Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 19.02.2014

sozialplan, befristung, abfindung, aufhebungsvertrag

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 19.2.2014, 13 Sa 61/13
Anspruch auf Zahlung einer Sozialplanabfindung nach Eigenkündigung
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf eine Sozialabfindung bei einer
Eigenkündigung des Arbeitnehmers
Hier: Keine Veranlassung zur Eigenkündigung durch den Arbeitgeber bei einem
Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in zeitlicher Nähe zur Teilbetriebsstilllegung
ohnehin aufgrund Befristung geendet hätte.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 06.
September 2013 (Az.: 9 Ca 120/13) wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1 Der Kläger begehrt von der Beklagten nach Beendigung seines befristeten
Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Eigenkündigung die Zahlung einer
Sozialplanabfindung.
2 Der am ... Dezember 1976 geborene Kläger arbeitete aufgrund eines schriftlichen
Arbeitsvertrages vom 27. April 2011 (vgl. Akten 1. Instanz Bl. 4 bis 10; I/4-10) seit
dem 1. Juli 2011 bei der Beklagten, die einen Verlag und eine Druckerei betreibt,
als Drucker zu einer Vergütung von EUR 19,47 brutto pro Stunde bei einer
wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden. Im schriftlichen Arbeitsvertrag der
Parteien ist eine Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zum 30. Juni 2012
vereinbart, mit der Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung des
Arbeitsverhältnisses, wobei nach einer Probezeit von sechs Monaten die
gesetzlichen Kündigungsfristen gelten sollen. Der Kläger hatte zuvor in einem
unbefristeten Arbeitsverhältnis bei einer in Insolvenz befindlichen Druckerei
gestanden, wo er ausweislich einer elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für
das Jahr 2011 (vgl. I/77) in den letzten Monaten keine Vergütung mehr erhielt. Mit
einem Nachtrag vom 27. März 2012 zum schriftlichen Arbeitsvertrag vereinbarten
die Parteien eine Verlängerung der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses bis zum
31. Mai 2013.
3 Die Beklagte befand sich im Jahr 2012 in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage
und beschloss auf einer Gesellschafterversammlung am 1. Oktober 2012, den
Betriebsteil Tiefdruck, in dem der Kläger arbeitete, mit der dazugehörenden
Verwaltung und die "Service & PrintFactory" zum 30. April 2013 stillzulegen, wovon
96 Arbeitsplätze betroffen waren. Die Redaktion sowie die erforderliche Verwaltung
im Bereich K. sollte mit 21 Mitarbeitern fortgeführt werden.
4 In diesem Zusammenhang schloss die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden
Betriebsrat am 14. Dezember 2012 eine "Betriebsvereinbarung
Teilbetriebsstilllegung gleichzeitig Interessenausgleich und Sozialplan" (vgl. I/11-
30). Darin ist unter anderem Folgendes niedergelegt:
5
"
I. Interessenausgleich
6
§ 1 Geltungsbereich
7
1.2 persönlich:
Arbeitnehmer/innen (zukünftig Mitarbeiter) des Arbeitgebers, die am 05.10.2012 in
einem ungekündigten Arbeitsverhältnis beim Arbeitgeber standen.
8
Vom Geltungsbereich ausgenommen sind: Leitende Angestellte im Sinne von § 5
Abs. 3 BetrVG.
9
§ 2 Gegenstand der Betriebsänderung
10
2.3
[…] Der Arbeitgeber ist berechtigt, die für eine ordnungsgemäße
Auslaufproduktion erforderlichen Mitarbeiter nach Ausspruch der
betriebsbedingten Kündigungen / Unterzeichnung des 3-seitigen Vertrages (als
Voraussetzung für den Eintritt in die Transfergesellschaft) und nach Einstellung
des Druckbetriebes sowie der Service & Print Factory für die Zeit der
Kündigungsfrist bzw. bis zum Eintritt in die Transfergesellschaft mit entsprechend
der jeweils arbeitsvertraglichen Vereinbarung zumutbaren Endarbeiten zu
beschäftigen.
