Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 27.08.2014

lege artis, arbeitsgericht, kritik, probezeit

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 27.8.2014, 13 Sa 39/14
Anspruch gegenüber Arbeitskollegen auf Unterlassen von Äußerungen -
Meinungsäußerung
Leitsätze
1. Hat eine Äußerung sowohl einen tatsächlichen Gehalt als auch einen wertenden
Charakter, hängt ihre Einordnung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung
davon ab, ob der tatsächliche Gehalt der Äußerung so substanzarm ist, dass er
gegenüber der subjektiven Wertung in den Hintergrund tritt, oder ob das nicht der Fall
ist.
2. Zur Frage, wann eine Meinungsäußerung als Schmähkritik anzusehen ist.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 17.
April 2014 (Az.: 7 Ca 18/14) wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über einen vom Kläger gegenüber dem Beklagten - einem
ehemaligen Arbeitskollegen - geltend gemachten Anspruch auf Unterlassung
verschiedener Äußerungen.
2 Der am 00.00.1971 geborene, verheiratete und drei Kindern unterhaltspflichtige
Kläger arbeitet auf Grundlage eines schriftlichen, unbefristeten Arbeitsvertrages
vom 29. April 2011 (vgl. Akten 1. Instanz im Rechtsstreit des Klägers 14 Ca 18/12
vor dem Arbeitsgericht Mannheim - Kammern Heidelberg - Bl. 3 B. 5; Beiakte/3-5)
seit dem 1. Juli 2011 bei der B. GmbH (künftig B. GmbH), die etwa 580
Arbeitnehmer beschäftigt, als Isolierer zu einer monatlichen Vergütung von EUR
2.840,00. Der Kläger arbeitete im Betrieb der B. GmbH in L., wo er beim Kunden
B1. Rohrleitungen montierte und demontierte, die isoliert und gedämmt werden
mussten. Der Beklagte war als Baustellenkoordinator direkter Vorgesetzter des
Klägers. Weiterer Vorgesetzter des Klägers war der Bauleiter Herr T. M..
3 In einer internen "Beurteilung" vom 12. Dezember 2011 (vgl. Beiakte/46) aus
Anlass der am 31. Dezember 2011 ablaufenden Probezeit, die vom Prokuristen
Sch. und dem Geschäftsführer B2. der B. GmbH unterschrieben ist und zur
Personalakte des Klägers genommen wurde, sind in einer tabellarischen
Aufstellung nur die "Sorgfalt" und das "Verhalten gegenüber Kunden" des Klägers
mit "ausreichend" bewertet worden. In den Kategorien "Arbeitstempo",
"Geschicklichkeit", "Fachkenntnisse", "Verhalten gegenüber Vorgesetzten" und
"Verhalten gegenüber Arbeitskollegen" ist jeweils das Feld "mangelhaft"
angekreuzt. Unter der von Herrn M. und dem Beklagten unterschriebenen Rubrik
"Bemerkungen" heißt es:
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"Herr E. ist nicht lernfähig. In der B1. so nicht einsetzbar. Absoluter Risikofaktor"
5 Die B. GmbH kündigte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis mit
Schreiben vom 21. Dezember 2011, welches dem Kläger am 22. Dezember 2011
zugegangen ist, ordentlich zum 30. Dezember 2011. Gegen diese Kündigung
wandte sich der Kläger mit seiner am 10. Januar 2012 beim Arbeitsgericht
Mannheim - Kammern Heidelberg - eingegangen Klage (14 Ca 18/12), die vom
Arbeitsgericht mit einem am 21. August 2012 verkündeten Urteil als unbegründet
abgewiesen. Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner Berufung zum
Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - (13 Sa
119/12), welche mit Urteil vom 30. Januar 2013 als unbegründet zurückgewiesen
wurde. Eine vom Kläger zum Bundesarbeitsgericht eingelegte
Nichtzulassungsbeschwerde (6 AZN 239/13) wurde mit Beschluss vom 23. April
2013 als unzulässig verworfen.
