Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 14.01.2013

vergütung, private banking, ermessen, gericht erster instanz

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 14.1.2013, 1 Sa 27/12
Variable Vergütung - Bonus - Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen -
Kürzung - Gewinneinbruch bei einer öffentlich-rechtlichen Landesbank
Leitsätze
Eine öffentlich-rechtliche Landesbank war berechtigt, aufgrund des drastischen
Gewinneinbruchs in den Geschäftsjahren 2008 bis 2010 die nach billigem Ermessen
zu gewährende variable Vergütung einer Führungskraft zu kürzen bzw. ganz zu
streichen. Die Leistungsbestimmung des Vorstands genügte den Grundsätzen des
billigen Ermessens (§ 315 Abs. 1 BGB).
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom
04.07.2012 - 22 Ca 10365/11 - teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit hinsichtlich des Klageantrags
Ziff. 1 bezogen auf die Auskunftserteilung über die zur Bestimmung der
variablen Vergütung für die Geschäftsjahre 2008 und 2011 maßgeblichen
Faktoren erledigt ist.
2. Im Übrigen wird die Klage insgesamt abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten der Berufung tragen der Kläger zu 5/7 und die Beklagte zu 2/7.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten im Wege der Stufenklage darüber, ob die Beklagte zur
Auskunftserteilung über die zur Bestimmung der variablen Vergütung des Klägers
maßgeblichen Faktoren für die Geschäftsjahre 2004 bis 2011 und zur Zahlung der
variablen Vergütung für die Geschäftsjahre 2008 bis 2011 verpflichtet ist.
2 Der am ... April 1948 geborene Kläger (verheiratet, vier Kinder) war seit 1. Oktober
1991 bei der BW-Bank, der Rechtsvorgängerin der Beklagten, beschäftigt. Seit 1.
August 2005 ist er bei der Beklagten tätig.
3 Die Beklagte ist ein öffentlich-rechtliches Kreditinstitut in der Rechtsform einer
Anstalt des öffentlichen Rechts. Sie entstand in der jetzigen Form am 1. Januar
1999. Anteilseigner sind - gerichtsbekannt - das Land Baden-Württemberg, der
Sparkassenverband Baden-Württemberg, die Stadt Stuttgart und die
Landeskreditbank Baden-Württemberg. Bei der Beklagten sind rund 13.000
Beschäftigten tätig. Die BW-Bank ist seit 1. August 2005 Teil der Beklagten.
4 Dem Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der BW-Bank lag ein
Arbeitsvertrag vom 7. August 1991 zugrunde (Anlage K 1). Hinsichtlich der
variablen Vergütung enthielt der Arbeitsvertrag unter § 2 Abs. 2 auszugsweise
folgende Regelung:
5
„Für Geschäftsjahre, die mit Gewinn abschließen, ist eine Erfolgsvergütung
vorgesehen, deren Höhe durch den Vorstand unter Berücksichtigung der
wirtschaftlichen Lage der Bank und der Leistungen des Mitarbeiters festgelegt
wird. ... Bei der Erfolgsvergütung handelt es sich um eine freiwillige Leistung der
Bank, durch die kein Rechtsanspruch für die Zukunft erworben wird. ...“
6 Auf der Grundlage dieser Vereinbarung erzielte der Kläger in den Jahren 1991 bis
2003 neben seinem Fixgehalt von DM 12.500,00 bis EUR 9.450,00 eine variable
Vergütung zwischen DM 60.000,00 und EUR 76.640,00. Wegen der Einzelheiten
wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 28. März 2012 S. 1 f. verwiesen. Die
Leistungen des Klägers wurden von 1999 bis 2004 nach einem Leitfaden der BW-
Bank zu Zielvereinbarungen (Anlage BB 3) bemessen.
7 Mit Schreiben vom 23. April 2004 bot die Beklagte dem Kläger eine Änderung
seines Arbeitsvertrags an, die der Kläger akzeptierte (Anlage K 2). Zur variablen
Vergütung lautet die Vereinbarung auszugsweise wie folgt:
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„Hinsichtlich der variablen Vergütung der Leitenden Angestellten trifft der Vorstand
der LBBW seine Entscheidung im freien Ermessen aufgrund des Erfolgs der Bank,
des Erfolgs des jeweils betroffenen Bereichs und der Leistung des einzelnen. Mit
dem Übergang von Anstellungsverhältnissen von der BW-Bank auf die LBBW
kann das von der BW-Bank geltende Verfahren nicht mehr angewendet werden.
Der Vorstand der LBBW wird daher für die Geschäftsjahre 2004 bis 2006 die für
das Jahr 2003 als variable Vergütung bei der BW-Bank gezahlten Beträge als
„Bonusorientierungswert“ seiner oben genannten Ermessensentscheidung
zugrundelegen.“
9 Mit Schreiben vom 30. Juni 2005 (Anlage K 3) unterbreitete die Beklagte dem
Kläger ein weiteres Änderungsangebot. Sie bot dem Kläger die Leitung der
Abteilung Vertriebscontrolling und -steuerung PA und die Funktion des EU-
Beauftragten an. Der Kläger akzeptierte dieses Angebot am 17.10.2005. Zur
variablen Vergütung lautet die Vereinbarung wie folgt:
10 „Hinsichtlich der variablen Vergütung der Leitenden Angestellten trifft der Vorstand
der LBBW seine Entscheidung im freien Ermessen aufgrund des Erfolgs der Bank,
des Erfolgs des jeweils betroffenen Bereichs und der Leistung des einzelnen.
Gemäß den vom Vorstand beschlossenen Konditionen gilt für Sie bis
einschließlich des Geschäftsjahrs 2008 der Durchschnittswert der
Erfolgsvergütung/Bonuszahlung der letzten 5 Jahre (EUR 64.730,89) als
Bonusorientierungswert. Ab dem Geschäftsjahr 2009 gelten für Sie die dann
gültigen LBBW-Bonusregelungen.“
11 Mit einem weiteren Schreiben vom 18. Juli 2005 (Anlage K 4) teilte die Beklagte
dem Kläger ergänzend mit, dass für ihn als Bonusorientierungswert für die
Geschäftsjahre 2006 bis 2008 die Erfolgsvergütung für das Jahr 2003 gelte, d.h.
EUR 76.639,50. Der Kläger erklärte sich hiermit einverstanden.
12 Auf der Grundlage der genannten Vereinbarungen erzielte der Kläger in den
Jahren 2004 bis 2007 neben einem Fixgehalt von EUR 9.650,00 bis EUR
10.298,00 eine variable Vergütung zwischen EUR 78.000,00 und EUR 85.000,00.
Wegen der Einzelheiten wird auf die oben bezeichnete Aufstellung des Klägers
verwiesen. Eine formalisierte Leistungsbemessung fand bei der Beklagten für den
Kläger nicht statt.
13 In seiner neuen Funktion leitete der Kläger die direkt dem Vorstand
(Vorstandsmitglied M.H.) unterstellte Abteilung Betriebscontrolling und -steuerung
PA. Diese Abteilung wird im Geschäftsbericht der Beklagten dem Segment Retail
Clients zugerechnet. Das Segment Retail Clients enthält alle Aktivitäten im
Privatkundengeschäft sowie Geschäftsaktivitäten im Rahmen der
Sparkassenzentralbankfunktion. Der Kläger ist jedenfalls Beschäftigter der 3.
