Urteil des KG Berlin vom 02.04.2017

KG Berlin: absolute person der zeitgeschichte, gerichtshof für menschenrechte, meldung, abweichende meinung, persönlichkeitsrecht, geschwindigkeitsüberschreitung, straftat, höchstgeschwindigkeit

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Gericht:
KG Berlin 9. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 U 84/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 22 KunstUrhG, § 23
KunstUrhG, § 823 Abs 1 BGB,
Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG
Persönlichkeitsrechtsverletzung und Verletzung des Rechts am
eigenen Bild durch identifizierende Presseberichterstattung:
Zulässigkeit der Wort- und Bild-Berichterstattung über einen
Verkehrsverstoß eines Angehörigen des deutschen und
englischen Hochadels in Frankreich; Interessenabwägung
zugunsten der Belange der Presse und der
Informationsinteressen der Allgemeinheit
Leitsatz
Zur Abwägung der Persönlichkeitsrechte eines Angehörigen des deutschen und britischen
Adels mit der Pressefreiheit bei einer Wort-/ Fotoberichterstattung über einen
Verkehrsverstoß in Frankreich.
Tenor
Auf die Berufungen der Beklagten werden die Urteile des Landgerichts Berlin (27 O
791/03 und 27 O 789/03) vom 18. März 2004 geändert und die Klagen abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages vorläufig
vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung einer Berichterstattung in Anspruch.
Die Beklagte ist Verlegerin der Zeitung „S... Z...“, in deren Ausgabe vom ... August 2..
die Meldung verbreitet worden ist, dass der Kläger auf einer französischen Autobahn
statt der dort erlaubten 130 km/h mit 211 km/h von der Polizei ermittelt und deshalb von
einem französischen Gericht u.a. zu einem Monat Fahrverbot verurteilt worden ist. Der
mit einem Foto des Klägers bebilderte und in der Sache zutreffende Bericht hat
folgenden Wortlaut:
Der auch in Gemütsdingen gelegentlich zur Raserei neigende E... hat seinen
Autoführerschein verloren. Ein französisches Gericht verurteilte den ... nach
Justizangaben vom Mittwoch bereits am wegen Fahrens mit 211 Stundenkilometer
zudem zu 728 Euro Bußgeld.
Der Ehemann von P... war Anfang Juni mit atemberaubender Geschwindigkeit
über die Autobahn A 6 in Richtung Lyon gebraust. Bei dem Ort ... stoppte ihn die Polizei.
Höchstgeschwindigkeit auf französischen Autobahnen sind 130 Stundenkilometer. Einen
Monat muss der blaublütige Deutsche sich nun durch die Lande fahren lassen.
Das Landgericht hat die Beklagte durch Urteile vom 18. März 2004 zur Unterlassung
sowohl der Wort- als auch und Bildberichterstattung verurteilt (27 O 789/03 und 27 O
791/03). Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und der gestellten Anträge
in erster Instanz wird auf den Tatbestand der angefochtenen Urteile Bezug genommen.
Gegen die der Beklagten am 26. März und 07. April 2004 zugestellten Urteile richten sich
die am 16. und 24. April 2004 eingelegten Berufungen, die die Beklagte nach mit
Schriftsatz vom 28. Mai 2004 beantragten und bis zum 07. Juli 2004 gewährten
Fristverlängerungen mit den am 07. Juli 2004 eingegangenen Schriftsätzen begründet
hat. Der Senat hat beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung
zum führenden Geschäftszeichen 9 U 84/04 verbunden.
