Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 23.05.2014

wichtiger grund, dringender tatverdacht, ordentliche kündigung, kokain

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 23.5.2014, 17 Sa 28/13
Verdachtskündigung - Erwerb von Betäubungsmitteln auf dem Werksgelände
des Arbeitgebers
Leitsätze
Einer nach Diktat niedergeschriebenen, nicht gelesenen und nicht genehmigten
Aussage eines Beschuldigten im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens bei der Polizei
kommt nur ein eingeschränkter Aussagewert zu.
1. Zu den Anforderungen an eine fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung wegen
des Verdachts eines Erwerbs von Betäubungsmitteln auf dem Werksgelände des
Arbeitgebers.
2. Zu dem eingeschränkten Aussagewert einer nach Diktat niedergeschriebenen,
nicht gelesenen und nicht genehmigten Aussage eines Beschuldigten im Rahmen
eines Ermittlungsverfahrens bei der Polizei.
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom
26.09.2013 - 17 Ca 1658/13 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen auf die
fristlose Kündigung der Beklagten vom 28. Januar 2013 oder auf die hilfsweise
fristgerechte Kündigung der Beklagten vom 29. Januar 2013 geendet hat.
Außerdem fordert der Kläger von der Beklagten Zahlung des abgerechneten
Entgelts für den Monat Januar 2013.
2 Der am ... September 1983 geborene Kläger ist geschieden und hat zwei Kinder.
Seit dem 11. September 2000 ist er bei der Beklagten beginnend mit einer
Ausbildung als Anlagenwart zu zuletzt EUR 4.387,92 brutto monatlich tätig. Die
Beklagte stellt Kraftfahrzeuge her. Sie beschäftigt mehr als zehn Arbeitnehmer. Für
ihren Betrieb ist ein Betriebsrat gebildet.
3 Der Kläger arbeitete mit seinem Kollegen M. in einer Schicht. Sein Kollege M.
verkaufte Betäubungsmitteln, unter anderem auch an den Kläger. Deswegen
wurde der Kläger am 22. Mai 2012 von der Kriminalpolizei als Beschuldigter nach
Belehrung über sein Aussageverweigerungsrecht und über sein Recht, einen
Verteidiger hinzuzuziehen, wie folgt vernommen:
4
„Auf
Frage:
…erzählte ich ihm davon (Herrn M. )…, dass ich gern wieder mal eine
Nase ziehen würde. Er sagte mir, dass er mir etwas besorgen könne. 2
Wochen später oder so hat er mich dann darauf angesprochen und mich
gefragt, ob ich noch 1 g will und ich habe das bejaht. Wann das genau
war, kann ich nicht sagen, ich kann nur schätzen, es war schon etwas
wärmer, vielleicht März oder April.
Frage: Wann spätestens war das?
Antwort: Ich kann das leider nicht sagen, später als im Sommer war das aber
ganz sicher nicht. Ich denke mal, dass das gerade so um das Ende vom
1. Quartal gewesen ist. Wie das genau war, als er mir das erste Mal 1 g
gegeben hat, weiß ich nicht mehr sicher, ich glaube, er hat es mir mit ins
Geschäft gebracht, ich glaube, ich habe 60 Euro bezahlt. …Dann wollte
ich wieder was haben und hab von ihm wieder 1 g gekauft, ich glaube
auch wieder für 60 oder 70 …
Frage: … (In den) uns vorliegenden Schuldenaufzeichnungen des D. M. … ist
ihr Vorname mit dem Betrag von 310 Euro enthalten. Können Sie sich
noch daran erinnern, ob sie zu diesem Preis Kokain gekauft haben oder
kann es sein, dass dieser Betrag … sich aus mehreren vorhergehenden
Käufen zusammengesetzt hat?
Antwort: Das kann ich nicht mehr sagen, weil er mir öfter auch mal Geld
ausgeliehen hat, 100 oder 200 Euro, die ich ihm am Ende vom Monat
bezahlt habe.
Vorhalt: Am 26.08.2011 wurde der Schuldenbetrag von 310 Euro auf 400 Euro
erhöht.
Antwort: Ich kann nicht sagen, ob es um Kokain gegangen ist oder ob er mir so
Geld ausgeliehen hat.
Vorhalt: 5 Tage später, am 29.08.2011, erhöhte sich der Schuldenbetrag auf 450
Euro. Die nächste Änderung war dann erst 1 Woche später, am
05.09.2011, da haben Sie ihm offenbar 150 Euro zurückgezahlt, denn
nun war Ihr Schuldenstand nur noch 300 Euro.
