Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 03.11.2014

sozialarbeiter, eltern, wohl des kindes, trennung

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 3.11.2014, 1 Sa 9/14
Eingruppierung einer Sozialarbeiterin
Leitsätze
Die Tätigkeit einer als Sozialarbeiterin eingesetzten Diplom-Pädagogin, die in einer
Beratungsstelle für Jugend- und Erziehungsfragen mit der Beratung von
hochstreitigen Elternteilen nach Trennung und Scheidung gemäß § 156 FamFG
betraut ist, hebt sich nicht durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der
Entgeltgruppe S 12 heraus. Sie erfüllt damit nicht die Tätigkeitsmerkmale der
Entgeltgruppe S 17.
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom
17.04.2014 - 1 Ca 229/13 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung der Klägerin.
2 Die am … 1961 geborene, verheiratete und drei Kindern unterhaltsverpflichtete
Klägerin ist seit dem 01.09.1997 bei dem beklagten Landkreis in Teilzeit (50 %)
beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Arbeitsvertrag vom 01.07.1997
zugrunde. Nach § 2 des Arbeitsvertrags richtete sich das Arbeitsverhältnis nach
den Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrags. Durch Änderungsvertrag
vom 05.02.2008 wurde geregelt, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem
Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) bestimmt. Die Klägerin ist derzeit in
die Entgeltgruppe S 12 nach den Eingruppierungsmerkmalen für die Beschäftigten
im Sozial- und Erziehungsdienst eingruppiert.
3 Die Klägerin studierte von 1980 bis 1986 Erziehungswissenschaft, Soziologie und
Psychologie an der Universität Tübingen. Sie besitzt einen Abschluss als Diplom-
Pädagogin. Bei dem beklagten Landkreis war sie von 1997 bis 2002 beim
Jugendamt R. im Pflegekinderdienst tätig. Von 2002 bis 2005 befand sich die
Klägerin in Elternzeit und sodann bis zum 27.10.2008 im Sonderurlaub. Während
der Elternzeit bzw. des Sonderurlaubs übte die Klägerin eine freiberufliche
Nebentätigkeit als „Anwältin des Kindes“ für verschiedene Familiengerichte aus
und gab Elternseminare „Starke Eltern - starke Kinder“. Ab Oktober 2006 nahm die
Klägerin an einer Mediationsausbildung mit Schwerpunkt Familienmediation beim
Institut für Konfliktberatung und Mediation in F. teil. Zu den von der Klägerin hierbei
belegten Seminaren wird auf die in der Berufungsverhandlung vorgelegte
Teilnahmekarte verwiesen. Die Klägerin schloss die Fortbildung im November
2008 ab.
4 Am 20.11.2007 schrieb der beklagte Landkreis intern die Stelle einer/eines Diplom-
Sozialpädagogen/in / Diplom-Sozialarbeiter/in (FH) oder gleichwertige Ausbildung
mit einem Stellenumfang von 50 % in der Entgeltgruppe 9 aus. Die
Stellenausschreibung hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
5
„Das Aufgabengebiet umfasst Diagnostik, Beratung und Therapie von Kindern,
Jugendlichen, Eltern und Familien, Durchführung von präventiven
Veranstaltungen und Mitarbeit in sozialen Netzwerken. Ein besonderer
Schwerpunkt liegt bei dieser Stelle in der Beratung bei Trennungs- und
Scheidungskonflikten.
6
Wir suchen daher eine engagierte und aufgeschlossene Fachkraft, die gerne mit
Kindern, Jugendlichen und Eltern arbeitet. Vorteilhaft wäre eine abgeschlossene
therapeutische Zusatzausbildung, einschlägige Berufserfahrung, nach Möglichkeit
eine Weiterbildung in Trennungs-/Scheidungsmediation bzw. Familienmediation.“
7 Mit Schreiben vom 06.12.2007 bewarb sich die Klägerin erfolgreich auf diese
Stelle. Seit dem 01.04.2008 ist die Klägerin im Kreisjugendamt, Beratungsstelle für
Jugend- und Erziehungsfragen, in Teilzeit (50 %) tätig. Mit Schreiben vom
18.01.2010 unterrichtete der beklagte Landkreis die Klägerin darüber, dass sie ab
01.11.2009 in die Entgeltgruppe S 11 Ü nach dem Tarifvertrag im Sozial- und
Erziehungsdienst vom 27.07.2009 eingruppiert sei. Mit Schreiben vom 26.04.2010
legte die Klägerin hiergegen Widerspruch ein und machte eine Eingruppierung in
die Entgeltgruppe S 17 Fallgruppe 5, hilfsweise S 15 geltend. Hierauf bat der
beklagte Landkreis mit Schreiben vom 18.05.2010 um die Vorlage einer
Stellenbeschreibung.
8 Mit Schreiben vom 13.12.2010 übersandte die Klägerin die erbetene
Stellenbeschreibung. Hiernach obliegt der Klägerin die Elternberatung nach
Trennung und Scheidung - Folgen für die Kinder („Reutlinger Modell“),
Erziehungsberatung. Die Klägerin ist der Sachgebietsunterleitung unterstellt. Mit
einem Zeitanteil von 80 % ist der Klägerin die Beratung und Vermittlung in Fragen
der elterlichen Sorge nach den §§ 17, 18 SGB VIII übertragen. Mit einem Zeitanteil
von 10 % nimmt die Klägerin die Aufgabe der Erziehungsberatung wahr. Weitere
jeweils 5 % entfallen auf die Prävention und die Kooperation mit sozialen Diensten.
Wegen der Einzelheiten wird auf die vorgelegte Stellenbeschreibung (Abl. 23 ff.)
verwiesen.
