Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 24.02.2014

befristung, wissenschaft und forschung, wissenschaftliche forschung, dienstleistung

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 24.2.2014, 1 Sa 8/13
Anwendbarkeit des WissZeitVG auf einen akademischen Mitarbeiter
Leitsätze
Ein akademischer Mitarbeiter gemäß § 52 Abs. 1 LHG BW, der Lehrveranstaltungen
für Studierende abhält, an Forschungsprojekten mitwirkt und im Rahmen der
akademischen Selbstverwaltung tätig ist, unterfällt dem persönlichen
Anwendungsbereich des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes. Der Arbeitgeber ist nicht
verpflichtet, im Einzelnen zu belegen, dass jede Tätigkeit des akademischen
Mitarbeiters wissenschaftliches Gepräge hatte. Es genügt, dass die Tätigkeit als
solche geeignet war, zu Forschung und Lehre beizutragen.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom
13.03.2013 - 29 Ca 7466/12 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob das Arbeitsverhältnis zwischen
ihnen aufgrund arbeitsvertraglicher Befristung mit Ablauf des 31.12.2012 geendet
hat.
2 Der am … 1974 geborene, ledige Kläger war bei dem beklagten Land seit dem
01.04.2009 an der Universität S. als akademischer Mitarbeiter beschäftigt. Er war
dort am Institut für Sport- und Bewegungswissenschaft tätig. Das
Bruttomonatsentgelt des Klägers betrug zuletzt EUR 4.262,72.
3 Der Kläger studierte von 1994 bis 2000 Sport- und Politikwissenschaften an der
Universität S.. Von 2000 bis 2007 fertigte der Kläger eine Dissertation zu dem
Thema „XXX“ an. Er wurde am 12.11.2007 zum Dr. phil. promoviert.
4 Unter dem Datum des 09.02.2009 schlossen die Parteien einen befristeten
Arbeitsvertrag für die Zeit vom 01.04.2009 bis 31.03.2011 ab. Die Befristung
beruhte auf dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz (im folgenden: WissZeitVG). Der
Kläger wurde als akademischer Mitarbeiter mit einer regelmäßigen wöchentlichen
Arbeitszeit von 50 % eingestellt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag für
den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung. Die Eingruppierung erfolgte
in die Entgeltgruppe 13 TV-L. Unter dem Datum des 20.08.2010 änderten die
Parteien den Arbeitsvertrag dahingehend ab, dass der Kläger ab 01.10.2010 in
Vollzeit beschäftigt wurde.
5 Am 23.08.2010 schlossen die Parteien einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag für
die Zeit vom 01.04.2011 bis 30.09.2012. Die Befristung beruhte erneut auf dem
WissZeitVG. Bereits zuvor, am 06.10.2010, hatte der Kläger eine ab Oktober 2010
gültige Dienstaufgabenbeschreibung (Anlage KE 1) erhalten. Danach hatte er
Aufgaben in Lehre, Forschung und mit sonstigen Dienstaufgaben (akademische
Selbstverwaltung) zu erbringen. Der Anteil von Forschung und Lehre betrug jeweils
50 %. Der Umfang der Lehrverpflichtung belief sich auf 6 LVS. Hierbei wurde der
Kläger den Mitarbeiter/innen zugeordnet, denen die Möglichkeit zur
Weiterqualifikation nicht eingeräumt wurde.
6 Der Kläger hielt im Sommersemester 2011, Wintersemester 2011/2012 und im
Sommersemester 2012 verschiedene Lehrveranstaltungen ab. Wegen der
Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des beklagten Landes vom 04.01.2013, Seite
3 f. und auf den Schriftsatz des Klägers vom 21.02.2013, Seite 17 f. verwiesen. In
der Forschung arbeitete der Kläger an verschiedenen Projekten mit. Wegen der
Einzelheiten wird auf die zitierten Schriftsätze der Parteien, jeweils Seite 7 f. und 22
ff. verwiesen. In der akademischen Selbstverwaltung übte der Kläger während der
Vakanz der Abteilungsleitung die Funktion eines wissenschaftlichen Koordinators
der Abteilung Sport, Soziologie aus. Er koordinierte in dieser Funktion
verschiedene Projekte und war mit allgemeinen Verwaltungstätigkeiten betraut.
7 Unter dem Datum des 27.09.2012 schlossen die Parteien einen weiteren
befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 01.10.2012 bis 31.12.2012 ab. Die
Befristung beruhte erneut auf dem WissZeitGV. Die Aufgabe des Klägers bestand
im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses darin, an der Überarbeitung einer
Antragsskizze für das DFG Graduiertenkolleg „Mobilität, Technik und Umwelt:
Chancen und Risiken für ein Gelingen des Alterns“ mitzuarbeiten. Eine neue
Dienstaufgabenbeschreibung wurde nicht erstellt. Mit Lehraufgaben war der Kläger
im Rahmen des Master-Online-Studienganges „Integrierte Gerontologie“ betraut.
Außerdem wirkte er als Dozent im Modul „Empirische Forschungsmethoden“ der
Veranstaltung „Quantitative Sozialforschung und Statistik“ mit. Die Parteien streiten
darüber, ob diese Lehrtätigkeiten im Rahmen des Arbeitsverhältnisses oder eines
gesonderten Lehrauftrags erfolgten.
8 Mit seiner am 18.10.2012 eingegangenen Klage hat sich der Kläger sowohl gegen
die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09. bzw. 31.12.2012 aufgrund
der arbeitsvertraglichen Befristung vom 23.08.2010 als auch gegen die
Beendigung zum 31.12.2012 aufgrund der arbeitsvertraglichen Befristung vom
27.09.2012 gewandt. Er hat vorgetragen, die Befristungen könnten nicht auf das
WissZeitVG gestützt werden, weil er nicht zum wissenschaftlichen Personal zähle.