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Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger habe aufgrund seiner Angehörigkeit zum
Welfengeschlecht und durch die Heirat mit P... sowie seines mehrfachen indiskutablen
früheren öffentlichen Verhaltens eine Position und Bedeutung erlangt, die ihn zur
absoluten Person der Zeitgeschichte mache. Jedenfalls sei seine Stellung so
herausgehoben, dass die anlassbezogene Berichterstattung wegen überwiegender
Interessen der Presse zulässig sei. Die Nachricht einer erneuten und die Allgemeinheit
gefährdenden Gesetzesübertretung des in Deutschland bekannten Klägers sei gerade
vor dem Hintergrund der strafrechtlich relevanten früheren Handlungen von
berichtenswerter Bedeutung. Die Geringfügigkeitsgrenze sei bei dem eklatanten
Verkehrsverstoß überschritten. Einschränkungen der Berichterstattungsfreiheit seien
nicht geboten, da die vom Kläger nicht abgestrittene Verfehlung nur die Sozial- und nicht
seine Privatsphäre betreffe. Bei dem gegebenen Verkehrsverstoß seien nicht die
gleichen einschränkenden Maßstäbe wie bei einer Berichterstattung über ein
Strafverfahren anzuwenden. Dort sei eine Zurückhaltung auch wegen des
Resozialisierungsgedankens geboten, die bei einer Geschwindigkeitsübertretung keine
Rolle spiele. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom
24. Juni 2004 habe keine Auswirkungen auf die vorliegende Berichterstattung, da hier
keine sog. Paparazzifotos betreffend die Privatsphäre zu beurteilen seien.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landgerichts Berlin vom 18.03.2004 zu ändern und die Klagen
abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Er sei bekanntermaßen keine absolute Person der Zeitgeschichte. Eine
Berichterstattung über ihn könne deshalb nur dann zulässig sein, wenn die Tat
schwerwiegend sei. Daran fehle es. Es liege ein bloßer Verkehrsverstoß vor, durch den
niemand zu Schaden gekommen sei. Der Beklagten gehe es nicht um Information. Die
Nachricht über die Geschwindigkeitsüberschreitung als solches sei nicht berichtenswert,
die Beklagte verbreite sie nur deshalb, um ihn an den Pranger zu stellen. Zu beachten
sei ferner, dass er für seine früheren Handlungen noch nicht verurteilt sei, im Übrigen
handele es sich bei der Geschwindigkeitsübertretung um eine völlig andere Verfehlung.
Es müsse ihm möglich sein, aus den Schlagzeilen herauszukommen. Das Urteil des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 24. Juni 2004 verbiete die
vorliegende Berichterstattung. Die Revision sei zuzulassen, da der Senat eine von der
Auffassung des 10. Zivilsenats des Kammergerichts abweichende Meinung vertrete.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
II.
Beide Berufungen sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie sind
begründet.
Dem Kläger steht kein Anspruch auf Unterlassung der Wort- und Bildberichterstattung
gegen die Beklagte zu. Durch die individualisierende Berichterstattung über die
Verkehrsverfehlung wird zwar das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers
beeinträchtigt (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG sowie § 823 Abs. 1 BGB. § 22 f KUG). Der
Kläger hat diesen Eingriff aber hinzunehmen, da die Interessen der Presse die des
Klägers überwiegen.
1. Es handelt sich bei der Berichterstattung über den Verkehrsverstoß des Klägers um
eine der Wahrheit entsprechende Meldung. Wahre Äußerungen sind grundsätzlich auch
dann hinzunehmen, wenn sie für den Betroffenen nachteilig sind. Dies gilt jedenfalls
dann, wenn die Meldung nicht die Intim-, Privat- oder Vertraulichkeitssphäre, sondern die
Sozialsphäre betrifft (vgl. BVerfGE 80, 367, 373 f.; 99, 185, 196; BVerfG NJW 2000, S.
2413, 2415). Hier ist allein die Sozialsphäre berührt, da der Kläger am öffentlichen
Straßenverkehr teilgenommen und hierbei aufgrund der Geschwindigkeit von 211 km/h
statt der erlaubten 130 km/h neben der Geschwindigkeitsüberschreitung zugleich einen
die Allgemeinheit jedenfalls abstrakt gefährdenden Verkehrsverstoß begangen hat. Die
die Sozialsphäre betreffenden Äußerungen dürfen nur im Fall schwerwiegender
Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen untersagt bzw. mit negativen
Sanktionen verknüpft werden, etwa bei Stigmatisierung oder sozialer Ausgrenzung sowie
bei Eintreten einer Prangerwirkung (vgl. BVerfGE 35, 202, 234 f; 97, 391, 406; BVerfG,
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bei Eintreten einer Prangerwirkung (vgl. BVerfGE 35, 202, 234 f; 97, 391, 406; BVerfG,
NJW 2000, S. 2413, 2414). Voraussetzung einer Haftung der Presse ist aber auch dann,
dass eine Abwägung mit der Meinungsfreiheit deren Zurücktreten ergibt (BVerfG AfP
2003, 43, 45). Eine solche die Pressefreiheit einschränkende Sachlage ist hier nicht
gegeben.