9 Mit Schreiben vom 11.04.2011 teilte der beklagte Landkreis der Klägerin mit, dass
man ein externes Unternehmen um eine Stellenbewertung sämtlicher Stellen der
sozialpädagogischen Fachkräfte in den Erziehungsberatungsstellen gebeten
habe. Mit Schreiben vom 20.10.2011 teilte der beklagte Landkreis der Klägerin mit,
dass die Stellenbewertung eine Zuordnung ihrer Stelle in die Entgeltgruppe S 12
ergeben habe. Die Klägerin werde rückwirkend ab 01.01.2011 in diese
Entgeltgruppe höhergruppiert.
10 Mit Anwaltsschreiben vom 05.02.2013 machte die Klägerin mit ausführlicher
Begründung ihre Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 17 Fallgruppe 5 geltend.
Mit Schreiben vom 06.03.2013 lehnte der beklagte Landkreis dieses Ansinnen ab.
11 Mit ihrer am 18.06.2013 eingegangenen Klage macht die Klägerin eine Vergütung
nach der Entgeltgruppe S 17, Fallgruppe 5, hilfsweise nach der Entgeltgruppe S
15, Fallgruppe 7, jeweils seit 01.01.2010 geltend. Sie hat vorgetragen,
zweifelsohne übe sie eine schwierige Tätigkeit im Sinne der Entgeltgruppe S 12
aus. Sie erfülle aber auch die Heraushebungsmerkmale „besondere Schwierigkeit
und Bedeutung“ der Fallgruppe S 17. Ihre Tätigkeit unterscheide sich von der
Tätigkeit der anderen Mitarbeiter/innen in der Erziehungsberatung. Grundlage ihrer
Tätigkeit sei der „Reutlinger Weg nach Cochemer Praxis“. Hierbei arbeiteten die
Sozialarbeiter, Rechtsanwälte, Richter, Verfahrensbeistände und Mitarbeiter der
Beratungsstellen eng vernetzt mit dem Ziel zusammen, „hochstrittige Eltern“ zu
einer Übernahme gemeinsamer Elternverantwortung zu motivieren und zu
befähigen. Die Einzelheiten des Verfahrens ergäben sich aus dem in der
erstinstanzlichen Kammerverhandlung vorgelegten Flyer (Abl. 112).
12 Gemäß dem verabschiedeten Ablaufschema würden die Eltern durch das Gericht,
das Jugendamt oder die Anwälte an die Mitarbeiter der Beratungsstelle verwiesen.
Diese seien die mit der meisten Kompetenz ausgestattete Instanz, der eine
einvernehmliche Lösung im Elternkonflikt zugetraut werde. Ca. 5-10 % der
Scheidungsfälle seien hochkonflikthaft. In ca. 90 % der Fälle gelinge es, beide
Eltern an den Tisch zu bekommen und zumindest kleinere Vereinbarungen zu
treffen. Hierdurch sinke das Eskalationsniveau. Typisch für hochstrittige
Scheidungen sei, dass sich ein oder beide Elternteile selbst in einer Krise
befänden und lediglich die eigenen Bedürfnisse im Blick hätten. Ziel ihrer
Beratungstätigkeit sei, die Kommunikationsstrukturen zum Wohl des Kindes zu
verändern. Die anderen Mitarbeiter der Beratungsstelle seien zwar auch mit
Beratungen in Trennungs- und Scheidungsfamilien befasst, nicht jedoch mit den
hochstrittigen Fällen. Ein weiterer Unterschied bestehe bei den rechtlichen
Kenntnissen, insbesondere der Bestimmungen des FamFG.
13 Die Klägerin hat beantragt:
14
Es wird festgestellt, dass der beklagte Landkreis verpflichtet ist, die Klägerin
ab 01.01.2010 nach der Entgeltgruppe S 17 Fallgruppe 5 des TVöD-SuE zu
vergüten, hilfsweise nach der Entgeltgruppe S 15 Fallgruppe 5 und die
monatlich nachzuzahlenden Bruttodifferenzvergütungen, beginnend ab
01.02.2010 mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz zu verzinsen.
15 Der beklagte Landkreis hat beantragt,
16
die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
17 Er hat vorgetragen, die Tätigkeit der Klägerin könne allenfalls als schwierige
Tätigkeit im Sinne der Entgeltgruppe S 12 angesehen werden. Im Vergleich zu den
vom Bundesarbeitsgericht bereits entschiedenen Fallgestaltungen übe die
Klägerin keine herausgehobene Tätigkeit aus. Die Tätigkeit der Klägerin sei
durchaus mit denjenigen Tätigkeiten vergleichbar, die in der Protokollerklärung Nr.
11 zu den einschlägigen Eingruppierungsmerkmalen des Sozial- und
Erziehungsdienstes aufgeführt seien.
18 Die von der Klägerin beschriebenen Auswirkungen einer Trennung der Eltern
seien in aller Regel die Folgeerscheinung jeder Trennung. Die dargestellte
Konfliktsituation hebe sich keinesfalls durch besondere Schwierigkeit und
Bedeutung aus den in der Protokollerklärung Nr. 11 genannten Tätigkeiten heraus.
Unerheblich sei, dass die Klägerin die zerstrittenen Ehepaare an einen Tisch
bringen müsse. Es sei sowohl bei der Familien- als auch bei der Gruppentherapie
durchaus üblich, dass ein Sozialarbeiter mit mehreren Personen konfrontiert
werde. Auch der Umstand, dass die Klägerin über gewisse Kenntnisse des
FamFG verfügen müsse, rechtfertige die Annahme einer besonderen Schwierigkeit
im Tarifsinne.