6 Mit seiner am 14. Oktober 2013 beim Landgericht Mannheim eingegangenen und
dem Beklagten am 18. Oktober 2013 zugestellten Klage begehrt der Kläger von
ihm, Äußerungen wie in der "Beurteilung" unter "Bemerkungen" wiedergegeben,
künftig zu unterlassen. Das Landgericht Mannheim hat den Rechtsstreit mit
Beschluss vom 3. Dezember 2013 an das Arbeitsgericht Mannheim verwiesen.
7 Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, die B. GmbH habe zur Ermittlung, ob
innerhalb der Probezeit eine Kündigung auszusprechen sei, vom Beklagten eine
Stellungnahme eingeholt, in welcher dieser ausgeführt habe "Herr E. ist nicht
lernfähig. In der B1. so nicht einsetzbar. Absoluter Risikofaktor". Hierbei handele es
sich um unwahre Tatsachenbehauptungen, jedenfalls aber um eine Schmähkritik,
die der Beklagte unterlassen müsse. Die dem Kläger vorgegebene Art der
Rohrisolierung sei nicht lege artis und schlechter gewesen, als die von ihm
durchgeführte Isolierung. Dies sei der ausschlaggebende Grund dafür gewesen,
warum er sich nicht an die Vorgaben gehalten habe. Er habe sich immer an die
Sicherheitsauflagen der B1. gehalten. Soweit er Arbeiten auf einem Gerüst ohne
Hinzuziehung eines Gerüstbauers durchgeführt habe, sei er in einem Gespräch in
die Irre geführt worden. Auch ein anderer Vorfall, der zu einer Untersuchung durch
einen Betriebsarzt der B1. geführt habe, beruhe auf unzureichenden
Informationen. Dass der Kläger lernfähig sei, zeige sich insbesondere an der
Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen in der Vergangenheit. Er sei auf dem
Gelände der B1. einsetzbar, wie schon seine Beschäftigung im Rahmen früherer
Arbeitsverhältnisse zeige. Die Wiederholungsgefahr ergebe sich aus der erfolgten
Verletzung. Ferner werde der Kläger im Rahmen seiner nunmehrigen
Arbeitstätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber zu verschiedenen Baustellen
abgeordnet, auch auf dem Werksgelände der B1., wo es zu Berührungspunkten
mit dem Beklagten komme. Auch wenn die Äußerungen nicht vom Beklagten
stammen sollten, habe er sich diese mit seiner Unterschrift jedenfalls zu Eigen
gemacht, wie auch seine Ausführungen im vorliegenden Rechtsstreit zeigten.
8 Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt:
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1. Der Beklagte wird dazu verurteilt, es zukünftig zu unterlassen, wörtlich oder
sinngemäß über den Kläger zu äußern,
10 a) der Kläger sei nicht lernfähig,
b) der Kläger sei auf dem Gelände der B1. S. nicht einsetzbar,
c) der Kläger sei ein absoluter Risikofaktor.
11 2. Für den Fall, dass der Beklagte gegen die vorgenannten Verbote verstößt, wird
für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld - ersatzweise
Ordnungshaft - welches in der Höhe in das Ermessen des erkennenden Gerichts
gestellt wird, verhängt.
12 Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
13 die Klage abzuweisen.
14 Der Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen, er sei nicht passivlegitimiert. Die vom
Kläger beanstandete "Beurteilung" sei nicht seine Beurteilung, sondern die der B.