11 Der Arbeitgeber ist berechtigt, Mitarbeiter, für die er während der Kündigungsfrist
keine gemäß den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen zumutbare
Beschäftigungsmöglichkeit mehr gibt, von der Arbeitsleistung unter Anrechnung
der Zeit der Freistellung auf Urlaubsansprüche und Freizeitguthaben unter
Fortzahlung der Bezüge freizustellen.
12
§ 3 Umsetzung der Maßnahmen
13
3.1
Der Bereich Tiefdruck sowie der dazu gehörenden Verwaltung und der Bereich
Service & PrintFactory werden in Karlsruhe zum 30.04.2013 eingestellt.
14
3.2
Arbeitgeber und Betriebsrat sind sich einig, dass Mitarbeitern, die das Angebot auf
Eintritt in die Transfergesellschaft B & Q a. GmbH nicht annehmen, aus
dringenden betrieblichen Erfordernissen unter Beachtung der jeweils gültigen
arbeitsvertraglichen, tariflichen und gesetzlichen Kündigungsfristen gekündigt
werden kann. Der Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen erfolgt frühestens im
Monat Januar 2013 und frühestens mit Wirkung zum 30.04.2013.
15 Alternativ hierzu ist der Abschluss von betriebsbedingten Aufhebungsverträgen
möglich. Dies gilt auch im Zusammenhang mit der Begründung der
Transfergesellschaft B & Q a. GmbH und dem Abschluss eines sogenannten 3-
seitigen Vertrages. Die vom Personalabbau betroffenen Mitarbeiter erhalten das
Angebot auf Eintritt in die Transfergesellschaft B & Q a. GmbH mit Wirkung zum
01.05.2013 oder aus betrieblichen Gründen später.
16
II. Sozialplan
17
§ 7 Geltungsbereich und Begriffsbestimmungen
18
7.2 persönlich:
Arbeitnehmer/innen (zukünftig Mitarbeiter) im Sinne von § 5 Abs. 1 BetrVG des
Arbeitgebers.
19
7.3 zeitlich:
Von diesem Sozialplan sind alle diejenigen Mitarbeiter erfasst, die am 05.10.2012
in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber standen.
20
7.4
Keine Leistungen nach den Bestimmungen dieses Sozialplans erhalten folgende
Mitarbeiter:
21 a) des Verlagsbereichs (K.), einschließlich der Mitarbeiter in der dafür benötigten
Verwaltung / Vertrieb
b) deren Arbeitsverhältnis am 05.10.2012 wirksam gekündigt ist,
c) deren Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Sozialplans
noch keine sechs Monate Bestand hat,
d) die vertragswidrig ausscheiden,
e) dies gilt auch für die A.´ler, deren A.-Vertrag vor dem 05.10.2012
abgeschlossen und deren A.-Vertrag erfüllt wird.
f) denen der Arbeitgeber aus einem personen- oder verhaltensbedingten Grund
ordentlich oder außerordentlich rechtswirksam kündigt oder bei denen das
Arbeitsverhältnis aus diesen Gründen wirksam einvernehmlich beendet wird,
g) bei denen die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Altersruhegeldes
aus der gesetzlichen Rentenversicherung im unmittelbaren Anschluss an das
Ende der individuellen Kündigungsfrist des Arbeitsverhältnisses ohne
Rentenabschläge bestehen,
h) die leitende Angestellte im Sine von § 5 Abs. 3 BetrVG sind,
i) Mitarbeiter mit befristeten Verträgen.
22 …
23
§ 9 Sozialplanvolumen
24 Der Arbeitgeber erklärt sich bereit, Mittel für die Ausstattung eines Sozialplanes
einschließlich der Transfergesellschaft B & Q a. GmbH zur Verfügung zu stellen.