Antwort: Ich weiß nicht, was er sich für Notizen gemacht hat. Bestimmt habe ich in
der Zeit von ihm Kokain gekauft, aber ich kann das mit diesen Zahlen
jetzt nicht so zusammenbringen. …
Vorhalt: Am 24.09.2011 erhöhte sich Ihre Schuld um 100 Euro auf 500 Euro.
Antwort: Daran kann ich mich auch nicht erinnern, vielleicht hat er mir Geld
ausgeliehen, vielleicht hat er mir auch Kokain gegeben, ich weiß es nicht
mehr.
Vorhalt: Es folgen weitere Schuldenerhöhungen um jeweils 70 Euro am 27.09.,
also 2 Tage nach dem letzten Kauf, und am 29.09., also wiederum 2
Tage später. Also auch jeweils 1g Kokain?
Antwort: Scheint so.
Frage: Sie sagen scheint so, halten Sie es für möglich, dass das jeweils Fälle
waren, in welchen er Ihnen 70 Euro ausgeliehen hat, immer wieder 70
Euro?
Antwort: Nein, das war schon Kokain. Es schockiert mich gerade, wenn ich so
höre, dass das so Ausmaße angenommen hat.
Vorhalt: Es geht dann am 02.10.2011 weiter mit 140 Euro und einen Tag später
steigert sich der Schuldenbetrag auf 210 Euro. Sehe ich das richtig, dass
es da auch um Kokainkäufe gegangen ist?
Antwort: Da wo die Schulden sich um 70 Euro erhöhen, da habe ich sicher 1 g
gekauft. Bei 140 Euro bin ich mir nicht so sicher, ich kann mich nicht
erinnern, dass ich bei dem auch 2 g bekommen habe, die ich
nachträglich zu bezahlen hatte. Es kam also schon mal vor, dass ich von
ihm auch 2 g genommen habe. Aber ich kann es mir in diesen beiden
Tagen, … nicht vorstellen, dass ich am 02.10. 2 g bekommen habe und
dann gleich am darauffolgenden Tag wieder 1 g nehme. Vielleicht war es
so, dass er mir am ersten Tag einen Hunderter geliehen hat und ½ g mir
so gegeben hat.
Vorhalt: Am 06.10., also 3 Tage später, und am 09.10. erhöht sich der
Schuldenbetrag auf 300 Euro, am selben Tag wird er gesenkt auf 220
Euro und von dort aus am 09.10. wieder erhöht auf 320 Euro.
Antwort: An diese Beträge kann ich mich nicht mehr erinnern, ich kann es nicht
erklären, ob er mir da Geld ausgeliehen hat oder ob er mir Kokain
gegeben hat oder beides miteinander vermischt hat.
Vorhalt: Am 30.10. wurden Ihre Schulden um 70 Euro erhöht, demzufolge haben
Sie da 1 g gekauft. Bereits einen Tag später, am 31.10.2011, erhöht sich
Ihre Schuld von 140 auf 280 Euro. … Kann es sein, dass Sie da für
Halloween 2 g gekauft haben, obwohl Sie bereits am Vortag schon 1 g
gekauft haben?
Antwort: Ich weiß es nicht mehr.
Frage: Wie viel war das dann, wenn Sie für 360 Euro von ihm was bekommen
haben?
Antwort: Ich kann mir das nicht zusammenreimen, vielleicht habe ich mir da von
ihm Geld für irgendetwas geliehen.
Frage: Wie darf man das werten?
Antwort: Ich habe ja gesagt, dass ich von ihm öfter gekauft habe, ich dachte, das
wären immer so alle 3 Tage, ich bin schon schockiert, wenn das so ist,
dass ich da jeden Tag was gekauft habe. Es kann sein, aber ist so lange
her, konkret daran erinnern kann ich mich nicht.
Vorhalt: Kurz danach folgt am 27.01. eine Erhöhung um 140 Euro und am selben
Tag noch mal um 70 Euro auf 910 Euro. Kann es sein, dass Sie da 3 g
an einem Tag gekauft haben?
Antwort: Vielleicht waren es 1 ½ g und er hat mir was geliehen, ich kann es nicht
mehr so zusammenkriegen.
Frage: Zum Beispiel am 20.03.2012 erhöht sich der Betrag bei einer von ihm um
15.40 Uhr vorgenommenen Notierung um weitere 70 Euro und 3
Stunden später bei einer nochmaligen Notierung nochmals um 70 Euro.
Kann es sein, dass Sie am selben Tag bei 2 verschiedenen Übergaben
jeweils 1 g Kokain von ihm genommen haben?