GmbH, welche ihn im Vorprozess als Zeugen benannt habe. Im Rahmen der
Tätigkeit des Klägers für die B. GmbH hätten sich gravierende Probleme
herausgestellt. Der Kläger habe seine Arbeit häufig fehlerhaft ausgeführt, keine
Kritik akzeptiert und sich nicht an Sicherheitsauflagen der B1. gehalten. Der
Beklagte habe ausschließlich die Eintragungen in der Tabelle der "Beurteilung"
vorgenommen, welche fachlich nicht zu beanstanden seien. Die Zusätze unter
"Bemerkungen" stammten nicht von ihm und hätten, als er seine Unterschrift
geleistet habe, dort noch nicht gestanden. Es handele sich dabei auch nicht um
Tatsachenbehauptungen, sondern um Werturteile, die keine Schmähkritik
darstellten. Unabhängig davon, dass die Eintragungen unter "Bemerkungen" nicht
vom Beklagten stammten, wären diese auch korrekt. Ferner handele es sich um
eine rein interne Beurteilung, die weder für Dritte bestimmt gewesen sei, noch habe
nach außen dringen können. Hinsichtlich des Einsatzes bei der B1. werde die
"Bemerkung" in der "Beurteilung" durch den Zusatz "so" relativiert, wobei dies der
Kläger in seinem Antrag nicht aufnehme. Da das Arbeitsverhältnis beendet sei und
es auf die "Beurteilung" nicht mehr ankomme, bestehe keine
Wiederholungsgefahr.
15 Das Arbeitsgericht hat mit einem am 17. April 2014 verkündeten Urteil die Klage als
unbegründet abgewiesen. Der Kläger sei für seine streitige Behauptung, die
Äußerungen stammten vom Beklagten, beweisfällig geblieben. Selbst wenn die
Äußerungen vom Beklagten stammen sollten, stünde dem Kläger der
Unterlassungsanspruch nicht zu. Es handele sich bei allen drei Äußerungen um
Werturteile, die nicht die Schwelle zur Schmähkritik erreichten und als
Meinungsäußerung zulässig seien.
16 Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 30. April 2014 zugestellt.
Hiergegen wendet er sich mit seiner Berufung, die am 28. Mai 2014 beim
Landesarbeitsgericht eingegangen ist und mit einem am 30. Juni 2014
eingegangenen Schriftsatz begründet wurde.
17 Der Kläger trägt vor, zwar bestreite der Beklagte, die streitgegenständlichen
Behauptungen aufgestellt zu haben, gebe aber gleichzeitig an, nach seiner
persönlichen Einschätzung zur Arbeit des Klägers gefragt worden zu sein und
bekräftige im Prozess immer wieder die inhaltliche Richtigkeit der Aussagen.
Hierauf habe das Arbeitsgericht eingehen müssen und dürfe nicht annehmen, der
Beweis sei nicht erbracht, dass die Äußerungen vom Beklagten stammten.
Jedenfalls habe sich der Beklagte diese Aussagen im Prozess zu Eigen gemacht.
Die Bewertungen seien Tatsachenbehauptungen, die falsch seien und den Kläger
in unerträglicher Art und Weise in seiner Ehre verletzten. Der Kläger sei lernfähig.
Die von ihm gewählte Rohrisolierung sei besser, als die ihm vorgegeben Art der
Isolierung. Er habe sich auch ständig weiterentwickelt. Der Kläger sei kein
Risikofaktor, habe sich nie gegen Sicherheitsbestimmungen gewehrt und in der
Vergangenheit alle bei der B1. üblichen Prüfungen bestanden. Der Kläger sei bei
der B1. einsetzbar, wie seine jahrelange Tätigkeit auf dem Werksgelände zeige,
bei der es nie Probleme gegeben habe. Die Wiederholungsgefahr werde durch die
bereits eingetretene Verletzung indiziert.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 17. April 2014 (Az.: 7 Ca 18/14)
abzuändern und nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
22 Der Beklagte verteidigt das mit der Berufung angegriffene Urteil des
Arbeitsgerichts. Der Beklagte habe sich die streitgegenständlichen Äußerungen
nicht zu Eigen gemacht. Seine Ausführungen seien unter dem Vorbehalt erfolgt,
dass das Gericht davon ausgehe, dass die Äußerungen von ihm stammten. Es
handele sich bei den Äußerungen allesamt um Werturteile und keine
Tatsachenbehauptungen. Die Grenze zur Schmähkritik sei nicht erreicht. Sollte es
sich doch um Tatsachenbehauptungen handeln, seien diese korrekt.