Führungsebene (Anlagen K 30). Die Führungskräfte der 3. Führungsebene sind
nach der Mitteilung der Beklagten vom 4. November 2011 (Anlage K 18) Leitende
Beschäftigte im Sinne des § 81 LPVG. Dem Kläger sind keine weiteren Mitarbeiter
unterstellt.
14 In den Geschäftsjahren 2005 bis 2007 erzielte die Beklagte folgendes
Konzernergebnis: + 1,298 Mrd. Euro, + 1,397 Mrd. Euro und + 347 Mio. Euro (nach
IFRS). Im Geschäftsjahr 2008 brach der Gewinn der Beklagten ein. Der
Konzernfehlbetrag belief sich auf 2,055 Mrd. Euro; das Segment Retail Clients
erzielte einen Überschuss von 73 Mio. Euro. Im Geschäftsjahr 2009 belief sich der
Konzernjahresfehlbetrag auf -1,482 Mrd. Euro; das Segment Retail Clients erzielte
ein Ergebnis vor Steuern von +64 Mio. Euro. Im Jahr 2010 ergab sich ein
Konzernjahresfehlbetrag von -347 Mio. Euro. Das Segment Retail Clients erzielte
ein Konzernergebnis vor Steuern von +123 Mio. Euro. Im Jahr 2011 erzielte die
Beklagte einen Konzernjahresüberschuss von 87 Mio. Euro. Das Segment Retail
Clients erzielte ebenfalls ein positives Ergebnis (in einer dem Gericht nicht
mitgeteilten Höhe).
15 Am 14. April 2009 beschloss der Vorstand der Beklagten, angesichts der
erheblichen Verluste für das Geschäftsjahr 2008 grundsätzlich einen Betrag von
50 % des Bonusorientierungswerts als variable Vergütung zu zahlen und je nach
Leistung eine Abweichung nach oben oder nach unten vorzunehmen. Bei
durchschnittlicher Leistung sollte es bei 50 % verbleiben, kaufmännisch ab- oder
aufgerundet auf „volle EUR 1.000,00“. Da der Kläger nach Auffassung seiner
Vorgesetzten eine durchschnittliche Leistung erbracht hatte, erhielt er einen Bonus
von EUR 38.000,00 brutto.
16 Am 2. März 2010 beschloss der Vorstand der Beklagten, angesichts des
Konzernverlusts im Jahr 2009 keine variable Vergütung zu zahlen. Am 22. März
2012 (richtig vermutlich: 2011) beschloss der Vorstand, auch für das Jahr 2010
keine variable Vergütung zu gewähren. Schließlich beschloss der Vorstand am 14.
Mai 2012, dass an überdurchschnittliche Führungskräfte ca. 20 % des
durchschnittlichen Bonusbudgets der Vorjahre ausgezahlt werde. Da die Beklagte
die Leistung des Klägers als durchschnittlich beurteilte, erhielt der Kläger keinen
Bonus.
17 Am 24. Februar 2009 schloss die Beklagte mit dem gesamten Personal eine
Rahmendienstvereinbarung „Variable Vergütung in der LBBW“ ab (Anlage K 15).
Nach 1 (1) gilt diese Vereinbarung nicht für Vorstandsmitglieder und Leitende
Angestellte im Sinne von § 81 LPVG BW. Unter A 1 6 enthält die Vereinbarung
folgende Bestimmung:
18 „Die Bonussystematik kann durch einen Gesamtvorstandsbeschluss ausgesetzt
werden, falls Sondersituationen dazu führen sollten, dass das Konzernergebnis
gravierend verfehlt wird. Das Mindestbudget gemäß RDV VV, Ziff. 4, kann nicht
ausgesetzt werden.“
19 Nach der Vorbemerkung (1) zur Rahmendienstvereinbarung werden die in der
Vereinbarung geregelten Grundsätze zur variablen Vergütung jeweils durch
segmentspezifische Ergänzungsdienstvereinbarungen konkret umgesetzt. Für das
Segment Privatkunden/Private Banking und Wealth Management schloss die
Beklagte mit dem Gesamtpersonalrat am 24. Februar 2009 eine
Ergänzungsdienstvereinbarung (Anlage K 17). Außerdem schloss die Beklagte mit
dem Gesamtpersonalrat am 16. Juli 2009 eine Zusatzdienstvereinbarung
„Zielgespräche in variablen Vergütungssystemen“ (Anlage K 16).
20 Mit Schreiben vom 21. November 2010 (Anlage K 10) reklamierte der Kläger seine
Vergütung im Jahr 2010. Mit Schreiben vom 2. Dezember 2010 (Anlage K 11) teilte
die Beklagte dem Kläger mit, dass es dem Kläger offenbar um die variable
Vergütung für das Geschäftsjahr 2009 gehe. Die Beklagte teilte dem Kläger weiter
mit, dass sich seine Erfolgsvergütung ab dem Jahr 2009 nach dem variablen
Vergütungsmodell der LBBW für das Segment Privatkunden/Private
Banking/Wealth Management richte. Aufgrund der schlechten Ertragslage sei die
Bonuszahlung auf der Grundlage der Dienstvereinbarung für das Jahr 2009
ausgesetzt worden.
21 Mit Anwaltsschreiben vom 25. November 2011 (Anlage K 12) widersprach der
Kläger der Aussetzung der Bonuszahlung und bat um Auskunft über die zur
Bestimmung der variablen Vergütung maßgeblichen Faktoren im Geschäftsjahr
2008. Mit Schreiben vom 4. November 2011 (Anlage K 13) antwortete die
Beklagte, dass sie bei ihrer Einschätzung bleibe. Die
Ergänzungsdienstvereinbarung gelte auch für Leitende Angestellte.
22 Mit seiner am 30. Dezember 2011 eingegangenen Klage hat der Kläger im Wege
der Stufenklage Auskunft über die zur Bestimmung seiner variablen Vergütung für
die Geschäftsjahre 2004 bis 2011 maßgeblichen Faktoren begehrt und die
Zahlung der sich aus den Auskünften ergebenden variablen Vergütungen für die
Geschäftsjahre 2008 bis 2011 gefordert. Er hat vorgetragen, seine variable
Vergütung sei im Geschäftsjahr 2008 fehlerhaft festgesetzt und in den
Geschäftsjahren 2009 bis 2011 rechtswidrig ausgesetzt worden. Der noch im
ursprünglichen Arbeitsvertrag enthaltene Freiwilligkeitsvorbehalt sei durch die
abgeschlossenen Änderungsvereinbarungen aufgehoben und ein Anspruch auf
variable Vergütung durch betriebliche Übung begründet worden. Ein Hinweis
darauf, dass die in den Jahren 2005 bis 2007 gezahlten variablen Vergütungen
freiwillige Leistungen darstellten, sei zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Die Beklagte
berufe sich zu Unrecht auf ein Aussetzungsrecht auf der Grundlage der
Dienstvereinbarung zur variablen Vergütung. Die Rahmendienstvereinbarung finde
auf ihn als Leitenden Angestellten keine Anwendung; damit habe auch die
Ergänzungsdienstvereinbarung keine Geltung für ihn. Auch ein
individualvertragliches Aussetzungsrecht bestehe nicht. Es treffe zwar zu, dass die
Änderungsvereinbarungen eine Verweisung auf die ab dem Geschäftsjahr 2009
bei der LBBW geltenden Bonusregelungen enthielten. Diese Verweisungsklausel
halte jedoch einer AGB-Kontrolle nicht stand. Was die Ausübung des
Bestimmungsrechts angehe, so dürfe der Arbeitgeber keine Entscheidung nach
freiem Ermessen treffen. Eine Klausel, wonach 25 % der Jahresvergütung von
einer einseitigen Ermessensentscheidung abhänge, sei unwirksam. Er begehre
zunächst Auskunft über die Bestimmungsfaktoren der variablen Vergütung.