Antwort: Es kann schon sein, gerade wenn wir vielleicht Nachtschicht gehabt
haben und er dann erst am nächsten Tag das aufgeschrieben hat.
Frage: Können Sie sich daran erinnern, wann Sie das letzte Mal Kokain von D.
bezogen haben?
Antwort: Ja, das war am Donnerstag in der ersten Maiwoche, also am
03.05.2012. …
Frage: Wo hat er es Ihnen gegeben?
Antwort: In der Arbeit.
Frage: Waren alle Übergaben an Ihrer Arbeitsstelle?
Antwort: Nein, öfter auch bei ihm vor der Haustüre …
Frage: Waren Sie noch nie bei ihm zu Hause?
Antwort: Doch, … Eine Übergabe war überhaupt noch nie in seiner Wohnung. …
Jetzt fällt mir ein, dass das am 03.05. gar nicht bei der Arbeit war,
sondern bei ihm vor der Tiefgarage, da war er ja krank gemeldet.
Frage: … haben Sie ihm (per SMS) geschrieben „kannst Du für makler einen vor
der arbeit reinwerfen bitte danke“. Was bedeutete diese Frage …?
Antwort: Mit Makler bin ich gemeint. Mit reinwerfen war gemeint, dass er mir 1 g in
den Briefkasten reinwerfen soll, bevor er zur Arbeit geht. Er hätte an
diesem Tag Nachtschicht gehabt, …
…„
5 Der Kläger hat die nach Diktat auf Tonträger niedergeschriebene
Beschuldigtenvernehmung nicht gelesen, genehmigt und unterschrieben.
6 Mit Anklageschrift vom 6. Juni 2012 – 232 Js 40862/12 – klagte die
Staatsanwaltschaft Herrn M. wegen unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln
an. In der Anklageschrift führte sie aus, der Kläger habe von Herrn M. zweimal
Betäubungsmittel an seiner Arbeitsstelle gekauft. Schließlich verurteilte das
Landgericht Karlsruhe Herrn M. mit Urteil vom 9. November 2012 – 17 KLs 232 Js
40862/12 - wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit
mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe. In den
Urteilsgründen ist ein Erwerb von Betäubungsmitteln auf dem Werksgelände der
Beklagten nicht erwähnt. Auf ihren Antrag vom 22. November 2012 hin erhielt die
Beklagte am 14. Januar 2012 von der Staatsanwaltschaft Einsicht in die Strafakte
betreffend Herrn M.. Am 17. Januar 2013 hörte die Beklagte den Kläger zu dem
Vorwurf, er habe von Herrn M. zweimal Betäubungsmittel auf ihrem Werksgelände
erworben, an. Mit Schreiben vom 23. Januar 2013 hörte sie den Betriebsrat zu
einer beabsichtigten fristlosen und zu einer beabsichtigten fristgerechten
Kündigung wegen des Erwerbs von Betäubungsmitteln auf ihrem Werksgelände,
hilfsweise wegen des diesbezüglich gegebenen dringenden Verdachts, an. Der
Betriebsrat gab keine Stellungnahme ab.
7 Anschließend kündigte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 28. Januar
2013 fristlos, hilfsweise mit Schreiben vom 29. Januar 2013 fristgerecht. Die gegen
die Kündigungen erhobene Klage des Klägers wurde der Beklagten am 18.
Februar 2013 zugestellt. Außerdem klagt der Kläger das abgerechnete Entgelt für
den Monat Januar 2013 ein.
8 Der Kläger hat zur Begründung seiner Klage vorgetragen, es gebe keinen Grund
für die streitgegenständlichen Kündigungen. Er habe von seinem Kollegen M.
keine Betäubungsmittel auf dem Werksgelände der Beklagten erhalten, sondern
an anderen Orten, beispielsweise vor der Tiefgarage seines Kollegen, in seiner
eigenen Wohnung, in seinem Briefkasten oder bei Lidl. Es bestünde auch kein
dringender Verdacht dahingehend, dass er von seinem Kollegen auf dem
Werksgelände Drogen erhalten habe. Seine Aussagen bei seiner Vernehmung als
Beschuldigter begründeten keinen dahingehenden dringenden Verdacht – zumal
er nervös und unausgeschlafen gewesen sei, er sich deswegen öfter versprochen
habe und er im Nachhinein Aussagen habe klar stellen müssen. Deshalb seien die
Kündigungen rechtsunwirksam mit der Folge, dass die Beklagte ihn weiter zu
beschäftigen habe. Auch stünde ihm das abgerechnete Entgelt für den Monat
Januar 2013 zu.
