Urteil des KG Berlin vom 02.04.2017

KG Berlin: beteiligung am verfahren, akteneinsichtsrecht, versteigerung, grundstück, nachlassgericht, amtspflicht, kreis, gerichtsbarkeit, absicht, verweigerung

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Gericht:
KG Berlin 1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 W 133/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 27 Abs 1 FGG, § 34 FGG, § 839
Abs 1 BGB, § 1821 Nr 1 BGB, §
1915 Abs 1 BGB
Freiwillige Gerichtsbarkeit: Berechtigtes Interesse auf
Akteneinsicht
Leitsatz
Ein berechtigtes Interesse auf Akteneinsicht wird durch die Absicht zur Geltendmachung von
Amtshaftungsansprüchen nur für den begründet, der zu dem Kreis der durch die Amtspflicht
geschützten Dritten gehört.
Tenor
Die weiteren Beschwerden werden nach einem Wert von insgesamt 3.000 Euro mit der
Maßgabe zurückgewiesen, dass auch die Erstbeschwerde des Beteiligten zu 3)
zurückgewiesen wird.
Gründe
A.
Der Beteiligte zu 3) hat mit Schriftsatz vom 24. September 2004 einen Antrag auf
Akteneinsicht gestellt, den das Nachlassgericht mit Schreiben vom 6. Oktober 2004
abgelehnt hat. Der dagegen eingelegten Beschwerde (Schriftsatz vom 1. November
2004) hat das Amtsgericht nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht vorgelegt.
Dieses hat die Beschwerde mit einem Beschluss vom 21. Januar 2005 zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde vom 11. Februar 2005.
Hintergrund des Antrags auf Akteneinsicht war die Veräußerung eines zum Nachlass
gehörenden Grundstücks durch den Nachlasspfleger über eine öffentliche Auktion. An
der Teilnahme an dieser Versteigerung wurde der Beteiligte zu 3), der als Vertreter
seiner Ehefrau, der Beteiligten zu 2), auftrat und für diese bieten wollte, durch ein ihm
von dem Veranstalter erteiltes Hausverbotes gehindert. Der Zuschlag für das
Grundstück wurde bei einem Preis von 90.000 Euro erteilt und ein entsprechender
notarieller Vertrag geschlossen. In der Folge wandte sich der Beteiligte zu 3) an das
Nachlassgericht und drängte darauf, die noch nicht erteilte nachlassgerichtliche
Genehmigung des Verkaufs zu versagen. Seine Ehefrau, die ein entsprechendes
notariell beurkundetes Angebot abgab, sei bereit das Grundstück zu einem Preis von
100.000 Euro zu erwerben.
B.
I. Die weiteren Beschwerden sind zulässig. Gegen die Verweigerung der Akteneinsicht in
Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist die Beschwerde und ggf. die weitere
Beschwerde eröffnet, da es sich bei der Entscheidung über die Akteneinsicht nicht um
einen Justizverwaltungsakt, sondern um eine gerichtliche Verfügung handelt (Senat,
Rpfleger 1978, 253; OLG Zweibrücken OLGR 2003, 111; Jansen, FGG, 2. Aufl., § 34 Rn.
13). Die Befugnis der Beteiligten zu 2) zur Einlegung der weiteren Beschwerde folgt
daraus, dass das LG ihre Erstbeschwerde zurückgewiesen hat, die des Beteiligten zu 3)
daraus, dass er geltend macht, die von ihm eingelegte Beschwerde sei nicht
beschieden.
II. Die weiteren Beschwerden haben aber keinen Erfolg. Die Entscheidung des
Landgerichts beruht nicht auf einer Rechtsverletzung, auf die die weitere Beschwerde
allein mit Erfolg gestützt werden kann (§ 27 Absatz 1 Satz 2 FGG in Verbindung mit §§
546f. ZPO). Dies gilt auch, soweit der Beteiligte zu 3) rügt, die von ihm eingelegte
Beschwerde sei vom Landgericht nicht beschieden worden. Die Beschwerdeschrift vom
1. November 2004 enthält zwar keinen ausdrücklichen Hinweis, in wessen Namen gegen
die Verwehrung der Akteneinsicht durch das Schreiben vom 6. Oktober 2004 vorsorglich
Beschwerde eingelegt sein soll. Das Schreiben selbst enthält auch lediglich
Ausführungen zu der Frage der Genehmigung bzw. deren Verweigerung und der
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Ausführungen zu der Frage der Genehmigung bzw. deren Verweigerung und der
Annahme des Angebots der Beteiligten zu 2). Zugleich wird aber auch auf das Schreiben
vom 19. Oktober 2004 Bezug genommen, in dem ausdrücklich darauf hingewiesen wird,
dass der Beteiligte zu 3) Akteneinsicht begehrt, weil er den Vorgang wissenschaftlich
auszuwerten gedenke. Dies hat das Landgericht aber auch nicht übersehen. Auch wenn
das Rubrum und die Ausführungen zur Zulässigkeit der Beschwerde keinen Hinweis auf
eine eigene Beteiligung des Beteiligten zu 3) ergeben, weist das Landgericht gleichwohl
darauf hin, dass eine Akteneinsicht aus den vom Beteiligten zu 3) vorgetragenen
Gründen ebenfalls nicht in Betracht komme. Insoweit ist die landgerichtliche
Entscheidung lediglich im Tenor klarzustellen.