Dies ergebe sich aus den europäischen Vorgaben sowie aus den Motiven des
Gesetzgebers. Während nach der europäischen Rahmenvereinbarung das
unbefristete Arbeitsverhältnis die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses
sei, befänden sich 2/3 des akademischen Mittelbaus in befristeten
Arbeitsverhältnissen. Nach dem Willen des Gesetzgebers diene die Befristung im
Bereich der Wissenschaft und Forschung der wissenschaftlichen
Weiterqualifikation. Es solle nicht der übliche Bedarf der Hochschule im Rahmen
von ständigen Befristungen abgedeckt werden. Das WissZeitVG bestimme den
persönlichen Geltungsbereich nach dem Inhalt der Arbeitsaufgabe. Diese müsse
sich auf das Erbringen wissenschaftlicher oder künstlerischer Dienstleistungen
richten. Die ausschließliche Konzentration auf Lehraufgaben entspreche nicht dem
Zweck des WissZeitVG.
9 In seinem Fall richte sich der Umfang der Lehrverpflichtung nach der Verordnung
der Landesregierung über die Lehrverpflichtung an Universitäten. Nach der für ihn
geltenden Dienstaufgabenbeschreibung seien ihm 6 LVS zugewiesen, wobei ihm
nicht die Möglichkeit der Weiterqualifikation eingeräumt worden sei. Wissenschaft
sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der ernsthafte und
planmäßige Versuch zur Erweiterung der Wahrheit. In diesem Sinne habe er keine
wissenschaftliche Dienstleistung erbracht. Seine Lehrtätigkeit sei eine
unterrichtende Lehrtätigkeit ohne Wissenschaftsbezug gewesen. Es seien keine
eigenen wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Lehrveranstaltungen eingeflossen.
Es fehle jeder Sachvortrag des beklagten Landes zum Wissenschaftsbezug. Was
seine Forschungstätigkeit angehe, so habe diese kein wissenschaftliches
Gepräge gehabt. Er sei zeitlich sehr begrenzt an Forschungsprojekten beteiligt
gewesen. Im Rahmen der akademischen Selbstverwaltung habe er allgemeine
Verwaltungstätigkeiten erbracht.
10 Was den Arbeitsvertrag vom 27.09.2012 angehe, so habe die Überarbeitung der
Antragsskizze keine wissenschaftliche Tätigkeit beinhaltet. Ein ernsthafter
planmäßiger Versuch zur Erweiterung der Wahrheit sei diese Tätigkeit nicht
gewesen. Das beklagte Land könne sich auch nicht auf den Sachgrund der
Drittmittelfinanzierung berufen.
11 Der Kläger hat beantragt:
12
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien
nicht aufgrund der in dem Anstellungsvertrag vom 23.08.2010 vereinbarten
Befristung mit Ablauf des 30.09.2012 endete.
13
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien
nicht aufgrund der in dem Anstellungsvertrag vom 23.08.2010 vereinbarten
Befristung mit Ablauf des 31.12.2012 endete.
14
3. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien
nicht aufgrund der in dem Anstellungsvertrag vom 27.09.2012 vereinbarten
Befristung mit Ablauf des 31.12.2012 endete.
15
4. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien
fortbesteht.
16 Das beklagte Land hat beantragt,
17
die Klage abzuweisen.
18 Es hat vorgetragen, nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts unterliege nur der zuletzt abgeschlossene befristete
Arbeitsvertrag einer Befristungskontrolle. Der zuletzt abgeschlossene
Arbeitsvertrag vom 27.09.2012 sei kein bloßer Annex gewesen. Die Klage sei aber
auch dann unbegründet, wenn die vorletzte Befristung einer Befristungskontrolle
unterliege. Der Arbeitsvertrag vom 23.08.2010 beruhe auf dem WissZeitVG. Der
Kläger habe im Rahmen dieses Arbeitsvertrags eine wissenschaftliche
Lehrtätigkeit wahrgenommen. Grundsätzlich praktiziere die Universität S. die
sogenannte „forschende Lehre“. Dieser Anspruch sei Teil des Leitbildes der
Universität. Der Schwerpunkt der Lehrtätigkeit des Klägers habe auf
sozialwissenschaftlichen Themen gelegen und habe damit an das Thema der
Dissertation des Klägers angeknüpft. Der Kläger habe daher eigene
sportsoziologische Erkenntnisse in die jeweiligen Lehrveranstaltungen einbringen
können. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Lehrende in der
inhaltlichen Gestaltung der Veranstaltung frei sei. Es sei Ausdruck einer
wissenschaftlichen Tätigkeit, dass der Lehrende frei entscheide, welche
Schwerpunkte er setzen wolle.
19 Neben seiner Lehrtätigkeit habe der Kläger klassische Forschungsaufgaben
wahrgenommen. Er habe an verschiedenen Projekten des Instituts für
Sportwissenschaft mitgewirkt. Er habe den Lehrstuhl von Prof. W.S. als
wissenschaftlicher Repräsentant in P. vertreten. Er sei auch an weiteren
Forschungsprojekten des Lehrstuhls beteiligt gewesen. In der akademischen
Selbstverwaltung habe der Kläger wissenschaftliche Fragestellungen und das
Antragsvorgehen für Drittmittelprojekte koordiniert. Für die Durchführung eines
Berufungsverfahrens habe er eine Synopse angefertigt.
20 Was den Arbeitsvertrag vom 27.09.2012 angehe, so habe die Aufgabe des
Klägers ausschließlich darin bestanden, eine Antragsskizze für das DFG-Projekt
auszuarbeiten. Darüber hinaus seien ihm keine Aufgaben in Forschung und Lehre
übertragen gewesen. Die Erstellung der Skizze sei eindeutig als wissenschaftliche
Tätigkeit einzuordnen. Hilfsweise werde die Befristung auf einen vorübergehenden
personellen Mehrbedarf sowie auf Haushaltsmittel gestützt. Das Ministerium für
Wissenschaft und Kunst habe am 31.08.2012 zweckgebundene Haushaltsmittel
bereitgestellt (Anlage KE 4). Der Einsatz des Klägers sei aus diesen Mitteln
zweckentsprechend erfolgt.
21 Mit Urteil vom 13.03.2013 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, ausschließlich der befristete
Arbeitsvertrag vom 27.09.2012 unterliege der Befristungskontrolle. Dieser Vertrag
sei wirksam nach dem WissZeitVG befristet. Die Erstellung und auch die
Überarbeitung der Antragsskizze für das DFG-Projekt stellten wissenschaftliche
Arbeit dar. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergebe sich,
dass auch Vorarbeiten mit entsprechender Bedeutung unter den Begriff der
Wissenschaft zu fassen seien. Eine unbedeutende Randaufgabe sei die
Überarbeitung der Antragsskizze nicht gewesen. Vielmehr habe die Antragsskizze
die Basis für das DFG-Projekt dargestellt. Im Übrigen sei auch der
Befristungsgrund der Haushaltsbefristung gegeben. Für eine
Rechtsmissbrauchskontrolle gebe es keinen Anlass.