23
Der Kläger hat beantragt:
24
1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die zur
Bestimmung der variablen Vergütung des Klägers für die Geschäftsjahre
2004, 2005, 2006, 2007, 2008, 2009, 2010 und 2011 maßgeblichen Faktoren
zu erteilen, im einzelnen über den Erfolg der Bank, den Erfolg des Bereichs
EU-Affairs und Retail Clients und die persönlichen Leistungen des Klägers
(sowie) über die Gewichtung der einzelnen Faktoren zueinander.
25
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Richtigkeit und Vollständigkeit der
Auskunft an Eides Statt zu versichern.
26
3. Die Beklagte wird verurteilt, die sich aus den Auskünften ergebende
variable Vergütung für die Geschäftsjahre 2008, 2009, 2010 und 2011
abzüglich der für das Geschäftsjahr 2008 bereits gezahlten EUR 38.000,00
zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sei
Rechtshängigkeit zu bezahlen.
27
Die Beklagte hat beantragt,
28
die Klage abzuweisen.
29 Sie hat vorgetragen, maßgebend für die Zahlung eine variablen Vergütung sei die
Vereinbarung der Parteien vom 30. Juni/17. Oktober 2005. Von einer betrieblichen
Übung könne keine Rede sein. Die Vereinbarung sei wirksam. Es sei vereinbart
worden, dass der Vorstand seine Entscheidung im freien Ermessen unter
Berücksichtigung der Kriterien „Erfolg der Bank, Erfolg des jeweiligen Bereichs und
Leistung des Einzelnen“ treffen solle. Angesichts der in den Jahren 2008 bis 2010
erlittenen Verluste habe sich der Vorstand zu Recht entschlossen, eine reduzierte
bzw. keine variable Vergütung zu bezahlen. Die Rahmendienstvereinbarung
„Variable Vergütung in der LBBW“ finde auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.
Denn der Kläger sei kein Leitender Angestellter. Der Kläger treffe weder eigene
Entscheidungen noch wirke er maßgeblich an der Führung der Beklagten mit. Der
geltend gemachte Auskunftsanspruch bestehe daher nicht.
30 Der Kläger hat erwidert, die Regelung in der Änderungsvereinbarung vom 30.
Juni/17. Oktober 2005 sei in sich widersprüchlich. Die Klausel verstoße gegen das
Transparenzgebot. Außerdem sei es dem Arbeitgeber verwehrt, Vergütungen, die
mehr als 25 % der Jahresvergütung ausmachten, von einer einseitigen
Ermessensentscheidung abhängig zu machen. Hierin liege ein Verstoß gegen §
308 Nr. 4 BGB. Der Beklagten stehe kein Aussetzungsrecht zu. Die
Rahmendienstvereinbarung „Variable Vergütung in der LBBW“ finde auf ihn keine
Anwendung, weil er kraft Entscheidung der zuständigen obersten
Aufsichtsbehörde Leitender Angestellter sei. Die Rahmendienstvereinbarung finde
auch nicht individualvertraglich auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung. Die
Regelung im Änderungsvertrag vom 30. Juni/17. Oktober 2005, wonach ab dem
Geschäftsjahr 2009 die dann gültigen LBBW-Bonusregelungen gelten sollten,
stelle einen unzulässigen Änderungsvorbehalt dar. Der Vorstand habe in den
Jahren 2008 bis 2011 eine ermessensfehlerhafte Leistungsbestimmung getroffen.
Der geltend gemachte Auskunftsanspruch sei daher begründet.
31 Mit Teil-Urteil vom 4. Juli 2012 hat das Arbeitsgericht der Auskunftsklage
überwiegend entsprochen. Es hat ausgeführt, der Auskunftsanspruch ergebe sich
aus der Änderungsvereinbarung vom 30. Juni/17. Oktober 2005. Hiernach habe
der Kläger für das Geschäftsjahr 2008 einen Anspruch auf eine variable Vergütung
nach freiem Ermessen des Vorstands. Die Auslegung der Vereinbarung ergebe
allerdings, dass der Beklagten lediglich ein Leistungsbestimmungsrecht nach
billigem Ermessen eingeräumt sei. Mit diesem Inhalt verstoße die Bestimmung
nicht gegen das AGG-Recht. Die Beklagte habe den Zahlungsanspruch für das
Geschäftsjahr 2008 nicht durch die Zahlung eines Betrags von 50 % des
Bonusorientierungswerts erfüllt. Auch unter Berücksichtigung des erheblichen
Verlustes habe die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht genügt. Die Beklagte habe
über die individuellen Leistungen des Klägers bislang keine Angaben gemacht.
Der Kläger habe auch einen Anspruch auf Auskunft über die Gewichtung der für
die Leistungsbestimmung maßgeblichen Faktoren. Für die Geschäftsjahre 2009
bis 2011 folge der Anspruch auf Auskunft aus einem Schadenersatzanspruch
wegen unterlassener Regelung einer Erfolgsvergütung. Die Beklagte habe die
Verpflichtung getroffen, dem Kläger ein zumutbares Angebot für eine
Bonusregelung zu erteilen. Die Rahmendienstvereinbarung „Variable Vergütung in
der LBBW“ finde auf den Kläger als Leitenden Angestellten keine Anwendung. Da
die Beklagte auch keine anderweitige Regelung getroffen habe, sei sie dem Kläger
schadensersatzpflichtig. Der Schadenersatz umfasse die entfallene
Bonuszahlung. Zur Bestimmung der leistungsbestimmenden Faktoren habe der
Kläger einen Auskunftsanspruch.
32 Mit Schreiben vom 9. August 2012 forderte der Kläger die Beklagte zur
Auskunftserteilung entsprechend dem Teilurteil auf. Die Beklagte erteilte mit
Schreiben vom 27. August 2012 (Anlage BB 1) die geforderten Auskünfte.
33 Gegen das ihr am 2. August 2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 7. August
2012 Berufung eingelegt und diese am 12. September 2012 begründet. Sie trägt
vor, sie habe dem Kläger die begehrten Auskünfte längst erteilt. Im Übrigen
bestünden die Auskunftsansprüche nicht. Sie habe in den Jahren 2005 bis 2007
dem Kläger eine variable Vergütung in Höhe des Bonusorientierungswerts
(aufgerundet) bezahlt, weil die Ergebnisse des Konzerns und des Segments Retail
Clients positiv und die Leistungen des Klägers durchschnittlich gewesen seien.
