Urteil des KG Berlin vom 02.04.2017

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Gericht:
KG Berlin 8. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 U 10/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 558 BGB, § 287 Abs 1 S 2
ZPO, § 287 Abs 2 ZPO, § 319
Abs 1 ZPO, § 511 Abs 2 Nr 1
ZPO
Wohnraummiete: Schätzung der ortsüblichen Vergleichsmiete
auf Grundlage des Berliner Mietspiegels 2007 im Rahmen eines
Mieterhöhungsverfahrens
Leitsatz
1. Jedenfalls die Felder des Berliner Mietspiegels 2007, die nicht Teil des qualifizierten
Mietspiegels sind, weil sie lediglich auf 15 bis 29 Mietwerten basieren, stellen eine geeignete
Grundlage für eine Schätzung der ortsüblichen Vergleichsmiete dar.
2. Zur Schätzung der ortsüblichen Vergleichsmiete anhand der Orientierungshilfe für die
Spanneneinordnung des Berliner Mietspiegels 2007, wenn zwar nicht das Sondermerkmal
„Moderne Küche“, aber einzelne wohnwerterhöhenden Merkmale der Merkmalgruppe 2
(Küche), die durch das Sondermerkmal „Moderne Küche“ ausgeschlossen werden könnten,
vorliegen.
3. Im Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO kann das erstinstanzliche Urteil gemäß § 319 Abs. 1
ZPO berichtigt werden.
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin durch einstimmigen Beschluss gemäß
§ 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass das angefochtene Urteil im
Tenor zu 1. wie folgt neu gefasst wird:
Der Beklagte wird verurteilt, für die von ihm inne gehaltene Wohnung im Hause S., …
B., Dachgeschoss rechts einer Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete von 1.135,62 €
um 162,89 € auf 1.298,51 € ab dem 01.03.2008 zuzustimmen. Im Übrigen wird die Klage
abgewiesen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Wochen
nach Zugang dieses Beschlusses.
Gründe
Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung des Senats zur
Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht
erforderlich. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 513 Abs. 1 ZPO). Das
angefochtene Urteil beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO). Die nach § 529
ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen auch keine andere Entscheidung.
I.
Die Berufung ist zulässig.
Das Kammergericht ist gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 b) GVG zuständig, da die Klägerin
ihren allgemeinen Gerichtsstand bei Rechtshängigkeit in W. und damit außerhalb des
Geltungsbereichs des GVG hatte.
Die Berufung ist auch gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthaft, da der Wert des
Beschwerdegegenstandes 1.246,98 € beträgt und damit 600,00 € übersteigt. Auf den
Rechtsmittelstreitwert ist nicht § 41 Abs. 5 GKG, sondern §§ 3, 9 ZPO anzuwenden (vgl.
BGH, Beschluss vom 28. November 2006 zu VIII ZB 9/06, BeckRS 2006 15036). Zu
rechnen ist daher: 29,69 €/Monat x 42 Monate = 1.246,98 €.
II.
Die Berufung ist jedoch – abgesehen von der erforderlichen Berichtigung eines
Rechenfehlers – unbegründet.
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1. Das Amtsgericht hat die ortsübliche Vergleichsmiete (§ 558 BGB) im Ergebnis
zutreffend anhand des Berliner Mietspiegels 2007 geprüft.
Die Vermutungswirkung des Berliner Mietspiegels 2007 (§ 558 d Abs. 3 BGB i.V.m. § 292
ZPO) bezieht sich allerdings gemäß Ziff. 4 weder auf die Einordnung innerhalb der
Spannen noch – wegen der geringen Zahl der erhobenen Mietwerte – auf das
einschlägige Mietspiegelfeld L 9 der Mietspiegeltabelle für Neubauten, weil diese
Umstände nicht Teil des qualifizierten Mietspiegels sind. Es ist aber zulässig, die
ortsübliche Vergleichsmiete durch Schätzung gemäß § 287 Abs. 2, Abs. 1 S. 2 ZPO zu
ermitteln. Dabei kann auch auf die Teile des Mietspiegels zurückgegriffen werden, die
nicht die Anforderungen an einen qualifizierten Mietspiegels erfüllen (vgl. zur
Verwendung der Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung BGH NJW 2005, 2074).
