Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 11.09.2013

vts, anspruch auf beschäftigung, treu und glauben, beendigung

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 11.9.2013, 13 Sa 31/13
Beschäftigungsanspruch im bestehenden Arbeitsverhältnis bei zwischenzeitlich
beendetem Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber
Leitsätze
1. Im bestehenden Arbeitsverhältnis steht dem Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber
grundsätzlich ein Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung zu.
2. Eine konkludente Ruhensvereinbarung, welche die arbeitsvertraglichen
Hauptpflichten der Arbeitsvertragsparteien suspendiert, kommt nur dann in Betracht,
wenn beide Parteien übereinstimmend vom Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses
ausgehen.
3. Fehlt es an einer solchen Ruhensvereinbarung, ist es grundsätzlich nicht treuwidrig,
wenn sich der Arbeitnehmer auf seinen Beschäftigungsanspruch beruft, auch wenn
zwischenzeitlich ein Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber bestanden hat.
4. Ein Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung kann nur für die Zukunft geltend
gemacht werden.
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim -
Kammern Heidelberg - vom 14. März 2013 (Az.:14 Ca 383/12) unter Zurückweisung
des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, den
Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen mit Tätigkeiten der Entgeltgruppe T4
des Entgeltrahmentarifvertrages der Deutschen Telekom AG (ERTV) zu beschäftigen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Für die Beklagte wird die Revision zugelassen. Im Übrigen wird die Revision nicht
zugelassen.
Tatbestand
1 Der Kläger begehrt in der Berufungsinstanz von der Beklagten die Beschäftigung
zu seinen arbeitsvertraglichen Bedingungen.
2 Der am 00.00.1961 geborene, verheiratete und zwei Kindern unterhaltspflichtige
Kläger arbeitet nach vorangegangener Ausbildung zum Fernmeldehandwerker seit
dem 1. September 1976 bei der Beklagten beziehungsweise deren
Rechtsvorgängern als Servicetechniker, seit 1995 am Arbeitsort H. zu einer
Vergütung nach Entgeltgruppe T4 des Entgeltrahmentarifvertrages der Deutschen
Telekom AG (ERTV) in Höhe von monatlich EUR 3.244,97 brutto. Er ist einem
schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses
der Parteien ist ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 19. November 1979 (vgl. Akten
2. Instanz Bl. 168; II/168) und ein Änderungsvertrag vom 1. Dezember 1992 (vgl.
II/169 f.).
3 Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme
der "Tarifvertrag Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung (TV Ratio)"
vom 29. Juni 2002, abgeschlossen zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft
ver.di, Anwendung. Dieser Tarifvertrag diente nach § 1 Abs. 1 der
sozialverträglichen Umsetzung von Rationalisierungsmaßnahmen zur Erhaltung,
Sicherung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Beklagten. Der Kläger war
von diesen Rationalisierungsmaßnahmen betroffen und vom 1. November 2003
bis 31. Dezember 2004 gemäß § 5 TV Ratio in eine Vermittlungs- und
Qualifizierungseinheit der Beklagten versetzt.
4 Zum 1. Januar 2005 vermittelte die Beklagte dem Kläger gemäß § 7 Abs. 3 des TV
Ratio in der Fassung vom 1. März 2004 (vgl. Anlagenband 1. Instanz Anlage 1;
IA/1) einen Dauerarbeitsplatz bei einer Beteiligungsgesellschaft der Beklagten
(sogenannte "Vermittlung in Geschäftsmodelle"), der V. GmbH & Co KG (künftig:
VTS). Anlässlich dessen wurde dem Kläger ein dreiseitiger Vertrag vorgelegt, der
unter anderem die Auflösung des bisherigen Arbeitsverhältnisses mit der
Beklagten und die Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses mit der VTS vorsah.
Der Kläger unterschrieb diesen Vertrag nicht.
5 Stattdessen unterzeichnete der Kläger am 8. Dezember 2004 lediglich einen
Arbeitsvertrag mit der VTS (vgl. IA/2), beginnend ab 1. Januar 2005, dem er
handschriftlich verschiedene Vorbehalte beifügte. Der Kläger arbeitete in der
Folgezeit bei der VTS weiterhin als Servicetechniker in H. Der Geschäftsbetrieb der
VTS ging zum 1. Januar 2008 gemäß § 613a BGB auf die N. GmbH & Co. KG
(künftig: NSNS) über, wo der Kläger unverändert weiterarbeitete.
6 Die Firma NSNS schloss am 30. Juli 2009 mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat
einen Interessenausgleich und Sozialplan (vgl. IA/4) betreffend einen
Personalabbau. Ab 1. Juli 2010 vereinbarten diese Betriebsparteien eine
Kurzarbeit "Null" (vgl. IA/5), von der auch der Kläger betroffen war. Der Kläger teilte
der Beklagten mit Schreiben vom 28. Januar 2011 (vgl. IA/7) mit, dass er zwar
einen Arbeitsvertrag bei der VTS abgeschlossen habe, ohne jedoch den von der
Beklagten angebotenen Auflösungsvertrag zu unterzeichnen und er an seinem
Arbeitsverhältnis bei der Beklagten festhalte. Mit Schreiben vom 8. August 2012
(vgl. IA/6) wandte sich die Firma NSNS unter der Überschrift "Ihre
Ratiobetroffenheit" an den Kläger und bestätigte diesem "den ratiobedingten
Wegfall" seines Arbeitsplatzes sowie, dass ein anderer freier Arbeitsplatz innerhalb
des Unternehmens nicht zur Verfügung stehe. Gleichzeitig bot die Firma NSNS
dem Kläger zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung den Abschluss
eines Aufhebungsvertrages an.