Er wird zum Ausgleich und / oder zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile die
den Mitarbeitern in Folge der im Interessenausgleichs genannten
Betriebsänderung entstehen für die Sozialabfindungen ein Sozialplanvolumen in
Höhe von 2,5 Mio. Euro zur Verfügung stellen, zur Sicherung der
Transfergesellschaft einen Betrag in Höhe von 1,85 Mio. Euro netto
25
§ 10 Beendigung des Arbeitsverhältnisses
26
10.1
Abfindungsberechtigt sind alle Mitarbeiter, die vom Personalabbau betroffen sind.
27
10.2
Sozialabfindungen sind Entschädigungen für den Verlust des Arbeitsplatzes
gemäß §§ 9,10 KSchG. …
28 Anspruchsberechtigt sind diejenigen Mitarbeiter, die zum 05.10.2012 in einem
ungekündigten Arbeitsverhältnis standen und während der Laufzeit dieses
Sozialplans eine arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung erhalten (haben)
oder die einen betrieblich veranlassten Aufhebungsvertrag unterzeichneten /
unterzeichnen oder die nach Erhalt einer Arbeitgeberkündigung selbst kündigen,
jeweils aufgrund der in diesem Interessenausgleich / Sozialplan beschriebenen
betrieblichen Maßnahmen. Gleiches gilt für die Annahme des Angebots auf Eintritt
in die Transfergesellschaft B & Q a. GmbH.
29
10.5
10.5.1
Rentennahe Mitarbeiter erhalten anstelle der unter 10.3 und 10.4 vereinbarten
Regelung eine Sozialabfindung wie folgt:
30 a) Mitarbeiter, die 2 Monate bis 12 Monate vor Erreichen ihrer abschlagsfreien
Altersrente ausscheiden können, erhalten eine Sozialabfindung in Höhe von
pauschal 5.000.- EUR brutto
31
10.5.2
Mitarbeiter, die zum Zeitpunkt des rechtlichen Endes ihres Arbeitsverhältnisses
noch keine drei Jahre beim Arbeitgeber beschäftigt waren, erhalten ausschließlich
eine pauschale Abfindung in Höhe von 5.000.- EUR brutto.
…"
32 Der Kläger trat in der Folgezeit an die Beklagte heran und begehrte die Zahlung
der Pauschalabfindung nach Nr. 10.5.2 des Sozialplans im Rahmen eines
Aufhebungsvertrages. Dies lehnte die Beklagte ab. Daraufhin kündigte der Kläger
sein Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28. Dezember 2012 ordentlich zum 31.
Januar 2013, um ab dem 1. Februar 2013 ein neues Arbeitsverhältnis bei einem
anderen Arbeitgeber anzutreten.
33 Mit seiner am 6. März 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten
am 14. März 2013 zugestellten Klage verfolgt der Kläger weiter seinen Anspruch
auf Zahlung einer Pauschalabfindung nach Nr. 10.5.2 des Sozialplans.
34 Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, ihm sei bei der Beklagten eine
unbefristete Beschäftigung in Aussicht gestellt gewesen, wozu es wegen der
Teilbetriebsstilllegung nicht mehr gekommen sei. Ihm stehe ein Anspruch auf eine
pauschale Abfindung nach Nr. 10.5.2 des Sozialplans zu. Durch den Ausschluss
befristet Beschäftigter nach Nr. 7.4 Buchstabe i des Sozialplans werde er
unangemessen benachteiligt. Nach dem betriebsverfassungsrechtlichen
Gleichbehandlungsgrundsatz sei dies nicht zulässig, da es hierfür keine
billigenswerten Gründe gebe. Dies müsse umso mehr gelten, da er sich bei der
Beklagten seinerzeit aus einer ungekündigten Stelle heraus beworben und
aufgrund seiner Leistungen die Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis
erwartet habe. Auch der Umstand, dass der Kläger zur Vermeidung eines
Überwechselns in die Transfergesellschaft in Kenntnis der Lage und des
Sozialplans das Arbeitsverhältnis selbst gekündigt habe, stehe dem nicht
entgegen. Ein Arbeitnehmer, der aus Anlass der Betriebsänderung selbst kündige,
bedürfe in gleicher Weise der Unterstützung wie ein Arbeitnehmer, der vom
Arbeitgeber gekündigt werde. Zulässiges Differenzierungskriterium könne nicht die
jeweilige Vertragsgestaltung, sondern nur die Dauer der Betriebszugehörigkeit
sein. Die Betriebsparteien könnten den Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile aus
einer Betriebsänderung nicht von der rechtsgeschäftlichen Form der Beendigung
des Arbeitsverhältnisses abhängig machen. Deshalb sei es gleichgültig, ob das
Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung, Aufhebungsvertrag oder Befristung ende.
