ungewissheit über den Fortbestand desselben, die das
schutzwürdige Interesse der Beklagten zu 2. an der Nichtbeschäftigung des
Klägers aktuell überwiegen lässt, solange nicht die Unwirksamkeit der Kündigung
festgestellt ist.
II.
149 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, 100 Abs. 1
ZPO. Danach waren die Kosten - unter Anwendung der sog. Baumbachschen
Formel - im Verhältnis des jeweiligen Obsiegens bzw. Unterliegens der Parteien
verhältnismäßig zu teilen.
III.
150 Die Revision war nicht zuzulassen, da keine Zulassungsgründe iSd. § 72 Abs. 2
Nr. 1 oder Nr. 2 ArbGG vorliegen. Die Kammer vermag weder vom Vorliegen
einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd.
§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG auszugehen, noch ist eine entscheidungserhebliche
Divergenz iSd. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG erkennbar.