7 Am 13. August 2012 schloss der Kläger mit der Firma NSNS einen
Aufhebungsvertrag zum 31. Dezember 2012. Die Firma NSNS zahlte an den
Kläger wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von EUR
120.000,00 und gab in der Bescheinigung nach § 312 SGB III (vgl. Akten 1.
Instanz Bl. 60 ff.; I/60 ff.) eine Dauer der Betriebszugehörigkeit von 36 Jahren und
eine Kündigungsfrist von 7 Monaten zum Monatsende an. Ferner teilte sie in dieser
Bescheinigung mit, dass sie das Arbeitsverhältnis sonst am 31. August 2012 zum
30. März 2013 betriebsbedingt gekündigt hätte und kein zeitlich begrenzter oder
unbegrenzter Ausschluss der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit vorliege.
8 Der Kläger machte in der Folgezeit gegenüber der Beklagten geltend, mit ihr
weiterhin in einem Arbeitsverhältnis zu stehen und forderte sie erfolglos auf, ihn ab
1. Januar 2013 arbeitsvertragsgemäß weiter zu beschäftigen. Mit seiner am 10.
Oktober 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 16.
Oktober 2012 zugestellten Klage verfolgt der Kläger diese Ansprüche weiter.
9 Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, mangels Abschluss eines
Aufhebungsvertrages oder eines sonstigen die gesetzlich erforderliche Schriftform
erfüllenden Beendigungsaktes bestehe sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten
fort. Insbesondere folge aus dem TV Ratio selbst keine Beendigung des
Arbeitsverhältnisses der Parteien. Es sei nicht rechtsmissbräuchlich, wenn sich der
Kläger darauf berufe, zumal es an einem Umstandsmoment für eine Verwirkung
fehle. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der NSNS sei die Beklagte
verpflichtet, ihn tatsächlich zu beschäftigen. Mit der Vermittlung des Klägers an die
VTS sei das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ruhend gestellt worden.
Sachgrund dafür sei das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit einem Dritten
gewesen. Mit der betriebsbedingt veranlassten Beendigung des mit der NSNS
bestehenden Arbeitsverhältnisses sei der Sachgrund für das Ruhen entfallen.
Hierfür bedürfe es nicht zwingend des Ausspruchs einer betriebsbedingten
Kündigung durch die NSNS. Auch ein auf ihre Initiative abgeschlossener
Aufhebungsvertrag reiche aus. Ein Kündigungsschutz aufgrund eines von der
NSNS mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossenen Sanierungstarifvertrages
finde auf den Kläger mangels Gewerkschaftszugehörigkeit keine Anwendung.
Jedenfalls habe der Kläger keinen Anlass gehabt, an der Aussage von NSNS zu
zweifeln, dass sein Arbeitsverhältnis wegen Entfalls seines Arbeitsplatzes
gekündigt werde. Die Höhe der von NSNS gezahlten Abfindung sei in Bezug auf
das mit der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis ohne Bedeutung. Für den Fall,
dass man für das Rückkehrrecht des Klägers die Einhaltung der ordentlichen
Kündigungsfrist für maßgeblich halten sollte, mache der Kläger seinen Anspruch
hilfsweise erst ab dem 1. April 2013 geltend. Der Anspruch des Klägers auf
tatsächliche Beschäftigung gegenüber der Beklagten ergebe sich auch daraus,
dass er den Arbeitsvertrag mit der VTS nur unter verschiedenen Vorbehalten
angenommen habe. Aufgrund der von der NSNS seit 2009 durchgeführten
Maßnahmen, handele es sich nicht mehr um einen zumutbaren Dauerarbeitsplatz
im Sinne des TV Ratio.
10 Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:
11 1. Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes
Arbeitsverhältnis besteht.
12 2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen
mit Tätigkeiten gem. Entgeltgruppe T4 des Entgeltrahmentarifvertrages der
Deutschen Telekom AG (ERTV), welche die Ausbildung zum
Fernmeldehandwerker erfordern, ab dem 01.01.2013 am Arbeitsort H. zu
beschäftigen.
13 hilfsweise
14 Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen mit
Tätigkeiten gem. Entgeltgruppe T4 des Entgeltrahmentarifvertrages der
Deutschen Telekom AG (ERTV), welche die Ausbildung zum
Fernmeldehandwerker erfordern, ab dem 1.4.2013 am Arbeitsort H. zu
beschäftigen.
15 Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
16 die Klage abzuweisen.
17 Die Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen, das Arbeitsverhältnis der Parteien
habe mit der Begründung eines Arbeitsverhältnisses des Klägers mit der VTS
geendet. Dies ergebe sich aus einer Gesamtschau der tarifvertraglichen Regeln
des TV Ratio. Die Vermittlung eines rationalisierungsbetroffenen Arbeitnehmers auf
einen Dauerarbeitsplatz bei der VTS in Anwendung des TV Ratio setze
denknotwendig und rechtskonstitutiv einen Vertragswechsel in dem Sinne voraus,
dass das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ende. Solches sei auch der
Protokollnotiz zu § 3 Abs. 1 Anlage 8 TV Ratio betreffend einen Anspruch auf
Wiederbegründung des Arbeitsverhältnisses in bestimmten Fällen zu entnehmen.
