Urteil des KG Berlin vom 02.04.2017

KG Berlin: wichtiger grund, verwaltung, entlassung, erblasser, nachlassgericht, testament, anteil, vollmacht, ermessen, stimmenmehrheit

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Gericht:
KG Berlin 1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 W 21/10 und 23/10,
1 W 21/10, 1 W 23/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 2227 Abs 1 BGB
Leitsatz
1. Die Entlassung eines Testamentsvollstreckers gemäß § 2227 Abs. 1 BGB steht im
Ermessen des Tatrichters. Dieser hat das Entlassungsinteresse gegen das
Fortführungsinteresse abzuwägen.
2. Hierbei können der festgestellte Erblasserwille, das Interesse von Miterben an der
Kontinuität der Verwaltung und die besonderen Umstände der Verwaltung eines Erbanteils an
einer ungeteilten Erbengemeinschaft das Interesse anderer Miterben an der Entlassung des
Testamentsvollstreckers trotz hierfür wichtiger Gründe überwiegen.
Tenor
Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Landgerichts
Berlin vom 1. Dezember 2009 aufgehoben.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 8. Dezember 2006 gegen den Beschluss des
Amtsgerichts Schöneberg vom 27. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Beteiligte zu 2) und Beschwerdeführer ist Testamentsvollstrecker über den
hälftigen Anteil an einer ungeteilten Erbengemeinschaft an den Mietwohngrundstücken
K., 1… B., und L., 1… B., der dem Erlasser, Herrn P. T., zustand. Hinsichtlich des weiteren
hälftigen Anteils erfolgt die Verwaltung durch den Beteiligten zu 2) für Frau B. V., die
Nichte des Erblassers, auf Grund einer entsprechenden Vollmacht.
In seinem unter dem Datum 21.12.2002 gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Beteiligten
zu 4) errichteten gemeinschaftlichen Testament, auf das Bezug genommen wird
(Beiakte zu 162/62 IV 1302/2005, Bl.8 - 11) hatte der Erblasser verfügt, dass seine
Ehefrau und die Kinder, die Beteiligten zu 1) bis 3) „mit dem jeweils gesetzlichen Anteil“
Erben sein sollten, d.h. die Beteiligte zu 4) zu ½ und die Beteiligten zu 1) – 3) mit jeweils
1/6.
Weiter heißt es u.a.:
„...
Gemäß § 2044 Abs.1 und 2 BGB schließe ich jede Erbauseinandersetzung und damit den
Verkauf hinsichtlich dieser Immobilie/dieses erbengemeinschaftlichen Anteils an den
Immobilien für einen Zeitraum von 25 Jahren nach meinem Tod aus.
....
Die Verwaltung des Mietwohngrundstückes/der Mietwohngrundstücke übertrage ich
meinem Sohn, P. T., allein.“
Mit Schriftsatz vom 10. März 2006 beantragten die früheren Verfahrensbevollmächtigten
der Beteiligten 1) die Erteilung eines Erbscheins ohne Testamentsvollstreckervermerk
sowie hilfsweise den Beteiligten zu 2) als Testamentvollstrecker zu entlassen, weil dieser
kein ordnungsgemäßes Nachlassverzeichnis erstellt, bisher keine Rechnung über seine
bisherige Tätigkeit gelegt und auch keine Auszahlungen auf die zu erwartenden
Mietüberschüsse an die Beteiligten zu 1) und 3) vorgenommen habe.
Mit Beschluss vom 31.10.2006, auf den verwiesen wird (Bl. 111/112 d.A.) wies das
Nachlassgericht die entsprechenden Anträge zurück.
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Unter dem 20.11.2006 erteilte das Nachlassgericht auf Antrag des Beteiligten zu 2)
einen gemeinschaftlichen Erbschein entsprechend den verfügten Quoten und stellte
fest, dass hinsichtlich der vorstehend bezeichneten Grundstücke
Testamentsvollstreckung angeordnet ist.