Einen Bereich „Retail Clients“ gebe es ebenso wenig wie einen Bereich „EU-
Affairs“. Die Aufgabe des Klägers sei lediglich dem Segment „Retail Clients“ im
Geschäftsbericht zugerechnet. Die Gewichtung der Faktoren sei dergestalt erfolgt,
dass der Vorstand beschlossen habe, den Bonusorientierungswert aufgerundet
bzw. mit einem kleinen Aufschlag zu zahlen. Im Jahr 2008 habe sie den Anspruch
des Klägers erfüllt. Angesichts des drastischen Verlustes habe sie ihr
Leistungsbestimmungsrecht zutreffend ausgeübt. Dies habe das LAG Baden-
Württemberg mit Urteil vom 27. Juli 2012 in einem Parallelverfahren (7 Sa 50/12)
entschieden. Auch für die Jahre 2009 bis 2011 stehe dem Kläger kein
Auskunftsanspruch zu. Der Kläger habe Kenntnis über die erwirtschafteten
Verluste. Sie habe die Verluste bei der Leistungsbestimmung als überragendes
Kriterium gewichtet. Keine Führungskraft habe eine variable Vergütung erhalten.
Wie das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg in dem zitierten Urteil vom 27.
Juli 2012 entschieden habe, bestehe deswegen auch kein
Schadenersatzanspruch.
34
Die Beklagte beantragt:
35
1. Das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 4. Juli 2012,
Aktenzeichen 22 Ca 10365/11, wird abgeändert.
36
2. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
37
Der Kläger beantragt,
38
die Berufung zurückzuweisen.
39 Er trägt vor, die Berufung sei bereits unzulässig, weil die Beklagte mit Schreiben
vom 27. August 2012 die verlangte Auskunft erteilt habe. Die Berufung sei aber
auch unbegründet. Entgegen der Auffassung der Beklagten stehe ihm ab dem
Geschäftsjahr 2009 ein Anspruch auf variable Vergütung zu. Das Arbeitsgericht
habe zutreffend einen Schadenersatzanspruch angenommen, weil die Beklagte
keine Bonusregelung getroffen habe. Für das Geschäftsjahr 2008 habe die
Beklagte seinen Anspruch nicht mit der Zahlung von EUR 38.000,00 erfüllt. Die
Entscheidung des Vorstands sei ermessensfehlerhaft. So habe das Segment
Retail Clients trotz der erheblichen Verluste der Beklagten ein positives Ergebnis
erzielt. Außerdem habe er - wie in der Vergangenheit - überdurchschnittliche
Leistungen erbracht. Schließlich habe er auch einen Anspruch auf Auskunft über
die Gewichtung der leistungsbestimmenden Faktoren. Die Beklagte habe hierzu
nur unsubstantiiert vorgetragen.
40 In der Berufungsverhandlung vom 19. November 2012 hat der Kläger nach
Erörterung des Sach- und Streitstands erklärt, dass er die Auskunftsklage
(Klageantrag Ziff. 1) in der Fassung des Antrags vom 4. Juli 2012 für erledigt
erkläre. Die Beklagte hat erklärt, dass sie sich der Erledigungserklärung nicht
anschließe.
41 Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 64 Abs. 6
ArbGG, § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen sowie auf die Protokolle über die mündlichen Verhandlungen
verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
42 Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG statthaft. Sie
ist auch gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 66 Abs. 1 ArbGG in der
gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden. Gegenstand der
Berufung ist die erste Stufe der vom Kläger erhobenen Stufenklage, also die Klage
auf Erteilung auf Auskunft über die für die variable Vergütung
leistungsbestimmenden Faktoren in den Geschäftsjahren 2005 bis 2011. Soweit
der Kläger einen Anspruch auf Auskunftserteilung für das Geschäftsjahr 2004
geltend gemacht hat, ist das insoweit klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts
rechtskräftig geworden.
II.
43 Die Berufung der Beklagten ist teilweise begründet. Die Kammer kann sich nicht
der Auffassung des Arbeitsgerichts anschließen, dass dem Kläger für die
Geschäftsjahre 2005 bis 2011 durchweg ein Anspruch auf Auskunftserteilung
zusteht. Die Klage auf Auskunftserteilung war hinsichtlich der Geschäftsjahre 2005
bis 2007 sowie 2009 und 2010 von Anfang an zwar zulässig, aber unbegründet.
Eine Ausnahme gilt für die Geschäftsjahre 2008 und 2011.
44 1. Der Kläger hat die Klage hinsichtlich des Klageantrags Ziff. 1
(Auskunftserteilung) in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte
spätestens mit Schreiben vom 27. August 2012 die begehrten Auskünfte erteilt hat.
Die Beklagte hat der Erledigungserklärung nicht zugestimmt, weil sie das Bestehen
eines Leistungsanspruchs in Abrede stellt. Nach der ständigen Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs (vgl. nur BGH 27. Februar 1992 - I ZR 35/90 - NJW 1992,
2235; Zöller-Vollkommer ZPO 29. Aufl. § 91a Rn 44) hat das Gericht im Falle einer
einseitigen Erledigungserklärung nicht nur den Eintritt eines erledigenden
Ereignisses zu prüfen, sondern weiter auch, ob die Klage im Zeitpunkt dieses
Eintritts zulässig und begründet war. Diese Voraussetzung lag im Streitfall nur
hinsichtlich des für die Geschäftsjahre 2008 und 2011 geltend gemachten
Auskunftsanspruchs vor. Hinsichtlich der Geschäftsjahre 2005 bis 2007 sowie
2009 und 2010 war die Auskunftsklage zwar zulässig, aber von Anfang an
unbegründet.
45 2. Die Auskunftsklage war hinsichtlich der variablen Vergütung für die
Geschäftsjahre 2005 bis 2007 zwar zulässig, mangels eines materiell-rechtlichen
Auskunftsanspruchs aber von Anfang an unbegründet.
46 a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur BAG
19. April 2005 - 9 AZR 188/04 - AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 39) besteht
außerhalb der gesetzlich oder vertraglich geregelten Auskunftsansprüche ein
Auskunftsrecht dann, wenn die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien es mit
sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und
Umfang eines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung
der Ungewissheit erforderlichen tatsächlichen Angaben unschwer machen kann.
Mit Hilfe der Auskunft soll der Auskunftsberechtigte in die Lage versetzt werden,
einen regelmäßig auf Geld gerichteten Anspruch zu beziffern. Die Auskunft dient
damit der Rechtsverfolgung; der Auskunftsanspruch setzt deshalb das Bestehen
eines „Hauptanspruchs“ voraus.
47 b) Nach diesem rechtlichen Maßstab war die Auskunftsklage hinsichtlich der
Geschäftsjahre 2005 bis 2007 unbegründet. Der Kläger hat von Anfang an nicht
das Ziel verfolgt, für die Geschäftsjahre 2005 bis 2007 eine weitere variable
Vergütung geltend zu machen. Lediglich für die Geschäftsjahre 2008 bis 2011 hat
er in der dritten Stufe der Stufenklage je nach dem Ergebnis der Auskunft
Zahlungsansprüche angekündigt. Der Kläger verfolgt die Auskunftsansprüche für
die Geschäftsjahre 2005 bis 2007 nur deshalb, weil er über die Auskunftserteilung
prüfen möchte, ob die Beklagte ihre Leistungsbestimmung hinsichtlich der
variablen Vergütung im Geschäftsjahr 2008 rechtswirksam vorgenommen hat
(Klageschrift S. 14 und Schriftsatz vom 28. März 2012 S. 14 f.).