Der Kläger habe sein Arbeitsverhältnis mit der NSNS gegen Zahlung einer hohen
Abfindung beendet, obwohl in einem Sanierungstarifvertrag der NSNS mit der
Gewerkschaft ver.di betriebsbedingte Beendigungskündigungen bis zum 31.
Dezember 2012 ausgeschlossen seien. Angesichts dessen sei eine vom Kläger
angekündigte Rückkehr zum 1. Januar 2013 verfrüht und treuwidrig, auch wenn
die NSNS dem Kläger den Aufhebungsvertrag unterbreitet habe. Die bei der
Beklagten erworbene langjährige Betriebszugehörigkeit sei bei dem
Aufhebungsvertrag berücksichtigt und abgegolten worden, so dass eine Rückkehr
zur Beklagten ausgeschlossen sei, unabhängig davon, ob ein ruhendes
Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien noch bestehe. Eine Rückkehr zur
Beklagten komme allenfalls in solchen Fällen in Betracht, in denen das
Arbeitsverhältnis bei der NSNS aus betriebsbedingten Gründen, ohne
eigenständiges und selbstdispositives Handeln des Arbeitnehmers beendet
worden ist, was beim Kläger nicht der Fall sei. Jedenfalls könne der Kläger nach
dem TV Ratio nicht Beschäftigung an einem bestimmten Standort einfordern, da
der Kläger bundesweit im Konzern eingesetzt werden dürfe. Gegebenenfalls
müsse die Beklagte prüfen, welche Arbeit für den Kläger überhaupt zur Verfügung
stehe, was völlig offen sei.
18 Das Arbeitsgericht hat mit einem am 14. März 2013 verkündeten Urteil der Klage
auf Feststellung des ungekündigten Bestehens eines Arbeitsverhältnisses
zwischen den Parteien stattgegeben, sie im Übrigen aber als unbegründet
abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien sei nicht in der gesetzlich
gebotenen Schriftform beendet worden. Der TV Ratio regele weder ausdrücklich
noch nach seinem Gesamtgefüge, dass ein Arbeitsverhältnis mit erfolgreicher
Vermittlung in ein "Geschäftsmodell" automatisch ende, unbeschadet der Frage,
ob dies rechtlich überhaupt möglich wäre. Insbesondere könne der Kläger ein
neues Arbeitsverhältnis mit der VTS abschließen, ohne dasjenige mit der
Beklagten zu beenden, sondern dieses nur ruhend stellen. Es fehle an einem
Umstandsmoment für eine Verwirkung des Anspruchs des Klägers, sich auf dieses
Arbeitsverhältnis zu berufen. Er habe die Unterzeichnung des Auflösungsvertrages
abgelehnt und damit deutlich gemacht, dass er sein Arbeitsverhältnis bei der
Beklagten nicht aufgeben wolle. Dem Kläger stehe aber - jedenfalls derzeit - kein
Beschäftigungsanspruch gegenüber der Beklagten zu. Insoweit bedürfe es einer
Auslegung der Ruhensvereinbarung. Danach sei der Kläger nicht berechtigt, ohne
entsprechende Sachgründe zur Beklagten zurückzukehren. Zweck der Regelung
sei, dass die Hauptleistungspflichten so lange suspendiert seien, wie der Kläger
durch den neu vermittelten Arbeitgeber "betriebsbedingt" abgesichert sei. Eine
solche Absicherung bestehe, solange der Kläger in einem Arbeitsverhältnis mit der
VTS und der NSNS gestanden habe. Aber auch die Abfindungszahlung des
vermittelten oder ihm nachfolgenden Arbeitgebers führe zu einer
"betriebsbedingten" Absicherung des Klägers, da er unter Berücksichtigung seiner
Betriebszugehörigkeit bei der Beklagten finanziell abgesichert sei. Der Kläger habe
eine Abfindung - bezogen auch auf seine Betriebszugehörigkeit bei der Beklagten
von 36 Jahren - in Höhe etwa eines Bruttomonatsgehalts pro Jahr erhalten und sei
daher über den 1. Januar 2013 und auch über den 1. April 2013 hinaus weiterhin
"betriebsbedingt" abgesichert, so dass die Beklagte nicht damit habe rechnen
müssen, dass der Kläger von ihr Beschäftigung verlange. Hierfür spreche auch
Sinn und Zweck der von der NSNS gezahlten Abfindung, so dass es
widersprüchlich und ein Verstoß gegen § 242 BGB wäre, wenn der Kläger zugleich
gegenüber der Beklagten sein Recht auf unveränderte Weiterbeschäftigung
geltend mache.
19 Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 17. April 2013 zugestellt.
Hiergegen wendet er sich mit seiner Berufung, die am 17. Mai 2013 beim
Landesarbeitsgericht eingegangen ist und innerhalb verlängerter Frist mit einem
am 12. Juli 2013 eingegangenen Schriftsatz begründet wurde.
20 Der Kläger trägt vor, das Arbeitsgericht verkenne Grund und Inhalt der von den
Parteien konkludent getroffenen Ruhensvereinbarung und schaffe einen neuen
Ruhenstatbestand, der mit dem Willen der Parteien nicht in Einklang zu bringen
sei. Die von den Parteien konkludent getroffene Ruhensvereinbarung sei allein am
Bestand eines Arbeitsverhältnisses bei der VTS oder etwaigen Rechtsnachfolgern
bis zu dessen betriebsbedingt veranlasster Beendigung / Kündigung geknüpft.