Die Beteiligte zu 1) hat gegen die Erbscheinserteilung und die Zurückweisung des
Entlassungsantrages Beschwerde eingelegt, der das Nachlassgericht nicht abgeholfen
hat.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist nach Antragsrücknahme im Übrigen nur
noch die Ablehnung der Entlassung des Beteiligten zu 2) als Testamentsvollstrecker
gewesen.
Durch Beschluss vom 01.12.2009, zugestellt am 10.12.2009, hat das Landgericht den
Beteiligten zu 2) als Testamentsvollstrecker entlassen, weil dieser erhebliche
Pflichtverletzungen begangen habe. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf
den angefochtenen Beschluss (Bd.II, Bl. 215 – 230 d.A.) Bezug genommen.
Gegen seine Entlassung wendet sich der Beteiligte zu 2) mit seiner sofortigen weiteren
Beschwerde vom 21.12.2009 (Bd.II, Bl.237 – 239 d.A.). Er macht im Wesentlichen
geltend, er sei seiner Rechnungslegungspflicht entgegen der Annahme des Landgerichts
ordnungsgemäß nachgekommen. Des weiteren rügt er, dass das Landgericht den von
der Beteiligten zu 4) und von Frau B. V. ausdrücklich bestätigten Erblasserwillen, ihn als
Testamentsvollstrecker einzusetzen, nicht berücksichtigt habe.
Die Beteiligte zu 4) wendet sich gegen die Entlassung ihres Sohnes als
Testamentsvollstrecker, wohingegen die Beteiligte zu 1) die angefochtene Entscheidung
verteidigt.
Ergänzend wird auf die „Eidesstattliche Versicherung“ der Beteiligten zu 4) (Bd.I, Bl.
32/33) und das Schreiben von Frau B. V. vom 03.06.2009 (Bd.II, Bl. 163 ff.) verwiesen.
II. Die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) ist gemäß §§ 81 Abs. 2, 29 Abs.
2, 27 Abs. 1 FGG statthaft und auch sonst verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden, §§
29 Abs. 1, 22 Abs. 1 FGG. Da das Verfahren in der ersten Instanz vor dem 01.09.2009
eingeleitet worden ist, finden gemäß Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG die Vorschriften des
FGG auf den vorliegenden Fall weiterhin Anwendung.
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
Die vom Landgericht getroffene Entlassungsentscheidung hält der Rechtsprüfung nicht
stand, da sie im Rahmen der gemäß § 2227 Abs. 1 BGB zu treffenden
Ermessensentscheidung wesentliche Umstände unerörtert lässt.
Nach § 2227 Abs.1 BGB kann der Testamentsvollstrecker auf Antrag eines Beteiligten
aus dem Amt entlassen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Das Gesetz gibt als
Beispiele eine grobe Pflichtverletzung des Testamentsvollstreckers oder dessen
Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung an. Neben den im Gesetz
genannten Beispielsfällen kann ein wichtiger Grund ohne Rücksicht auf ein Verschulden
des Testamentsvollstreckers auch dann vorliegen, wenn dieser durch sein persönliches
Verhalten begründeten Anlass zu der Annahme gibt, dass ein längeres Verbleiben im
Amt der Ausübung des letzten Willens des Erblassers hinderlich sei oder dass sich
dadurch eine Schädigung oder eine erhebliche Gefährdung der Interessen der am
Nachlass Beteiligten ergeben könnte. Auch ein nicht nur auf subjektiven
Gefühlsmomenten, sondern auf Tatsachen beruhendes Misstrauen eines Beteiligten, zu
dem der Testamentsvollstrecker Anlass gegeben hat, kann zur Entlassung des
Testamentsvollstreckers führen. Schließlich kann auch ein erheblicher
Interessengegensatz zwischen Testamentsvollstrecker einerseits und Erben andererseits
ein wichtiger Grund zur Entlassung sein (BayObLGZ 1985, 298/302; 2001, 167/170).