22 Gegen das ihm am 22.03.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10.04.2013
Berufung eingelegt und diese am 22.05.2013 begründet. Der Kläger trägt vor, das
Urteil des Arbeitsgerichts sei im Tatsächlichen und im Rechtlichen fehlerhaft.
Neben der Befristungsabrede vom 27.09.2012 sei auch die arbeitsvertragliche
Befristung vom 23.08.2010 einer Befristungskontrolle zu unterziehen. Die
gegenteilige Auffassung des Bundesarbeitsgerichts sei mit der heutigen
Rechtslage nicht mehr vereinbar. Seit Einführung der 3-wöchigen Klagefrist sei
auch die Argumentation zur Rechtssicherheit überholt. Bei dem Arbeitsvertrag vom
27.09.2012 handele es sich im Übrigen lediglich um einen Annex.
23 Zu diesem Arbeitsvertrag lägen zwei fehlerhafte Annahmen des Arbeitsgerichts
vor. Zum einen sei er während des Arbeitsverhältnisses auch in der Lehre tätig
gewesen. Zum anderen habe es sich bei der Überarbeitung der Antragsskizze
nicht um eine Vorarbeit für ein Forschungsprojekt gehandelt, sondern um eine
Daueraufgabe. Völlig unterschlagen habe das Arbeitsgericht den Aspekt der
Qualifikation. Diese sei ihm in seinem Vertrag gerade nicht eingeräumt worden.
Schließlich liege auch kein Drittmitteltatbestand vor.
24 Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei auch der Arbeitsvertrag vom
23.08.2010 in die Prüfung einzubeziehen. Aus der Gesamtbetrachtung ergebe
sich, dass er überwiegend mit Lehr- und Verwaltungsaufgaben betraut gewesen
sei und keine wissenschaftlichen Dienstleistungen erbracht habe. Daher unterliege
er uneingeschränkt den Regelungen des § 30 TV-L, insbesondere der Vorschrift
über die Prüfpflicht auf Weiterbeschäftigung.
25 Der Kläger beantragt,
26
das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 13.03.2012 - 29 Ca 7466/12 - wird
abgeändert.
27
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien
nicht aufgrund der in dem Anstellungsvertrag vom 23.08.2010 vereinbarten
Befristung mit Ablauf des 30.09.2012 endete.
28
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien
nicht aufgrund der in dem Anstellungsvertrag vom 23.08.2010 vereinbarten
Befristung mit Ablauf des 31.12.2012 endete.
29
3. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien
nicht aufgrund der in dem Anstellungsvertrag vom 28.09.2012 vereinbarten
Befristung mit Ablauf des 31.12.2012 endete.
30
4. Hilfsweise hierzu: Das beklagte Land wird verurteilt, dem Kläger ab dem
01.01.2013 einen unbefristeten Arbeitsvertrag als Akademischer Mitarbeiter
unter Inbezugnahme des TV-L sowie einer Vergütung mit zumindest
Entgeltgruppe 13 anzubieten.
31 Das beklagte Land beantragt,
32
die Berufung zurückzuweisen.
33 Es trägt vor, sämtliche mit dem Kläger abgeschlossenen Arbeitsverträge beruhten
auf dem WissZeitVG. Bei allen vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten handele es
sich um geradezu typische wissenschaftliche Dienstleistungen im Sinne dieses
Gesetzes. Das WissZeitVG trage den spezifischen Bedürfnissen
wissenschaftlicher Einrichtungen Rechnung. Der Begriff des wissenschaftlichen
Personals bestimme sich inhaltlich aufgabenbezogen. Im Zusammenhang mit der
Überarbeitung der Antragsskizze habe der Kläger wissenschaftliche
Dienstleistungen erbracht. Es sei zwar zutreffend, dass ein Entwurf der
Professoren S. und R. vorgelegen habe. Dieser habe aber noch inhaltlich
überarbeitet werden müssen. Es habe mehrere Entwurfsversionen gegeben, bevor
die finale Fassung der Skizze gestanden habe. Die Antragstellung erfolge
zweistufig. Es werde zunächst eine sogenannte Antragsskizze eingereicht. Nach
Begutachtung der Skizze könne ein Einrichtungsantrag gestellt werden. In die
Antragsskizze seien eine Fülle von Informationen einzuarbeiten. Im Übrigen könne
die Befristung auch auf den Aspekt der Drittmittelfinanzierung gestützt werden.
Soweit der Kläger vortrage, er habe auch noch im Wintersemester 2012/2013 eine
Lehrtätigkeit ausgeübt, habe er diese Lehrtätigkeit nicht im Rahmen des
Arbeitsverhältnisses, sondern als Lehrbeauftragter wahrgenommen.
34 Mit Verfügung vom 26.08.2013 hat der Vorsitzende um ergänzendes Vorbringen
dazu gebeten, nach welchen Kriterien das beklagte Land akademischen
Mitarbeitern die Möglichkeit zur Weiterqualifikation einräume. Die Beklagte trägt
hierzu vor, die Praxis der Weiterqualifikation in der Post-Doc-Phase sei vom
jeweiligen Fachbereich und der Fachkultur abhängig. So sei beispielsweise die
Weiterqualifikation in den Ingenieurwissenschaften anders strukturiert als bei den
Natur- oder Geisteswissenschaften. Die Universität wolle Spitzenkräfte nicht nur für
die Wissenschaft, sondern auch für die Wirtschaft und die öffentlichen
Einrichtungen herausbilden. Eine Beschränkung auf die Habilitation entspreche
nicht mehr der gelebten Realität in der Wissenschaft. Die Tätigkeit in Forschung
und Lehre bedeute eine Weiterqualifikation, die dem Beschäftigten eine bessere
Startposition verschaffe. Auch dem Kläger sei die Möglichkeit zur
Weiterqualifikation eingeräumt worden. Die Übertragung von 6 LVS habe mit der
Belastungssituation beim Institut für Sportwissenschaft zu tun. Bei unbefristeter
wissenschaftlicher Tätigkeit seien 9 LVS zu erbringen. Der Kläger habe die
Chance zur Weiterqualifikation durch die Teilnahme an dem Projekt HBSC-Studie
genutzt.