19 Mit Urteil vom 17.04.2014 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, gemessen an der Rechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichts lasse es sich nicht von vornherein von der Hand
weisen, dass die Tätigkeiten der Klägerin als besonders schwierig einzustufen
seien. Die Klägerin verfüge mit ihrer Zusatzqualifikation als Familienmediatorin
über eine zusätzliche Spezialausbildung, die sie bei ihrer Tätigkeit nutzbringend
einsetzen könne. Sie müsse zwei zerstrittene Parteien an einen Tisch bringen und
zu einer freiwilligen Regelung der elterlichen Sorge veranlassen. Die besondere
Beratungssituation bei zwei zerstrittenen Parteien habe jedoch bereits bei der
Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 12 Berücksichtigung gefunden. Die übliche
Familienberatung, die in der Regel nicht unter derart streitigen Vorzeichen
stattfinde, sei vom Grundsatz her in der Entgeltgruppe S 11 anzusiedeln. Die
Kenntnisse des FamFG rechtfertigten ebenfalls nicht die Annahme einer
besonderen Schwierigkeit im Sinne der Entgeltgruppe S 17. Darüber hinaus habe
die Klägerin nicht dargelegt, aufgrund welcher Tatsachen ihre Tätigkeit von
besonderer Bedeutung sei. Eine herausgehobene Bedeutung sei nicht belegt.
20 Gegen das ihr am 25.04.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19.05.2014
Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist
bis zum 25.07.2014 am 22.07.2014 begründet. Sie trägt vor, nach der
Stellenbeschreibung sei ihre Haupttätigkeit die Beratung hochstrittiger Eltern nach
Trennung und Scheidung und die Familienmediation. Innerhalb der
Erziehungsberatung habe sie eine besondere und herausgehobene Position. Sie
sei die einzige Mitarbeiterin, die die Beratungen im Rahmen des Konzepts
„Reutlinger Weg nach Cochemer Praxis“ ausübe. Dieser Weg sei mittlerweile im
FamFG kodifiziert. Die weiteren acht Mitarbeiter der R. Beratungsstelle seien nicht
wie sie mit hochstrittigen Eltern befasst. Lediglich ein Kollege übernehme die
überzähligen Fälle.
21 In rechtlicher Hinsicht beruhe ihre Tätigkeit auf § 17 Abs. 2 sowie § 18 Abs. 3 SGB
VIII. Der „Reutlinger Weg nach Cochemer Modell“ beinhalte eine
multiprofessionelle Zusammenarbeit. Die Verfahrensbeteiligten wirkten gemeinsam
darauf hin, dass die Eltern zum Wohl und Schutz ihrer Kinder gemeinsame
Lösungen fänden. Die hochstrittigen Eltern würden zumeist vom Familiengericht
oder dem Sozialdienst des Kreisjugendamtes an sie verwiesen. Komme eine
Einigung der Eltern zustande, so werde diese bei Gericht protokolliert. Scheitere
die Einigung, was in ca. 10 % der Fälle eintrete, werde das Verfahren an das
Gericht zurückgegeben. Die Hochstrittigkeit der Elternteile sei das Hauptmerkmal,
die ihre Tätigkeit charakterisiere. Diese liege in den anderen Fällen nicht vor.
22 Damit sei ihre Tätigkeit nicht vergleichbar mit den in der Protokollnotiz Nr. 11
genannten schwierigen Tätigkeiten. Sie habe kein Beratungsmodell zur Hand,
sondern berate jeden Fall individuell als Familienmediatorin. Das „Mehr“ an Breite
und Tiefe ergebe sich aus ihrer Ausbildung als Familienmediatorin. Ihre Tätigkeit
hebe sich auch durch die Bedeutung aus der Fallgruppe S 12 heraus. Es handele
sich um eine Beratung in einer akuten Not- und Krisensituation. Die Bedeutung
ergebe sich zum einen daraus, dass sie eine Vielzahl der zugewiesenen Fälle
durch eine Vereinbarung erledigen könne. Es sei anerkannt, dass streitige
Scheidungen Auswirkungen auf den weiteren Lebensweg der Kinder hätten. Die
Folgekosten bei der Betreuung der Kinder sei immens. Durch eine erfolgreiche
Intervention werde der Allgemeinheit Kosten erspart.
23
Die Klägerin beantragt,
24
das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 17.04.2014 - 1 Ca 299/13 -
abzuändern und festzustellen, dass der beklagte Landkreis verpflichtet ist,
die Klägerin ab 01.01.2010 nach der Entgeltgruppe S 17 Fallgruppe 5 des
TVöD-SuE zu vergüten, hilfsweise nach der Entgeltgruppe S 15 Fallgruppe 5
und die monatlich nachzuzahlenden Bruttodifferenzvergütungen, beginnend
ab 01.02.2010 mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz zu verzinsen.
25
Der beklagte Landkreis beantragt,
26
die Berufung der Klägerin kostenpflichtig zurückzuweisen.
27 Er trägt vor, das Arbeitsgericht habe im Ergebnis die Klage zurecht als
unbegründet abgewiesen. Die Tätigkeit der Klägerin hebe sich nicht durch
besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der schwierigen Tätigkeit der
Entgeltgruppe S 12 heraus. Schon im Ansatzpunkt verkenne die Klägerin, dass
erst eine Konfliktsituation den Grund für das Tätigwerden eines Sozialpädagogen
abgebe. Die Gruppe der Eltern als solche sei weder sozial auffällig noch
therapiebedürftig. Das gelte auch im Scheidungsfalle. Erst bei einer
Konfliktsituation trete eine Sachlage ein, die es rechtfertige, eine Tätigkeit
überhaupt als schwierige Tätigkeit im Tarifsinne anzuerkennen.