35 Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:
36 Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.000,- EUR zu zahlen nebst Zinsen
i.H.v. 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus seit
Rechtshängigkeit.
37 Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
38 die Klage abzuweisen.
39 Die Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen, die Differenzierung zwischen befristet
und unbefristet Beschäftigten im Sozialplan sei zulässig. Im Rahmen ihrer
Gestaltungsfreiheit hätten die Betriebsparteien berücksichtigen dürfen, dass der
mit dem Sozialplan verfolgte Zweck der Überbrückung künftiger Nachteile auf
befristet beschäftigte Arbeitnehmer mangels gefestigter Zukunftserwartungen nicht
zutreffe. Der Kläger habe sich ohnehin darauf einrichten müssen, ab 1. Juni 2013
eine Anschlussbeschäftigung zu finden. Man habe dem Kläger bei der Einstellung
lediglich signalisiert, dass - wenn alles gut laufe - eine Übernahme in ein
unbefristetes Arbeitsverhältnis möglich sei. Eine verbindliche Zusage sei damit
nicht verbunden gewesen. Wenn der Kläger sein Arbeitsverhältnis nicht selbst zum
31. Januar 2013 gekündigt hätte, wäre von der Beklagten keine Kündigung
ausgesprochen worden. Vielmehr hätte man das Arbeitsverhältnis des Klägers
zum Ende der Befristung auslaufen lassen.
40 Das Arbeitsgericht hat mit einem am 6. September 2013 verkündeten Urteil die
Klage als unbegründet abgewiesen. Dem Kläger stehe kein Abfindungsanspruch
aus Nr. 10.5.2 des Sozialplans zu. Zwar stehe einem solchen Anspruch nicht die
Eigenkündigung des Klägers noch vor der Betriebsteilstilllegung entgegen, da von
einem Sozialplan auch die Arbeitnehmer erfasst würden, deren Eigenkündigung
vom Arbeitgeber aufgrund der Betriebsänderung veranlasst worden sei. Der Kläger
sei aber als Mitarbeiter mit befristetem Vertrag nach Nr. 7.4 des Sozialplans von
dessen Leistungen ausgenommen. Darin liege keine ungerechtfertigte
Diskriminierung im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 TzBfG. Der Sozialplan habe eine
zukunftsbezogene Ausgleichsfunktion. Die Einschätzung der Betriebsparteien,
dass es bei befristet Beschäftigten keines Ausgleichs künftiger Nachteile bedürfe,
sei nicht zu beanstanden. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch sei auch
nicht unter Schadensersatzgesichtspunkten wegen der nicht erfolgten Übernahme
in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis gegeben.
41 Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 30. September 2013
zugestellt. Hiergegen wendet er sich mit seiner Berufung, die am 17. Oktober 2013
beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist und innerhalb verlängerter Frist mit
einem am 27. Dezember 2013 eingegangenen Schriftsatz begründet wurde.