35 Der Kläger trägt vor, das beklagte Land habe nicht dargestellt, nach welchen
Kriterien den akademischen Mitarbeitern die Möglichkeit der Weiterqualifikation
eingeräumt werde. Den Ausführungen, dass den akademischen Mitarbeitern stets
die Möglichkeit der Forschung eingeräumt werde, müsse klar und deutlich
widersprochen werden. Aufgrund seiner hohen Lehrverpflichtung sei ihm keine Zeit
geblieben, um wissenschaftlich zu arbeiten.
36 Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 64 Abs. 6
ArbGG, § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen sowie auf die Protokolle über die mündlichen Verhandlungen
verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
37 Die Berufung des Klägers ist gemäß § 64 Abs. 2 Buchst. c ArbGG statthaft. Sie ist
auch gemäß § 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO in der gesetzlichen Form und
Frist eingelegt und begründet worden.
II.
38 Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend
entschieden, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgrund
arbeitsvertraglicher Befristung mit Ablauf des 31.12.2012 geendet hat. Der Kläger
hat auch keinen Anspruch auf Begründung eines unbefristeten
Arbeitsverhältnisses.
39 1. Die Klage ist nur teilweise zulässig.
40 a) Bei dem Berufungsantrag Ziff. 1 handelt es sich um eine
Befristungskontrollklage gemäß § 1 Abs. 1 Satz 5 WissZeitVG in Verbindung mit §
17 Satz 1 TzBfG. Hiergegen bestehen keine Zulässigkeitsbedenken.
41 b) Für den Berufungsantrag Ziff. 2 fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
Der Kläger begehrt mit diesem Berufungsantrag die Feststellung, dass das
Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der im Arbeitsvertrag vom
23.08.2010 vereinbarten Befristung mit Ablauf des 31.12.2012 geendet hat. Im
Arbeitsvertrag vom 23.08.2010 haben die Parteien aber eine Befristung des
Arbeitsverhältnisses bis zum 30.09.2012 vereinbart. Darauf, dass das
Arbeitsverhältnis aufgrund des Arbeitsvertrags vom 23.08.2010 mit Ablauf des
Jahres 2012 endet, beruft sich das beklagte Land nicht. Unter diesen Umständen
ist nicht ersichtlich, welches Rechtsschutzbedürfnis der Kläger an der begehrten
Feststellung hat.
42 c) Bei dem Berufungsantrag Ziff. 3 handelt es sich wie beim Berufungsantrag Ziff.
1 um eine Befristungskontrollklage im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 5 WissZeitVG in
Verbindung mit § 17 Satz 1 TzBfG.
43 d) Bei dem Berufungsantrag Ziff. 4 handelt es sich um einen Leistungsantrag auf
Abgabe einer Willenserklärung, mit dem der Kläger den Abschluss eines
unbefristeten Arbeitsvertrags als akademischer Mitarbeiter erstrebt. Der Antrag ist
durch die Bezugnahme auf den TV-L und die maßgebende Entgeltgruppe
hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
44 2. Die Klage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aufgrund
arbeitsvertraglicher Befristung mit Ablauf des 31.12.2012 geendet. Der Kläger hat
keinen Anspruch auf Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses nach §
30 Abs. 3 Satz 2 TV-L.
45 a) Der Kläger steht nicht bereits aufgrund der Unwirksamkeit der im Arbeitsvertrag
vom 23.08.2010 vereinbarten Befristung in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis.
46 aa) Das Arbeitsgericht ist von der ständigen Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts seit dem Urteil vom 08.05.1985 (7 AZR 191/84 - AP BGB §
620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 97) ausgegangen. Hiernach bringen die
Parteien, wenn sie im Anschluss an einen befristeten Arbeitsvertrag vorbehaltslos
einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag abschließen, regelmäßig zum Ausdruck,
dass der neue Vertrag für ihre Rechtsbeziehungen allein maßgeblich sein soll.
Damit werde zugleich ein etwaiges unbefristetes Arbeitsverhältnis aufgehoben.
Daher komme es für die Frage, ob die Befristung des Arbeitsverhältnisses
unwirksam sei, grundsätzlich nur auf den zuletzt abgeschlossenen befristeten
Arbeitsvertrag an. Etwas anderes gilt nur dann, wenn es sich bei dem letzten
befristeten Arbeitsvertrag um einen unselbständigen Annexvertrag handelte
(zuletzt BAG 18.07.2007 - 7 AZR 255/06) oder die Parteien den Folgevertrag
unter dem Vorbehalt abgeschlossen haben, dass er das Arbeitsverhältnis nur
regeln soll, wenn nicht bereits auf Grund des vorangegangenen Arbeitsvertrags
ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht (zuletzt BAG 18.06.2008 - 7 AZR
214/07 - AP TzBfG § 14 Nr. 50).
47 An dieser Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht bis heute festgehalten.
Es hat lediglich klargestellt, die bisher verwendete Formulierung, bei mehreren
aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen unterliege grundsätzlich nur
die in dem letzten Vertrag vereinbarte Befristung der Befristungskontrolle, sei nicht
dahingehend zu verstehen, dass der Arbeitnehmer eine frühere Befristung nicht
zum Gegenstand einer Befristungskontrollklage machen könne. Es sei eine Frage
der Würdigung der Parteierklärungen im Einzelfall, ob das vorangegangene
befristete Arbeitsverhältnis aufgehoben worden sei oder ob der Arbeitnehmer mit
dem Arbeitgeber den Vorbehalt vereinbart habe, die zuvor vereinbarte Befristung
gerichtlich überprüfen zu lassen (BAG 24.08.2011 - 7 AZR 228/10 - AP
WissZeitVG § 2 Nr. 1).
48 Gegen die Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts sind beachtliche
Gesichtspunkte vorgetragen worden (vgl. nur APS-Backhaus, 4. Aufl. § 17 Rn.