2. Die öffentliche Berichterstattung über eine Straftat unter Namensnennung, Abbildung
oder Darstellung des Täters stellt zwar regelmäßig eine erhebliche Beeinträchtigung des
Persönlichkeitsrecht des Täters dar, weil sein Fehlverhalten öffentlich bekannt gemacht
und seine Person in den Augen des Publikums negativ qualifiziert wird (BVerfG NJW 1993,
1463, 1464; OLG Hamburg, AfP 1994, 232). Es ist jedoch bereits fraglich, ob diese von
der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze für die (Un)-Zulässigkeit der
Berichterstattung über schwere Straftaten einer bis dahin unbekannten Personen (vgl.
BGHZ 143, 199 = BGH, NJW 2000, 1036) auf das vorliegende Sachgeschehen
übertragen werden können. Denn es liegt, unabhängig von der Frage, ob der Kläger nur
wegen einer Ordnungswidrigkeit oder wegen einer Verkehrsstraftat verurteilt worden ist,
jedenfalls keine schwere Straftat im Sinne der vorstehend zitierten Rechtsprechung vor.
Deshalb ist es zugleich zumindest zweifelhaft, ob die Meldung überhaupt einen
erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers darstellt. Der Kläger selbst ist
jedenfalls der Ansicht, dass der begangene Verstoß nicht gravierend ist, so dass die
Berichterstattung hierüber ihn in der Öffentlichkeit nicht nachhaltig negativ qualifiziert
haben kann.
3. Letztlich kann dies jedoch offen bleiben, da der Kläger die Berichterstattung wegen
der überwiegenden Interessen der Presse in jedem Falle hinzunehmen hat.
a) Es bestand ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der
Berichterstattung über die vom Kläger begangenen Tat, was sich schon daran zeigt,
dass die Meldung von nahezu der gesamten deutschen, auch der sog. „seriösen“
Presse verbreitet worden ist. Grundlage für das Informationsinteresse ist dabei zum
einen die Abstammung des Klägers. Er gehört dem deutschen und britischen Hochadel
an. Er ist der Urenkel des letzten deutschen Kaisers und Repräsentant des Hauses der
Welfen. In der Funktion als Vertreter des Welfenhauses vertritt er dessen Interessen und
hat eine Aufsehen erregende Klage auf Rückübertragung von Vermögenswerten in der
ehemaligen DDR anhängig gemacht, bei der er den Wert des ehemaligen
Familienbesitzes mit 100 Mio. Euro angegeben hat. Der Kläger zieht zum anderen aber
auch deshalb die Aufmerksamkeit der breiten Leserschaft auf sich, weil er der Ehemann
der ständig im Licht der Öffentlichkeit stehenden P..., vormals M... ist (vgl. BGH NJW
1999, 2893; BVerfG NJW 2000, 2189).
b) Im Streitfall kommt entscheidend hinzu, dass der Kläger in der jüngeren
Vergangenheit durch mehrere durch sein eigenes Verhalten veranlasste Verfehlungen,
die zum Teil zur Strafverfolgung geführt haben, aufgefallen ist. Im Januar 1998 griff der
Kläger einen wartenden Fotojournalisten mit einem Regenschirm an und verletzte ihn
hierbei, was zu einer umfangreichen Berichterstattung in den Medien führte. Im Januar
2000 attackierte der Kläger einen Nachtclub-Besitzer in Kenia und verletzte ihn
ebenfalls. Auf der Weltausstellung in Hannover („Expo“) im Sommer 2000 brachte sich
der Kläger durch das öffentliche Urinieren an den dortigen Ausstellungspavillon der
Türkei in den Mittelpunkt der Medienaufmerksamkeit. Nachdem u.a. die „Bild-Zeitung“
über diesen Vorfall berichtet hatte, rief der Kläger die dortige Redaktionsleiterin an und
beschimpfte sie in unflätiger Weise, was seinerseits Gegenstand einer Berichterstattung
über das Verhalten des Klägers wurde. Im Mai 2001 kam es zu einem weiteren tätlichen
Angriff des Klägers auf eine Fotografin im Rahmen der Salzburger Festspiele. Im März
2003 trat der Kläger einen Tontechniker in Zürs, was zu einer Anklage der
österreichischen Staatsanwaltschaft führte. Der Kläger hat durch all diese Vorfälle zwar
nicht die Stellung einer absoluten Person der Zeitgeschichte erlangt. Er hat jedoch vor
dem Hintergrund seiner Herkunft und Heirat und durch sein Verhalten das Interesse der
Öffentlichkeit an der Frage geweckt, ob es weiterhin auffällige Verhaltensweisen oder
sogar Gesetzesverstöße in der Öffentlichkeit von ihm gibt. Die Berichterstattung über die
Verkehrsverfehlung ist danach zulässig, weil die Informationen nur und gerade im
Zusammenhang mit dem Namen des Beschuldigten ihren Informationswert erhalten
(vgl. OLG Stuttgart, AfP 1972, 332; Wenzel, Das Recht der Wort- und
Bildberichterstattung, 5. Aufl. Kap. 10.192).