23 Im Übrigen wird hinsichtlich des Vortrags der Parteien auf die zwischen ihnen in
beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Akten aus dem Rechtsstreit des Klägers gegen
die B. GmbH (Arbeitsgericht Mannheim - Kammern Heidelberg - 14 Ca 18/12 =
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - 13 Sa 119/12)
beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Entscheidungsgründe
I.
24 Die Berufung des Klägers ist zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes
EUR 600,00 übersteigt, § 64 Abs. 2 Buchstabe b ArbGG. Die Berufung ist auch
frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64
Abs. 6 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO.
II.
25 Die Berufung des Klägers ist aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht
die Klage als unbegründet abgewiesen. Dem Kläger steht gegen den Beklagten
kein Unterlassungsanspruch aus §§ 1004, 823 BGB bzw. §§ 1004, 824 BGB zu.
Dabei kann es dahinstehen, ob der Beklagte die streitgegenständlichen
Äußerungen ursprünglich abgegeben oder sich später zu eigen gemacht hat. Bei
ihnen handelt es sich im konkreten Zusammenhang um eine zulässige
Meinungsäußerung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Diese erfüllt weder den
Tatbestand des § 824 BGB, noch verletzt sie den Kläger rechtswidrig in seinem
allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG).
26 1. Der Tatbestand des § 824 BGB erfordert das Vorliegen einer unwahren
Tatsachenbehauptung. Ob eine solche vorliegt, ist gleichsam für die Beurteilung
erheblich, ob eine Äußerung rechtswidrig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht
eingreift. Bei diesem Recht handelt es sich um einen sogenannten offenen
Tatbestand, bei denen sich Inhalt, Umfang und Grenzen des Schutzes erst aus
einer umfassenden Interessenabwägung ergeben. Erfolgt der Eingriff durch eine
Äußerung, kommt maßgebliche Bedeutung der Abgrenzung zu, ob es sich um
eine Tatsachenbehauptung oder um eine Meinungsäußerung handelt. Während
wahre Tatsachenbehauptungen grundsätzlich hinzunehmen sind, sind unwahre
Tatsachenbehauptungen grundsätzlich nicht zu dulden. Für sie wird häufig auch
der Anwendungsbereich des § 824 BGB eröffnet sein. Demgegenüber genießen
Meinungsäußerungen grundsätzlich den Schutz aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.
Während Meinungsäußerungen in der Regel B. zur Grenze der Schmähkritik oder
Formalbeleidigung zulässig sind, müssen jedenfalls unwahre
Tatsachenbehauptungen in der Regel nicht hingenommen werden (vgl.
Staudinger-Hager, BGB, Neubearbeitung 2012, Eckpfeiler des Zivilrechts - T. Das
Recht der unerlaubte Handlungen Rn. 325 ff.).
27 2. Tatsachenbehauptungen sind Äußerungen, deren Richtigkeit bewiesen werden
kann. Sie beziehen sich auf konkrete Geschehnisse und Umstände einer
behaupteten Wirklichkeit, die beobachtet, erforscht, gemessen werden können. Ihr
Vorhandensein kann festgestellt werden. Meinungen oder Werturteile sind
demgegenüber Äußerungen, die durch die Elemente der Stellungnahme, des
Dafürhaltens, durch Wertungen geprägt sind. Man kann sie teilen oder verwerfen
(vgl. OLG Koblenz 6. Februar 2014 - 3 U 1049/13 - juris).