28 Eine besondere Schwierigkeit ergebe sich auch nicht dadurch, dass die Beratung
der Klägerin sich nicht auf eine einzige Person konzentriere. Auch bei den in der
Protokollnotiz Nr. 11 genannten Tätigkeiten komme man häufig nicht ohne die
Einbeziehung Dritter aus. So sei bei der sozialpädagogischen Familienhilfe die
gesamte Familie Adressat der Hilfe. Ein „Mehr“ an Breite und Tiefe von
Kenntnissen benötige die Klägerin für ihre Tätigkeit nicht. Die Zusatzausbildung als
Familienmediatorin sei Voraussetzung dafür, dass der Klägerin schwierige
Aufgaben im Bereich der Trennungs- und Scheidungsberatung übertragen werden
können.
29 Schließlich hebe sich die Tätigkeit der Klägerin nicht durch ihre Bedeutung aus
dem Fall der Entgeltgruppe S 12 heraus. Ihre Tätigkeit sei in ihrer sozialen
Tragweite durchaus vergleichbar mit der Betreuung von Suchtmittelabhängigen,
HIV-Infizierten und Aidskranken oder Strafgefangenen. Auch der Sozialarbeiter mit
Tätigkeiten im Sinne der Protokollnotiz Nr. 11 habe das Ziel, Fehlentwicklungen bei
Kindern und Jugendlichen und damit langfristige Folgewirkungen zu verhindern.
30 Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 64 Abs. 6
ArbGG, § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen sowie auf die Protokolle über die mündlichen Verhandlungen
verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
31 Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG statthaft. Sie ist auch gemäß
§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO in der gesetzlichen Form und Frist
eingelegt und begründet worden.
II.
32 Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend
entschieden, dass der beklagte Landkreis nicht verpflichtet ist, der Klägerin ab
01.01.2010 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe S 17, hilfsweise nach der
Entgeltgruppe S 15 zu bezahlen.
33 1. Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine
Eingruppierungsfeststellungsklage, die im öffentlichen Dienst allgemein üblich ist
und gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken bestehen (vgl. nur BAG 11.12.2013 - 4
AZR 493/12 - Juris). Der Feststellungsantrag ist auch zulässig, als er
Zinsforderungen zum Gegenstand hat (vgl. nur BAG 30.10.2003 - 8 AZR 494/02 -
Juris). Soweit die Klägerin in ihrem Antrag die einschlägige Fallgruppe der
Entgeltgruppe 17 bzw. 15 angegeben hat, handelt es sich nicht um ein
selbständiges - unzulässiges (vgl. BAG 23.10.1985 - 4 AZR 216/84 - AP BAT § 24
Nr. 10) - Klagebegehren, sondern lediglich um die - nicht erforderliche - Angabe der
nach Auffassung der Klägerin zu prüfenden Tätigkeitsmerkmale.
34 2. Die Klage ist mit dem Hauptantrag unbegründet. Die Klägerin hat keinen
Anspruch auf Vergütung nach der Entgeltgruppe S 17.
35 a) Für das Arbeitsverhältnis gelten kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die
Vorschriften des TVöD-BT-V/VKA und der Tarifvertrag zur Überleitung der
Beschäftigten (TVÜ-VKA). Hiernach ist für die Eingruppierung nach wie vor § 22
Abs. 2 Unterabs. 1 BAT maßgebend. Hiernach kommt es darauf an, ob in der der
Klägerin übertragenen Tätigkeit zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge
anfallen, die für sich genommen die Anforderungen der Tätigkeitsmerkmale der
Entgeltgruppe S 17 Fallgruppe 5 erfüllen.
36 b) Der Begriff des Arbeitsvorgangs ist ein von den Tarifvertragsparteien
vorgegebener Rechtsbegriff. Hiernach ist eine unter Hinzurechnung der
Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen
Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und
rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit zu verstehen, die in der zu
einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit des Beschäftigten anfällt.
Bei der Feststellung der Arbeitsvorgänge kommt es entscheidend auf die
jeweiligen Arbeitsergebnisse an.
37 Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bildet die gesamte Tätigkeit
eines Sozialarbeiters häufig einen Arbeitsvorgang, insbesondere wenn sie die
Beratung und Betreuung bestimmter Personengruppen zum Inhalt hat (vgl. nur
BAG 25.02.2009 - 4 AZR 20/08 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 310 Rn 21). So
verhält es sich auch bei der Klägerin. Jedenfalls die in der
Arbeitsplatzbeschreibung vom 13.12.2010 unter 6.1 aufgeführte Tätigkeit
„Beratung und Vermittlung in Fragen der elterlichen Sorge ...“ bildet einen einzigen
großen Arbeitsvorgang. Die Tätigkeit der Klägerin ist hierbei durchgehend auf das
Ziel ausgerichtet, bei der Beratung von hochstreitigen Elternteilen nach Trennung
und Scheidung eine einvernehmliche Lösung zu erreichen.
38 Die einzelnen Beratungsfälle stellen Arbeitsleistungen dar, die zwar voneinander
trennbar sind. Sie werden aber von der Klägerin stets mit derselben Zielsetzung
bearbeitet. Diese Arbeitsleistungen sind nach der Protokollnotiz zu § 22 Abs. 2
insgesamt zu bewerten und dürfen nicht hinsichtlich der Anforderungen zeitlich
aufgespalten werden. Tarifrechtlich zu bewerten ist daher der 80 % der Tätigkeit
ausmachende Arbeitsvorgang unter 6.1 der Arbeitsplatzbeschreibung vom
13.12.2010. Die weiteren in der Arbeitsplatzbeschreibung unter 6.2 aufgeführten
Arbeitsvorgänge fallen zeitlich nicht ins Gewicht.