48 Für die Frage, ob die Beklagte ihr Leistungsbestimmungsrecht im Geschäftsjahr
2008 rechtswirksam ausgeübt hat, kommt es jedoch auf die der
Leistungsbestimmung zugrundeliegenden Faktoren in den Geschäftsjahren 2005
bis 2007 nicht an. Entscheidend ist, wie die Beklagte die drei für die
Leistungsbestimmung maßgebenden Faktoren „Erfolg der Bank“, „Erfolg des
Bereichs“ und „Leistung des Arbeitnehmers“ im Geschäftsjahr 2008 bewertet und
gewichtet hat. Der Auffassung des Arbeitsgerichts, die leistungsbestimmenden
Faktoren der vorangegangenen Geschäftsjahre spielten eine prägende Rolle,
kann die Kammer nicht teilen. Dem Vorbringen des Klägers lässt sich nicht
entnehmen, aus welchen Gründen eine solche prägende Rolle bestehen soll. Eine
Auskunftserteilung hinsichtlich der Geschäftsjahre 2005 bis 2007 erschiene
allenfalls dann erforderlich, wenn sich aus der Auskunft für das Geschäftsjahr
2008 Anhaltspunkte dafür entnehmen ließen, dass die Beklagte die
Leistungsbestimmung im Geschäftsjahr 2008 nach sachwidrigen Kriterien
vorgenommen hat und anhand der Leistungsbestimmung in den Vorjahren
Rückschlüsse auf das Geschäftsjahr 2008 gezogen werden könnten. Für einen
solchen Sachverhalt gibt es jedoch im Vorbringen des Klägers keine
Anhaltspunkte.
49 3. Hinsichtlich des Geschäftsjahrs 2008 bestand im Zeitpunkt des erledigenden
Ereignisses ein Auskunftsanspruch. Ein über EUR 38.000,00 brutto
hinausgehender Anspruch auf Zahlung einer variablen Vergütung kann nicht
ausgeschlossen werden.
50 a) Hat das Gericht erster Instanz im Rahmen einer Stufenklage ein Teilurteil
erlassen, so besteht grundsätzlich keine Zuständigkeit des Rechtsmittelgerichts
zur Entscheidung über den beim Ausgangsgericht anhängig gebliebenen Teil des
Streitgegenstands. Eine Ausnahme hiervon gilt aber nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH 16. Juni 1959 - VI ZR 81/58 -
NJW 1959, 1824; BGH 8. Mai 1985 - IVa ZR 138/83 - AP BGB § 138 Nr. 40) dann,
wenn dem Hauptanspruch die materiell-rechtliche Grundlage fehlt. In diesem Fall
ist das Rechtsmittelgericht befugt, die gesamte Stufenklage durch einheitliches
Endurteil abzuweisen.
51 Die Kammer schließt sich dieser Rechtsauffassung an. Es wäre nicht
prozessökonomisch, wenn das Berufungsgericht aufgrund des auf die
Auskunftserteilung beschränkten Gegenstands der Berufung zunächst eine
erstinstanzliche Entscheidung über den Leistungsanspruch abwarten müsste,
obwohl die Klage nach der Auffassung des Berufungsgerichts mangels Bestehens
eines Leistungsanspruchs insgesamt unbegründet ist (so auch Zöller-Greger ZPO
29. Aufl. § 254 Rn. 14; a.A. etwa MüKo/Becker-Eberhard ZPO 4. Aufl. § 254 Rn.
31).
52 b) Im Streitfall ist der Anspruch des Klägers auf Zahlung einer variablen Vergütung
für das Geschäftsjahr 2008 aufgrund der Entscheidung des Vorstands vom 14.
April 2009, wonach dem Kläger ein Bonus von EUR 38.000,00 zuerkannt wurde,
nicht erloschen. Ein weitergehender Zahlungsanspruch lässt sich nach dem
bisherigen Sach- und Streitstand nicht ausschließen.
53 aa) Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf Zahlung einer variablen
Vergütung ist die Regelung unter Nr. 2 der Vereinbarung der Parteien vom 30.
Juni./17. Oktober 2005. Hiernach trifft der Vorstand seine Entscheidung
hinsichtlich der variablen Vergütung der Leitenden Angestellten im freien
Ermessen aufgrund des Erfolgs der Bank, des Erfolgs des jeweils betroffenen
Bereichs und der Leistung des einzelnen. Als Bonusorientierungswert galt für den
Kläger nach der weiteren Vereinbarung vom 18. Juli./17. Oktober 2005 ein Betrag
von EUR 76.639,50. Die Vereinbarung vom 30. Juni/17. Oktober 2005 löste die
ursprüngliche vertragliche Regelung in § 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrags vom 7./25.
August 1991 ab. Angesichts der ausdrücklichen vertraglichen Regelung bleibt für
einen Anspruch aus betrieblicher Übung kein Raum.
54 (1) Das Arbeitsgericht hat die Vereinbarung zutreffend dahingehend ausgelegt,
dass sie trotz der Formulierung „nach freiem Ermessen“ einen Anspruch des
Klägers auf Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen begründen soll. Die
Annahme, der Vorstand der Beklagten habe sich eine Leistungsbestimmung
„nach Gutdünken“ vorbehalten wollen, wird weder dem Wortlaut noch dem
Gesamtzusammenhang und dem Sinn und Zweck der Vereinbarung gerecht.
55 Nach § 315 Abs. 1 BGB ist im Zweifel anzunehmen, dass eine
Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen erfolgen soll, wenn die Leistung
durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden soll. Im Streitfall spricht
trotz der Formulierung „nach freiem Ermessen“ für eine Leistungsbestimmung
nach billigem Ermessen der Umstand, dass die Parteien die
Leistungsbestimmung von den drei Faktoren „Erfolg der Bank“, „Erfolg des
Bereichs“ und „Leistung des Arbeitnehmers“ abhängig gemacht haben. Es ergäbe
keinen Sinn, wenn die Leistungsbestimmung einerseits unter Berücksichtigung
der drei genannten Kriterien und andererseits nach Gutdünken erfolgen würde.
Denn entweder bindet sich der Arbeitgeber an leistungsbestimmende Faktoren
oder er bindet sich nicht. Erfolgt eine Nennung von leistungsbestimmenden
Faktoren, so deutet dies auf eine Bindung an diese Faktoren hin. Bekräftigt wird
diese Auslegung dadurch, dass die Parteien zusätzlich einen
Bonusorientierungswert vereinbart haben. An diesem Wert hat die Beklagte ihre
Zahlungen in der Vergangenheit auch ausgerichtet, sofern keine
Sondersituationen aufgetreten sind.
56 Auch der Gesamtzusammenhang und der Sinn und Zweck der Vereinbarung
sprechen für die hier vorgenommene Auslegung. Die Vereinbarung über die
Zahlung einer variablen Vergütung ist im Streitfall Bestandteil einer
Gesamtregelung, die sich mit der Fixvergütung, der variablen Vergütung und der
Dienstwagenregelung befasst. Die variable Vergütung machte während der Dauer
des Arbeitsverhältnisses einen Anteil von zwischen rund 30 und 45 % der
Gesamtvergütung des Klägers aus. Die Höhe der variablen Vergütung stellte
somit für den Kläger einen wesentlichen Anreiz dar, das Arbeitsverhältnis mit der
Beklagten aufrecht zu erhalten. Die Annahme, die Parteien seien davon
ausgegangen, die Beklagte dürfe einen ganz erheblichen Anteil der
Gesamtvergütung „nach Gutdünken“ gewähren, ist unter diesen Umständen
fernliegend. Der Kläger durfte zu Recht erwarten, dass die variable Vergütung im
Normalfall unter Beachtung der drei aufgeführten Kriterien in Anlehnung an den
vereinbarten Bonusorientierungswert gezahlt werde (ebenso für den Fall einer
„freiwilligen variablen Vergütung“ BAG 7. Juni 2011 - 1 AZR 807/09 - AP BetrVG
1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 55).
