Urteil des KG Berlin vom 02.04.2017

KG Berlin: freiwillige gerichtsbarkeit, mangel des verfahrens, öffentliche ordnung, öffentliche bekanntmachung, anhörung, bevollmächtigung, vollmacht, geschäftsführer, vertretungsbefugnis, anschrift

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Gericht:
KG Berlin 1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 W 174/04
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 20 FGG, § 126 FGG, § 129 FGG,
§ 141a FGG, § 142 FGG
Löschungsverfahren gegen die Handelsregistereintragung der
Löschung einer GmbH wegen Vermögenslosigkeit: Vertretung
der gelöschten GmbH im Beschwerdeverfahren;
Löschungsgrund der Nichtanhörung von Organen des
Handelsstandes bzw. sonstiger Organe
Leitsatz
1. Eine wegen Vermögenslosigkeit nach § 141a FGG im Handelsregister gelöschte GmbH
kann im Beschwerdeverfahren nicht durch einen nach der Eintragung der Löschung durch die
Gesellschafterversammlung gewählten Geschäftsführer/Liquidator vertreten werden.
2. Im Verfahren nach § 142 FGG auf Löschung der Eintragung wegen Vermögenslosigkeit
nach § 141a FGG kommt eine Anwendung des § 129 FGG mit der Vermutung der
Bevollmächtigung eines Notars nicht in Betracht.
3. Die Anhörung der Organe des Handelsstandes oder anderer Organe nach § 126 FGG ist
keine wesentliche Voraussetzung der Löschung wegen Vermögenslosigkeit nach § 141a FGG.
Die fehlende Anhörung ist daher nur dann ein Grund zur Löschung der Löschung nach § 142
FGG, wenn sich aus der Anhörung die Unrichtigkeit der beabsichtigten Eintragung ergeben
hätte.
Tenor
Die weitere Beschwerde wird bei einem Verfahrenswert von 3.000 EUR als unzulässig
verworfen. Kostenschuldner ist Herr U. S.
Gründe
I. Die weitere Beschwerde ist unzulässig.
1. Die weitere Beschwerde ist im vorliegenden Fall, in dem die Löschung der Gesellschaft
im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit angegriffen wird, nicht fristgebunden.
Auch die weiteren Formerfordernisse sind erfüllt. Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit
ergeben sich auch nicht daraus, dass die Gesellschaft, in deren ausdrücklichem Namen
das Verfahren betrieben worden ist und auch die weitere Beschwerde eingelegt worden
ist, durch die Löschung ihre Beteiligtenfähigkeit verloren hätte. Denn dies wäre nur dann
der Fall, wenn neben die Löschung aus dem Handelsregister eine völlige
Vermögenslosigkeit getreten wäre, weil nur dann die für den rechtlichen Wegfall des
Rechtsträgers notwendigen Voraussetzungen gegeben wären (vgl. Scholz/Karsten
Schmidt, GmbHG, 9. Aufl., § 74 Rn. 13f.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., § 74 Rn.
6; Roth/Altmeppen, GmbHG, 4. Aufl., § 65 Rn. 16). Dies ist hier nicht der Fall, weil im
Verfahren gerade geltend gemacht wird, dass die Gesellschaft noch über Vermögen
verfügt, nämlich Eigentümerin eines Grundstücks und darüber hinaus Gesellschafterin
einer anderen GmbH sei.
Die Unzulässigkeit der Beschwerde folgt weiter nicht daraus, dass der Gesellschaft
vertretungsberechtigte Personen fehlten. Es ist zwar allgemein anerkannt, dass mit der
Löschung der Gesellschaft im Handelsregister die Vertretungsbefugnis der bisherigen
Vertretungsorgane endet (vgl. BGH NJW-RR 1994, 542; BayObLG NJW-RR 1988, 1333;
NJW-RR 1998, 613). Im Rahmen der Löschung nach § 74 Absatz 1 Satz 2 GmbHG ist dies
daraus zu schließen, dass mit der Anmeldung der Vollbeendigung die Niederlegung der
Organstellung stillschweigend verbunden ist. Im Rahmen einer Löschung von Amts
wegen, wie sie hier vorliegt, ergibt sich dies daraus, dass nach der Löschung für eine
notwendige Vertretung der Gesellschaft durch das Gericht Nachtragsliquidatoren zu
bestellen sind und somit keine gesetzliche Vertretungsbefugnis der früheren Organe
besteht. Insoweit wird aber die Auffassung vertreten, dass die Gesellschaft in einem
Verfahren, in dem ihre Löschung angegriffen wird, ausnahmsweise nach den
zivilprozessualen Grundsätzen bei Streitigkeiten über die Prozessfähigkeit einer Partei
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zivilprozessualen Grundsätzen bei Streitigkeiten über die Prozessfähigkeit einer Partei
durch ihre alten Organe vertreten wird (vgl. BayObLG NJW-RR 1998, 613; Keidel/Winkler,
Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl., § 141a Rn. 15).