9 Der Kläger hat beantragt,
10
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht
durch die fristlose Kündigung vom 28. Januar 2013 beendet wurde, sondern
unverändert über diesen Termin hinaus fortbesteht.
11
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht
durch die fristlose Kündigung vom 29. Januar 2013 mit Ablauf des 30.
September 2013 beendet wurde, sondern unverändert über diesen Termin
hinaus fortbesteht.
12
3. hilfsweise für den Fall, dass der Klage stattgegeben wird, die Beklagte zu
verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu
unveränderten Arbeitsbedingungen als Anlagenwart/ERA Entgeltgruppe 6
weiter zu beschäftigen.
13
4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn die Vergütung für Januar 2013 in Höhe
von EUR 4.224,36 brutto gemäß der Abrechnung für Januar 2013 zu zahlen
nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit Rechtshängigkeit.
14 Die Beklagte hat beantragt,
15
die Klage abzuweisen.
16 Die Beklagte hat ausgeführt, ihre Kündigungen seien gerechtfertigt. Denn der
Kläger habe von seinem Kollegen M. Betäubungsmittel auf ihrem Werksgelände
erworben. Dies folge aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft. Jedenfalls
bestünde ein dringender Verdacht dahingehend, dass der Kläger auf ihrem
Werksgelände Betäubungsmittel erworben habe. Zum einen begründeten die
Angaben in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft und zum anderen die
Aussagen des Klägers in seiner Beschuldigtenvernehmung den dringenden
Verdacht. Seine Aussagen in der Beschuldigtenvernehmung seien als spontane
Aussagen glaubhaft. Soweit der Kläger seine Aussagen zur Übergabe von
Betäubungsmitteln an seinem Arbeitsplatz im Nachhinein bestreite, bekräftige dies
den aufgrund seiner ursprünglichen spontanen Aussagen gegebenen dringenden
Verdacht – zumal nicht nachvollziehbar sei, inwiefern er sich bei seinen Aussagen
im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung geirrt haben solle. Hinzu komme,
dass der Kläger und sein Kollege M. in derselben Schicht arbeiteten. Wegen des
somit bestehenden dringenden Verdachts des Erwerbs von Betäubungsmittel auf
ihrem Werksgelände durch den Kläger habe sie dem Kläger ohne vorhergehende
Abmahnung kündigen müssen. Denn sie habe gegenüber ihren anderen
Mitarbeitern, insbesondere gegenüber ihren Auszubildenden, Fürsorgepflichten.
Deswegen überwögen ihre Interessen an der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses. Aus diesen Gründen sei ihre fristlose, jedenfalls ihre
fristgerechte Kündigung wirksam.
17 Mit Urteil vom 26. September 2013 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das
Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die fristlose noch durch die
hilfsweise fristgerechte Kündigung geendet hat und die Beklagte verurteilt, den
Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung als Anlagenwart weiter zu
beschäftigen. Des Weiteren hat das Arbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung des
abgerechneten Entgelts für den Monat Januar 2013 verurteilt. Zur Begründung hat
das Arbeitsgericht ausgeführt, es fehle ein an sich wichtiger Grund für die fristlose
Kündigung. Denn es bestünde kein dringender Verdacht dahingehend, dass der
Kläger von seinem Kollegen M. Betäubungsmittel auf dem Werksgelände der
Beklagten erworben habe. Da für die Erhebung einer Anklage kein dringender
Tatverdacht erforderlich sei, könnte sich aus den Angaben in der Anklageschrift
kein dringender Tatverdacht ergeben. Die nicht mit einem Genehmigungsvermerk
versehenen Aussagen des Klägers bei seiner Vernehmung als Beschuldigter
begründeten auch keinen dringenden Verdacht – zumal der Kläger unstreitig
nervös und übermüdet gewesen sei. Er habe nicht sicher eingeräumt,
Betäubungsmittel auf dem Werksgelände der Beklagten erhalten zu haben,
sondern dies nur geglaubt, und betreffend den 3. Mai 2012 korrigiert. Die Korrektur
habe sich im Nachhinein bestätigt. Unabhängig davon habe die Beklagte nicht
einen einzigen Fall des Kaufs von Betäubungsmitteln auf ihrem Werksgelände
konkretisiert. Die Beklagte habe weiterhin nicht alles ihr Zumutbare zur Aufklärung
des Sachverhalts getan, insbesondere nicht den Kollegen M. und die anderen
Kollegen, welche Drogen vom Kollegen M. gekauft haben, vernommen. Da schon
nicht der dringende Verdacht des Kaufs von Drogen auf dem Werksgelände durch
den Kläger gegeben sei, bestünden erst Recht keine hinreichend konkreten
Anhaltspunkte für den tatsächlichen Kauf von Betäubungsmitteln auf dem
Werksgelände durch den Kläger. Die fristlose Kündigung sei deshalb
rechtsunwirksam. Die hilfsweise fristgerechte Kündigung sei aus denselben
Gründen sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam. Folglich habe die
Beklagte den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung zu unveränderten
Bedingungen weiter zu beschäftigen. Außerdem habe sie das abgerechnete
Entgelt für den Monat Januar 2013 an den Kläger zu bezahlen.