65). Nach Auffassung der Kammer gibt es aber jedenfalls im vorliegenden Fall,
der sich dadurch auszeichnet, dass der befristete Folgevertrag bereits vor
Erhebung der Befristungskontrollklage abgeschlossen wurde, gute Argumente
dafür, an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts festzuhalten. Anders
verhält es sich, wenn der befristete Folgevertrag erst nach Erhebung und in
Kenntnis einer Befristungskontrollklage abgeschlossen wurden (BAG 18.06.2008
aaO Rn. 12). Die Streitfrage bedarf aber keiner Klärung, weil der Kläger auch
dann nicht in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stand, wenn die
Befristungsabrede im Arbeitsvertrag vom 23.08.2010 einer Befristungskontrolle
unterzogen wird.
49 bb) Der Kläger unterfällt dem personellen Geltungsbereich der Vorschriften nach §
2 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 WZVG. Als akademischer Mitarbeiter
zählt er zum wissenschaftlichen Personal im Sinne dieses Gesetzes.
50 (1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 01.06.2011 -
7 AZR 827/09 - AP WissZeitVG § 1 Nr. 1; ebenso APS-Schmidt 4. Aufl. § 1 WZVG
Rn. 16; ErfK-Müller-Glöge 14. Aufl. § 1 WZVG Rn. 10) regelt § 1 Abs. 1 Satz 1
WZVG den Begriff des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals“
eigenständig. Es kommt nicht auf die Begriffsbezeichnungen oder
Zuordnungsdefinitionen nach den landeshochschulrechtlichen Regelungen (hier:
§ 52 Abs. 1 LHG BW) an. Somit bestimmt sich der Begriff des „wissenschaftlichen
und künstlerischen Personals“ inhaltlich-aufgabenbezogen. Zum
„wissenschaftlichen Personal“ gehört derjenige Arbeitnehmer, der
wissenschaftliche Dienstleistungen erbringt. Es kommt hierbei nicht auf die
formelle Bezeichnung des Arbeitnehmers an, sondern auf den wissenschaftlichen
Zuschnitt der von ihm auszuführenden Tätigkeit. Bei Mischtätigkeiten ist
erforderlich, dass die wissenschaftlichen Dienstleistungen zeitlich überwiegen
oder zumindest das Arbeitsverhältnis prägen.
51 (2) „Wissenschaftliche Tätigkeit“ ist alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter
planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist. Wissenschaft ist
nach Aufgabenstellung und anzuwendender Arbeitsmethode darauf angelegt,
neue Erkenntnisse zu gewinnen und zu verarbeiten, um den Erkenntnisstand der
jeweiligen wissenschaftlichen Disziplin zu sichern und zu erweitern (BAG
01.06.2011 - 7 AZR 827/09 - AP WissZeitVG § 1 Nr. 1 Rn. 35; BAG 19.03.2008 - 7
AZR 1100/06 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 265 Rn. 33). Der
gemeinsame Oberbegriff „Wissenschaft“ bringt den engen Bezug von Forschung
und Lehre zum Ausdruck. Forschung bewirkt angesichts immer neuer
Fragestellungen den Fortschritt der Wissenschaft. Zugleich ist sie die notwendige
Voraussetzung, um den Charakter der Lehre als der wissenschaftlich fundierten
Vermittlung der durch die Forschung gewonnenen Erkenntnisse zu gewährleisten
(BVerfG 29.05.1973 - 1 BVr 474/71 und 325/72 - NJW 1973, 1176 Rn. 93).
52 Zur wissenschaftlichen Dienstleistung kann daher auch die Vermittlung von
Fachwissen und praktischen Fertigkeiten an Studierende und deren
Unterweisung in der Anwendung wissenschaftlicher Methoden gehören (Dörner,
Der befristete Arbeitsvertrag 2. Aufl. Rn. 535). Wissenschaftliche Betätigung ist
eine Lehrtätigkeit aber nur dann, wenn dem Lehrenden die Möglichkeit zur
eigenständigen Forschung und Reflexion verbleibt. Die wissenschaftliche
Lehrtätigkeit muss aber von einer unterrichteten Lehrtätigkeit ohne
Wissenschaftsbezug unterschieden werden (BAG 01.06.2011 aaO Rn. 35; KR-
Treber 10. Aufl. § 1 WissZeitVG Rn. 43).
53 (3) Nach diesen Maßstäben stellt der Kläger zu hohe Anforderungen an den
Begriff der wissenschaftlichen Dienstleistung, wenn er annimmt, die von ihm
wahrgenommenen Tätigkeiten in Lehre, Forschung und akademischer
Selbstverwaltung hätten kein wissenschaftliches Gepräge gehabt. Die Tätigkeit
des Klägers war nicht mit derjenigen eines Lektors zu vergleichen, der den
Studierenden in bestimmten Fächern praktische Fertigkeiten und Kenntnisse
vermittelt und damit eine Unterstützungsfunktion und für die eigentliche
wissenschaftliche Lehrtätigkeit besitzt (BAG, 27.05.2004 - 6 AZR 129/03 - AP
TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 5 Rn. 40).
54 Betrachtet man zunächst die Lehrtätigkeit des Klägers, so bringt das Leitbild des
Instituts für Sport und Bewegungswissenschaft (Anlage K 3) die vom
Bundesverfassungsgericht beschriebene Verknüpfung von Forschung und Lehre
deutlich zum Ausdruck. Das Institut betreibt im Schwerpunkt sozial-, verhaltens-
und gesundheitswissenschaftliche Forschung, die um naturwissenschaftliche
Perspektiven ergänzt wird. Im Vordergrund soll die Wechselwirkung zwischen
Gesellschaft, Technik und Individuum stehen. Hierbei soll die Lehre konsequent
an der Forschung orientiert sein.