Die Unzulässigkeit der weiteren Beschwerde ergibt sich aber daraus, dass der
Verfahrensbevollmächtigte über keine ausreichende Vollmacht für die Einlegung der
weiteren Beschwerde im Namen der Gesellschaft verfügt. Mit dem Schreiben vom 10.
November 2003 ist lediglich eine auf den Notar lautende Vollmacht für die Gesellschaft
vorgelegt worden, die von einem Herrn U. S. unterschrieben worden ist. Dieser war aber
zum Zeitpunkt der Löschung der Gesellschaft vom 31. Juli 2002 nicht Vertretungsorgan
der Gesellschaft, denn er war nach den vorgelegten Unterlagen erst mit einem
Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 3. Juni 2003 zum Vertretungsorgan
bestellt worden. Dieser Beschluss ging aber ins Leere, weil die
Gesellschafterversammlung zur Bestellung von Vertretungsorganen der gelöschten
Gesellschaft nicht befugt war (vgl. Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG, 17.
Aufl., § 60 Rn. 65 m.w.N.). Dies ergibt sich aus § 66 Absatz 5 GmbHG, nach dem bei
notwendigen Maßnahmen für die Gesellschaft durch das Gericht ein Nachtragsliquidator
zu bestellen ist.
Entgegen der Auffassung des Verfahrensbevollmächtigten kann sich dieser auch nicht
auf § 129 FGG berufen. Diese Vorschrift, aus der sich lediglich die Vermutung der
Bevollmächtigung eines beurkundenden Notars ergibt, kann im vorliegenden Fall keine
Anwendung finden. Dabei kann offen bleiben, ob die Vermutungswirkung nicht schon
deshalb entfällt, weil im vorliegenden Verfahren eine Vollmacht vorgelegt wurde, die
nicht von dem früheren Vertreter unterschrieben worden und die damit aus den oben
genannten Gründen unwirksam ist. Entscheidend ist, dass das vorliegende Verfahren
nicht auf eine Eintragung aufgrund einer Anmeldung gerichtet ist. Hier wird vielmehr die
Weigerung des Amtsgerichts angegriffen, eine beim Vorliegen der entsprechenden
Voraussetzungen von Amts wegen vorzunehmende Löschung einer Eintragung zu
vollziehen. Dies ist aber gerade kein von § 129 FGG erfasster Fall, weil es auf etwa
beurkundete, zu einer Eintragung erforderliche Erklärungen nicht ankommt.
Auf die Beurkundung der der Anmeldung vom 23. Februar 2004 zugrunde liegenden
Erklärungen kann die Bevollmächtigung nicht gestützt werden, weil diese nicht
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind. Denn dieses betrifft nicht die
Wiedereintragung der Gesellschaft aufgrund eines Fortsetzungsbeschlusses, sondern die
Frage, ob ein Amtslöschungsverfahren nach § 142 FGG einzuleiten ist. Insoweit handelt
es sich um verschiedene Verfahrensgegenstände (vgl. OLG Düsseldorf DNotZ 1980,
171), worauf der Vorsitzende in dem Schreiben vom 7. Juni 2004 hingewiesen hat.
Aus den eingereichten Urkunden ergibt sich schließlich auch keine Bevollmächtigung
durch den früheren Geschäftsführer R. In der notariellen Verhandlung vom 23. Februar
2004 hat Herr R. zwar Erklärungen abgegeben. Diese Erklärungen hat er aber als
Alleingesellschafter in eigenem Namen abgegeben. Soweit er Erklärungen für die
Gesellschaft abgegeben hat, bezogen sich diese nicht auf das Amtslöschungsverfahren.
Die Sache ist auch entscheidungsreif. Auf die vorgenannten Umstände ist der
Verfahrensbevollmächtigte mit den Schreiben des Vorsitzenden vom 7. Juni und 16. Juni
2004 hingewiesen worden, so dass auch ausreichende Gelegenheit zur Nachreichung
einer Vollmacht des früheren Geschäftsführers bestand.
2. In der Sache selbst weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
Die Vorinstanzen sind zu Recht davon ausgegangen, dass eine Löschung der Eintragung
der Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit nach § 142 FGG nicht allein
deshalb erfolgen muss, weil die Löschungsvoraussetzungen im Sinne des § 141a FGG
nicht vorgelegen haben. Denn allein das Vorhandensein von Vermögen führt bei einer
nach § 141a FGG gelöschten Gesellschaft nach § 66 Absatz 5 GmbHG nur zu der
Notwendigkeit für das Gericht auf entsprechenden Antrag einen Nachtragsliquidator zu
bestellen (vgl. KG JFG 15, 88, 91; BayObLG NJW-RR 1998, 613; OLG Frankfurt NJW-RR
1998, 612; OLG Zweibrücken GmbHR 2002, 591; Keidel/Winkler, Freiwillige
Gerichtsbarkeit, 15. Aufl., § 141a Rn. 15). Die Löschung nach § 142 Absatz 1 FGG
erfordert demgegenüber nach dem Wortlaut der Norm, dass eine wesentliche
Voraussetzung für die Löschung gefehlt hat.