18 Gegen das ihr am 14. Oktober 2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte Berufung
eingelegt. Die Berufung ist am 4. November 2013 eingegangen. Mit Verfügung
vom 17. Dezember 2013 wurde die Frist zur Berufungsbegründung bis zum 24.
Januar 2014 verlängert. Die Berufungsbegründung ist am 24. Januar 2014 per Fax
und am 28. Januar 2014 im Original eingegangen.
19 Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Berufung vor,
20 das Arbeitsgericht habe Wortklauberei betrieben und die Anforderungen an den
dringenden Tatverdacht überspannt. Es verlange Gewissheit, obwohl eine große
Wahrscheinlichkeit ausreiche. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts
begründeten die Aussagen des Klägers anlässlich seiner Vernehmung als
Beschuldigter eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass er an seinem Arbeitsplatz
Betäubungsmittel gekauft habe. Seine später nicht nachvollziehbar korrigierte
Angabe, sein Kollege habe ihm am 03. Mai 2012 die Betäubungsmittel „in der
Arbeit“ übergeben, sei nur damit zu erklären, dass die Übergabe der
Betäubungsmittel regelmäßig auf ihrem Werksgelände stattgefunden habe, denn
andernfalls wäre er gar nicht auf die Idee gekommen, dass die Übergabe dort
stattgefunden habe könne. Dies bestätige seine auf die Frage hin, ob alle
Übergaben an der Arbeitsstelle stattgefunden hätten, gegebene Antwort: „Nein,
öfter auch bei ihm vor der Haustüre.“ Anders als das Arbeitsgericht meint, sei es
nicht erforderlich, einzelne Käufe zu konkretisieren. Überdies sei es nicht
erforderlich, vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigungen Herrn M. und
seine anderen Käufer, die bei ihr beschäftigt seien, zu vernehmen. Selbst wenn
Herrn M. die Übergabe von Betäubungsmitteln auf ihrem Werksgelände bestreite,
erschüttere dies nicht den aufgrund der oben genannten Umstände bestehenden
dringenden Tatverdacht. Die anderen Kollegen des Klägers könnten gar nichts zu
der Frage aussagen, ob der Kläger Betäubungsmittel auf ihrem Werksgelände
gekauft habe.
21 Die Beklagte beantragt,
22
das Urteil des Arbeitsgericht Stuttgart – Kammern Ludwigsburg - vom 26.
September 2013 – 17 Ca 1658/13 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
23 Der Kläger beantragt,
24
die Berufung zurückzuweisen.
25 Der Kläger meint,
26 das Arbeitsgericht habe zu Recht seiner Klage stattgegeben. Es gebe keine
hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass er Betäubungsmittel auf dem
Werksgelände erworben habe. Seine Aussagen anlässlich seiner
Beschuldigtenvernehmung rechtfertigten keinen dahingehenden dringenden
Verdacht. Im Übrigen seien seine Aussagen anlässlich seiner
Beschuldigtenvernehmung nicht verwertbar. Unabhängig davon habe die Beklagte
nicht alles ihr Zumutbare zur Sachverhaltsaufklärung getan. Sie hätte noch seinen
Kollegen M. und seine anderen Kollegen, die von seinem Kollegen M.
Betäubungsmittel erworben hätten, befragen müssen.
27 Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 313 Abs. 2 Satz
2 ZPO auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die
Protokolle über die mündlichen Verhandlungen verwiesen.
Entscheidungsgründe
28 Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts war
zurückzuweisen. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.
I.
29 Die Berufung ist nach § 64 Abs. 2 c) ArbGG statthaft. Sie wurde zudem
entsprechend §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO form- und
fristgerecht eingelegt und begründet.
II.
30 Die somit zulässige Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht der
Klage stattgegeben.
31 1. Die Klage gegen die fristlose Kündigung hat Erfolg.
32 a) Das nach §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 256 Abs. 1 ZPO erforderliche
Feststellungsinteresse folgt aus §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 4, 5, 7 KSchG.