42 Der Kläger trägt vor, der Ausschluss befristet Beschäftigter aus dem
Geltungsbereich des Sozialplans hinsichtlich der Sozialplanabfindung nach Nr. 7.4
Buchstabe i des Sozialplans stelle einen Verstoß gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 TzBfG
dar, weil kein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung ersichtlich sei. Allein
der Umstand, dass ein Arbeitsverhältnis befristet sei, bewirke nicht ohne weiteres,
dass für diesen Mitarbeiter keine wirtschaftlichen Nachteile durch einen
Interessenausgleich entstünden. Vielmehr sei zu berücksichtigen, dass gerade die
befristet Beschäftigten mangels wirtschaftlicher Absicherung unter einem höheren
Druck stünden, eine neue Arbeitsstelle zu finden. Von der Betriebsänderung und
den damit verbundenen Anpassungsschwierigkeiten seien die befristet
Beschäftigten ebenso wie die unbefristet Beschäftigten betroffen. Die gelte
insbesondere für den Kläger, dessen Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung erst
einen Monat nach der geplanten Betriebsänderung ausgelaufen wäre. Der Kläger
bestreite, dass die Beklagte sein Arbeitsverhältnis nicht zum 30. April 2013 in
Folge der Betriebsänderung betriebsbedingt gekündigt hätte, da sie nach ihrem
eigenen Vortrag keine Verwendung mehr für ihn gehabt habe. Ein zulässiges
Differenzierungskriterium sei allein die Dauer der Betriebszugehörigkeit. Es sei
unerheblich, ob das Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung, Aufhebungsvertrag
oder Befristung ende, da auch bei solchen Arbeitnehmern Nachteile aufgrund der
Betriebsänderung auszugleichen seien. Dies müsse gerade beim Kläger gelten,
dem von Anbeginn des Arbeitsverhältnisses ein unbefristeter Arbeitsvertrag in
Aussicht gestellt worden sei.
43 Der Kläger beantragt:
44 Das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 6.9.2013, 9 Ca 120/13, wird
abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine Sozialplanabfindung in
Höhe von 5.000,00 EUR brutto zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit.
45 Die Beklagte beantragt,
46 die Berufung zurückzuweisen.
47 Die Beklagte verteidigt das mit der Berufung angegriffene Urteil des
Arbeitsgerichts. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Zahlung einer pauschalen
Abfindung nach Nr. 10.5.2 des Sozialplans zu. Es liege keine ungerechtfertigte
Diskriminierung befristet beschäftigter Arbeitnehmer vor. Bei Arbeitnehmern mit
befristeten Arbeitsverträgen lägen keine auszugleichenden Nachteile vor, da deren
Arbeitsverhältnis ohnehin geendet hätte. Ein Sozialplan diene nicht dazu, jegliche
wirtschaftliche Unsicherheit und Drucksituation eines Arbeitnehmers
auszugleichen. Da der Kläger aus freien Stücken eine Eigenkündigung
ausgesprochen habe, um in ein neues Beschäftigungsverhältnis eintreten zu
können, sei es nicht nachvollziehbar, warum er von der Überbrückungsfunktion
des Sozialplans profitieren solle. Anders als vom Kläger angenommen, sei die Art
der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von Bedeutung. Maßgeblich sei, dass
die Beklagte dem Kläger tatsächlich nicht gekündigt habe und auch nicht
vorgehabt habe, das Arbeitsverhältnis des Klägers vorzeitig zu beenden. Selbst
wenn der Kläger in den Geltungsbereich des Sozialplans fiele und keine
Eigenkündigung ausgesprochen hätte, würde sich angesichts der Restlaufzeit des
Vertrages von nur einem Monat die Sozialplanleistung entsprechend der Regelung
für rentennahe Mitarbeiter auf null reduzieren. Der Kläger habe keine Zusage für
ein unbefristetes Arbeitsverhältnis erhalten.
48 Im Übrigen wird hinsichtlich des Vortrags der Parteien auf die zwischen ihnen in
beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
49 Die Berufung des Klägers ist zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes
EUR 600,00 übersteigt, § 64 Abs. 2 Buchstabe b ArbGG. Unabhängig davon ist
die Berufung im Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden, § 64 Abs. 2
Buchstabe a ArbGG. Die Berufung ist auch frist- und formgerecht eingelegt und
begründet worden, §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit
§§ 519, 520 ZPO.