57 (2) Die Gewährung einer variablen Vergütung unter einer Leistungsbestimmung
nach billigem Ermessen unterliegt nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts (BAG 29. August 2012 - 10 AZR 385/11 - Juris; BAG 12.
Oktober 2011 - 10 AZR 746/10 - AP BGB § 315 Nr. 92 mit zahlreichen
Parallelentscheidungen) keinen rechtlichen Bedenken. Die Vereinbarung enthält
weder einen unzulässigen, weil auf alle zukünftigen variablen Vergütungen
bezogenen Freiwilligkeitsvorbehalt (dazu BAG 14. September 2011 - 10 AZR
526/10 - AP BGB § 307 Nr. 56) noch einen unzulässigen, weil die maßgebliche 25
%-Grenze überschreitenden Änderungsvorbehalt (dazu BAG 29. August 2012
aaO Rn 32). Nach der oben vorgenommenen Auslegung hat die Beklagte keinen
Freiwilligkeitsvorbehalt formuliert, der jeden zukünftigen Rechtsanspruch des
Arbeitnehmers auf eine variable Vergütung ausschließt. Im Übrigen wäre die für
Widerrufsvorbehalte geltende 25 %-Grenze auch nicht auf
Freiwilligkeitsvorbehalte zu übertragen (dazu BAG 18. März 2009 - 10 AZR
289/08 - NZA 2009, 535). Einen Widerrufsvorbehalt enthält die Vereinbarung
ebenfalls nicht, weil sich die Beklagte nicht vorbehalten hat, eine bereits
versprochene Leistung einseitig zu ändern.
58 Die Abrede der Parteien beschränkt sich nach der hier vorgenommenen
Auslegung darin, dass die Beklagte Jahr für Jahr über die Höhe der variablen
Vergütung nach billigem Ermessen entscheiden kann. Eine solche Vereinbarung
enthält keine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1
BGB. Das Gesetz geht in § 315 BGB selbst davon aus, dass vertragliche
Regelungen über einseitige Leistungsbestimmungsrechte einem berechtigten
Bedürfnis des Wirtschaftslebens entsprechen können und nicht von vornherein
unangemessen sind. Das Gesetz ordnet ausdrücklich an, dass die
Leistungsbestimmung grundsätzlich nach billigem Ermessen erfolgen muss und
dass die Leistungsbestimmung gerichtlich überprüft werden kann. Hiermit hat der
Gesetzgeber ausreichende Vorkehrungen gegen eine unangemessene
Benachteiligung getroffen (BAG 29. August 2012 aaO Rn 42).
59 bb) Ob die Beklagte die Leistungsbestimmung zur variablen Vergütung des
Klägers im Geschäftsjahr 2008 nach billigem Ermessen vorgenommen hat, lässt
sich aufgrund des bisherigen Sach- und Streitstands nicht feststellen.
60 (1) Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die
wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen
angemessen berücksichtigt worden sind. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem die
Ermessensentscheidung zu treffen war. Die Darlegungs- und Beweislast dafür,
dass die Leistungsbestimmung der Billigkeit entsprach, trifft den
Bestimmungsberechtigten. Ob seine Entscheidung der Billigkeit entspricht,
unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle (vgl. nur BAG 29. August 2012 aaO Rn
47). Dem Inhaber des Leistungsbestimmungsrechts verbleibt aber ein nach
billigem Ermessen auszufüllender Entscheidungsspielraum
61 (2) Nach diesem rechtlichen Maßstab durfte die Beklagte den Anspruch des
Klägers auf Zahlung einer variablen Vergütung im Geschäftsjahr 2008
grundsätzlich auf 50 % des Bonusorientierungswerts verringern. Diese
Leistungsbestimmung der Beklagten hielt sich in den Grenzen des billigen
Ermessens. Dies ergibt sich aus folgenden Gesichtspunkten:
62 Im Geschäftsjahr 2008 erlitt die Beklagte aufgrund der Wirtschafts- und
Finanzkrise in den Vereinigten Staaten und in Europa einen dramatischen
wirtschaftlichen Einbruch. Nach dem vorgelegten Geschäftsbericht 2008 betrug
der Konzernjahresfehlbetrag 2,055 Mrd. Euro (nach dem Geschäftsbericht 2009
2,112 Mrd. Euro). Die Beklagte geriet in wirtschaftliche und politische
Turbulenzen. Die Eigentümer führten der Bank - gerichtsbekannt - 5 Mrd. Euro an
frischem Kapital zu. Der bisherige Vorstandsvorsitzende J. wurde abgelöst und im
Juni 2009 durch V. ersetzt. Bereits im Jahr 2009 zeichnete sich ein Stellenabbau
von rund 2.500 Arbeitsplätzen ab.
63 Diese Entwicklung war mit den üblichen Schwankungen einer wirtschaftlichen
Betätigung nicht mehr vergleichbar. Die Beklagte war in eine wirtschaftliche Lage
geraten, die die Parteien bei Abschluss ihrer Vereinbarung nicht bedacht hatten.
Erst in der schon unter dem Eindruck der Wirtschafts- und Finanzkrise
abgeschlossenen Rahmendienstvereinbarung vom 24. Februar 2009 behielt sich
der Vorstand der Beklagten (unter A 1. 6) ein sog. Aussetzungsrecht im Falle
einer gravierenden Verfehlung des Konzernergebnisses vor. In der damaligen
Situation kam hinzu, dass die Beklagte als öffentlich-rechtliches Kreditinstitut in
einer besonderen Verantwortung stand. Die Geschäftspolitik der Beklagten wurde
in der Öffentlichkeit heftig kritisiert. Der Vorstand durfte bei seiner Entscheidung
berücksichtigen, dass es der Öffentlichkeit und den Anteilseignern schlicht nicht
zu vermitteln gewesen wäre, wenn die Bank einerseits neues Eigenkapital
benötigte und andererseits weiter die bisherigen hohen Boni an die
Führungskräfte gezahlt hätte.
64 Dem Kläger ist einzuräumen, dass bei dieser Betrachtungsweise ausschließlich
auf das Kriterium „Lage der Bank“ abgestellt wird und die weiteren Kriterien „Lage
des Bereichs“ und „Leistung des Arbeitnehmers“ in den Hintergrund treten. Ihm ist
weiter einzuräumen, dass ein Arbeitnehmer im Allgemeinen nach langjährig
hohen Bonuszahlungen seinen Lebensstandard auf diese Zahlungen einrichtet.
Ob es unternehmenspolitisch sinnvoll ist, einen so hohen Anteil der
Gesamtvergütung variabel auszugestalten, lässt sich mit guten Gründen
bezweifeln. Das Vertrauen des Klägers in die Fortsetzung der bisherigen
variablen Zahlungen war aber nur in den Grenzen des § 315 Abs. 1 BGB
geschützt; eine variable Vergütung ist - wie es der Wortsinn besagt - keine sichere
Vergütung. Im vorliegenden Fall ist zudem zu berücksichtigen, dass der Kläger
als Mitglied der 3. Führungsebene und einem Fixum von rd. EUR 10.000,00 brutto
zu den Spitzenverdienern der Bank zählte. Der Vorstand durfte davon ausgehen,
dass der Kläger auch mit seiner fixen Vergütung einen angemessenen
Lebensstandard halten konnte.