39 c) Für die Eingruppierung der Tätigkeit der Klägerin sind die nachstehenden
Bestimmungen der Entgeltgruppen S des TVöD-BT-V/VKA von Bedeutung:
40 „
S 11
41 Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen mit
staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige
Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen
entsprechende Tätigkeiten ausüben.
(Hierzu Protokollerklärung Nr. 1)
42
S 12
43 Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen mit
staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige
Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen
entsprechende Tätigkeiten ausüben, mit schwierigen Tätigkeiten.
(Hierzu Protokollerklärung Nr. 1 und Nr. 11)
44
S 14
45 Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen mit
staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit, die Entscheidungen zur
Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls treffen und in Zusammenarbeit mit
dem Familiengericht bzw. Vormundschaftsgericht Maßnahmen einleiten, welche
zur Gefahrenabwehr erforderlich sind, oder mit gleichwertigen Tätigkeiten, die für
die Entscheidung zur zwangsweisen Unterbringung von Menschen mit
psychischen Krankheiten erforderlich sind (z.B. Sozialpsychiatrischer Dienst der
Städte, Gemeinden und Landkreise).
46
S 15
47 Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen mit
staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige
Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen
entsprechende Tätigkeiten ausüben, deren Tätigkeit sich mit mindestens zu einem
Drittel durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Entgeltgruppe S 12
heraushebt.
(Hierzu Protokollerklärung Nr. 1)
48
S 17
49 Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen mit
staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige
Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen
entsprechende Tätigkeiten ausüben, deren Tätigkeit sich durch besondere
Schwierigkeit und Bedeutung aus der Entgeltgruppe S 12 heraushebt.
(Hierzu Protokollerklärung Nr. 1)“
50 Die Protokollerklärung Nr. 11 im Anhang zu der Anlage C lautet wie folgt:
51 „Schwierige Tätigkeiten sind z.B. die
52 a) Beratung von Suchtmittel-Abhängigen,
b) Beratung von HIV-Infizierten oder an Aids erkrankten Personen,
c) Begleitende Fürsorge für Heimbewohnerinnen/Heimbewohner und
nachgehende Fürsorge für ehemalige Heimbewohnerinnen/Heimbewohner,
d) Begleitende Fürsorge für Strafgefangene und nachgehende Fürsorge für
ehemalige Strafgefangene,
e) Koordinierung der Arbeit mehrerer Beschäftigter mindestens der Entgeltgruppe
S 9.“
53 aa) Die Klägerin erfüllt die Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe S 11. Sie ist
zwar keine Sozialarbeiterin oder Sozialpädagogin (Bachelor oder
Fachhochschulabschluss). Sie ist aber als Diplom-Pädagogin mit
Universitätsabschluss eine „Sonstige Beschäftigte“, die aufgrund gleichwertiger
Fähigkeiten und Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten im Sinne der
Entgeltgruppe S 11 ausübt.
54 bb) Die Tätigkeit der Klägerin erfüllt ferner „unstreitig“ die Voraussetzungen der
Entgeltgruppe S 12. Die Tätigkeiten nach dieser Aufbauentgeltgruppe heben sich
aus den Anforderungen der Ausgangsentgeltgruppe S 11 dadurch heraus, dass
„schwierige Tätigkeiten“ in der Tätigkeit des Beschäftigten anfallen. Dies ist nach
dem Ergebnis der im Jahr 2011 durchgeführten Stellenbewertung der Fall (vgl.
Anlage K 10). Daher genügt im Eingruppierungsprozess eine pauschale Prüfung
(vgl. nur BAG 20.05.2009 - 4 AZR 184/08 - AP TVG Tarifverträge:
Arbeiterwohlfahrt § 1 Nr. 12).
55 cc) Die Klägerin erfüllt unstreitig nicht die Voraussetzungen der Entgeltgruppe S
14. Ihre Tätigkeit ist nicht darauf angelegt, Entscheidungen zur Vermeidung der
Gefährdung des Kindeswohls zu treffen. Auch übt sie keine Tätigkeit aus, die für
die Entscheidung zur zwangsweisen Unterbringung von Menschen erforderlich
sind.
56 d) Die streitentscheidende Frage ist, ob die Klägerin die Tätigkeitsmerkmale der
von ihr in Anspruch genommenen Entgeltgruppe S 17 Fallgruppe 5 erfüllt. Dies ist
nach Auffassung der Kammer nicht der Fall. Die Tätigkeit der Klägerin hebt sich
eventuell noch durch besondere Schwierigkeit, nicht aber durch eine gesteigerte
Bedeutung aus der Entgeltgruppe S 12 heraus.
57 aa) Das Tätigkeitsmerkmal „Besondere Schwierigkeit und Bedeutung“ enthält
zwei unterschiedliche Begriffe. Das Tätigkeitsmerkmal „Besondere Schwierigkeit“
ist erfüllt, wenn sich die Tätigkeit angesichts der fachlichen Anforderungen in
beträchtlicher, gewichtiger Weise aus der Entgeltgruppe S 12 heraushebt. Das
Tätigkeitsmerkmal bezieht sich nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts (BAG 25.02.2009 aaO Rn 36; BAG 08.09.1999 - 4 AZR
609/98 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 270 Rn 84) auf die fachliche Qualifikation des
Beschäftigten. Verlangt wird ein Wissen und Können, das die Anforderungen der
Entgeltgruppe S 12 in gewichtiger Weise übersteigt. Diese erhöhte Qualifikation
kann sich im Einzelfall aus der Breite und Tiefe des geforderten fachlichen
Wissens und Könnens ergeben. Sie kann aber auch auf außergewöhnlichen
Erfahrungen oder einer sonstigen gleichwertigen Qualifikation, etwa
Spezialkenntnissen, beruhen. Hierbei muss sich die Schwierigkeit unmittelbar aus
der Tätigkeit selbst ergeben.