II.
50 Die Berufung des Klägers ist aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat
jedenfalls im Ergebnis zu Recht die Klage als unbegründet abgewiesen. Dem
Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in
Höhe von EUR 5.000,00 zu.
51 Die Wirksamkeit des Ausschlusses befristet Beschäftigter vom Geltungsbereich
des Sozialplans nach Nr. 7.4 Buchstabe i der "Betriebsvereinbarung
Teilbetriebsstilllegung" (künftig: BV) kann dahinstehen. Dem Kläger steht schon
deshalb nicht der geltend gemachte Abfindungsanspruch gemäß Nr. 10.5.2 BV zu,
da er weder unmittelbar zum anspruchsberechtigten Mitarbeiterkreis nach Nr. 10.2
BV gehört, noch dies aus einer entsprechenden Anwendung auf ihn folgen würde.
52 1. Der Kläger gehört nicht zu dem für den Sozialplan anspruchsberechtigten
Mitarbeiterkreis der Nr. 10.2 BV. Er hat weder eine arbeitgeberseitige
betriebsbedingte Kündigung erhalten, oder einen betrieblich veranlassten
Aufhebungsvertrag unterzeichnet oder nach Erhalt einer Arbeitgeberkündigung
selbst gekündigt. Die Beklagte hat keine Kündigung des Arbeitsverhältnisses des
Klägers ausgesprochen. Die Beklagte hat es auch abgelehnt, mit dem Kläger
einen Aufhebungsvertrag zu schließen. Der Kläger hat vielmehr selbst sein
Arbeitsverhältnis zu einem Zeitpunkt im Dezember 2012 zu Ende Januar 2013
gekündigt, zu dem die Beklagte ihm nach Nr. 3.2 BV noch gar keine Kündigung
hätte aussprechen dürfen. Dies wäre frühestens ab Januar 2013 und frühestens
zu Ende April 2013 zulässig gewesen.
53 2. Der Kläger gehört auch nicht in entsprechender Anwendung von Nr. 10.2 BV
zum anspruchsberechtigten Mitarbeiterkreis.
54 a) Der Sozialplan zielt nach § 9 Abs. 1 Satz 2 BV darauf ab, die wirtschaftlichen
Nachteile auszugleichen beziehungsweise zu mildern, die den Mitarbeitern in
Folge der im Interessenausgleich genannten Betriebsänderung entstehen. Dies
entspricht der in § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG beschriebenen Funktion eines
Sozialplans. Sozialpläne haben nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts (vgl. hierzu und zum Folgenden BAG 10. Februar 2009 - 1
AZR 767/07 - Rn. 32, BAGE 129, 302 ff. = NZA 2009, 970 ff., m.w.N.) eine
zukunftsgerichtete Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die in ihnen
vorgesehenen Leistungen stellen kein zusätzliches Entgelt für die in der
Vergangenheit geleisteten Dienste dar, sondern sollen die künftigen Nachteile
ausgleichen oder mildern, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung
entstehen können (vgl. BAG 30. September 2008 - 1 AZR 684/07 - Rn. 33, BAGE
128, 102 ff. = NZA 2009, 386-391, m.w.N.). Bei der Einschätzung der zu
erwartenden Nachteile haben die Betriebsparteien einen erheblichen
Beurteilungsspielraum (BAG 11. November 2008 - 1 AZR 475/07 - Rn. 20, 21,
BAGE 128, 275 ff. = NZA 2009, 210 ff., m.w.N.). Dieser umfasst auch die
typisierende Beurteilung, dass Arbeitnehmern, die ihr Arbeitsverhältnis zu einem
früheren Zeitpunkt als durch die Betriebsänderung geboten selbst kündigen, ohne
hierzu vom Arbeitgeber veranlasst zu sein, durch die Betriebsänderung keine oder
sehr viel geringere wirtschaftliche Nachteile erleiden als diejenigen, die den mit
dem Arbeitsverhältnis verbundenen Besitzstand nicht freiwillig aufgeben, sondern
eine Kündigung durch den Arbeitgeber abwarten (vgl. BAG 19. Februar 2008 - 1
AZR 1004/06 - Rn. 26, BAGE 125, 366 ff. = NZA 2008, 719 ff., m.w.N.).