Sachgrund des Ruhens sei nach einem objektiven Empfängerhorizont die
Existenz eines Arbeitsverhältnisses mit einem Dritten unter Anrechnung der
Betriebszugehörigkeit und des Besitzstandes bei der Beklagten. Die nur finanzielle
Absicherung durch einen Dritten ohne den Bestand eines Arbeitsverhältnisses sei
nicht Bestandteil der konkludent getroffenen Ruhensvereinbarung. Dies folge auch
aus dem TV Ratio. Nur während des Bestandes eines anderweitigen zumutbaren
Dauerarbeitsverhältnisses solle das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ruhend
gestellt werden. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der NSNS zum
31. Dezember 2012 sei der Sachgrund für die Ruhensvereinbarung entfallen. Der
Kläger könne sich auch auf den Wegfall des Ruhens redlicher Weise berufen, da
es sich um eine von der NSNS herbeigeführte betrieblich veranlasste Beendigung
des Arbeitsverhältnisses handele. Die Zahlung der im Aufhebungsvertrag mit der
NSNS vereinbarten Abfindung stehe dem nicht entgegen. Die gegenteilige Ansicht
lasse den Grundsatz der Vertragsfreiheit außer Acht. Der NSNS habe es
freigestanden, die Zahlung einer wie auch immer gearteten Abfindung mit dem
Kläger zu vereinbaren. Dies könne im Verhältnis zur Beklagten nicht
rechtsmissbräuchlich sein, zumal sich nicht die Beklagte gegenüber dem Kläger
zur Zahlung verpflichtet und der Kläger auf die Abfindungssumme auch keinerlei
Einfluss genommen habe. Der Anspruch des Klägers ergebe sich zusätzlich auch
daraus, dass unabhängig von der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit der
NSNS die "Zumutbarkeit" des Dauerarbeitsplatzes bei der NSNS entfallen sei und
dies nach der Systematik des TV Ratio ein eigenständiges Rückkehrrecht zur
Beklagten begründe. Die seit 2009 bestehende Unzumutbarkeit beruhe darauf,
dass bei der NSNS in sozialplanpflichtigem Umfang Personal abgebaut und
Kurzarbeit angeordnet worden sei. Spätestens sei Unzumutbarkeit aber mit der
Mitteilung der NSNS gegenüber dem Kläger im Jahr 2012 betreffend den Wegfall
seines Arbeitsplatzes und einer fehlenden anderweitigen
Beschäftigungsmöglichkeit eingetreten. Mit Wegfall der Zumutbarkeit sei der Kläger
berechtigt, das mit der Beklagten weiterhin bestehende Arbeitsverhältnis wieder
aufzunehmen. Soweit man auf die ordentliche Kündigungsfrist bei der NSNS
abstellen wollte, sei die Beklagte hilfsweise jedenfalls seit 1. April 2013 verpflichtet,
die Arbeitskraft des Klägers entgegenzunehmen. Die Beklagte sei verpflichtet, den
Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen am Arbeitsort H. zu beschäftigen.
Die Frage, ob der Kläger gegebenenfalls verpflichtet wäre, in Ausübung eines
Direktionsrechts der Beklagten auch an einem anderen Ort zu arbeiten, stelle sich
vorliegend nicht.
21 Der Kläger beantragt:
22
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim, Kammern Heidelberg, vom
14.03.2013, Az. 14 Ca 383/12 wird abgeändert.
23
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten
Arbeitsbedingungen mit Tätigkeiten der Entgeltgruppe T4 des
Entgeltrahmentarifvertrages der Deutschen Telekom AG (ERTV), welche die
Ausbildung zum Fernmeldehandwerker erfordern, ab dem 01.01.2013,
hilfsweise ab dem 01.04.2013, am Arbeitsort H. zu beschäftigen.
24 Die Beklagte beantragt:
25
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim -
Kammern Heidelberg - vom 14.03.2013 zum Aktenzeichen 14 Ca 383/12 wird
zurückgewiesen.
26 Die Beklagte verteidigt das mit der Berufung angegriffene Urteil des
Arbeitsgerichts. Der Kläger könne schon keine Beschäftigung am Arbeitsort H.
verlangen, da er einem bundesweiten Versetzungsvorbehalt unterliege. Ebenso
könne der Kläger angesichts des Direktionsrechts der Beklagten nicht verlangen,
als Fernmeldehandwerker beschäftigt zu werden, was der Beklagten
zwischenzeitlich auch unmöglich sei. Dem Kläger könne allenfalls ein Anspruch
auf vertragsgerechte Beschäftigung mit einer Wertigkeit der Tätigkeit entsprechend
der Entgeltgruppe T4 ERTV zustehen. Angesichts der zwischen den Parteien
konkludent geschlossenen Ruhensvereinbarung stehe dem Kläger aber gar kein
Beschäftigungsanspruch gegen die Beklagte zu. Die Einwendungen des Klägers
gegen die erstinstanzliche Entscheidung seien unzutreffend. Folge man dem
Begründungsansatz des Klägers, könne dieser in treuwidriger illoyaler Weise zu
Lasten der Beklagten Bestandsschutzpositionen kapitalisieren und gleichzeitig von
ihr widersprüchlich eine Beschäftigung und damit einhergehende Vergütung
fordern. Dies sei in hohem Maße treuwidrig. Unter Beachtung der besonderen
Dreieckskonstellation stelle sich der Abschluss des Aufhebungsvertrages
zwischen dem nach dem SGB IX sonderkündigungsgeschützten Kläger und der
NSNS unter Verkürzung der ordentlichen Kündigungsfrist und voller Kapitalisierung
des sozialen Besitzstandes einschließlich der bei der Beklagten erbrachten
Vordienstzeiten entsprechend § 162 BGB gegenüber der Beklagten als treuwidrig
dar, soweit der Kläger nach der autonom veranlassten Aufhebung des
Arbeitsverhältnisses mit der NSNS eine anschließende Beschäftigung durch die
Beklagte fordere. Es werde bestritten, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers für
den Fall des Nichtabschlusses des Aufhebungsvertrages von der NSNS
unumgänglich betriebsbedingt ordentlich gekündigt worden wäre, zumal auf den
Kläger der bei der NSNS bestehende Sanierungstarifvertrag mit tariflichem
Sonderkündigungsschutz Anwendung finde. Es verstoße gegen Treu und
Glauben, wenn der Kläger an der Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses
aktiv durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages gegen Zahlung einer
Abfindung mitwirke, zumal damit der bei der Beklagten erworbene Besitzstand
abgegolten werde. Damit erlange der Kläger im Verhältnis zur Beklagten illoyal
wirtschaftliche Vorteile, die er sich anrechnen lassen müsse.