65 Schließlich durfte der Vorstand in der außergewöhnlichen Situation der
Wirtschafts- und Finanzkrise dem Kriterium „Lage der Bank“ eine
ausschlaggebende Bedeutung beimessen. Dem Kläger ist einzuräumen, dass
das Segment Retail Clients auch im Geschäftsjahr 2008 noch ein positives
Ergebnis erzielte. Der hohe Konzernfehlbetrag war vor allem auf die drastischen
Verluste im Investmentbanking zurückzuführen. Andererseits hatte der Kläger in
den Vorjahren vom Erfolg der Bank beim Investmentbanking profitiert. Die
einzelnen Bereiche der Bank lassen sich nicht voneinander trennen. Der
wirtschaftliche Erfolg eines Segments trat unter gegebenen Umständen in den
Hintergrund.
66 (3) Ein Anspruch des Klägers auf eine Anhebung seiner variablen Vergütung lässt
sich gleichwohl nicht verneinen, weil der Vorstand zugleich beschlossen hatte, es
nur bei einer durchschnittlichen Leistung bei der Begrenzung der variablen
Vergütung auf 50 % des Bonusorientierungswerts zu belassen. Dies bedeutet im
Umkehrschluss, dass eine überdurchschnittliche Leistung mit einer höheren
variablen Vergütung honoriert wurde. Dem Arbeitsgericht ist darin zuzustimmen,
dass der Arbeitgeber, wenn er die Höhe einer variablen Vergütung bei der
Leistungsbestimmung ausdrücklich an das Kriterium „Leistung des
Arbeitnehmers“ bindet, seine Leistungsbemessung nicht von einer „freihändigen“
Beurteilung des Vorgesetzten abhängig machen darf, sondern die
Leistungsbemessung anhand von nachvollziehbaren Maßstäben vornehmen
muss. Für das Geschäftsjahr 2008 hat der Vorstand der Beklagten der Leistung
des einzelnen Arbeitnehmers trotz der drastisch verfehlten Ziele zumindest
gewisse Bedeutung für die Frage zugemessen, ob der grundsätzlich
vorgesehene Betrag von 50 % des Bonusorientierungswerts bei
überdurchschnittlicher Leistung angehoben wird.
67 Im Streitfall hat die Beklagte ihrer Darlegungs- und Beweislast zur Leistung des
Klägers nicht genügt. Sie hat lediglich vorgetragen, der Kläger habe im
Geschäftsjahr 2008 nach der Einschätzung seiner Vorgesetzten eine
durchschnittliche Leistung erzielt. Auf welchen Tatsachen und Wertungen diese
Einschätzung beruht, hat die Beklagte nicht näher dargetan. Der Kläger hat
demgegenüber vorgetragen, seine Leistungen seien durchweg
überdurchschnittlich beurteilt worden, solange es (bei der BW-Bank) eine
systematische Leistungsbewertung gegeben habe. Da die Beklagte auf eine
solche Leistungsbewertung verzichtet hat, lässt sich nicht ausschließen, dass sie
zur Leistung des Klägers im Geschäftsjahr 2008 ihre Darlegungs- und ggf.
Beweispflicht nicht erfüllen kann. Die Beklagte hätte dann ergänzend vorzutragen,
in welchem Umfang sie bei überdurchschnittlicher Leistung eine Anhebung der
variablen Vergütung vorgenommen hat.
68 4. Bezogen auf die Geschäftsjahre 2009 und 2010 war der Auskunftsanspruch des
Klägers mangels Bestehen eines Zahlungsanspruchs von vornherein
unbegründet. Anders verhält es sich hinsichtlich des Geschäftsjahrs 2011.
69 a) Rechtsgrundlage für den Anspruch auf variable Vergütung für die
Geschäftsjahre ab dem Jahr 2009 sollen nach der Vereinbarung der Parteien vom
30. Juni/17. Oktober 2005 (unter Nr. 2 Satz 3) die „für den Kläger dann gültigen
LBBW-Bonusregelungen“ sein. Die in den Sätzen 1 und 2 getroffene
Vereinbarung sollte hierdurch abgelöst werden. Unter den „dann gültigen LBBW-
Bonusregelungen“ sind nach Auffassung der Beklagten die
Rahmendienstvereinbarung „Variable Vergütung in der LBBW vom 24. Februar
2009 und die Ergänzungsdienstvereinbarung für das Segment
Privatkunden/Private Banking und Wealth Management“ vom selben Datum zu
verstehen. Die erstgenannte Dienstvereinbarung enthält unter A 1. 6 Abs. 2 den
Vorbehalt, dass die Bonussystematik durch einen Gesamtvorstandsbeschluss
ausgesetzt werden kann, falls Sondersituationen dazu führen sollten, dass das
Konzernergebnis gravierend verfehlt wird. Bei den Tarifangestellten bleibt das
sogenannte Mindestbudget hiervon unberührt. Auf dieses Aussetzungsrecht kann
sich die Beklagte aber nicht berufen.
70 (aa) Die genannten Vereinbarungen gelten für den Kläger nicht kraft normativer
Wirkung. Denn der Kläger ist nach Nr. 1 Abs. 1 4. Spiegelstrich der
Rahmendienstvereinbarung als Leitender Angestellter im Sinne des § 81 LVPG
BW von der Geltung der Rahmendienstvereinbarung ausgenommen. Da die
Ergänzungsdienstvereinbarung zur Umsetzung und Anwendung der
Rahmendienstvereinbarung dient, gilt für sie nichts anderes.
71 (1) Der Kläger ist Leitender Angestellter im Sinne des § 81 LPVG. Hiernach finden
verschiedene Vorschriften des Landespersonalvertretungsgesetzes u.a. auf
Leitende Beschäftigte öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute keine Anwendung.
Welche Beschäftigte Leitende Beschäftigte öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute
sind, entscheidet die zuständige oberste Aufsichtsbehörde. Im Streitfall hat diese
entschieden, dass die Führungskräfte der 3. Führungsebene den Leitenden
Beschäftigten zuzurechnen sind (Schreiben der Beklagten vom 4. November
2011, Anlage K 18).
72 (2) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es im Rahmen des § 81 LPVG
ohne Bedeutung, ob die betreffende Führungskraft im konkreten Fall Aufgaben
wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens von
Bedeutung sind und hierbei Entscheidungen im wesentlichen frei von Weisungen
trifft oder sie zumindest maßgeblich beeinflusst. Denn anders als § 5 Abs. 3
BetrVG definiert § 81 LPVG BW den Begriff des Leitenden Angestellten nicht
materiell-rechtlich, sondern rein formal. Hat die oberste zuständige Behörde ihre
Zuordnungsentscheidung getroffen, so ist allein diese maßgebend. Hierdurch
sollen offenkundig Streitigkeiten über den Status des Beschäftigten vermieden
werden.
73 bb) Die genannten Dienstvereinbarungen finden auf das Arbeitsverhältnis der
Parteien auch nicht kraft einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Die
Bezugnahme auf künftig noch zu erlassende Bonusregelungen in der
Vereinbarung vom 30.06./17.10.2005 verstößt gegen das Transparenzgebot des
§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und ist damit unwirksam. Die Vereinbarung unterfällt der
AGB-Kontrolle jedenfalls nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB, weil es keine
Anhaltspunkte für eine individuell ausgehandelte Vereinbarung gibt.