Arbeitnehmer, deren Eigenkündigung vom Arbeitgeber veranlasst worden ist, sind
allerdings wiederum gleich zu behandeln mit den vom Arbeitgeber gekündigten.
Vom Arbeitgeber veranlasst ist eine Eigenkündigung, wenn dieser bei dem
Arbeitnehmer die berechtigte Annahme hervorgerufen hat, mit der eigenen
Initiative zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses komme er einer sonst notwendig
werdenden betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers nur zuvor (BAG 13.
Februar 2007 - 1 AZR 163/06 - Rn. 14, BAGE 121, 159 ff. = NZA 2007, 756; BAG
20. Mai 2008 - 1 AZR 203/07 - Rn. 19, 20, NZA-RR 2008, 636 ff.).
55 b) Im vorliegenden Einzelfall konnte der Kläger nicht berechtigterweise davon
ausgehen, er komme mit seiner Eigenkündigung einer andernfalls von der
Beklagten auszusprechenden betriebsbedingten Kündigung nur zuvor, so dass
auf ihn die Sozialplanregelungen entsprechend anzuwenden wären.
56 aa) Im Zeitpunkt des Ausspruchs der Eigenkündigung durch den Kläger Ende
Dezember 2012 musste er sich ohnehin nicht aktuell einer Kündigung durch die
Beklagte ausgesetzt sehen, da diese hierzu frühestens ab Januar 2013 berechtigt
gewesen wäre. Da für den Kläger, der noch keine zwei Jahre
Betriebszugehörigkeit aufwies, die gesetzliche Grundkündigungsfrist des § 622
Abs. 1 BGB von vier Wochen zum 15. oder Monatsende galt, hätte die Beklagte,
die nach der Betriebsvereinbarung frühestens zum 30. April 2013 hätte kündigen
können, mit dem Ausspruch einer Kündigung sogar noch bis Anfang April 2013
abwarten können. Die vom Kläger ausgesprochene Kündigung Ende Dezember
2012 zu Ende Januar 2013 lag allein in seinem Interesse, da er ab 1. Februar
2013 ein Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber aufnehmen wollte. Dies
wird auch dadurch unterstrichen, dass die Beklagte den Abschluss eines
entsprechenden Aufhebungsvertrages mit dem Kläger ablehnte. In der konkreten
Situation musste der Kläger aber ebenfalls nicht annehmen, die Beklagte werde
von der ihr vertraglich eingeräumten Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung
des befristeten Arbeitsverhältnisses des Klägers überhaupt Gebrauch machen.
Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich erklärt, dass sie eine
Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers nicht beabsichtigt habe, sondern
dieses habe auslaufen lassen wollen. Zu einer anderen Annahme bestand für
den Kläger kein berechtigter Anlass, nachdem die Beklagte mit der Ablehnung
eines Aufhebungsvertrages gezeigt hatte, dass sie nicht in besonderer Weise an
einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses interessiert war. Die
Beklagte hat dem Kläger auch in keiner Weise eine Kündigung seines
Arbeitsverhältnisses in Aussicht gestellt oder irgendwelche konkreten
Maßnahmen hierzu ergriffen.
57 bb) Allerdings war nach Nr. 3.1 BV eine Einstellung des Bereichs Tiefdruck zum
30. April 2013 geplant, während der befristete Arbeitsvertrag des Klägers noch
eine Laufzeit bis 31. Mai 2013 hatte. Daraus konnte der Kläger aber nicht ableiten,
die Beklagte werde sein Arbeitsverhältnis noch vor dem 31. Mai 2013 kündigen,
weil dann kein Beschäftigungsbedürfnis mehr für ihn bestanden habe. Zum Einen
regelt schon Nr. 3.2 BV, dass Kündigungen "frühestens" mit Wirkung zum 30.