1. Das Landgericht hat im Übrigen ausgeführt: Die Beteiligte zu 2) habe ein berechtigtes
Interesse im Sinne des § 34 Absatz 1 FGG nicht glaubhaft gemacht. Soweit sie ihren
Antrag auf Akteneinsicht damit begründet, sie wolle Amtshaftungsansprüche prüfen,
reiche dies nicht aus, weil ihr solche Ansprüche als bloßer Interessentin an dem zum
Nachlass gehörenden Grundstücks nicht zustünden. Wegen ihres Interesses an den
Namen der Erben könne sie sich an den Nachlasspfleger halten. Soweit der Beteiligte zu
3) behaupte, dass er die Akte wissenschaftlich auswerten wolle, sei dies lediglich
vorgeschoben.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
a) Nach § 34 Abs. 1 S. 1 FGG kann die Einsicht in die Gerichtsakten jedem insoweit
gestattet werden, als er ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht. Berechtigtes
Interesse ist jedes vernünftigerweise gerechtfertigte Interesse tatsächlicher,
wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Art, das sich nicht auf vorhandene Rechte zu
gründen oder auf das Verfahren zu beziehen braucht (Bassenge/Herbst/Roth, FGG/RPflG,
9. Aufl., § 34 FGG Rz. 5); es reicht im Allgemeinen aus, dass künftiges Verhalten durch
die Aktenkenntnis beeinflusst werden kann (BayObLGZ 1997, 315, 318; BayObLG-Report
2005, 54). Eine formelle oder materielle Beteiligung am Verfahren ist nicht erforderlich,
aber stets ausreichend (BayObLG BtPrax 1998, 78). Die Anforderungen sind damit weiter
als etwa nach den §§ 2264 BGB, 299 Absatz 2 ZPO. Denn diese erfordern ein rechtliches
Interesse. Ein Akteneinsichtsrecht für jedermann, wie dies etwa nach § 9 Absatz 1 HGB
gewährt wird, ist damit aber nicht begründet.
b) Die Voraussetzungen für ein berechtigtes Interesse sind hier zu verneinen.
aa) Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Absicht der Prüfung von
Amtshaftungsansprüchen wegen des Verhaltens der Rechtspflegerin im Verfahren auf
Genehmigung des aufgrund der Versteigerung abgeschlossenen
Grundstückskaufvertrages kein Einsichtsrecht der Beteiligten zu 2) begründet. Der
Beteiligten zu 2) steht ein solcher Anspruch nicht zu, weil sie ersichtlich nicht zum Kreis
der Anspruchsberechtigten gehört. Nach § 839 Absatz 1 BGB in Verbindung mit Art. 34
Satz 1 GG kommt ein Amtshaftungsanspruch wegen des Verhaltens eines Beamten im
staatsrechtlichen Sinne, wie hier der Rechtspflegerin, nur dann in Betracht, wenn die
Verletzung einer einem Dritten gegenüber bestehenden Amtspflicht vorliegt. Dann aber
steht ein so begründetes Akteneinsichtsrecht auch nur demjenigen zu, der geltend
macht, eine ihm gegenüber bestehende Amtspflicht sei möglicherweise verletzt worden.
Dies ist hier nicht der Fall. Denn eine derartige Pflicht bestand im
Genehmigungsverfahren gegenüber der Beteiligten zu 2) als Kaufinteressentin nicht. Die
Prüfung, ob zu einem Geschäft des Nachlasspflegers die nach § 1821 Nr. 1 BGB in
Verbindung mit § 1915 Absatz 1 BGB erforderliche Genehmigung erteilt wird, hat allein
unter Berücksichtigung der Interessen des Vertretenen, hier also der unbekannten
Erben, zu erfolgen (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 65. Aufl., § 1828 Rn. 7; Wagenitz in
Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl., § 1828 Rn. 18; Erman/Holzhauer, BGB, 11.