Das vom Kläger selbst hervorgerufene Interesse ist durch die von ihm in Frankreich
begangene Tat betroffen und durch die verbreitete Meldung in angemessener Weise
befriedigt worden. Zwar stellt die Tat keinen tätlichen Angriff dar, wie sie der Kläger in der
Vergangenheit unbestritten verübt hat, mag auch die endgültige strafrechtliche
Beurteilung der Tätlichkeiten noch ausstehen. Der Kläger hat aber wiederum einen
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Beurteilung der Tätlichkeiten noch ausstehen. Der Kläger hat aber wiederum einen
derart auffälligen Rechtsverstoß begangen, der ein Berichterstattungsinteresse
geradezu provoziert. Es handelt sich um eine exorbitante
Geschwindigkeitsüberschreitung, durch die der Kläger die in ganz Frankreich geltende
zulässige Höchstgeschwindigkeit um 81 Km/h überschritten hat. Eine solch massive
Überschreitung setzt ein vorsätzliches Handeln und Hinwegsetzen über die für alle
geltenden Regeln voraus. Unerheblich ist entgegen der vom Kläger in der mündlichen
Verhandlung betonten Auffassung demgegenüber, dass es in Deutschland ein
generelles Tempolimit nicht gibt. Maßgeblich ist allein, dass der Kläger, der nach eigenen
Angaben überwiegend in Frankreich lebt, sich den dort geltenden Vorschriften willentlich
widersetzt hat. Dass es zu keiner Verletzung oder konkreten Gefährdung Dritter
gekommen ist, entlastet den Kläger nicht, da der Gesetzesverstoß allein wegen der
hohen Geschwindigkeit von 211 km/h jedenfalls eine abstrakte Gefährdung der
Allgemeinheit darstellt. In diesem Zusammenhang bestand an der Berichterstattung
auch deshalb ein besonderes Interesse, weil in Deutschland schon seit Jahren die
Einführung einer (europaweit einheitlichen) Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen
kontrovers diskutiert wird und im Sommer 2003 durch einen sog. Autobahnraser auf der
Autobahn A 5 ein Unfall mit 2 Toten, einer Mutter und ihrem jungen Kind, verursacht
worden war.
c) Erhebliche dem Berichterstattungsinteresse der Presse entgegenstehende Interessen
des Klägers sind nicht erkennbar. Der Wunsch des Klägers aus den Schlagzeilen
herauszukommen und zugleich in Ruhe gelassen zu werden, ist anzuerkennen. Dies
setzt jedoch voraus, dass Kläger nicht fortwährend durch eigenes Verhalten das
Interesse an seiner Person und seinen Handlungen erneut weckt. Wer durch seine Tat
Mitmenschen oder Rechtsgüter anderer oder der Gemeinschaft angreift oder verletzt,
muss es neben der Verurteilung dulden, dass das von ihm selbst erregte
Informationsinteresse in einer nach dem Prinzip freier Kommunikation lebenden
Gemeinschaft auf dem dafür üblichen Weg befriedigt wird (BVerfG, NJW 1973, 1226, 1230
– Lebach I; BGH, NJW 2000, 1036, 1037; Wenzel, aaO, Kap. 10.198). In einem solchen Fall
genießt die aktuelle Berichterstattung Vorrang vor den Interessen des Betroffenen,
zumal der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht durch die seine Sozialsphäre betreffende
wahre Meldung über den Verkehrsverstoß nicht erheblich ist und er weder stigmatisiert
noch ausgegrenzt oder an den Pranger gestellt wird. Der Resozialisierungsgedanke, so
er bei einem Verkehrsverstoß überhaupt Platz greift, gewinnt erst mit wachsendem
zeitlichem Abstand zunehmend an Bedeutung (vgl. BVerfG NJW 1993, 1463, 1464) und
spielt vorliegend keine Rolle.