33 b) Die zulässige Klage gegen die fristlose Kündigung vom 28. Januar 2013 ist
begründet. Denn die fristlose Kündigung ist rechtsunwirksam. Es fehlt ein die
fristlose Kündigung an sich rechtfertigender wichtiger Grund.
34 aa) Ein an sich wichtiger Grund wird nicht nach §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 4, 7 KSchG
fingiert, da der Kläger gegen die fristlose Kündigung innerhalb von drei Wochen
Klage erhoben hat.
35 bb) Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus einem wichtigen
Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund
derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls
und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der
vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
Zunächst ist zu prüfen, ob der Sachverhalt „an sich“ als wichtiger Grund geeignet
ist; danach bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung
des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des
Einzelfalls – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder
nicht (vgl. BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - , juris Rn. 15; 25. Oktober
2012 – 2 AZR 495/11 - , juris, Rn. 14).
36 Der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann unabhängig von
seiner strafrechtlichen Bewertung einen an sich wichtigen Grund bilden. Eine
Verdachtskündigung ist gerechtfertigt, wenn sich starke Verdachtsmomente auf
objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und
der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts
unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme
gegeben hat. Der Verdacht muss sich auf konkrete Tatsachen stützen und
dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er
zutrifft. Bloße auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte
Verdächtigungen reichen nicht aus (vgl. BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11
- , juris Rn. 16, 32, 33; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - , juris, Rn. 16 mwN).
37 cc) Nach dem aufgezeigten Maßstab fehlt es vorliegend an einem an sich die
fristlose Kündigung rechtfertigenden wichtigen Grund.
38 (1) Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger tatsächlich Drogen auf dem
Werksgelände der Beklagten gekauft hat, fehlen. Die Beklagte trägt dagegen
nichts in ihrer Berufungsbegründung vor.
39 (2) Anders als die Beklagte meint, fehlt es auch an einem dringenden Verdacht
dahingehend, dass der Kläger Drogen auf dem Werksgelände erworben hat.
Dieser folgt nicht aus der Anklageschrift betreffend Herrn M., in der angegeben
wurde, der Kläger habe von Herrn M. zweimal Betäubungsmittel an seiner
Arbeitsstelle erworben. Denn die Erhebung einer Anklage erfordert keinen
dringenden Verdacht einer Straftat, vielmehr reicht nach § 170 Abs. 1 StPO
genügender Anlass zur Erhebung einer öffentlichen Klage aus. Ebenso wenig
begründen die Aussagen des Klägers anlässlich seiner
Beschuldigtenvernehmung einen dringenden Verdacht. Entgegen der Annahme
des Klägers besteht zwar kein Verwertungsverbot, denn er war vor seiner
Aussage über seine Rechte belehrt worden (vgl. Diemer, in: Karlsruher
Kommentar zur StPO, 7. Auflage, § 136 Rn. 26; Monka, in: Graf, Beck`scher
Online-Kommentar StPO, Stand 30. September 2013, § 136 Rn. 21, 24). Ein
Verwertungsverbot folgt auch nicht daraus, dass der Kläger seine nach Diktat
niedergeschriebenen Aussagen nicht gelesen, genehmigt und unterschrieben
hat; allerdings führt dies zu einer geringeren Aussagekraft seiner protokollierten
Erklärungen mit der Folge, dass zu prüfen ist, ob Anhaltspunkte vorliegen, welche
der Richtigkeit der Protokollierung entgegenstehen (vgl. BVerfG, 30. Juni 2005 - 2
BvR 1502/04 - , juris, Rn. 10 - 13; Griebaum, in: Karlsruher Kommentar zur StPO,
7. Auflage, § 168a Rn. 14; Patzak, in: Graf, Beck`scher Online-Kommentar StPO,
Stand 30. September 2013, § 168b Rn. 5). Vor diesem Hintergrund kommt seinen
nach Diktat niedergeschriebenen, nicht genehmigten Aussagen nur eine
eingeschränkte Beweiskraft zu, denn diktierte und damit nicht wörtlich
festgehaltene Aussagen verfälschen oftmals den Inhalt. Unabhängig davon hat