58 Das weitere Tätigkeitsmerkmal der „Bedeutung“ ist erfüllt, wenn sich die Tätigkeit
von ihren Auswirkungen her deutlich wahrnehmbar aus der „nur“ schwierigen
Tätigkeit der Entgeltgruppe S 12 heraushebt. Die Heraushebung kann sich aus
der Bedeutung oder der Größe des Aufgabengebiets sowie aus der Tragweite für
den innerdienstlichen Bereich und für die Allgemeinheit ergeben (BAG 08.09.1999
aaO Rn 95; BAG 24.09.1997 - 4 AZR 469/96 - AP BAT §§ 22, 23 Sozialarbeiter
Nr. 42).
59 Nach Inkrafttreten des Tarifvertrags zur Änderung der Anlage 1a zum BAT vom
24.04.1991 hat sich das Bundesarbeitsgericht Mitte der 90er Jahre in zahlreichen
Entscheidungen mit der Eingruppierung der Sozialarbeiter/innen und
Sozialpädagogen/innen in die damaligen Vergütungsgruppen IVb und IVa BAT
befasst. Da sich die Tätigkeitsmerkmale in den Entgeltgruppen 12 und 17 im
Vergleich zu den damaligen Vergütungsgruppen IV b und IV a BAT nicht geändert
haben, ist diese Rechtsprechung noch in vollem Umfang einschlägig.
60 Soweit die Eingruppierungsfeststellungsklagen die Sachbearbeiterebene
betrafen, ist das Bundesarbeitsgericht nahezu durchweg zu dem Ergebnis
gelangt, es fehle an einer Heraushebung der betreffenden Tätigkeit durch
besondere Schwierigkeit und Bedeutung. Die fragliche Tätigkeit sei in ihrer
sozialen Tragweite durchaus vergleichbar mit den in der damaligen Protokollnotiz
Nr. 12 aufgeführten Tätigkeiten. Dies galt etwa für die Tätigkeit eines
Sozialarbeiters in der Beratung und Betreuung schwerstgestörter psychisch
kranker Menschen (BAG 10.07.1996 - 4 AZR 139/95 - AP BAT §§ 22, 23
Sozialarbeiter Nr. 29), eines Sozialarbeiters in der systemischen Familientherapie
(BAG 25.09.1996 - 4 AZR 195/95 - AP BAT §§ 22, 23 Sozialarbeiter Nr. 31) und
eines Sozialarbeiters in der Jugendgerichtshilfe (BAG 25.03.1998 - 4 AZR 666/96
- AP BAT §§ 22, 23 Sozialarbeiter Nr. 46).
61 Lediglich bei Tätigkeiten, die auch Leitungsaufgaben beinhalteten, hat das
Bundesarbeitsgericht die Erfüllung des Tätigkeitsmerkmals „Besondere
Schwierigkeit und Bedeutung“ bejaht (BAG 12.06.1996 - 4 AZR 94/95 - AP BAT
§§ 22, 23 Sozialarbeiter Nr. 33: Leiter eines Jugendhauses; BAG 09.07.1997 - 4
AZR 780/95 - AP BAT §§ 22, 23 Sozialarbeiter Nr. 39: Heimaufsicht über Heime
für volljährige Behinderte; BAG 20.06.2001 - 4 AZR 288/00 - ZTR 2002, 178:
Sachgebietsleiter Kinder und Jugendnotdienst). Auch in der Literatur
(Uttlinger/Breier, BAT, Anlage 1a, Teil II G Sozial- und Erziehungsdienst, Anm. 15
am Ende; Böhm/Spiertz, BAG Anlage 1a Teil II G Sozial- und Erziehungsdienst,
B,L Rn. 37) wird die Auffassung vertreten, die Tarifvertragsparteien dürften bei
dem Tätigkeitsmerkmal „Besondere Schwierigkeit und Bedeutung“ an Grundsatz-
und Planungsaufgaben oder Leitungs- und Aufsichtsfunktionen gedacht haben.
62 bb) Dem Arbeitsgericht ist darin zuzustimmen, dass eine „Besondere
Schwierigkeit“ der Tätigkeit der Klägerin nicht von vornherein von der Hand zu
weisen ist.
63 (1) Die Klägerin verfügt über eine Spezialausbildung, die jedenfalls dazu
beigetragen hat, dass ihre Bewerbung um die ausgeschriebene Stelle beim
Kreisjugendamt, Beratungsstelle für Jugend und Erziehungsfragen, erfolgreich
war. Von Oktober 2006 bis Oktober 2008 nahm die Klägerin an einer
Mediationsausbildung mit Schwerpunkt Familienmediation beim Institut für
Konfliktberatung und Mediation in F. teil. Es handelte sich um eine
berufsbegleitende Ausbildung mit einem Umfang von rund 200 Stunden. Ein
derartiger Umfang ist auch bei anderen einschlägigen Ausbildungen üblich. Es
handelt sich hierbei durchaus um eine „werthaltige“ Zusatzqualifikation.
64 Der Besitz einer Zusatzqualifikation reicht jedoch für die Erfüllung des
Tätigkeitsmerkmals „Besondere Schwierigkeit“ nicht aus. Die für den Bereich der
kommunalen Arbeitgeber geltenden Eingruppierungsvorschriften sehen, anders
als die für die Arbeiterwohlfahrt geltenden Bestimmungen, die dem Urteil des LAG
Düsseldorf vom 12.01.2010 (17 Sa 848/09) zugrunde lagen, keine
Protokollerklärung vor, wonach eine Tätigkeit mit besonderer Schwierigkeit und
Bedeutung dann vorliegt, wenn für deren Ausübung eine abgeschlossene
zusätzliche Spezialausbildung üblicherweise notwendig ist. Es gilt lediglich die
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass sich eine erhöhte Qualifikation
aus einer Spezialausbildung ergeben kann. Ob dies tatsächlich zutrifft, ist eine
Frage des Einzelfalls.