Andererseits setzt das Amt des Testamentsvollstreckers kein Vertrauensverhältnis zu
den Erben voraus. Der Testamentsvollstrecker muss unabhängig von diesen den Willen
des Erblassers ausführen, wenngleich er sich im Rahmen des ihm zustehenden
Verwaltungsermessens nicht grundlos über die Interessen und Vorstellungen der Erben
hinwegsetzen darf. Daher ist an eine Entlassung des Testamentsvollstreckers wegen
berechtigten Misstrauens ein strenger Maßstab anzulegen; die Beteiligten dürfen nicht in
die Lage versetzt werden, einen ihnen möglicherweise lästigen Testamentsvollstrecker
durch eigenes feindseliges Verhalten oder aus für sich genommen unbedeutendem
Anlass aus dem Amt zu drängen (BayObLGZ 1997, 1/26; MünchKomm-
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Anlass aus dem Amt zu drängen (BayObLGZ 1997, 1/26; MünchKomm-
BGB/Zimmermann, 4. Aufl., § 2227 Rn. 11; Palandt/Edenhofer, BGB, 69. Aufl., § 2227 Rn.
5).
Unter Zugrundelegung dieser Kriterien ist das Landgericht zunächst zu dem Ergebnis
gekommen, dass Gründe für die Entlassung des Beteiligten zu 2) aus dem Amt des
Testamentsvollstreckers gegeben sind. Ob ein wichtiger Grund im Sinne von § 2227
Abs.1 BGB vorliegt, ist Tat- und Rechtsfrage. Tatfrage ist die Feststellung des
Sachverhalts, der die Entlassung rechtfertigen soll. Diese obliegt den
Tatsacheninstanzen, das Rechtsbeschwerdegericht muss von dem Sachverhalt
ausgehen, den das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei ermittelt hat (§ 27 Abs.1 Satz 2
FGG i.V.m. § 559 ZPO). Die Tatsachenfeststellungen und die Beweiswürdigung des
Landgerichts können vom Senat daher nur auf Rechtsfehler überprüft werden.
Ob der vom Beschwerdegericht festgestellte Sachverhalt die Merkmale des
Rechtsbegriffs „wichtiger Grund” im Sinne von § 2227 Abs.1 BGB erfüllt, ist dagegen eine
vom Gericht der weiteren Beschwerde ohne Einschränkung nachprüfbare Rechtsfrage
(BayObLGZ 1990, 177/181; BayObLG, FamRZ 2001, 54).
Auch wenn der Senat der Einschätzung des Landgerichts folgt, dass das Verhältnis
jedenfalls der Beteiligten zu 1) und 2) und wohl auch zu der Beteiligten zu 3) tief
zerrüttet ist und der Beteiligte zu 2) in der Vergangenheit seinen Verpflichtungen als
Testamentsvollstrecker nicht immer in ausreichendem Maße und mit der erforderlichen
Neutralität nachgekommen ist, rechtfertigt dies im vorliegenden Fall allein nicht die
Entlassung des Beteiligten zu 2).
Im Ergebnis ist es dabei unerheblich, ob die Vorwürfe der Beteiligten zu 1) und 3) in allen
Einzelheiten zutreffen und ob die vom Landgericht in ihrer Summe festgestellten
Pflichtverstöße, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, für sich
genommen bei verständiger Würdigung und objektiver Betrachtung ein auf Tatsachen
beruhendes, berechtigtes Misstrauen in die unparteiliche Amtsführung begründen und
damit einen wichtigen Grund i.S.v. § 2227 BGB darstellen.
Denn auch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ist die Entlassung des
Testamentsvollstreckers nicht zwingend; vielmehr ist zu prüfen, ob nicht überwiegende
Gründe für ein Verbleiben des Testamentsvollstreckers im Amt sprechen (ständige
Rechtsprechung, vgl. nur BayObLG, FamRZ 1987, 101; OLG Zweibrücken, FamRZ 1999,
472).