Die Wortberichterstattung in der S... Z... vom . . August 2.. selbst ist zurückhaltend. In ihr
wird - wenn auch mit süffisantem Unterton - im Wesentlichen nur knapp das
Tatgeschehen und die erfolgte Verurteilung mitgeteilt. Dass es der Beklagten darum
gegangen sei, den Kläger an den Pranger zu stellen, kann danach nicht festgestellt
werden.
4. Die Beklagte war auch berechtigt, den zulässigen Wortbericht mit einem - wie hier
geschehen - kontextneutralen Portraitfoto des Klägers zu bebildern. Die
Voraussetzungen von § 23 Abs. 1 KUG liegen vor, da der Verkehrsverstoß des Klägers
nach den vorstehenden Ausführungen ein zeitgeschichtlich berichtenswertes Ereignis
darstellt.
5. An der Zulässigkeit der Berichterstattung ändert das Urteil des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte vom 24. Juni 2004 (NJW 2004, 2647) nichts.
Unabhängig von der Frage, ob das zwischen der Ehefrau des Klägers und der
Bundesrepublik Deutschland ergangene Urteil überhaupt eine Bindungswirkung für den
vorliegenden Rechtsstreit entfalten könnte (vgl. allgemein dazu BVerfGE 74, 358, 370;
82, 106, 120), ist festzustellen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
(nachfolgend Gerichtshof genannt) ein völlig anderes Sachgeschehen zu beurteilen
hatte. Streitgegenstand des Verfahrens vor dem Gerichtshof war die Untersagung
schwerer Beeinträchtigungen des Privatlebens einer Prominenten, durch die
Veröffentlichung von Fotografien, die bei rein privaten Tätigkeiten durch sog. Paparazzi
aufgenommen worden waren. Hier ist aber nicht das Privatleben des Klägers betroffen,
sondern sein Verhalten in der Sozialsphäre. Zudem hat sich der Kläger hier durch
eigenes Fehlverhalten selbst ins Gerede gebracht und ist nicht durch ihm auflauernde
Paparazzi oder Reporter zum Gegenstand der Berichterstattung geworden. Ob die
Meldung über die eklatante Geschwindigkeitsüberschreitung aufgrund der bereits
genannten Umstände geeignet wäre, einen „Beitrag zu einer Diskussion von
allgemeinem Interesse“ darzustellen, kann letztlich offen bleiben, da es sich bei dem
vom Gerichtshof genannten Aspekt nur um eines von mehreren und nicht um ein
ausschließliches Abwägungskriterium handelt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil der Sache grundsätzliche Bedeutung
zukommt und eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts
erforderlich erscheint, § 543 Abs. 2 ZPO. Der Senat weicht in seinem rechtlichen Ansatz
von der Entscheidung des 10. Zivilsenats des Kammergerichts im Verfahren 10 U
412/03 vom 1. März 2004 (Zurückweisung der Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO) sowie
der in den Hinweisbeschlüssen zu den Verfahren 10 U 410/03 und 10 U 411/03 vom 5.
Februar 2004 (Anlage Ast 6) geäußerten Rechtsansicht ab (vgl. BGH, Beschl. v. 16.
September 2003, - XI ZR 238/02 -). Der 10. Zivilsenat des Kammergerichts will eine
Berichterstattung unter Namensnennung nur bei einer entsprechend schweren Straftat
zulassen oder wenn der Täter eine sog. absolute Person der Zeitgeschichte ist.
Demgegenüber hält es der erkennende Senat unter gewissen Voraussetzungen für
zulässig, schon bei einer gewissen Prominenz des Täters und bei einem nur geringen
Gesetzesverstoß die Berichterstattung unter Namensnennung und Bebilderung
zuzulassen.
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