65 Im Streitfall kann aufgrund der internen Stellenausschreibung vom 20.11.2007
(Anlage K 2) nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Besitz
einer Zusatzqualifikation in der Familienmediation notwendige Voraussetzung für
eine erfolgreiche Bewerbung war. Denn in der Stellenausschreibung heißt es:
„Vorteilhaft wäre eine abgeschlossene therapeutische Zusatzausbildung, ...“.
Diese Formulierung deutet regelmäßig darauf hin, dass der Besitz einer
Zusatzqualifikation zwar die Chancen der Bewerbung erhöht, der Arbeitgeber
aber nicht zwingend auf sie Wert legt.
66 (2) Aus der Arbeitsplatzbeschreibung vom 13.12.2010 lässt sich nichts dafür
herleiten, dass eine Spezialausbildung notwendige Voraussetzung für die
Elternberatung nach dem Reutlinger Modell war. Die erforderlichen
Fachkenntnisse sind unter der Nr. 7 der Arbeitsplatzbeschreibung aufgeführt.
Hiernach erfordert die Stelle Rechtskenntnisse (insbesondere im Bereich des
SGB VIII und des FamFG), psychologische Kenntnisse, Kenntnisse über
therapeutische Methoden und über das Zusammenwirken der verschiedenen
Institutionen. Von dem Erfordernis einer Zusatzqualifikation ist nicht die Rede.
67 Allerdings ist nicht zu verkennen, dass Kenntnisse in der Familienmediation den
Stelleninhaber besonders gut für eine Tätigkeit im Rahmen des „Reutlinger
Modells“ befähigen. Dieses mittlerweile in § 156 FamFG verankerte Modell ist
darauf ausgerichtet, dass die Eltern bei Trennung und Scheidung die elterliche
Sorge für das Kind einvernehmlich regeln. Das Familiengericht weist daher die
Eltern auf die Möglichkeiten der Beratung hin. Es kann anordnen, dass die Eltern
an einem Informationsgespräch und an einer Beratung teilnehmen. Erzielen die
Beteiligten Einvernehmen, so ist die einvernehmliche Regelung als Vergleich
aufzunehmen, wenn das Gericht die Regelung billigt.
68 Gerade dann, wenn die Beratung der Beilegung eines hochstrittigen Konflikts
dienen soll, ist es nachvollziehbar, dass hierfür nicht nur gewisse rechtliche und
gute psychologische Kenntnisse erforderlich sind, sondern auch hohe
Anforderungen an die methodischen Fähigkeiten des Sozialarbeiters gestellt
werden. Das in § 156 Abs. 1 FamFG beschriebene Verfahren zielt darauf ab,
dass die in Trennung und Scheidung lebenden Eltern mit Hilfe professioneller
Unterstützung eine eigenverantwortliche Lösung zum Wohle des Kindes finden.
Eine solche Lösung ist im Trennungs- und Scheidungsfall dadurch erschwert,
dass jedenfalls nicht selten auch zwischen den Eltern Konflikte bestehen. Sie ist
erst recht erschwert, wenn die Trennung und Scheidung hochstreitig verläuft. Es
ist daher nachvollziehbar, dass die Klägerin ein „Mehr“ an fachlichem Wissen und
Können als im „Normalfall“ benötigt.
69 Auf der anderen Seite ist aber auch nicht zu verkennen, dass die bisherige
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Rahmen der Entgeltgruppe S 17
(früher Vergütungsgruppe IV a BAT) hohe Anforderungen an die Steigerung der
Qualifikation in der Breite und der Tiefe stellt. So hat das Bundesarbeitsgericht
auch bei der Beratung und Betreuung von schwerstgestörten psychisch kranken
Menschen die Auffassung vertreten, diese Beratung sei durchaus vergleichbar
mit den in der Protokollerklärung Nr. 11 (früher 12) aufgeführten
Beratungstätigkeiten (BAG 10.07.1996 aaO Rn 51). Gleiches gilt für die Tätigkeit
von Sozialarbeitern in der systemischen Familientherapie (BAG 25.09.1996 aaO
Rn 58). In einem weiteren Entscheidungsfall vom 25.03.1998 (4 AZR 666/96 - AP
BAT §§ 22, 23 Sozialarbeiter Nr. 46) hat es das Bundesarbeitsgericht schließlich
nicht als Heraushebung angesehen, dass der Sozialarbeiter in der
Jugendgerichtshilfe im Spannungsfeld zwischen Justiz und Jugendhilfe arbeite.
70 Vergleicht man die den damaligen Entscheidungsfällen zugrunde liegenden
Sachverhalte mit dem vorliegenden Sachverhalt, so sind keine entscheidenden
Unterschiede erkennbar. So lagen auch den damaligen Entscheidungsfällen
komplexe Beratungssituationen zugrunde, bei der in der Regel mehr als eine
Person beteiligt ist und schwere Verhaltensstörungen vorliegen. Auch in den
damaligen Entscheidungsfällen bedurfte es einer intensiven Zusammenarbeit mit
anderen Institutionen, wenn auch in anderer Hinsicht. Dennoch ist das
Bundesarbeitsgericht zur Auffassung gelangt, die besagten Tätigkeiten seien mit
den in der Protokollnotiz Nr. 11 (früher 12) aufgeführten „schwierigen Tätigkeiten“
vergleichbar. Geht man hiervon aus, so ist auch im vorliegenden Fall keine
andere Wertung gerechtfertigt.
