Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 03.02.2014

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LArbG Baden-Württemberg Beschluß vom 3.2.2014, 12 Ta 21/13
Anforderungen an eine Beschwerdeschrift bei Prozesskostenhilfeüberprüfung
Leitsätze
1. Eine Beschwerdeschrift im Sinne des § 569 Abs. 2 ZPO liegt nur dann vor, wenn
aus ihr ersichtlich ist, dass die ergangene Gerichtsentscheidung, gegen die sich die
Schrift wendet, von der nächsten Instanz überprüft werden soll.
2. Reicht eine Partei, deren Prozesskostenhilfe gem. § 124 Nr. 2 ZPO aufgehoben
worden ist, Unterlagen zu ihren aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnissen nach, kann dieser Vorgang allein nicht als Beschwerde ausgelegt
werden, weil aus ihm nicht hervorgeht, dass die Aufhebung der Prozesskostenhilfe
durch die nächste Instanz überprüft werden soll.
Tenor
1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 21.11.2013 (Bl. 37 der Akte) wird
aufgehoben.
2. Kosten werden nicht erhoben.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1 Der Klägerin war mit Beschluss des Arbeitsgerichts vom 27.06.2012 (Bl. 22 der
Akte) Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt worden. Mit Verfügung vom
17.05.2013 forderte das Arbeitsgericht sie auf, ihre aktuellen persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse bis zum 14.06.2013 mitzuteilen. Mit Verfügung vom
26.06. räumte das Arbeitsgericht der Klägerin eine zweite Mitteilungsfrist bis
26.07.2013 ein und wies sie darauf hin, dass die bewilligte Prozesskostenhilfe
aufgehoben werden könne, wenn keine Mitteilung erfolge. Auch eine zweite
Nachfrist bis 23.08.2013 lief ohne Reaktion der Klägerin ab.
2 Das Arbeitsgericht hob die Bewilligung der Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom
30.08.2013 (Bl. 32 der Akte) auf. Der Beschluss wurde dem
Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 02.09.2013 zugestellt. Am 10.09. ging
das folgende Schreiben der Klägerin vom 08.09. nebst Anlagen beim
Arbeitsgericht ein:
3
„wegen krankheitsbedingtem aussfall und der Sommerferien, die ich ausser
Landes bei meiner Familie verbracht habe, habe ich leider verpasst Ihnen
rechtzeitig die Unterlagen zukommen zu lassen. Anbei erhalten Sie alle nötigen
Kopien und unterzeichneten Papiere zurück.“
4 Das Arbeitsgericht unterrichtete die Klägerin am 12.09., es lege die eingereichten
Unterlagen als Beschwerde gegen den Beschluss vom 30.08. aus. Zudem forderte
es die Klägerin auf, bis 10.10.2013 einen aktuellen Bescheid des Jobcenters
einzureichen. Der beigefügte Bescheid sei am 30.04.2013 abgelaufen. Die
Klägerin reichte auch nach einer Erinnerung keine weiteren Unterlagen nach. Mit
Beschluss vom 21.11.2013 half das Arbeitsgericht „der sofortigen Beschwerde d.
Bet. zu 1 vom 08.09.2013“ nicht ab und legte sie dem Landesarbeitsgericht zur
Entscheidung vor.
II.
5 Der Nichtabhilfebeschluss des Arbeitsgerichts vom 21.11.2013 ist aufzuheben,
weil die Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 30.08.2013 keine
Beschwerde eingelegt hat. Das Schreiben der Klägerin vom 08.09. stellt keine
Beschwerde dar.
6 Entsprechend § 569 Abs. 2 ZPO i. V. mit § 78 ArbGG wird eine Beschwerde durch
Einreichung einer Beschwerdeschrift eingelegt. Die Beschwerdeschrift muss die
Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung sowie die Erklärung enthalten,
dass Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt werde. Wegen der geringen
Formstrenge reicht es dabei aus, wenn die Schrift bei großzügiger Auslegung den
Beschwerdeführer, die angefochtene Entscheidung und das Ziel hinreichend klar
erkennen lässt, dass die angefochtene Entscheidung durch die nächste Instanz
überprüft werden soll (vgl. BGH, Beschluss vom 23.10.2003, IX ZB 369/02, NJW
2004, 1112 (1113); Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 26.05.2011, 9 WF
60/11, Rn. 11). Im Zweifel ist dasjenige gewollt, was nach den Maßstäben der
Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht
(vgl. BGH, Beschluss vom 08.10.1991, XI ZB 6/91, NJW 1992, 243;
Brandenburgisches OLG, a.a.O., Rn. 12).
7 Das Schreiben der Klägerin vom 08.09.2013 enthält keine Anhaltspunkte für eine
Beschwerde. Es nimmt keinen Bezug auf eine Gerichtsentscheidung, die
angefochten werden soll. Es lässt nicht einmal erkennen, ob die Klägerin am
08.09., als sie das Schreiben verfasste, den Beschluss des Arbeitsgerichts vom
30.08. überhaupt zur Kenntnis genommen hatte. Dementsprechend kann dem
Schreiben auch bei großzügiger Auslegung nicht entnommen werden, dass die
Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe von der nächsten Instanz
überprüft werden soll. Mit dem Schreiben vom 08.09. wollte sich die Klägerin
lediglich das Nachprüfungsverfahren zur Ermittlung ihrer aktuellen persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnisse vor dem Arbeitsgericht, also in derselben Instanz,
offenhalten. Eine Gerichtsentscheidung wurde mit diesem Schreiben nicht
angegriffen. Es stellt daher keine Beschwerde dar.
8 Mangels einer Beschwerde ist der Nichtabhilfebeschluss des Arbeitsgerichts vom
21.11.2013 aufzuheben. Es verbleibt bei der Aufhebung der Bewilligung der
Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 30.08.2013.
III.
9 1. Da die Klägerin keine Beschwerde eingelegt hat, können keine Kosten erhoben
werden.
10 2. Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die
Zulassungsvoraussetzungen gem. § 72 Abs. 2 i. V. mit § 78 ArbGG nicht gegeben
sind.