der Kläger seine Aussage, sein Kollege M. habe ihm am 3. Mai 2012
Betäubungsmittel „in der Arbeit“ übergeben, kurz darauf noch während seiner
Vernehmung als Beschuldigter korrigiert, da ihm eingefallen war, dass sein
Kollege an diesem Tag arbeitsunfähig erkrankt gewesen war. Dies trifft unstreitig
tatsächlich zu. Deswegen begründet seine ursprüngliche Angabe zur Übergabe
von Betäubungsmittel „in der Arbeit“ keinen dringenden Verdacht. Die Erklärung
des Klägers in seiner Beschuldigtenvernehmung „ … weiß nicht mehr sicher, ich
glaube, er (Herr M.) hat es (Betäubungsmittel) mir mit ins Geschäft gebracht“
rechtfertigt ebenso wenig einen dringenden Verdacht. Denn der Kläger hat eine
Übergabe von Betäubungsmittel auf dem Werksgelände nicht sicher behauptet,
sondern nur für möglich gehalten. Deswegen besteht keine große
Wahrscheinlichkeit für eine tatsächliche Übergabe von Betäubungsmitteln auf
dem Werksgelände, sondern allenfalls eine einfache Wahrscheinlichkeit, die aber
nicht den erforderlichen dringenden Verdacht rechtfertigt. Allein die auf die Frage,
ob alle Übergaben an der Arbeitsstelle gewesen seien, gegebene Antwort: „Nein,
öfter auch vor der Haustüre ...“ vermag keinen dringenden Verdacht zu
begründen. Denn der Antwort ist nicht zwingend zu entnehmen, dass Übergaben
an der Arbeitsstelle stattgefunden haben. Vielmehr hat dies der fragende
Kriminalhauptkommissar durch die Formulierung seiner Frage dem Kläger in den
Mund gelegt. Die Formulierung der Frage wiederum basiert auf der
vorhergehenden Angabe des Klägers, sein Kollege habe ihm am 3. Mai 2012 „in
der Arbeit“ Betäubungsmittel übergeben was der Kläger kurz darauf mit einer
tatsächlichen zutreffenden Begründung korrigiert hat. Hinzu kommt, dass nahezu
alle Aussagen des Klägers während seiner Beschuldigtenvernehmung unter dem
Vorbehalt erfolgt waren, er könne sich nicht mehr genau erinnern: „ich kann nur
schätzen“, „ich glaube“, „das kann ich nicht mehr sagen“ „aber ich kann das mit
diesen Zahlen nicht zusammenbringen“, „daran kann ich mich nicht mehr
erinnern“, „ich weiß es nicht mehr“, „scheint so“, „ich kann es nicht mehr
zusammenkriegen“ und „es kann schon sein“. Seine ungenaue Erinnerung
bestätigt sein eigenes Schockiertsein über den Umfang seiner
Betäubungsmittelkäufe und folglich über den Umfang seines
Betäubungsmittelkonsums. Insgesamt gesehen begründen daher seine
unsicheren Aussagen während seiner Beschuldigtenvernehmung allenfalls eine
einfache Wahrscheinlichkeit dafür, dass sein Kollege M. ihm Betäubungsmittel auf
dem Werksgelände übergeben hat. Dies reicht nicht für die Annahme eines
dringenden Tatverdachts aus. Darauf, ob der Kläger übermüdet, unkonzentriert
oder nervös war, kommt es mithin nicht an.
40 Des Weiteren hat die Beklagte nicht alles Zumutbare zur Aufklärung des
Sachverhalts getan. Der Beklagten ist zwar zuzugestehen, dass die Kollegen des
Klägers, die ebenso wie er von Herrn M. Betäubungsmittel erworben haben,
nichts darüber aussagen können, ob Herr M. dem Kläger Betäubungsmittel auf
ihrem Werksgelände übergeben hat. Die Beklagte hätte aber vor Ausspruch der
fristlosen Kündigung Herrn M. dazu vernehmen können. Soweit die Beklagte
meint, dass selbst dann, wenn Herr M. die Übergabe von Betäubungsmitteln an
den Kläger auf dem Werksgelände verneint, der dringende Verdachte weiterhin
bestünde, ist ihr entgegenzuhalten, dass dies von der Glaubhaftigkeit der
Aussage und der Glaubwürdigkeit des Herrn M. abhängt. Beides kann erst nach
einer Anhörung des Herrn M. beurteilt werden, nicht im Vorhinein. Unabhängig
davon war es auch möglich, dass Herr M. die Übergabe von Betäubungsmitteln
an den Kläger auf dem Werksgelände bestätigt.
41 (3) Es bedarf daher keiner Entscheidung darüber, ob der bloße Erwerb von
Betäubungsmitteln auf dem Werksgelände ohne weitere konkrete Auswirkungen
auf das Arbeitsverhältnis oder auf die betriebliche Ordnung überhaupt eine derart
schwerwiegende Pflichtverletzung ist, dass sie eine fristlose Kündigung an sich
rechtfertigen kann (vgl. Müller-Glöge, in: Erfurter Kommentar, 14. Auflage, § 626
BGB Rn. 138; Dörner/Vossen, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 4.