Die Entlassung gemäß § 2227 Abs. 1 BGB steht nämlich im Ermessen des Tatrichters,
wobei überwiegende Gründe dafür sprechen können, den Testamentsvollstrecker nicht
zu entlassen (Entlassungs- contra Fortführungsinteresse). Vorzunehmen ist eine
Abwägung sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls, ggf. unter Berücksichtigung
des Erblasserwillens (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 29.09.1998 – 3 W 161/98 –
BeckRS 2009, 07397; BayObLG, NJWE-FER 2000, 212, 214 m.w.N.), sowie den Interessen
der Stellerin des Entlassungsantrags, aber auch anderer Miterben, die an der
Testamentsvollstreckung festhalten wollen, und des Umstandes, ob die Erben den
Nachlass selbst ordnungsgemäß verwalten können (J. Mayer in BeckOK, Stand:
01.08.2010, BGB § 2227 Rdn.16 m.w.N.).
Eine solche Abwägung enthält der angefochtene Beschluss nicht.
Danach erweist sich die getroffene Entscheidung als rechtsfehlerhaft, da sie sich
unzureichend mit weiteren wesentlichen Umständen des Sachverhalts auseinandersetzt.
Das Landgericht hat sich weder damit befasst, ob überwiegende Gründe für das
Verbleiben des Testamentsvollstreckers in seinem Amt sprechen könnten, noch hat es
bei seiner Abwägung der Interessen den Willen des Erblassers und der Miterben
berücksichtigt. Mithin sind die für eine Ermessensentscheidung maßgeblichen Umstände
unerörtert geblieben.
Der aufgezeigte Rechtsfehler nötigt hingegen nicht zur Zurückverweisung der Sache an
das Beschwerdegericht. Sie ist vielmehr zur Endentscheidung reif, weil weitere
tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind. In diesen Fällen tritt das Gericht der
weiteren Beschwerde an die Stelle des Landgerichts und darf das Ermessen selbständig
ausüben (vgl. BayObLG NJW 1990, 1857, 1858; 1988, 2388, 2389).
Der Senat gelangt hier zu dem Ergebnis, dass nach den Interessen der Beteiligten und
dem mutmaßlichen Erblasserwillen eine Entlassung des Beteiligten zu 2) als
Testamentsvollstrecker derzeit nicht in Betracht kommt.
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Nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten zu 4) und der Nichte des
Erblassers, Frau V., war es der erklärte Wille des Erblassers, dass die Mietshäuser nur
von einem zur Familie gehörenden Miteigentümer und nicht von einem Dritten verwaltet
werden sollten. Hierbei handelte es sich um den mit der Beteiligten zu 4)
abgesprochenen Wunsch, dass die Verwaltung von dem Beteiligten zu 2) erfolgen sollte,
der bereits seit 2002 in Untervollmacht des Erblassers mit der Verwaltung betraut war.
Entsprechend erfolgte die Einsetzung des Beteiligten zu 2) als Testamentsvollstrecker.
Hiervon ist auch das Nachlassgericht in seinem Beschluss vom 31. Oktober 2006
ausgegangen, wo es heißt, die Ehefrau des Erblassers habe diese Auslegung des
Testaments eindeutig bestätigt. Die Verwaltung erfolgte darüber hinaus nach dem Tod
des Erblassers für Frau V. (1/2-Anteil) im Rahmen einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht.
Die Beteiligte zu 4), die zu ½ an dem Nachlass nach ihrem Ehemann beteiligt ist, ist mit
der Entlassung des Beteiligten zu 2) ebensowenig einverstanden, wie die Nichte des
Erblassers, die auf der weiteren Verwaltung ihres Immobilienvermögens durch den
Beteiligten zu 2) besteht.