55 Bei dieser Zielsetzung waren die vom Kläger gebotenen Lehrveranstaltungen
darauf angelegt, in der Wechselwirkung von Forschung und Lehre neue
Erkenntnisse zu gewinnen oder jedenfalls diese zu verarbeiten sowie die
Studierenden in wissenschaftlichen Methoden zu unterweisen. Im Schwerpunkt
widmete sich der Kläger in seinen Lehrveranstaltungen sportsoziologischen
Themen. Er konnte hierbei auf Erkenntnisse zurückgreifen, die er im Rahmen
seines Studiums und seiner Dissertation gewonnen hatte. Auch wenn der Kläger
in seinen Lehrveranstaltungen die Erkenntnisse anderer Wissenschaftler
vermittelte, stand dieser Umstand der Annahme eines wissenschaftlichen
Gepräges nicht entgegen. Wissenschaft war und ist immer auf den Diskurs unter
den Wissenschaftlern angewiesen. Gerade dieser Diskurs ist eine wesentliche
Voraussetzung dafür, dass neue Entwicklungen erkannt und alle Gesichtspunkte
abgewogen werden. Auch wenn bei Lehrveranstaltungen mit den Studierenden
die Vermittlung der bereits gewonnenen Erkenntnisse im Mittelpunkt steht, steht
dies stets mit der Einführung in das wissenschaftliche Denken in Verbindung.
Dies gilt auch bei der Vermittlung von Grundlagenwissen (a.A. LAG
Niedersachsen 04.03.2013 - 10 Sa 856/12 - Rn. 29 betr. die Vermittlung von
Basiswissen).
56 Diese Betrachtungsweise kann auch auf die Tätigkeit des Klägers in der
Forschung und der akademischen Selbstverwaltung übertragen werden. Selbst
wenn der Kläger zeitlich relativ begrenzt in der Forschung tätig gewesen sein
sollte, war seine Tätigkeit darauf angelegt, an wissenschaftlichen Projekten
mitzuwirken. Die Teilnahme an Workshops und Besprechungen, die dazu dienen,
wissenschaftliche Projekte zu fördern, stellen keine „reine“ Verwaltungstätigkeit
dar. Gleiches gilt auch zumindest überwiegend für die akademische
Selbstverwaltung. Dem Kläger ist einzuräumen, dass die Bearbeitung von
Dienstreiseanträgen und die Gegenzeichnung von Arbeitszeitnachweisen keine
wissenschaftliche Tätigkeit darstellt. Anders verhält es sich aber bei der
Bewertung von Prüfungen und bei der inhaltlichen Vorbereitung von
Berufungsverfahren durch die Zusammenstellung von Lehr- und
Forschungsleistungen der Bewerber/innen. Dass solche Tätigkeiten nicht per se
zu neuen Erkenntnissen führen, steht außer Frage. Sie sind aber die notwendige
Voraussetzung dafür, dass Wissenschaft auch in der Zukunft ausgeübt werden
kann. Anders als eine rein verwaltende Tätigkeit haben solche Tätigkeiten nicht
nur eine dienende Funktion, sondern sind die notwendige Voraussetzung für die
Gewinnung des wissenschaftlichen Nachwuchses.
57 (4) Entgegen der Auffassung des Klägers reicht die Darlegungslast des beklagten
Landes nicht so weit, dass es zu jeder einzelnen Tätigkeit des Klägers darlegen
müsste, diese habe tatsächlich ein wissenschaftliches Gepräge gehabt. Es
genügt, dass die dem Kläger übertragenen Aufgaben auf eine wissenschaftliche
Dienstleistung angelegt waren. Für diese Auslegung spricht die in Art. 5 Abs. 3 S.
1 GG verfassungsrechtlich garantierte Wissenschaftsfreiheit. Dieses
Freiheitsrecht schützt als Abwehrrecht die wissenschaftliche Betätigung gegen
staatliche Eingriffe und steht jedem zu, der wissenschaftlich tätig ist oder tätig
werden will. Damit sich Forschung und Lehre ungehindert an dem Bemühen um
Wahrheit ausrichten können, ist die Wissenschaft zu einem von staatlicher
Fremdbestimmung freien Bereich persönlicher und autonomer Verantwortung des
einzelnen Wissenschaftlers erklärt worden (BVerfG 29.05.1973 aaO Rn. 92). Aus
dieser Grundsatznorm folgt, dass der wissenschaftlich Lehrende frei ist in der
inhaltlichen Gestaltung der Lehrveranstaltung und der Methoden der Vermittlung.
Zwar wird sich eine Lehrveranstaltung oft an einem vorgegebenen Fächerkanon
ausrichten. Dem Lehrenden bleibt es jedoch überlassen, welche inhaltliche
Schwerpunkte er setzt.
58 Daher muss das beklagte Land nicht den Nachweis führen, dass die dem Kläger
übertragenen Tätigkeiten im konkreten Fall tatsächlich zu einem weiteren
Erkenntnisgewinn geführt haben. Zum einen ließe sich dies kaum mit Sicherheit
feststellen. Zum anderen war es die Aufgabe des Klägers, dem Leitbild der
„forschenden Lehre“ gerecht zu werden. Daher kann es nur darauf ankommen, ob
die Tätigkeit des Klägers als solche geeignet war, zur Forschung und Lehre
beizutragen (so auch LAG Hamburg, 31.10.2012 - 3 Sa 66/12 - Rn. 38).
59 (5) Der wissenschaftlichen Dienstleistung des Klägers steht schließlich auch nicht
entgegen, dass ihm ausweislich der Dienstaufgabenbeschreibung vom
06.10.2010 nicht ausdrücklich die Möglichkeit zur Weiterqualifikation eingeräumt
wurde. Die Auffassung des Klägers, hierdurch werde der Gesetzeszweck des
WissZeitVG verfehlt, teilt die Kammer nicht. Der Kläger verkürzt den Zweck des
WissZeitVG entgegen dem in den Gesetzesmaterialien dokumentierten Willen
des Gesetzgebers auf den Aspekt der Weiterqualifikation.
60 Der Gesetzgeber hat das Sonderbefristungsrecht für das wissenschaftliche
Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen von Beginn der
Gesetzgebung an auf zwei Gesetzeszwecke gestützt. So heißt es bereits in der
Entwurfsbegründung des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge mit
wissenschaftlichem Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen
(Bundestags-Drucksache 10/2283 S. 9:
61 „Ihre Leistungsfähigkeit ist maßgebend für den wissenschaftlichen Standard
unseres Landes für seine Wettbewerbsfähigkeit in der Forschung sowie für das
Ausmaß, in dem Nachwuchskräfte für wissenschaftliche und berufliche
Spitzenleistung qualifiziert werden können. Deshalb sind auch besondere
Regelungen für diesen Bereich gerechtfertigt, die die Innovationsfähigkeit der
Wissenschaft durch kontinuierliche Nachwuchspflege und personelle Erneuerung
gewährleisten und die Einwerbung von Drittmitteln für die Forschung erleichtern.“
62 Diese doppelte Zweckbestimmung, nämlich die Weiterqualifikation der
wissenschaftlichen Nachwuchskräfte einerseits und die personelle Erneuerung
des wissenschaftlichen Personals andererseits, wird auch durch die weiteren
Gesetzesmaterialien bestätigt. So heißt es in der Entwurfsbegründung des 5.
Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes (BT-Drucksache
14/6853 S. 20):
63 „Insbesondere hat es (d.h. das Bundesverfassungsgericht) die Begründung
gebilligt, dass eine ständige Fluktuation erforderlich ist, um einen laufenden
Zustrom junger Wissenschaftler/innen und neuer Ideen zu gewährleisten.“
64 Ferner wird im Gesetzentwurf eines Gesetzes zur Änderung dienst- und
arbeitsrechtlicher Vorschriften im Hochschulbereich (BT-Drucksache 15/4132 S.
17) ausgeführt:
65 „Bei diesen Mitarbeitergruppen wird unterstellt, dass zum einen ihre
Beschäftigung der eigenen Aus-, Fort- und Weiterbildung dient und zum anderen
der regelmäßige Austausch des Personals zur Sicherung der Innovation in
Forschung und Lehre an den Hochschulen notwendig ist.
66 Zwar sind die von den entsprechenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
wahrgenommenen wissenschaftlichen Dienstleistungen (§ 53 Abs. 1 HRG)
Daueraufgaben der Hochschule. Die Befristungsmöglichkeit wird aber bei diesen
Mitarbeitergruppen ausnahmslos im Interesse der Nachwuchs- und
Qualifikationsförderung eröffnet.“
67 Diese Ausführungen finden sich wortgleich auch in der Entwurfsbegründung
eines Gesetzes zur Änderung arbeitsrechtlicher Vorschriften in der Wissenschaft
(BT-Drucksache 16/3438 S. 11).
68 Aus den Gesetzesmaterialien folgt, dass die Argumentation des Klägers, er sei in
einem Umfang mit Lehrverpflichtungen und Verwaltungsaufgaben ausgelastet
gewesen, dass für eine Weiterqualifikation keine Zeit mehr geblieben sei, nur
einen Aspekt, nämlich den der Qualifikation des wissenschaftlichen
Nachwuchses erfasst. Daneben steht jedoch der weitere Zweck des Gesetzes,
dass eine kontinuierliche Nachwuchsförderung nur dann betrieben werden kann,
wenn die beschränkt vorhandenen Stellen immer wieder frei werden (BVerfG
24.04.1996 24.04.1996 - 1 BvR 712/86 - NZA 1996, 1157 Rn. 111). Wie das
beklagte Land zudem richtig hervorhebt, besteht die Weiterqualifikation in der
Post-Doc-Phase auch nicht ausschließlich darin, den weiteren qualifizierenden
Abschluss der Habilitation zu erreichen. Weiterqualifikation kann auch darin
bestehen, dass sich die akademischen Beschäftigten in der Post-Doc-Phase
durch die Mitwirkung an wissenschaftlichen Lehrveranstaltungen und Projekten
eine bessere Startposition für eine Beschäftigung in der Wirtschaft oder der
öffentlichen Verwaltung verschaffen.
69 Die Gelegenheit zur Weiterqualifikation in diesem Sinne hat das beklagte Land
dem Kläger gegeben, auch wenn ihm formal die Möglichkeit der
Weiterqualifikation nicht eingeräumt wurde. Die Lehrverpflichtung des Klägers
umfasste 6 LVS. Hätte das beklagte Land ihm formal die Möglichkeit der
Weiterqualifikation eingeräumt, so wären es nach § 1 Abs. 1 Nr. 7b der
Lehrverpflichtungsverordnung 4 LVS gewesen. Auch wenn man berücksichtigt,
dass der Kläger aufgrund der Überlastsituation beim Institut für Sportwissenschaft
und aufgrund der Vakanz in der Abteilungsleitung überobligatorisch
Lehrveranstaltungen abgehalten und mit zahlreichen Aufgaben im Rahmen der
akademischen Selbstverwaltung befasst war, blieb dem Kläger die Möglichkeit zur
eigenen Weiterqualifikation. Die Weiterqualifikation bestand schon darin, dass die
Beteiligung des Klägers an zahlreichen Lehrveranstaltungen und
wissenschaftlichen Forschungsprojekten einer künftigen Tätigkeit förderlich war.
70 b) Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat auch nicht aufgrund der
arbeitsvertraglichen Befristung vom 27.09.2012 mit Ablauf des 31.12.2012
geendet. Diese Befristungsabrede ist ebenfalls nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG
rechtswirksam.
71 aa) Der Kläger hat auch in der Zeit vom 01.10. bis 31.12.2012 wissenschaftliche
Dienstleistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG erbracht, indem er
an der Antragsskizze für ein DVG Graduiertenkolleg „Mobilität, Technik und
Umwelt: Chancen und Risiken für ein Gelingen des Alterns“ mitwirkte. Entgegen
der Auffassung des Klägers handelt es sich bei der Erarbeitung einer solchen
Antragsskizze - bloße Sekretariatstätigkeiten ausgenommen - um eine
wissenschaftliche Tätigkeit.
72 (1) Wie sich aus der Darstellung des Leitthemas ergibt, sollte das Kolleg
hochtalentierten Nachwuchs auf einem exzellenten wissenschaftlichen Niveau
fördern und die Forschung zu Alternsfragen stärken, indem es junge
Wissenschaftler/innen verschiedener (auch technischer) Disziplinen ermuntert
und befähigt, sich mit dem Alter und dem Altern zu befassen (Fassung Februar
2013 S. 4). Mit dieser Zielsetzung sollte das Kolleg Workshops, Vorträge und den
wissenschaftlichen Austausch organisieren. Es sollten Dissertationen aus
verschiedenen Disziplinen betreut werden (Fassung Februar 2013 S. 13). Die
Antragsskizze war der erste Schritt in einem zweistufigen Antragsverfahren. Auf
der Basis der Antragsskizze wurde das Projekt gutachterlich bewertet. Nach
Einschätzung des Potentials des Projekts konnte der Einrichtungsantrag gestellt
werden. Allein für die Antragsskizze gab die Deutsche Forschungsgemeinschaft
einen umfangreichen Leitfaden (Anlage BB 1) vor. Damit war die Antragsskizze
die Grundlage für die beabsichtigte wissenschaftliche Forschung.