Die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete durch Sachverständigengutachten wäre
mit Schwierigkeiten und einem Kostenaufwand verbunden, der zu der Höhe der geltend
gemachten Mieterhöhung außer Verhältnis steht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der
Mietspiegel als geeignete Schätzgrundlage zur Verfügung steht und die Angaben im
einschlägigen Mietspiegelfeld L 9 immerhin auf mindestens 15 Mietwerten basieren.
2. Das Amtsgericht hat zutreffend festgestellt, dass das Sondermerkmal „Duschtasse
von Badewanne getrennt“ gemäß Ziff. 6.3 des Berliner Mietspiegels 2007 nicht
anzusetzen ist, weil die Ausstattung der Wohnung insoweit vom Beklagten geschaffen
wurde und er hierfür auch keine Kostenerstattung vom Vermieter erhalten hat.
3. Das Amtsgericht hat auch zutreffend festgestellt, dass die Ausstattung der Küche
nicht zu einer Erhöhung der ortsüblichen Vergleichsmiete um mehr als 0,24 €/m² führen
kann.
In der Mietspiegeldefinition der „modernen Einbauküche“ (Ziff. 10.1) ist zwar nur von
Bodenfliesen die Rede. Nach Auffassung des Senats dürfte eine erweiternde Auslegung
dahingehend, dass eine moderne Einbauküche auch dann vorliegt, wenn ein vergleichbar
hochwertiger Bodenbelag wie Parkett vorhanden ist, grundsätzlich in Betracht kommen.
Im Ergebnis kann diese Frage aber aus anderen Gründen offen bleiben.
Der Senat schätzt, dass die von der Klägerin geltend gemachten wohnwerterhöhenden
Merkmale „Komplette Einbauküche mit Ober- und Unterschränken“, „Fliesen, Terrazzo
oder hochwertiger anderer Bodenbelag“, „Wandfliesen im Arbeitsbereich“, „Besondere
Ausstattung (z.B. Kühlschrank, moderne Herdausstattung, Geschirrspüler)“ und „Nur
Anschluss für Geschirrspüler“ in diesem Fall keinen höheren Wert haben können als 0,24
€/m². All diese Merkmale sind nach dem Mietspiegel nicht zu berücksichtigen, wenn das
Sondermerkmal „Moderne Einbauküche“ zutrifft. Dem Mietspiegel liegt also die
grundsätzliche Annahme zugrunde, dass diese Merkmale – allein oder zusammen –
keinen höheren Wert haben als eine moderne Einbauküche. Dieser Fall zeigt, dass es
Konstellationen geben kann, in denen die Bewertung einer Ausstattung als „Moderne
Einbauküche“ für den Vermieter nachteilig ist. In solchen Fällen ist jedenfalls dann, wenn
– wie hier – bereits die Spannenwerte des einschlägigen Mietspiegelfelds nicht
Bestandteil des qualifizierten Mietspiegels sind, bei der Schätzung auf den Zuschlag der
modernen Einbauküche abzustellen, da die Zu- und Abschläge für Sondermerkmale Teil
des qualifizierten Mietspiegels sind und anders als die Orientierungshilfe für die
Spanneneinordnung die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich haben.
4. Dem Amtsgericht ist allerdings bei der Gesamtberechnung (S. 7 des Urteils) ein
Rundungsfehler unterlaufen, der die Berechnung offensichtlich unrichtig gemacht hat, §
319 Abs. 1 ZPO. Die obere Spanne beträgt (9,71 €/m² – 7,45 €/m² =) 2,26 €/m². 60 %
hiervon sind 1,356 €/m², gerundet also 1,36 €/m² (nicht 1,35 €/m²). Daraus ergibt sich
eine ortsübliche Vergleichsmiete von insgesamt 9,62 €/m², bei 134,98 m² sind dies
1.298,51 €.
Offenbare Unrichtigkeiten im Sinne von § 319 Abs. 1 ZPO können auch vom
Rechtsmittelgericht jederzeit geändert werden (vgl. BGH NJW 1996, 2100, 2101;
Vollkommer in Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 319 Rn. 22). Diese Berichtigung kann auch
mit einem Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO verbunden werden.
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