27 Im Übrigen wird hinsichtlich des Vortrags der Parteien auf die zwischen ihnen in
beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
28 Die Berufung des Klägers ist zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes
EUR 600,00 übersteigt, § 64 Abs. 2 Buchstabe b ArbGG. Die Berufung ist auch
frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64
Abs. 6 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO.
II.
29 Die Berufung des Klägers ist auch zum überwiegenden Teil begründet. Ihm steht
gegen die Beklagte ein Anspruch auf Beschäftigung zu unveränderten
Arbeitsbedingungen mit Tätigkeiten der Entgeltgruppe T4 des ERTV zu. Insoweit
war das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und der Klage stattzugeben.
30 1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte der mit seiner Klage geltend gemachte
Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung zu. Dies folgt aus dem
arbeitsvertraglichen Beschäftigungsanspruch (§§ 611 Abs. 1, 613, 242 BGB), der
seine Wurzel im allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmer hat, Art. 1
Abs. 1, 2 Abs. 1 GG (vgl. bereits BAG 10. November 1955 - 2 AZR 591/54 - BAGE
2, 221 = AP § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 2; vgl. auch BAG 27. Februar
1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122 ff. = AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14).
31 a) Zwischen den Parteien besteht ein Arbeitsverhältnis. Dies hat die Beklagte im
Rechtsstreit zwar in Abrede gestellt und vorgetragen, dass das zwischen den
Parteien ursprünglich bestehende Arbeitsverhältnis mit Abschluss des
Arbeitsvertrages zwischen dem Kläger und der VTS am 1. Januar 2005 geendet
habe. Dem entsprechenden Bestandsschutzantrag des Klägers hat das
Arbeitsgericht mit seinem Urteil vom 14. März 2013 aber stattgegeben. Die
Beklagte hat hiergegen kein Rechtsmittel eingelegt. Damit steht rechtskräftig fest,
dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht.
32 b) Im bestehenden Arbeitsverhältnis steht dem Kläger gegen die Beklagte ein
Beschäftigungsanspruch zu, der aus §§ 611 Abs. 1, 613 iVm. § 242 BGB
abzuleiten ist. Der Anspruch beruht unmittelbar auf der sich aus § 242 BGB unter
Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung der Art. 1 Abs. 1
und 2 Abs. 1 GG über den Persönlichkeitsschutz für den Arbeitgeber ergebenden
arbeitsvertraglichen Förderungspflicht der Beschäftigungsinteressen des
Arbeitnehmers (vgl. auch ErfK-Preis, 13. Auflage 2013, § 611 BGB Rn. 563,
m.w.N.).
33 2. Es liegt kein Sonderfall vor, der es der Beklagten erlaubte, im bestehenden
Arbeitsverhältnis eine Beschäftigung des Klägers abzulehnen. Insbesondere kann
sich die Beklagte nicht auf ein "ruhendes" Arbeitsverhältnis berufen, in welchem
ihre Beschäftigungspflicht gegenüber dem Kläger suspendiert wäre.
34 a) Es gibt keinen Anlass für die Annahme, die Parteien hätten einvernehmlich das
Ruhen ihres Arbeitsverhältnisses vereinbart (vgl. zu der identischen
Fallkonstellation LAG Berlin-Brandenburg 26. Juli 2012 - 14 Sa 1867/11 und 14 Sa
1969/11 - Rn. 140, juris).
35 Es liegt kein Fall eines gesetzlichen Ruhens des Arbeitsverhältnisses vor. Solches
ergibt sich auch nicht aus dem TV Ratio, der hierfür keine Regelungen vorsieht.
Eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung über das Ruhen ihres
Arbeitsverhältnisses haben die Parteien weder schriftlich noch mündlich getroffen.
Zwar wird von den Parteien im Berufungsrechtszug eine "konkludente"
Ruhensvereinbarung erörtert. Wann und wie diese mit welchem Inhalt
geschlossen worden sein soll, wird von ihnen aber nicht schlüssig dargelegt.