Auflage, § 262 BGB Rn. 184, 185; BAG, 18. Oktober 2000 - 2 AZR 131/00 - , juris:
zur Mitwirkung eines Heimerziehers am Cannabiskonsum eines Heimbewohners
trotz Drogenverbots; LAG Baden-Württemberg, 19. Oktober 1993, NZA 1994, S.
175 f.: zum Haschischkonsum eines Zeitungszustellers).
42 (4) Weiterhin bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob es vor Ausspruch der
Kündigung einer Abmahnung bedurft hätte (vgl. BAG, 18. Oktober 2000 - 2 AZR
131/00 - , juris, Rn. 27: zur Mitwirkung eines Heimerziehers am Cannabiskonsum
eines Heimbewohners trotz Drogenverbots)
43 2. Die Klage gegen die hilfsweise fristgerechte Kündigung vom 29. Januar 2013 ist
ebenfalls erfolgreich.
44 a) Das nach §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 256 Abs. 1 ZPO erforderliche
Feststellungsinteresse folgt aus §§ 4, 7 KSchG.
45 b) Die somit zulässige Klage ist auch begründet. Denn die fristgerechte Kündigung
ist rechtsunwirksam, weil sozial ungerechtfertigt.
46 aa) Eine soziale Rechtfertigung wird nicht nach §§ 4, 7 KSchG fingiert, da der
Kläger gegen die fristgerechte Kündigung innerhalb von drei Wochen Klage
erhoben hat.
47 bb) Die ordentliche Kündigung bedarf der sozialen Rechtfertigung, da der Kläger
zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits länger als sechs Monate bei
der Beklagten beschäftigt war und die Beklagte regelmäßig mehr als zehn
Arbeitnehmer im Sinne von § 23 Abs. 1 KSchG beschäftigt.
48 cc) Die Kündigung ist nicht aus den von der Beklagten genannten
verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt.
49 (1) Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn
sie durch Gründe, die im Verhalten eines Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Eine
Kündigung ist durch Gründe in Verhalten eines Arbeitnehmers bedingt, wenn ein
Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der
Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in
Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen
nur durch eine ordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet
werden. Es sei denn, mildere Mittel - wie eine Abmahnung - sind geeignet, beim
Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken (vgl. BAG, 11. Juli 2013 - 2 AZR
994/12 -, juris, Rn. 2; 27. September 2012 - 2 AZR 811/11 -, juris, Rn. 16). Eine
Verdachtskündigung ist als ordentliche Kündigung nur dann sozial gerechtfertigt,
wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine außerordentliche Kündigung
gerechtfertigt hätten (vgl. BAG, 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - , juris, Rn.
32 f.)
50 (2) Wie bereits ausgeführt, bestehen für einen tatsächlichen Erwerb von
Betäubungsmitteln auf dem Werksgelände der Beklagten keine hinreichenden
Anhaltspunkte. Ein dahingehender dringender Verdacht ist auch nicht gegeben.
Unabhängig davon hätte die Beklagte vor Ausspruch der fristgerechten
Kündigung Herrn M. zu dem Verdacht anhören müssen. Daher ist die
fristgerechte Kündigung sozial ungerechtfertigt. Es kann deshalb dahinstehen, ob
ein Erwerb von Betäubungsmitteln überhaupt eine schwerwiegende
Pflichtverletzung ist und ob es vor Ausspruch der Kündigung einer Abmahnung
bedurft hätte.
51 Aus diesen Gründen hat das Arbeitsverhältnis nicht durch eine der
streitgegenständlichen Kündigungen geendet.
52 3. Schließlich steht dem Kläger mit Blick auf sein Obsiegen mit seiner Klage gegen
die streitgegenständlichen Kündigungen der eingeklagte allgemeine
Weiterbeschäftigungsanspruch bis zur rechtskräftigen Entscheidung zu;
entgegenstehende überwiegende Interessen der Beklagten sind weder dargetan
noch ersichtlich (vgl. BAG 27. Februar 1985 - GS 1/84 - , juris; Etzel, in: KR 10.
Auflage, 2013, § 102 BetrVG Rn. 269 f.).
53 4. Der Kläger hat außerdem gegen die Beklagte einen Anspruch auf Bezahlung
des abgerechneten Entgelts für Januar 2013. Die Beklagte hat dagegen keine
Einwände vorgebracht. Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB in Verbindung mit §
288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
54 Demzufolge war die Berufung zurückzuweisen.
III.
55 Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu
tragen.
IV.
56 Gründe, die Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.