28 a) Die Abgrenzung, ob eine Tatsachenbehauptung oder eine Meinungsäußerung
vorliegt, erfolgt anhand der angegriffenen Äußerung nach dem Verständnis eines
unbefangenen Durchschnittslesers. Maßgeblich für das Verständnis der
Behauptung ist dabei weder die subjektive Sicht des sich Äußernden, noch das
subjektive Verständnis der von der Äußerung Betroffenen, sondern der objektive
Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und
verständigen Durchschnittspublikums hat (BVerfG 25. Oktober 2005 - 1 BvR
1696/98 - NJW 2006, 207). Bei der Frage, ob eine Äußerung ihrem Schwerpunkt
nach als Meinungsäußerung oder als Tatsachenbehauptung anzusehen ist,
kommt es entscheidend auf den Gesamtkontext der fraglichen Äußerung an. Die
isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils wird den Anforderungen
an eine zuverlässige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (vgl. BVerfG 10.
Oktober 1995 - 1 BvR 1476/91 u.a. - BVerfGE 93, 266 ff. = NJW 1995, 3303). Auch
ist im Einzelfall eine Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile
einer Äußerung nur zulässig, wenn dadurch ihr Sinn nicht verfälscht wird (vgl.
BVerfG 22. Juni 1982 - 1 BvR 1376/79 - BVerfGE 61, 1 ff. = NJW 1983, 1415 ff.;
BVerfG 13. April 1994 - 1 BvR 23/94 - BVerfGE 90, 241 ff. = NJW 1994, 1779 ff.).
29 b) Hat eine Äußerung sowohl einen tatsächlichen Gehalt als auch einen wertenden
Charakter, hängt ihre Einordnung in die eine oder andere Kategorie davon ab, ob
der tatsächliche Gehalt der Äußerung so substanzarm ist, dass er gegenüber der
subjektiven Wertung in den Hintergrund tritt oder ob das nicht der Fall ist, das heißt
ob der in einem Werturteil enthaltene Tatsachenkern nur unbestimmt angedeutet
ist oder ob sich das Werturteil als zusammenfassender Ausdruck von
Tatsachenbehauptungen darstellt (vgl. BGH 9. November 1971 - VI ZR 57/70 -
MDR 1972, 227 ff.). Bei einer mit einer Tatsachenbehauptung verbundenen
Meinungsäußerung kann die Schutzwürdigkeit vor diesem Hintergrund vom
Wahrheitsgehalt der ihnen zugrunde liegenden tatsächlichen Annahmen
abhängen (BVerfG 13. April 1994 - 1 BvR 23/94 - BVerfGE 90, 241 ff. = NJW 1994,
1779).
30 3. Nach diesem Maßstab handelt es sich bei den streitgegenständlichen
Äußerungen nicht um Tatsachenbehauptungen, sondern um eine
Meinungsäußerung im Sinne eines Werturteils. Die Äußerungen sind ihrem Inhalt
nach substanzarm und benennen weder konkrete Geschehnisse oder Umstände.
Ein etwaiger Tatsachenkern wird in ihnen nicht einmal angedeutet. Sie erschöpfen
sich in pauschalen, unsubstantiierten Behauptungen und stellen ersichtlich die
plakative Zusammenfassung einer subjektiven Einschätzung dar. Die Begriffe
"nicht lernfähig", "in der B1. so nicht einsetzbar", "absoluter Risikofaktor" sind
wertende Beschreibungen, die sich offenkundig einer exakten Messbarkeit
entziehen, sondern von der abwägenden Beurteilung des Äußernden geprägt
sind. Sie stellen im konkreten Fall auch nicht die wertende, bloße
Zusammenfassung von Tatsachenbehauptungen dar, die den vorrangigen Inhalt
der Äußerung ausmachen würden. Vielmehr sind in den "Bemerkungen" der
"Beurteilung" keiner konkrete Tatsachen angeführt, die als "richtig" oder "falsch"
eingeordnet werden könnten, sondern Ergebnisse einer Beurteilung. Dies deckt
sich auch mit dem Gesamtzusammenhang, in dem die Äußerungen abgegeben
wurden. Es handelt sich um eine interne Einschätzung, die ausdrücklich als
"Beurteilung" überschrieben ist. Diese wird anlässlich der Frage abgegeben, ob
das Arbeitsverhältnis des Klägers über die Dauer der Probezeit von sechs
Monaten, in welcher es keiner Gründe für eine soziale Rechtfertigung der
Kündigung bedarf, fortgesetzt werden soll. Gerade in dieser Phase eines
Arbeitsverhältnisses, in der es auch im Falle einer gerichtlichen
Auseinandersetzung über eine Kündigung nicht einer substantiierten Darlegung
eines Kündigungsgrundes durch den Arbeitgeber bedarf, ist der Kündigungsgrund
und der Kündigungsentschluss häufig stark subjektiv determiniert. Auch
"Beurteilungen" nach einer so kurzen Phase eines Arbeitsverhältnisses weisen
durchweg stark subjektiv geprägte Züge auf. Angesichts dessen nimmt ein
unbefangener Leser die "Bemerkungen" in der "Beurteilung" auch nicht als die
konkrete Wiedergabe von Tatsachen, sondern als die Zusammenfassung der
subjektiven Einschätzung des Äußernden wahr.