Gegen eine solche übereinstimmende Ruhensvereinbarung spricht der Umstand,
dass die Beklagte von einer wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses
ausgegangen ist. Eine Vereinbarung über das Ruhen der Hauptpflichten aus
einem Arbeitsverhältnis kann aber nur dann angenommen werden, wenn beide
Parteien übereinstimmend von einem bestehenden Arbeitsverhältnis ausgehen
(vgl. BAG 7. Juni 1990 - 6 AZR 52/89 - Rn. 18, BAGE 65, 187 ff. = AP TVG § 1
Tarifverträge Metallindustrie Nr. 92). Vorliegend hat sich die Beklagte aber noch
bis zum Ende des erstinstanzlichen Verfahrens auf den Standpunkt gestellt, das
zwischen ihr und dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis sei bereits seit dem
Jahr 2005 beendet. Dass die Beklagte in einem aus ihrer Sicht beendeten
Arbeitsverhältnis (konkludent) eine Vereinbarung über das Ruhen der
gegenseitigen Hauptpflichten hat treffen wollen, ist fernliegend. Deshalb fehlt es
auch an jedem erkennbaren Inhalt einer etwaigen Ruhensvereinbarung. Vielmehr
gleicht der vorliegende Fall der Konstellation, in welcher aufgrund eines
arbeitsgerichtlichen Urteils, die Unwirksamkeit einer Kündigung, einer Befristung
oder eines Aufhebungsvertrages festgestellt wird. Soweit der Arbeitnehmer in der
Zeit beispielsweise zwischen Ablauf der Kündigungsfrist und dem
arbeitsgerichtlichen Urteil vom Arbeitgeber nicht beschäftigt wird, beruht auch dies
nicht auf einer konkludenten Vereinbarung über das Ruhen der Hauptpflichten.
36 b) Nachdem rechtskräftig das (Fort-) Bestehen eines von der Beklagten
bestrittenen Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien erkannt wurde, kann der
Kläger von der Beklagten die Zuweisung arbeitsvertragsgemäßer Beschäftigung
verlangen. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger zwischenzeitlich ein neues
Arbeitsverhältnis mit der VTS beziehungsweise im Wege des Betriebsübergangs
mit der NSNS begründet hatte, welches gegen Zahlung einer Abfindung im Wege
eines Aufhebungsvertrages beendet wurde. Insbesondere stellt sich das
Beschäftigungsverlangen des Klägers gegenüber der Beklagten nicht als
treuwidrig dar.
37 aa) Das zuletzt mit der NSNS bestehende Arbeitsverhältnis des Klägers steht
einer Aufnahme der Beschäftigung bei der Beklagten schon deshalb nicht
entgegenstehen, da dies zum Ablauf des 31. Dezember 2012 beendet ist. Damit
besteht für den Kläger tatsächlich die Möglichkeit, für die Beklagte zu arbeiten.
Dass es für die Beklagte, die viele tausend Arbeitnehmer beschäftigt, unmöglich
wäre, den Kläger überhaupt vertragsgemäß zu beschäftigen, hat diese nicht
schlüssig vorgetragen. Vielmehr nimmt sie in ihren schriftsätzlichen Ausführungen
Bezug auf das ihr zustehende Direktionsrecht gegenüber dem Kläger, welches
eine vielfältige Einsatzmöglichkeit erlaube.
38 bb) Es spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, dass das Arbeitsverhältnis
des Klägers bei der NSNS nicht aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung der
NSNS, sondern aufgrund eines von der NSNS dem Kläger angebotenen
Aufhebungsvertrages unter Bezugnahme auf betriebsbedingte Gründe und unter
Abkürzung der von diesen Arbeitsvertragsparteien für maßgeblich gehaltenen
Kündigungsfrist gegen Zahlung einer Abfindung beendet worden ist. Soweit dies
vom LAG Schleswig-Holstein (5. Oktober 2010 - 3 Sa 110/10 - juris) in einem
obiter dictum zu einer dort nicht zur Entscheidung anstehenden Frage eines
Beschäftigungsanspruchs eines Arbeitnehmers anders gesehen werden sollte,
kann dem nicht gefolgt werden (so auch LAG Berlin-Brandenburg 26. Juli 2012 -
14 Sa 1867/11 und 14 Sa 1969/11 - Rn. 163, juris).
39 (1) Indem es die Beklagte zuließ, dass sich der Kläger ohne förmliche Beendigung
des mit ihr bestehenden Arbeitsverhältnisses einem anderen Arbeitgeber
zuwandte und sie mit dem Kläger weder Vereinbarungen über die Modalitäten
einer etwaigen Rückkehr traf, noch sein Fernbleiben von der Arbeit bei ihr - etwa
durch den Ausspruch einer Kündigung - sanktionierte, hat sie sehenden Auges in
Kauf genommen, dass sich der Kläger auf ein nach wie vor mit ihr bestehendes
Arbeitsverhältnis berufen und von ihr Beschäftigung verlangen kann. Ein etwaiges
Vertrauen der Beklagten darauf, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei auch ohne
schriftliche Kündigung und ohne schriftlichen Aufhebungsvertrag etwa "aus einer
Gesamtschau der tarifvertraglichen Regeln des TV Ratio" (so die Beklagte im
erstinstanzlichen Verfahren) beendet, ist nicht schützenswert.
40 (2) Der Kläger hatte auch berechtigten Anlass, von der Beklagten wieder
Beschäftigung zu verlangen, nachdem er in seinem vormaligen Arbeitsverhältnis
bei der NSNS nicht mehr beschäftigt wurde (Kurzarbeit "Null") und diese an ihn
einen Aufhebungsvertrag herangetragen hatte, welcher auf bei ihr bestehenden
betriebsbedingten Gründen zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung
beruhte. Den Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung für den Fall, dass
kein Aufhebungsvertrag abgeschlossen wird, hat die NSNS nicht nur gegenüber
dem Kläger angekündigt, sondern auch gegenüber der Agentur für Arbeit (vgl.