April 2013 erfolgen. Offenkundig gingen die Betriebsparteien davon aus, dass
nicht zwingend alle von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitsverhältnisse mit
Ablauf dieses Tages enden sollten. Darüber hinaus bestimmt Nr. 2.3 Abs. 1 Satz
2 BV, dass die Beklagte Mitarbeiter auch nach Einstellung des Druckbetriebs mit
zumutbaren Endarbeiten weiter beschäftigen kann. Dies ist ein klarer Hinweis auf
die Einschätzung der Betriebsparteien, dass auch noch nach dem Ende der
Produktion am 30. April 2013 Restarbeiten zu erledigen sind, für welche
Mitarbeiter aus dem Bereich Tiefdruck eingesetzt werden können. Ferner sieht Nr.
3.2 Abs. 2 BV die Möglichkeit einer Freistellung unter Anrechnung auf Urlaub und
Freizeitguthaben für den Fall vor, falls es keine zumutbare
Beschäftigungsmöglichkeit mehr gibt. Angesichts dieser Situation gab es für den
Kläger keinen Anlass für die Annahme, er komme mit seiner Eigenkündigung
einer betrieblich veranlassten Kündigung durch die Beklagte nur zuvor. Dabei
verhilft es der Klage nicht zum Erfolg, dass der Kläger nunmehr bestreitet, die
Beklagte habe keine Kündigungsabsicht gehabt. Nicht allein die
entgegenstehende Erklärung der Beklagten, sondern gerade auch die jeweilige
Interessenlage von Kläger und Beklagter sowie die in der Betriebsvereinbarung
niedergelegten Regelungen der Betriebsparteien zeigen, dass es für den Kläger
keinen konkreten Anhaltspunkt dafür gab, die Beklagte werde eine Kündigung
seines befristeten Arbeitsverhältnisses, welches nur noch eine Laufzeit von einem
Monat nach der beabsichtigten Stilllegung der Produktion hatte, aussprechen.
58 3. Auf die Ausführungen des Klägers zur Frage, ob ihm (ursprünglich) der
Abschluss eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses in Aussicht gestellt worden
war, kommt es nicht an. Ein Anspruch auf eine Abfindung nach Nr. 10.5.2 BV
würde daraus nicht folgen. Auch ein Schadensersatzanspruch kommt in diesem
Zusammenhang nicht in Betracht. Insoweit wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf I.2.
der Entscheidungsgründe des mit der Berufung angefochtenen Urteils (dort Seite
13; I/102) Bezug genommen. Der Kläger hat in der Berufungsinstanz hierzu auch
keine konkreten Rügen erhoben. Ob sich der Ausschluss des Anspruchs auf eine
Abfindung schon aus Nr. 7.4 Buchstabe i BV ergibt - allein weil der Kläger einen
befristeten Arbeitsvertrag hatte - wie das Arbeitsgericht annimmt, konnte vorliegend
offen bleiben. Allerdings wäre die abstrakte Regelung in der Betriebsvereinbarung
mit Blick auf § 4 Abs. 2 TzBfG durchaus bedenklich, wie schon das naheliegende
Beispiel zeigt, in welchem einem noch langfristig, gegebenenfalls sogar im
Rahmen einer Sachgrundbefristung nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG mehrjährig
befristeten Arbeitnehmer vom Arbeitgeber lange vor Auslaufen der Befristung
gekündigt wird. Vorliegend fehlt es aber sowohl an einer Kündigung durch die
Beklagte, als auch an einer Veranlassung der Beklagten zu einer Eigenkündigung
des Klägers, so dass es auf diese Rechtsfrage nicht ankam.
III.
59 Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen, weil die
Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllt sind.