Das Fehlen einer solchen wesentlichen Voraussetzung, das im Falle des § 141a FGG
insbesondere in der fehlenden, aber eben möglichen Anhörung der gesetzlichen
Vertreter der Gesellschaft zu sehen ist (vgl. BayObLG NJW-RR 1998, 613; OLG Hamm
NJW-RR 1993, 547), haben die Vorinstanzen zu Recht verneint, weil der Aufenthalt des
Geschäftsführers unbekannt war.
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Die Löschungsanregung des Finanzamtes für Körperschaften II vom 28. Juni 2001 wurde
am 24. Juli 2001 der Gesellschaft an die angegebene Geschäftsadresse in H. Straße ...,
B. zur Stellungnahme übersandt. Das Schreiben ist nicht zurückgekommen, eine
Reaktion der Gesellschaft ist nicht erfolgt. Mit Schreiben vom 24. August 2001, gefertigt
am 7. September 2001, verfügte das Amtsgericht die Mitteilung der Löschungsabsicht
an den Geschäftsführer R. gemäß § 141a Absatz 2 Satz 1 FGG. Dieses Schreiben konnte
nicht zugestellt werden. Es war an die in der notariellen Verhandlung vom 19. Juni 2000 -
UR-Nr. 577/00 der Notarin B. F. in St. - angegebene Wohnanschrift Mü. Straße ... in ... St.
gerichtet und wurde postalisch an die Anschrift M. Straße ..., ... St. umgeleitet. Laut
Postvermerk vom 10. September 2001 konnte die Zustellung nicht erfolgen, weil
„während des Zustellgangs Geschäftslokal geschlossen. Privatadresse unbekannt“. Die
vom Amtsgericht eingeholte Auskunft des Einwohnermeldeamtes St. (Amt für öffentliche
Ordnung, Bürgerbüro Mö.) zu R. R., letzte bekannte Anschrift M. Straße ..., ... St., ergab
laut Schreiben vom 13. Dezember 2001: „Verzogen ohne Angabe des neuen
Aufenthaltsortes“.
Soweit die weitere Beschwerde diesen Feststellungen mit der Erwägung entgegen
getreten ist, dass die Anschrift M. Straße ..., ... St. „wohl die richtige gewesen“ ist, und
die Auffassung vertritt dort hätten weitere Zustellungsversuche unternommen werden
müssen, übersieht sie, dass das Amtsgericht aufgrund der erteilten Auskunft des
Einwohnermeldeamtes davon ausgehen musste, dass dort weitere Zustellungen
erfolglos bleiben mussten. Im Übrigen trägt auch die weitere Beschwerde nicht vor, dass
die Wohnanschrift des damaligen Geschäftsführers tatsächlich - der Post oder dem
Meldeamt - bekannt war. Nach den damals geltenden Zustellungsvorschriften (§ 183
ZPO a.F.) hätte eine wirksame Zustellung im Geschäftslokal ohnehin nur dann erfolgen
können, wenn der damalige Geschäftsführer dort persönlich anzutreffen gewesen wäre.
Die bei unbekanntem Aufenthalt des gesetzlichen Vertreters mögliche öffentliche
Bekanntmachung der Löschungsabsicht nach § 141a Absatz 2 Satz 2 FGG ist am 5.
März 2002 im Tagesspiegel, dem vom Registergericht nach § 11 Absatz 1 HGB
bestimmten Bekanntmachungsblatt, und am 6. März 2002 im Bundesanzeiger erfolgt.
Erst nach Ablauf der dort bekannt gemachten Widerspruchsfrist ist die Eintragung der
Löschung verfügt und am 31. Juli 2002 eingetragen worden.
Eine wesentliche Voraussetzung für die Löschung fehlt auch nicht deshalb, weil die
Industrie- und Handelskammer Berlin nicht vor einer Löschung angehört wurde, wie dies
nach § 141a Absatz 1 Satz 3 FGG vorgeschrieben ist. Insoweit fehlt es an
Anhaltspunkten, dass aufgrund dieser Anhörung Feststellungen getroffen worden wären,
die gegen eine Löschung der Gesellschaft gesprochen hat. Allein die Anhörung als
wesentliche Voraussetzung im Sinne des § 142 FGG anzusehen, verbietet sich deshalb,
weil ein etwaiger Mangel des Verfahrens auch ursächlich für die Unzulässigkeit der
Eintragung sein, diese also auf ihm beruhen muss (vgl. Bumiller/Winkler, FGG, 7. Aufl., §
142 Rn. 16). Bei der Anhörung der Organe nach § 126 FGG ist das nur zu bejahen, wenn
gerade sie dem Registergericht Kenntnis von der Unrichtigkeit der beabsichtigten
Löschung verschafft hätten. Dafür ist nichts vorgetragen.
II. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, weil sich die Kostentragungspflicht aus
dem Gesetz ergibt. Da hier allerdings die Kosten von demjenigen zu tragen sind, der
sich auf eine tatsächlich nicht bestehende Vertretungsbefugnis beruft (vgl.
Keidel/Zimmermann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl., § 13 Rn. 15 m.w.N.), war ein
entsprechender Hinweis im Tenor erforderlich.
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