I/61) bestätigt. Die Beklagte hat keine Umstände vorgetragen, die an dieser
Absicht zweifeln ließen. Es kommt nicht darauf an, ob sich der Ausspruch einer
solchen Kündigung im Rahmen einer gerichtlichen Überprüfung als wirksam
erweisen würde, da der Kläger nicht gehalten wäre, dagegen
Kündigungsschutzklage zu erheben (vgl. BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 -,
Rn. 61, AP BGB § 307 Nr. 52). Anhaltspunkte für ein kollusives Zusammenwirken
des Klägers mit der NSNS gibt es nicht, zumal der Aufhebungsvertrag vor dem
Hintergrund einer umfassenden Restrukturierungsmaßnahme bei der NSNS
stand. Ob der Kläger von der Beklagten auch dann Beschäftigung verlangen
könnte, wenn sein Arbeitsverhältnis mit der NSNS beispielsweise aus
verhaltensbedingten Gründen gekündigt worden wäre, bedarf vorliegend keiner
Entscheidung.
41 (3) Der Kläger macht sein Beschäftigungsbegehren gegenüber der Beklagten
nicht zur Unzeit geltend. Spätestens aufgrund seines Schreibens vom 28. Januar
2011 (vgl. IA/7) an die Beklagte wusste diese, dass sich der Kläger nach wie vor
eines Arbeitsverhältnisses mit ihr berühmte. Angesichts der am 16. Oktober 2012
zugestellten vorliegenden Klage hatte die Beklagte auch genügend Zeit, sich auf
das in der Zukunft liegende Beschäftigungsbegehren des Klägers einzustellen.
Mangels ausdrücklicher oder konkludenter Vereinbarung der Parteien war der
Kläger auch nicht gehalten, spezielle (Ankündigungs-) Fristen für die
Geltendmachung seines Beschäftigungsverlangens einzuhalten. Dies gilt
unbestritten für den Fall einer als unwirksam erkannten Kündigung eines
Arbeitsverhältnisses und umso mehr in einem Fall wie vorliegend, wo es - wie vom
Arbeitsgericht rechtskräftig festgestellt - sogar an jedem schriftlichen
Beendigungsakt fehlt.
42 (4) Der von der Beklagten in den Vordergrund gerückte Umstand, der
Vereinbarung einer hohen Abfindung des Klägers mit der NSNS - offenkundig
unter Berücksichtigung seiner Betriebszugehörigkeit bei der Beklagten - steht
seinem Beschäftigungsverlangen bei der Beklagten nicht entgegen. Für die
Annahme, die Parteien hätten für die Geltendmachung eines
Beschäftigungsverlangens durch den Kläger besondere Voraussetzungen - wie
etwa das Fehlen einer finanziellen Absicherung des Klägers - vereinbart, ist
mangels eines konkreten Tatsachenvortrags der Beklagten kein Raum, zumal
diese ohnehin nicht von einem Ruhen, sondern von einer Beendigung des
Arbeitsverhältnisses der Parteien ausging (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 26. Juli
2012 - 14 Sa 1867/11 und 14 Sa 1969/11 - Rn. 143, juris). Die Entgegennahme
einer hohen Abfindung des Klägers von der NSNS macht sein
Beschäftigungsverlangen gegenüber der Beklagten auch nicht treuwidrig. Die
Beklagte wird durch die Abfindungszahlung und die Berücksichtigung der bei ihr
zurückgelegten Betriebszugehörigkeit des Klägers in keiner Weise belastet. Die
Abfindung ist allein eine Leistung der NSNS an den Kläger, welche die Beklagte in
keiner Weise betrifft. Ob und in welcher Höhe die NSNS an den Kläger
Abfindungszahlungen erbringt, ist für die Frage des Beschäftigungsanspruchs des
Klägers gegenüber der Beklagten ohne Belang. Dieser besteht, gleichgültig ob die
NSNS eine große, eine kleine oder gar keine Abfindung zahlt. Es handelt sich
insbesondere nicht um eine Zahlung der Beklagten, mit welcher sie sich von ihrer
Beschäftigungspflicht "freikaufen" könnte. Der Umstand, dass der Kläger mit Glück
oder Geschick sich außerhalb des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten Vorteile
hat sichern können, macht es nicht treuwidrig, arbeitsvertragliche Ansprüche
gegenüber der Beklagten einzufordern, die durch diese Vorteile des Klägers
keinerlei eigene Nachteile erleidet. Dies gilt jedenfalls insoweit, wie der Kläger
vorliegend allein einen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung geltend macht.
43 3. Allerdings kann der Kläger von der Beklagten die mit seinem Antrag geltend
gemachte tatsächliche Beschäftigung nicht - nunmehr rückwirkend - ab 1. Januar
2013 oder hilfsweise ab 1. April 2013 verlangen. Insoweit ist seine Berufung
unbegründet und war zurückzuweisen.