Auf die Frage, ob die gegebenen Umstände den Erblasser mutmaßlich zum Widerruf der
Ernennung des Testamentsvollstreckers veranlasst hätten, kommt es bei der Abwägung
mit an (Zimmermann in MüchKomm-BGB, 5. Aufl., Rdn.7 zu § 2227 BGB m.w.N.). Dies
ist vorliegend zu verneinen, da der Erblasser entsprechende Konflikte nach den Angaben
der Beteiligten zu 4) und von Frau V. bei der Bestellung des Beteiligten zu 2)
vorausgesehen und in Kauf genommen hat. In dem Protokoll der Anhörung der
Beteiligten zu 4) durch das Landgericht heißt es: „ Mein Mann würde sich im Grabe
umdrehen, wenn er von diesem Streit wüsste. Im Übrigen wollte er aber, dass nur mein
Sohn die Hausverwaltung hat. Ein Dritter würde ja nur Geld kosten. Das kann ich genau
sagen, es ist ja auch mein Testament.“
Deutlicher kann der Erblasserwillen nicht zum Ausdruck gebracht werden.
Soweit die Beteiligten zu 1) und 3) eine entsprechende Willensbildung in Abrede gestellt
haben, vermag dies die Angaben der Beteiligten zu 4), die an der Errichtung des
Gemeinschaftlichen Testament beteiligt war, nicht in Zweifel zu ziehen. Schließlich war
die Einsetzung ihres Sohnes als Testamentsvollstrecker im gemeinschaftlichen
Testament auch von ihrem Willen getragen. Allein ihr sind daher die hierzu angestellten
Erwägungen bekannt. Bestätigt wird dies durch die Angaben von Frau V., die mitgeteilt
hat, sie sei sich mit dem Erblasser einig gewesen, dass die Verwaltung durch den
Beteiligten zu 2) durchgeführt werden sollte. Anderenfalls befürchteten sie
„Reibungsverluste“ bei mehreren gleichzeitig oder gleichberechtigt Handelnden und der
Erblasser habe durchaus Streitigkeiten und Konkurrenzen zwischen den Geschwistern
vorausgesehen.
Vorliegend ist unter diesen speziellen Umständen davon auszugehen, dass mit der
Entlassung des Beteiligten zu 2) die Testamentsvollstreckung enden würde. Dies wäre
nur dann nicht der Fall, wenn das Testament in seiner Gesamtheit den Willen des
Erblassers erkennen lassen würde, die Testamentsvollstreckung auch nach dem Wegfall
der von ihm ernannten Person fortdauern zu lassen (vgl. Horn, ZEV 2007, 521 f.). Dabei
ist zu untersuchen, ob der Erblasser bei Berücksichtigung der später eingetretenen
Sachlage mutmaßlich die Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das
Nachlassgericht gewollt hätte (OLG Hamm, ZEV 2001, 271, 272 m. Anm. Reimann;
Palandt/Edenhofer, a.a.O., § 2200 Rn. 2).
Für die Fortdauer der Testamentsvollstreckung ist mithin entscheidend, ob die Person
des Ernannten im Vordergrund steht oder die Durchführung der
Testamentsvollstreckung. Ausschlaggebend sind insbesondere die Gründe des
Erblassers, die ihn zu seiner Anordnung bewogen haben und ob diese Gründe vom
Standpunkt des Erblassers auch nach dem Wegfall der benannten Person fortbestehen
(OLG Zweibrücken, ZEV 2007, 31; BayObLG, NJW-RR 2003, 224, 225). Vorliegend ist den
eindeutigen Angaben der Beteiligten zu 4) und der vorgelegten Erklärung von Frau V.
vom 03.06.2009 unmissverständlich zu entnehmen, dass die Verwaltung in der Familie
bleiben sollte und nur der Sohn für diese vom Erblasser als geeignet angesehen wurde.
Diesem Erblasserwillen ist im Rahmen der Ermessensentscheidung bei der Abwägung
ausreichend Rechnung zu tragen.
Wenn jedoch die von der Beteiligten zu 1) erstrebte Einsetzung eines „neutralen“
Testamentsvollstreckers ausscheidet, kommen die im Hinweis des Senats vom
09.03.2010 mitgeteilten Bedenken hinsichtlich einer ordnungsgemäßen Verwaltung zum
Tragen. Hier ist ausgeführt:
„Die Testamentsvollstreckung betrifft nur einen Anteil von 50 % der betroffenen
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„Die Testamentsvollstreckung betrifft nur einen Anteil von 50 % der betroffenen
Grundstücke. Hinsichtlich der anderen 50 % betreffend den Anteil von Frau B. V. liegt
deren Schreiben vom 03.06.2009 vor, wonach sie an der Verwaltung der Häuser durch
den Beteiligten zu 2. weiter festhält. Insoweit ist eine rechtsgeschäftliche
Verwaltungsvollmacht betroffen, die mit der Testamentsvollstreckung hinsichtlich des
anderen 50 %-Anteils nichts zu tun hat. Diese besteht mithin fort.
