Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 26.10.2000

LArbG Baden-Württemberg: bevollmächtigung, prozesshandlung, verfügung, vollmacht, rechtsschutzversicherung, arbeitsgericht, rüge, mangel, erlass, original

LArbG Baden-Württemberg Beschluß vom 26.10.2000, 3 Ta 92/00
Unzulässigkeit einer ohne vorgelegte Prozessvollmacht eingelegten Streitwertbeschwerde
Tenor
1. Die Beschwerde des Beteiligten zu Nr. 1 gegen den Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Mannheim vom 09.08.2000 - 2 Ca 184/00 -
wird als unzulässig verworfen.
2. Diese Entscheidung ergeht frei von Gerichtsgebühren; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
1 Im Ausgangsverfahren hat der Beteiligte zu Nr. 1, dabei vertreten durch die Beteiligten zu Nr. 2, auf die Verurteilung der Beteiligten zu Nr. 3
angetragen, zwei unter dem 11.04.2000 erteilte Abmahnungen "zurückzunehmen und aus der Personalakte ... zu entfernen". Der Rechtsstreit hat
sich durch Klagrücknahme erledigt. Das Arbeitsgericht hat den Gebührenstreitwert auf DM 14.600,-- (pro Abmahnung "ein Bruttomonatsgehalt")
festgesetzt.
2 Dagegen wurde durch Schriftsatz des Rechtsanwalts Dr. E. K. S., N2.7, 68161 Mannheim, Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den Streitwert
auf DM 1.000,-- festzusetzen. Im Beschwerdeverfahren haben die Beteiligten zu Nr. 2 behauptet, Rechtsanwalt Dr. S. handele nicht im Auftrag der
Klagpartei des Ausgangsverfahrens, sondern allein auf Grund eines solchen der Rechtsschutzversicherung; eine Bevollmächtigung sei nicht
erfolgt. Die Beteiligte zu Nr. 3 wurde - erstmals - im Beschwerdeverfahren hinzugezogen. Sie hat keine Erklärung abgegeben.
II.
3 Die Beschwerde ist unzulässig.
4 1. Das Rechtsmittel ist ein solches des Beteiligten zu Nr. 1 (= Kläger des Ausgangsverfahrens). Der Zweifel des Arbeitsgericht dahin, es sei "nicht
erkennbar, ob überhaupt ein Beschwerter - der Kläger oder sein Prozessbevollmächtigter - "die Beschwerde eingelegt habe, entbehrt der
Grundlage. Bei der Auslegung (einseitiger) Prozesshandlungen der Parteien ist vom Wortlaut auszugehen, man hat sich aber dabei von dem
Grundsatz leiten zu lassen, im Zweifel werde mit der Prozesshandlung das bezweckt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist
und dem wohlverstandenen Interesse der Partei entspricht. Bei dieser Würdigung darf auf Umstände außerhalb der Urkunde - hier: der
Rechtsmittelschrift - zurückgegriffen werden und sind - wie auch sonst bei Prozesshandlungen - alle Gegebenheiten des Einzelfalles zu
berücksichtigen, die für den oder die Adressaten erkennbar waren (vgl. BGH - soweit ersichtlich - zuletzt vom 17.05.2000 - VIII ZR 210/99).
5 Vorliegend heißt es in dem Beschwerdeschriftsatz des Rechtsanwalts Dr. S. einleitend, "zeige ich an, dass ich den Kläger nach Beendigung des
Mandates der Herren Rechtsanwälte Dr. F. und Kollegen (= Beteiligte zu Nr. 2) vertrete. Auftragsgemäß lege ich hiermit gegen den
Streitwertfestsetzungsbeschluss vom ... Beschwerde ein mit dem Antrag, ... ."
6 Es wird also in Zweifel ausschließender Weise ausdrücklich erklärt, man lege für den Kläger (= Beteiligter zu Nr. 1 ) Beschwerde ein.
7 2. Die Beschwerde ist, und zwar auch im engeren Sinn, an sich statthaft (§ 25 Abs. 3 Satz 1 GKG). Die Gebührendifferenz zwischen dem
festgesetzten und dem mit der Beschwerde erstrebten Streitwert beträgt bei einer Gebühr DM 715,--.
8 3. Die Beschwerde ist jedoch deshalb unzulässig, weil sie wegen fehlender Vollmacht als Prozesshandlung unwirksam ist. Der Beschwerdeführer
konnte das Beschwerdeverfahren durch einen Rechtsanwalt führen (§ 79 ZPO), denn der Ausgangsrechtsstreit war im ersten Rechtszug ein
sogenannter Parteiprozess (§ 11 Abs. 1 ArbGG). Wird die Partei durch einen Rechtsanwalt vertreten, wird der Mangel der Vollmacht - allein - auf
Rüge des Gegners berücksichtigt (§ 88 Abs. 1 ZPO). Eine solche liegt hier vor, denn die Beteiligten zu Nr. 2 haben behauptet, der Beteiligte zu Nr.
1 habe Rechtsanwalt Dr. S. nicht beauftragt, dieser werde allein für die Rechtsschutzversicherung tätig, und haben die Ansicht vertreten, aus dem
Schweigen des Beteiligten zu Nr. 1 nach Unterrichtung über die Einlegung der Beschwerde könne nicht auf eine Bevollmächtigung geschlossen
werden. Hiernach hatte Rechtsanwalt Dr. S. die Bevollmächtigung durch die zu den Gerichtsakten zu reichende schriftliche (Original-)
Vollmachtsurkunde nachzuweisen (BGH vom 05.06.97 - III ZR 190/96). Das ist innerhalb der durch Verfügung des Beschwerdegerichts vom
09.10.2000 gesetzten Frist von 10 Tagen (und bis zum Erlass dieser Entscheidung) nicht geschehen. Deshalb ist die von ihm vorgenommene
Prozesshandlung unwirksam, und mithin die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
9 III. Die Nebenentscheidung beruht auf § 25 Abs. 4 GKG, welche Bestimmung auch den Fall umfasst, dass die - im weiteren Sinne - an sich
statthafte Beschwerde nach § 25 Abs. 3 GKG aus anderen Gründen unzulässig ist.