44 a) Bei der Klage auf arbeitsvertragsgemäße Beschäftigung handelt es sich um
eine Klage auf künftige Leistung nach § 259 ZPO (vgl. BAG 29. Oktober 1997 - 5
AZR 573/96 - Rn. 16, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 51). Sie ist auf die
Vornahme einer unvertretbaren Handlung - die Zuweisung der vertragsgemäßen
Beschäftigung - gerichtet (vgl. GMP-Germelmann, ArbGG, 8. Auflage 2013, § 46
Rn. 64). Die Möglichkeit einer solchen Klage steht der Erhebung einer
Feststellungsklage zwar nicht entgegen. Wie sich aus dem Wort "kann" in § 259
ZPO ergibt, steht dem Kläger aber ein Wahlrecht zu (vgl. RG 11. Mai 1926 - III
265/25 - RG 113, 410, 411; BGH 7. Februar 1986 - V ZR 201/84 - NJW 86, 2507).
Dies hat der Kläger im vorliegenden Fall zugunsten der Leistungsklage ausgeübt.
Die für eine Klage auf künftige Leistung gemäß § 259 ZPO erforderliche
Besorgnis, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde,
ist vorliegend gerechtfertigt, nachdem die Beklagte einen Beschäftigungsanspruch
des Klägers und zunächst sogar das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses
bestritten hat.
45 b) Beschäftigungsansprüche können nur für die Zukunft geltend gemacht werden,
die Arbeitsleistung für die Vergangenheit ist regelmäßig nicht mehr nachholbar
(vgl. GMP-Germelmann, ArbGG, 8. Auflage 2013, § 46 Rn. 66). Auch wenn ein
Beschäftigungsanspruch in der Vergangenheit bestanden haben sollte, so hat er
sich bis zur gerichtlichen Entscheidung infolge Zeitablaufs in der Hauptsache
erledigt. Zur Beschäftigung für eine zurückliegende Zeit kann ein Arbeitgeber
ebenso wenig verurteilt werden, wie ein Arbeitnehmer zur Unterlassung von
Wettbewerb nach Ablauf der Karenzzeit (vgl. BAG 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 -
Rn. 20, AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 19).
46 c) Dementsprechend kommt es im Rahmen der vorliegenden Leistungsklage nicht
auf die von den Parteien unterschiedlich beurteilt Frage an, ob der Kläger bereits
ab 1. Januar 2013 oder 1. April 2013 von der Beklagten hat Beschäftigung
verlangen kann. Jedenfalls im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem
Landesarbeitsgericht im September 2013 ist ein solcher Anspruch gegeben (siehe
oben). Weder tatsächliche noch rechtliche Gründe stehen einem
Beschäftigungsverlangen des Klägers jetzt entgegen. Für die Vergangenheit
konnte die Beklagte nicht mehr zu einer tatsächlichen Beschäftigung des Klägers
verurteilt werden, so dass der seit der Klageerhebung inzwischen überholte
Leistungsantrag des Klägers, soweit er die Vergangenheit betrifft, abzuweisen
war. Einen die Vergangenheit betreffenden Feststellungsantrag hat der Kläger -
unbeschadet der Frage dessen Zulässigkeit - ebensowenig gestellt, wie einen
bezifferten Zahlungsantrag für etwaige Annahmeverzugsansprüche, in dessen
Rahmen inzident die Frage eines Beschäftigungsanspruchs auch für
zurückliegende Zeiträume zu klären gewesen wäre.
47 4. Die Berufung des Klägers war ebenso als unbegründet zurückzuweisen, soweit
in seinem Klageantrag das erläuternde Element "welche die Ausbildung zum
Fernmeldehandwerker erfordern" enthalten ist. Der Kläger hat für diesen Zusatz
keine schlüssige Begründung vorgetragen. Ein diesbezüglicher Anspruch ist nicht
zu erkennen. Im schriftlichen Arbeitsvertrag des Klägers (vgl. II/168 ff.) ist keine
Einschränkung des Direktionsrechts der Beklagten enthalten, so dass der Kläger
grundsätzlich mit allen Tätigkeiten beschäftigt werden kann, die seiner
Vergütungsgruppe entsprechen. Ebenso hat der Kläger keinen Anspruch darauf,
am Arbeitsort H. eingesetzt zu werden. Einen solchen Anspruch hat der Kläger
nicht schlüssig begründet. Zwar ist der Kläger vormals bei der Beklagten langjährig
am Arbeitsort H. eingesetzt worden. Allein daraus kann aber nicht abgeleitet
werden, dass das Direktionsrecht der Beklagten beschränkt wäre. Dies stellt
letztlich auch der Kläger in seinem Berufungsbegründungsschriftsatz vom 12. Juli
2013 (dort Seite 17; vgl. II/58) nicht grundsätzlich in Abrede. Dass die Beklagte
bislang gegenüber dem Kläger noch keine Weisung betreffend einen bestimmten
Arbeitsort getroffen hat, führt nicht dazu, dass sich der Anspruch des Klägers auf
einen bestimmten Ort seiner Wahl konkretisiert hätte. Mangels weitergehender
Vereinbarungen der Parteien dazu kann der Kläger im Rahmen seines
Beschäftigungsantrags nur arbeitsvertragsgemäße Beschäftigung verlangen, wie
er es der Sache nach auch mit Klage und Berufung begehrt.
III.
48 Da die Beklagte ganz überwiegend unterlegen ist, waren ihr die Kosten des
Rechtsstreits beider Instanzen aufzuerlegen, § 92 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Die
Zuvielforderung des Klägers hinsichtlich seines Beschäftigungsantrags war
verhältnismäßig geringfügig und hat keine besonderen Kosten verursacht. Das
Landesarbeitsgericht hat die Revision für die Beklagte gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1
ArbGG zugelassen. Für den Kläger war die Revision nicht zuzulassen, weil
insoweit die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllt sind.