Wird einmal unterstellt (ohne Präjudiz für die durch den Senat zu treffende
Entscheidung), die Entlassung des Beteiligten zu 2. als Testamentsvollstrecker würde
bestätigt und die Testamentsauslegung würde wegen einer Personengebundenheit
ergeben, dass ein anderer Testamentsvollstrecker nicht zu bestellen ist, würde sich
voraussichtlich nicht das von der Beteiligten zu 1. erstrebte Ergebnis, den Beteiligten zu
2. „endgültig aus der Hausverwaltung – selbst nur als bloßer Hausverwalter – zu
entfernen, damit ein unbefangener Hausverwalter .... beauftragt werden kann“,
erreichen lassen.
Denn wenn kein Testamentsvollstrecker für den Nachlass tätig wird, gilt der Grundsatz
der gemeinschaftlichen Verwaltung des Nachlasses (§ 2038 Abs.1 Satz 1 BGB), wobei
die Vorschriften der §§ 743, 745, 746, 748 BGB Anwendung finden (§ 2038 Abs.2 Satz 1
BGB). Dies bedeutet, dass durch Stimmenmehrheit eine der Beschaffenheit des
gemeinschaftlichen Gegenstandes entsprechende ordnungsgemäße Verwaltung und
Benutzung beschlossen werden kann (§ 745 Abs.1 Satz 1 BGB). Die Stimmenmehrheit
ist nach der Größe der Anteile zu berechnen (§ 745 Abs.1 Satz 2 BGB).
Nach dem gemeinsamen Erbschein vom 20. November 2006 – 162/62 VI 3712/2005
sind die Erbquoten mit 1/6 für die Beteiligten zu 1. bis 3. und mit ½ für die Beteiligte zu
4. angegeben. Der Beteiligte zu 1. könnte damit zusammen mit der Beteiligten zu 4. die
Verwaltung durch Mehrheitsentscheidung (4/6 der Erbanteile) regeln. Dies ist nach dem
Akteninhalt am 02.03.2007 („1.ordentliche Miterbenversammlung“) offensichtlich bereits
geschehen.
Im Ergebnis stünde damit die Verwaltungsbefugnis hinsichtlich der Grundstücke ohnehin
dem Beteiligten zu 2. zu (50 % auf Grund privatrechtlicher Vollmacht und für die
weiteren 50 % auf Grund einer Verwaltungsregelung nach § 745 BGB).
Hat die Mehrheit der Miterben eine ordnungsgemäße Maßnahme zur Verwaltung des
Nachlasses - nicht Verfügung - beschlossen, so kann sie die Maßnahme auch ohne die
Mitwirkung der überstimmten Miterben mit Wirkung für und gegen die
Erbengemeinschaft ausführen (BGH, NJW 1971, 1265; Bestätigung BGH Urt. v.
27.10.1956 - IV ZR 126/56). Eine Geschäftsführungsmaßnahme, zu der auch die
Bestellung eines Verwalters gehört, ist wirksam, wenn sie mit Stimmenmehrheit
(berechnet nicht nach Köpfen, sondern nach der Größe der Erbteile, § 745 I 2)
beschlossen wurde. Die überstimmten Miterben sind damit auf ihre Kontrollrechte und
etwaige Schadensersatzansprüche bei nicht ordnungsgemäßer Verwaltung verwiesen.
Die Verwaltung an sich können sie nicht verhindern.