Aufl., § 1828 Rn. 8). Die Genehmigungspflicht dient nicht der Prüfung, ob der
Nachlasspfleger bei der Auswahl des Käufers allen Interessenten gleiche Chancen auf
den Erwerb eingeräumt hat. Der allgemeine Grundsatz der Abschlussfreiheit gilt auch für
die vom Nachlasspfleger Vertretenen und damit für diesen. Zu prüfen ist vielmehr, ob
das Geschäft für den Vertretenen vorteilhaft, zweckmäßig und nützlich ist (vgl.
Palandt/Diederichsen, BGB, 65. Aufl., § 1828 Rn. 7). Soweit die Beteiligte darüber hinaus
das Vorliegen eines Amtsmissbrauchs und damit eine sittenwidrige Schädigung (§ 826
BGB) geltend macht, wäre nicht sie geschädigt, sondern der Nachlass.
bb) Auch ein berechtigtes Interesse der Beteiligten an der Kenntnis der Namen der
Erben ist nicht ersichtlich, so dass ein Akteneinsichtsrecht darauf nicht gestützt werden
kann. Welches Interesse die Beteiligte zu 2), die ein besonderes Interesse am Erwerb
des inzwischen aufgrund des vom Nachlassgericht genehmigten Kaufvertrages vom 24.
Juni 2004 veräußerten und damit nicht mehr zu dem Nachlass gehörenden Grundstück
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Juni 2004 veräußerten und damit nicht mehr zu dem Nachlass gehörenden Grundstück
geltend macht, an der Person des oder der Erben haben könnte, ist nicht ersichtlich.
Soweit der Beteiligte zu 3) die Erben auf etwaige im Zusammenhang mit der
Veräußerung des Grundstücks möglicherweise entstandene Schadensersatzansprüche
hinweisen möchte, kann ein solches dem Rechtsanwalt nach § 43b BRAO verbotenes
Verhalten (vgl. dazu Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 43b Rn. 27; Henssler/Prütting,
Eylmann, BRAO, 2. Aufl., § 43b Rn. 65; Hartung/Holl/Römermann, § 43b BRAO Rn. 6 ff.)
kein berechtigtes Interesse an der Informationsbeschaffung durch Akteneinsicht
begründen.
cc) Soweit die Beteiligte zu 2) weiter geltend macht, ihr berechtigtes Interesse ergebe
sich daraus, dass sie die Akte darauf hin durchsehen wolle, ob dort Äußerungen
enthalten seien, wie sie der Auktionator über den Vorgang hinsichtlich des Hausverbotes
bei der Versteigerung gegenüber einer anderen Behörde abgegeben habe, kann hierauf
das Akteneinsichtsrecht - das auf entsprechende Schreiben beschränkt wäre - nicht
gestützt werden. Denn es handelt sich um neuen von dem Gericht der weiteren
Beschwerde damit nach § 27 Absatz 1 Satz 2 FGG in Verbindung mit § 559 ZPO nicht zu
berücksichtigenden Tatsachenvortrag.
dd) Schließlich kann der Beteiligte zu 3) sein Akteneinsichtsrecht nicht auf ein
wissenschaftliches Interesse stützen. Das Landgericht hat ein derartiges Interesse als
vorgeschoben angesehen und damit angenommen, dass es an einer ausreichenden
Glaubhaftmachung fehlt. Dies ist als im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegende
Würdigung vom Gericht der weiteren Beschwerde nur darauf hin überprüfbar, ob der
maßgebende Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG), bei der Erörterung des
Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und hierbei nicht gegen
gesetzliche Beweisregeln oder Verfahrensvorschriften sowie gegen Denkgesetze und
Erfahrungssätze verstoßen worden ist. Derartige Fehler sind nicht ersichtlich und werden
mit der weiteren Beschwerde auch nicht aufgezeigt, insbesondere fehlt es an
Anhaltspunkten, die für ein tatsächlich gegebenes wissenschaftliches Interesse des
Beteiligten zu 3). Angesichts des Gesamtzusammenhanges ist die Würdigung des
Landgerichts vertretbar, wenn nicht sogar nahe liegend.
III. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Der Beteiligte zu 1) ist in dem Verfahren
der weiteren Beschwerde trotz seiner Anhörung mit dem Schreiben vom 19. April 2005
nicht aufgetreten. Der Geschäftswert folgt aus den §§ 131 Absatz 2, 30 KostO.
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