31 4. Die streitgegenständlichen Äußerungen stellen als Meinungsäußerung keine
unzulässige Schmähkritik dar.
32 a) Der Begriff der Schmähkritik ist vor dem Hintergrund, dass es nach der
verfassungsrechtlichen Systematik bei im Einzelfall gegenüberstehenden
Grundrechtspositionen grundsätzlich einer Abwägung zwischen diesen
verschiedenen Grundrechtspositionen unter Berücksichtigung aller wesentlicher
konkreter Umstände bedarf, eng definiert. Eine überzogene oder gar ausfällige
Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung.
Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die
Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im
Vordergrund steht. Die Äußerung muss jenseits auch polemischer und überspitzter
Kritik in der persönlichen Herabsetzung bestehen. Wesentliches Merkmal der
Schmähung ist mithin eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund
drängende persönliche Kränkung (BVerfG 3. Kammer des 1. Senats 24. Juli 2013 -
1 BvR 444/13 - AfP 2013, 389 ff.).
33 b) Dies trifft auf die streitgegenständlichen Äußerungen nicht zu. Sie stehen im
Zusammenhang mit einer internen fachlichen Einschätzung des Klägers und
nehmen in pauschaler, unsubstantiierter Weise Bezug auf seine Befähigung und
Leistung. Sie enthalten eine unverblümte, harsche Kritik, beziehen sich aber nicht
auf den Kläger als Person oder dessen Charakter schlechthin. Die Äußerungen
betreffen fachliche Kriterien der Arbeitsleistung, die in unmittelbarem
Zusammenhang mit der Frage stehen, ob eine Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses angezeigt erscheint, weil die Probezeit mit Erfolg absolviert
wurde. Die Äußerungen enthalten keine Formalbeleidigungen. Die in ihnen
enthaltene Kritik ist im Ergebnis auf den Gegenstand einer fachlichen Beurteilung
bezogen und dabei mit subjektiv geprägten, negativen Wertungen ausgefüllt. Dies
macht die Äußerungen nicht zu Schmähungen. Weder wird die Menschenwürde
des Klägers durch diese Äußerungen berührt, noch ist in ihnen eine Diffamierung
zu sehen. Im Vordergrund steht eine Auseinandersetzung mit der fachlichen
Befähigung und Leistung des Klägers anlässlich eines konkreten
Beurteilungsanlasses, des Ablaufs der Probezeit. Wenn dies auch mit stark
subjektiv geprägten, pointierten Formulierungen geschieht, steht dabei ersichtlich
die Einschätzung von Sachkriterien im Vordergrund und nicht eine persönliche
Kränkung des Klägers. Maßstab ist auch hier, wie ein unbefangener Leser die
Äußerungen einordnet und nicht, wie sie der Kläger subjektiv empfindet.
III.
34 Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen, weil die
Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllt sind.