71 cc) Einer abschließenden Entscheidung zum Tätigkeitsmerkmal „besondere
Schwierigkeit“ bedarf es nicht. Mit dem Arbeitsgericht ist jedenfalls davon
auszugehen, dass sich die Tätigkeit der Klägerin nicht durch ihre Bedeutung aus
den Tätigkeiten der Entgeltgruppe S 12 heraushebt.
72 (1) Wie unter aa) ausgeführt, kann sich die gesteigerte Bedeutung aus der Art
oder aus der Größe des Aufgabengebiets sowie aus der Tragweite für den
innerdienstlichen Bereich und für die Allgemeinheit ergeben. Hierzu hat die
Klägerin ausgeführt (Berufungsbegründung vom 22.07.2014 S. 11), die
Bedeutung ihrer Tätigkeit ergebe sich zum einen daraus, dass sie eine Vielzahl
der ihr zugewiesenen Fälle durch eine Vereinbarung erledigen könne. Damit
habe ihre Tätigkeit Einfluss auf den weiteren Lebensweg der Kinder. Hierdurch
könnten zum anderen erhebliche Folgekosten gespart werden. Kostspielige
Maßnahmen in der Jugendhilfe könnten vermieden werden.
73 Damit hat die Klägerin aber nur die positiven Folgen beschrieben, die
typischerweise mit der sozialpsychologischen Beratung von Eltern und Kindern
erreicht werden sollen. Das Ziel, Fehlentwicklungen bei Kindern und
Jugendlichen und langfristige Folgewirkungen wie psychische Erkrankungen,
Schulversagen, Kriminalität, Suchtmittelmissbrauch etc. zu verhindern, ist das Ziel
eines jeden Sozialarbeiters, der die Betreuung und Fürsorge im Rahmen der
Beratung nach den §§ 17 und 18 SGB VIII zu Fragen der Partnerschaft,
Trennung und Scheidung einerseits und bei der Ausübung der Personensorge
und des Umgangsrechts andererseits durchführt. Bei der Beratung von
hochstreitigen Elternteilen mag es aufwändiger und langwieriger sein, die Eltern
von den Vorteilen einer einvernehmlichen Lösung zum Wohle des Kindes zu
überzeugen. Was die Auswirkungen ihrer Tätigkeit angeht, so unterscheidet sich
die Tätigkeit der Klägerin aber nicht von denjenigen Tätigkeiten, die in der
Protokollnotiz Nr. 11 aufgeführt sind. Auch bei der Betreuung von
Suchtmittelabhängigen, HIV-Infizierten und Strafgefangenen geht es darum,
Fehlentwicklungen zu vermeiden, Kriminalität vorzubeugen und Folgekosten
durch ambulante Behandlungen und stationäre Unterbringung zu vermeiden.
Auch diese Beratungstätigkeiten zielen darauf ab, den Betroffenen das Leben
ohne Hilfen zu ermöglichen und die Allgemeinheit zu entlasten.
74 (2) Diese Einschätzung der Kammer wird bestätigt durch die bisherigen vom
Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fallgestaltungen: Im Entscheidungsfall des
Bundesarbeitsgerichts vom 05.11.1997 (4 AZR 185/96 - AP BAT §§ 22, 23
Sozialarbeiter Nr. 44) hatte das Landesarbeitsgericht in Anlehnung an die
Argumentation der Klägerin eine gesteigerte Bedeutung der Tätigkeit einer
Sozialarbeiterin in der Beratung von Essgestörten angenommen. Das
Bundesarbeitsgericht hat demgegenüber keine Anhaltspunkte dafür gesehen,
dass sich die Tätigkeit dieser Sozialarbeiterin von einer Tätigkeit bei der Beratung
von Suchtmittelabhängigen, HIV-Infizierten und Strafgefangenen unterscheidet.
Ferner hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 24.09.1997 (4 AZR
469/96 - AP BAT §§ 22, 23 Sozialarbeiter Nr. 42), betreffend die Betreuung von
Patienten mit akuten neurologischen Erkrankungen, darauf hingewiesen, die
Faktoren „enorme Kostenfaktoren, lange Krankheiten, ständige stationäre
Behandlung, Arbeitsunfähigkeit, Verrentung des Patienten“ seien auch bei
Personen gegeben, die zu den in der Protokollnotiz aufgeführten
Problemgruppen gehören. Es sei - so sinngemäß das Bundesarbeitsgericht - die
Aufgabe eines jeden Sozialarbeiters, durch seine Tätigkeit zu versuchen, die
Kosten für die Allgemeinheit zu verringern und es dem Betreuten zu ermöglichen,
wieder ohne Hilfen auszukommen.
75 3. Die Klage ist auch mit dem Hilfsantrag unbegründet. Mit ihrem Hilfsantrag
begehrt die Klägerin die Feststellung, dass ihre Tätigkeit nach der Entgeltgruppe S
15, Fallgruppe 7, zu vergüten ist. Da die Entgeltgruppe S 15 ebenso wie die
Entgeltgruppe S 17 eine Heraushebung der Tätigkeit durch besondere
Schwierigkeit und Bedeutung, wenn auch mit einem geringeren zeitlichen Maß,
erfordert, ist die Klage aus den oben genannten Erwägungen ebenfalls
unbegründet.
III.
76 Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres ohne Erfolg eingelegten
Rechtsmittels zu tragen. Die Kammer hat gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die
Revision zugelassen. Das in § 156 Abs. 1 FamFG geregelte Verfahren ist durch
das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten
der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 07.12.2008 eingeführt worden. Dazu, wie die
Tätigkeit der Sozialarbeiter in den hierzu vorgesehenen Beratungsstellen tariflich
zu bewerten sind, liegt bislang keine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vor.