73 Die Auffassung des Klägers, es habe sich bei der Erstellung der Antragsskizze
um eine reine Verwaltungsaufgabe gehandelt, teilt die Kammer nicht. Die
Darstellung des Forschungsprogramms, des Qualifizierungs- und
Betreuungskonzepts und des wissenschaftlichen Umfelds erforderte eine
intensive Befassung und Auseinandersetzung mit dem geplanten
wissenschaftlichen Thema. Selbst die eher technisch anmutende
Zusammenstellung von Publikationen setzte die Fähigkeit voraus, die
Veröffentlichungen der beteiligten Wissenschaftler/innen in ihrer Bedeutung für
das Projekt einschätzen zu können. Es handelt sich damit um eine Aufgabe, die
ohne einen einschlägigen wissenschaftlichen Hintergrund nicht bewältigt werden
konnte.
74 (2) Auch wenn der Kläger die Antragsskizze nicht allein erstellt, sondern an ihr
lediglich mitgewirkt hat, erbrachte er eine wissenschaftliche Dienstleistung. Wie
sich aus den vorgelegten Fassungen der Antragsskizze ergibt, wurde die
Antragsskizze ständig weiterentwickelt. Es handelte sich hierbei nicht nur um die
Korrektur von Fehlern und Formatierungen. Der Kläger war an den Arbeiten
inhaltlich beteiligt. Das Protokoll über die Sitzung vom 14.12.2012 ist kein Beleg
für etwas Gegenteiliges. Auch soweit der Kläger organisatorische Vorarbeiten für
die Erstellung der Antragsskizze leistete, handelte es sich um Tätigkeiten, die
unmittelbar mit der geplanten Forschung zusammenhingen. Der Umstand, dass
die Vorbereitung von wissenschaftlichen Forschungen im universitären Bereich
eine Daueraufgabe darstellt, ist unerheblich. Die Befristungsmöglichkeit nach § 2
Abs. 1 WissZeitVG ist auch bei der Wahrnehmung von Daueraufgaben eröffnet
(Bundestags-Drucksache 16/3438 S. 11).
75 bb) Soweit der Kläger auch in der Zeit vom 01.10. bis 31.12.2012 noch
Lehrtätigkeiten und Tätigkeiten in der akademischen Selbstverwaltung erbracht
haben sollte, kann auf die Ausführungen zu a) bb) verwiesen werden. Zumindest
teilweise erfolgte die Lehrtätigkeit des Klägers im genannten Zeitraum zudem im
Rahmen eines gesondert abgerechneten Lehrauftrags (vgl. Anlage BB 9).
76 cc) Soweit der Kläger schließlich gemeint hat, die Befristungsabrede vom
27.09.2012 sei wegen eines Verstoßes gegen das sogenannte
Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, kann die Kammer
diese Argumentation nicht nachvollziehen. Die Befristungsabrede, wonach der
Kläger vom 01.10. bis 31.12.2012 befristet weiterbeschäftigt wird, ist klar und
verständlich. Weshalb diese Klausel den Kläger von der Durchsetzung
bestehender Rechte abgehalten haben sollte, erschließt sich der Kammer nicht.
77 c) Für eine Rechtsmissbrauchskontrolle gibt es im Streitfall keinen Anlass.
78 aa) Im Rahmen der Sachgrundbefristung nach § 14 Abs. 1 TzBfG dürfen sich die
Gerichte im Anschluss an das Urteil des EuGH vom 26.01.2012 (C-586/10- AP
Richtlinie 99/70/EG Nr. 9) nicht auf die Prüfung des geltend gemachten
Sachgrunds beschränken. Sie sind vielmehr aus unionsrechtlichen Gründen
verpflichtet, alle Umstände des Einzelfalls und dabei namentlich die Gesamtdauer
und die Zahl der zur Verrichtung der gleichen Arbeit geschlossenen
aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträge zu berücksichtigen (BAG
18.07.2012 - 7 AZR 443/09 - AP TzBfG § 14 TzBfG Nr. 99).
79 bb) Für eine vergleichbare Missbrauchskontrolle gibt es im Rahmen des
Sonderbefristungsrechts für die Hochschulen und Forschungseinrichtungen
keinen Anlass. § 1 Abs. 1 WissZeitVG verzichtet vor dem Hintergrund der dort klar
definierten Befristungshöchstgrenzen auf die Festlegung einzelner Sachgründe
für eine Befristung. Die Vorschrift ist eine Spezialregelung für befristete
Arbeitsverträge im Hochschulbereich, die aus den oben genannten Gründen den
Hochschulen weitergehendere Möglichkeiten zur Befristung von Arbeitsverträgen
einräumt als sie den sonstigen öffentlichen und privaten Arbeitgeber zustehen. Mit
einer Befristungsdauer von 3 3/4 Jahren hat das beklagte Land die
Befristungshöchstdauer von 6 Jahren nicht einmal im Ansatz ausgeschöpft.
80 d) Das beklagte Land ist nicht verpflichtet, dem Kläger ab 01.01.2013 einen
unbefristeten Arbeitsvertrag als akademischen Mitarbeiter anzubieten. Geht man
zugunsten des Klägers davon aus, dass es sich bei dem in der Berufung erstmals
gestellten Antrag Ziff. 4 um eine nach § 533 ZPO zulässige Klageänderung
handelt, so ist der Antrag jedenfalls unbegründet. Die Vorschrift begründet keine
Verpflichtung des Arbeitgebers zur Begründung eines unbefristeten
Arbeitsverhältnisses (BAG 15.05.2012 - 7 AZR 754/10 - AP TV-L § 30 Nr. 1).
III.
81 Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines ohne Erfolg eingelegten
Rechtsmittels zu tragen. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1
ArbGG. Soweit ersichtlich hat sich das Bundesarbeitsgericht noch nicht mit der
Rechtsfrage befasst, unter welchen konkreten Voraussetzungen die Tätigkeit
eines akademischen Mitarbeiters als wissenschaftliche Dienstleistung aufzufassen
ist.