Diese Konstellation im vorliegenden Fall legt die Vermutung nahe, dass die Entscheidung
des Kammergerichts – wie diese auch immer aussehen mag – eine den Rechtsfrieden
zwischen den Beteiligten herstellende Funktion nicht wird entfalten können. Vielmehr
würde das vorhandene Konfliktpotential nur auf eine andere Ebene verlagert. Dies
erscheint unter Berücksichtigung der wohlverstandenen Interesse aller beteiligten
Miterben als kontraproduktiv.“
Aus alledem ergibt sich, dass trotz der Verfehlungen des Beteiligten zu 2) in der
Vergangenheit, die vorliegend keiner Vertiefung bedürfen, die Weiterführung der
Tätigkeit des Beteiligten zu 2) als Testamentsvollstrecker für die Zukunft im Sinne des
Erblasserwillens und dem Willen eines Teils der Miterben erforderlich ist und auch im
wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten an einer praktikablen Verwaltung liegt.
Gleichwohl ergibt sich aus den oben getroffenen Erwägungen kein Freibrief des
Beteiligten zu 2) für die Zukunft. Vielmehr sieht der Senat seine Entscheidung als
Gewährung einer Art „zweiten Chance“ (so zutreffend AG Memmingen Beschluss vom
15.12.2009 - VI 566/81 - BeckRS 2010, 03796 – in einem ähnlichen Fall) für den
Beteiligten zu 2).
Es liegt nun allein bei diesem durch eine ordnungsgemäße und nachvollziehbare
Verwaltung, die auch den berechtigten Belangen der Beteiligten zu 1) und 3) Rechnung
trägt, zu einer Befriedung der familiären Verhältnisse beizutragen. Sämtliche jährlichen
Einnahmen und Ausgaben müssen genau angegeben werden. Zu- und Abflüsse des
verwalteten Vermögens sind in zeitlich-chronologischer Aufstellung darzustellen (J.Mayer
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verwalteten Vermögens sind in zeitlich-chronologischer Aufstellung darzustellen (J.Mayer
in Mayer/Bonefeld/Wälzholz/Weidlich, Testamentsvollstreckung, 2. Aufl., Rdn.256) und
zwar in der Art einer Einnahme-Überschussrechnung (Klumpp in Bengel/Reimann,
Handbuch der Testamentsvollstreckung, 4. Aufl., Rdn. 297). Zu einer ordnungsgemäßen
Rechnungslegung gehört insbesondere auch die Wahrung der Kontrollrechte der
Miterben durch rechtzeitige und umfassende Einsicht in die Grundstücksunterlagen. In
diesem Zusammenhang sind auch auf Verlangen in zumutbarem Umfang Kopien zu
fertigen. An diesen Anforderungen wird der Beteiligte zu 2) sich in Zukunft messen
lassen müssen.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Entscheidung des Landgerichts aufzuheben und die
Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Nachlassgerichts
zurückzuweisen, so dass es bei der Testamentsvollstreckung durch den Beteiligten zu 2)
verbleibt.
Da der Senat die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben hat, kommt es nicht
darauf an, ob das Landgericht die Entlassung des Testamentsvollstreckers nicht selbst
hätte aussprechen dürfen, sondern das Nachlassgericht hierzu hätte anweisen müssen
(OLG Karlsruhe FamRZ 2005, 1282 = NJW 2005,1519; Briesemeister in Jansen, FGG,
Rdn.20 zu § 25).
II. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Da die Rechtsbeschwerde Erfolg hat, ist das
Beschwerdeverfahren gebührenfrei (§ 131 Abs. 1 Satz 2 KostO). Eine Entscheidung über
die Erstattung außergerichtlicher Kosten ist nicht veranlasst, § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG.
Der Senat belässt es bei dem Grundsatz, dass im Verfahren der Freiwilligen
Gerichtsbarkeit jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat.
III. Die von der Beteiligten zu 1) erhobene isolierte Kostenbeschwerde bedarf keiner
ausdrücklichen Bescheidung, da die zweitinstanzliche Kostenentscheidung durch die
Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung durch den Senat, entfallen ist und die
Beschwerde damit gegenstandslos geworden ist.
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