74 (1) Nach der genannten Vorschrift kann sich eine unangemessene
Benachteiligung daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und
verständlich ist. Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Der
Vertragspartner des Klauselverwenders muss bereits bei Vertragsschluss
erkennen können, was ggf. „auf ihn zukommt“ (BAG 1. September 2010 - 5 AZR
517/09 - AP BGB § 307 Nr. 47 zur Überstundenpauschalisierungsabrede). Bei
Bezugnahmen auf andere Regelungswerke muss die im Zeitpunkt der jeweiligen
Anwendung geltende Regelung zumindest bestimmbar sein. Dass - wie bei
dynamischen Bezugnahmen unvermeidbar - der künftige Inhalt des anderen
Regelungswerks noch nicht feststeht, ist unerheblich (BAG 16. Februar 2010 - 3
AZR 181/08 - NZA 2011, 42; BAG 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - AP BGB §
305c Nr. 11; Erfurter Kommentar-Preis 12. Aufl. §§ 305 - 310 BGB Rn. 80a).
75 (2) Nach diesen rechtlichen Maßstäben verletzt die getroffene Vereinbarung das
Transparenzgebot. Die Vereinbarung enthält keine im Arbeitsleben übliche
dynamische Verweisung auf ein anderes Regelungswerk, sondern eine
Bezugnahme auf ein künftig zu erlassendes Regelungswerk, dessen Inhalt in
keiner Weise beschrieben ist. Der Kläger konnte bei dieser Sachlage nicht
absehen, was auf ihn zukommt. Die in Bezug genommenen Regelungen waren
nicht bestimmbar.
76 b) Ist die Bezugnahme auf künftig zu erlassende LBBW-Bonusregelungen
unwirksam, so bleibt der Vertrag gemäß § 306 Abs. 1 BGB im Übrigen wirksam.
Dies bedeutet, dass der Vorstand gemäß Nr. 2 Satz 1 der Vereinbarung vom 30.
Juni/17. Oktober 2005 eine Entscheidung über die variable Vergütung - wie oben
ausgeführt - nach billigem Ermessen zu treffen hat. Eines Rückgriffs auf die
Rechtsprechung zum Schadenersatzanspruch bei unterlassener Zielvereinbarung
bedarf es nicht.
77 aa) Auch in den Geschäftsjahren 2009 und 2010 durfte der Vorstand der
Beklagten der wirtschaftlichen Lage der Bank eine ausschlaggebende Bedeutung
beimessen. Nach den vorgelegten Geschäftsberichten für die Geschäftsjahre
2009 und 2010 betrug der Konzernjahresfehlbetrag im Jahr 2009 1,482 Mrd. Euro
und im Jahr 2010 347 Mio. Euro. Die Beklagte schloss - gerichtsbekannt - am
18.06.2010 einen Tarifvertrag zur Standort- und Beschäftigungssicherung ab, der
auf einen Personalabbau in beträchtlicher Höhe abzielte. Der Vorstand durfte
berücksichtigen, dass es gegenüber den Anteilseignern der Bank und der
Öffentlichkeit nicht zu vermitteln gewesen wäre, wenn einerseits eine erhebliche
Anzahl von Arbeitnehmern abgebaut wird, andererseits aber die Führungskräfte
nach wie vor hohe variable Vergütungen beziehen. Hierbei ist zwar einzuräumen,
dass sich der Konzernjahresfehlbetrag im Jahr 2010 bereits erheblich verringert
hatte. Die Kammer stellt nicht den Grundsatz auf, dass bei jeder Verfehlung des
Konzernergebnisses die variablen Vergütungen auf „Null“ gekürzt werden dürfen.
Im vorliegenden Fall durfte der Vorstand der Beklagten aber noch davon
ausgehen, dass die geschilderte Sondersituation fortbestand. Hierbei durfte die
Beklagte von den Rechnungslegungsvorschriften nach IFRS ausgehen. Da die
Beklagte seit dem Geschäftsjahr 2007 diese Vorschriften ihrem
Konzernabschluss und dem Konzernlagebericht zugrundelegt, sind diese auch
für die Beurteilung der Lage der Bank maßgebend.
78 bb) Anders als im Geschäftsjahr 2008 hat der Vorstand in den Geschäftsjahren
2009 und 2010 die Leistung des Arbeitnehmers auch nicht ausdrücklich als
Differenzierungskriterium bei seiner Leistungsbestimmung vorgesehen. Er hat im
Gegenteil die variablen Vergütungen auf „Null“ reduziert. Der Vorstand durfte
davon ausgehen, dass der Leistung des einzelnen Arbeitnehmers angesichts der
immer noch drastisch verfehlten Ziele keine ausschlaggebende Bedeutung
zuzumessen ist. Es wäre auch nicht zu vermitteln gewesen, Leistungen, die auf
die gesamte Bank bezogen nicht mit einem entsprechenden Geschäftserfolg
korrespondieren, mit den bisherigen variablen Vergütungen zu honorieren. Dazu,
dass es insoweit nicht auf den Erfolg des jeweiligen Segments, sondern
denjenigen der Bank ankommt, wird auf die Ausführungen zu 3. b bb (2)
verwiesen.
79 cc) Eine andere Beurteilung ergibt sich für das Geschäftsjahr 2011. In diesem
Geschäftsjahr erzielte die Beklagte nach ihren Angaben ein Konzernergebnis von
+ EUR 87 Mio. Hierauf entschied sich der Vorstand am 14. Mai 2012 an
überdurchschnittliche Führungskräfte „rein diskretionär“ ca. 20 % des
durchschnittlichen Bonusbudgets der Vorjahre zu zahlen.
80 Bei dieser Sachlage lässt sich ein Zahlungsanspruch des Klägers für das
Geschäftsjahr 2011 nicht von vornherein verneinen. Der Vorstand der Beklagten
ist offenkundig davon ausgegangen, dass die wirtschaftliche Lage der Bank der
Zahlung einer variablen Vergütung zumindest in einer gewissen Höhe nicht
entgegensteht. Was die Leistungen der Arbeitnehmer angeht, so trägt die
Beklagte - wie oben ausgeführt - die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die
Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht (BAG 29. August 2012 aaO Rn 46).
Daher hat die Beklagte wie für das Geschäftsjahr 2008 darzulegen und zu
beweisen, dass der Kläger im Geschäftsjahr 2011 „nur“ durchschnittliche
Leistungen erbracht hat. Was schließlich den Erfolg des Bereichs angeht, so hat
das Segment Retail Clients selbst in den Jahren 2008 bis 2010 positive
Ergebnisse erzielt. Sollte es sich im Geschäftsjahr 2011 anders verhalten haben,
wird dies die Beklagte darzulegen haben.
III.
81 Die Kosten der Berufung waren gemäß § 92 Abs. 1 ZPO verhältnismäßig zu teilen.
Da Auskunftsansprüche für sieben Geschäftsjahre im Streit waren und ein
Auskunftsanspruch nur für die Geschäftsjahre 2008 und 2011 bestanden hätte, hat
die Kammer die Kosten mit 5/7 (Kläger) und 2/7 (Beklagte) gequotelt. Die
Entscheidung über die Kosten erster Instanz bleibt dem Schlussurteil des
Arbeitsgerichts vorbehalten.
82 Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung. Die maßgeblichen
Rechtsfragen sind durch die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 12.
Oktober 2011 und 29. August 2012 geklärt.