Urteil des KG Berlin vom 27.10.2004

KG Berlin: wiedereinsetzung in den vorigen stand, glaubhaftmachung, vertretung, nachbesserung, dolmetscher, beweiswert, verfahrenskosten, sammlung, quelle, link

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Gericht:
KG Berlin 4.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 AR 1306/04 - 4 Ws
147/04, 1 AR
1306/04, 4 Ws 147/94
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 45 Abs 2 StPO, § 329 Abs 3
StPO
Keine Wiedereinsetzung gegen Versäumung der
Berufungshauptverhandlung mangels Glaubhaftmachung
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin
vom 27. Oktober 2004 wird mit der Maßgabe verworfen, dass die Kostenentscheidung in
dem angefochtenen Beschluss wegfällt.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 27. Oktober 2004 den Antrag des Angeklagten,
ihm gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung vom 13. Oktober 2004
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, „auf dessen Kosten als
unbegründet verworfen“. Die nach § 46 Abs. 3 StPO zulässige sofortige Beschwerde des
Angeklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zu Recht verworfen; er ist allerdings
nicht unbegründet, sondern bereits unzulässig.
Der Senat kann offen lassen, ob die Unzulässigkeit des Antrages - wie die
Generalstaatsanwaltschaft meint - schon daraus folgt, dass der am 26. Februar 2004
schriftlich zur Vertretung des Angeklagten nach § 411 Abs. 2 StPO bevollmächtigte
Verteidiger in der Berufungshauptverhandlung anwesend war. Richtig ist zwar, dass die
Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 329 Abs. 3 StPO) dann nicht in
Betracht kommt, wenn ein nach dem Gesetz befugter Vertreter für den Angeklagten zur
Berufungshauptverhandlung erschienen war (vgl. OLG Düsseldorf StV 1985, 52). Das
setzt allerdings nicht nur die Berechtigung, sondern nach einhelliger Meinung auch die
Bereitschaft des Verteidigers zur Vertretung des Angeklagten voraus. Dazu lässt sich
hier der Sitzungsniederschrift vom 13. Oktober 2004 nichts entnehmen, da das
Landgericht sich offensichtlich auf die Prüfung der Frage beschränkt hat, ob der
Angeklagte ordnungsgemäß geladen worden und sein Ausbleiben genügend
entschuldigt war. Ob der Vertretungswille des Verteidigers mangels entgegenstehender
Anhaltspunkte bereits aus seiner Anwesenheit geschlossen (vgl. KG, Beschluss vom 30.
August 1999 - (3) 1 Ss 176/99 (78/99) -; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1998, 180; OLG Köln
StV 1993, 292; BayObLG NStZ 1981, 112) oder erst bei einer entsprechenden Erklärung
des Vertreters angenommen (vgl. Senat JR 1985, 343) werden kann, bedarf hier keiner
Entscheidung, weil der Wiedereinsetzungsantrag aus anderen Gründe unzulässig ist.
Denn der Angeklagte hat entgegen den §§ 329 Abs. 3, 45 Abs. 2 Satz 1 StPO die zur
Entschuldigung seines Ausbleibens vorgetragenen Tatsachen nicht glaubhaft gemacht.
Eine Erkrankung - auf die er sich zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages
beruft - entschuldigt das Ausbleiben nur dann, wenn sie nach ihrer Art und ihren
Auswirkungen zur Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten führt oder wenn ihm
aufgrund der Erkrankung eine Teilnahme an der Hauptverhandlung jedenfalls nicht
zuzumuten ist (vgl. Senat, Beschluss vom 24. Juli 2002 - 4 Ws 107/02 -). Eine derartige
Gesundheitsbeeinträchtigung des Angeklagten mit, wie er behauptet, starken
Schmerzen und einem „Krampf an der Wirbelsäule vom Hals ab“, ist durch die ärztliche
Bescheinigung des Orthopäden H. vom 14. Oktober 2004 nicht hinreichend glaubhaft
gemacht. Denn der behandelnde Arzt hat auf Nachfrage des Landgerichts seine
Angaben dahin ergänzt, dass die von ihm für den Terminstag attestierte „starke“
Behinderung aufgrund eines „LWS-Schmerzsyndroms“ lediglich auf Schlussfolgerungen
nach einer zwei Tage zuvor erfolgten Untersuchung beruhte, der Angeklagte nicht
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nach einer zwei Tage zuvor erfolgten Untersuchung beruhte, der Angeklagte nicht
bettlägerig oder bewegungsunfähig gewesen sei und er über dessen
Gesundheitszustand am 13. Oktober 2004 nichts sagen könne. Danach ist auch die
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dieses Arztes vom 14. Oktober 2004, die im
Beschwerdeverfahren vorgelegt worden ist, zur Glaubhaftmachung des behaupteten
Entschuldigungsgrundes nicht geeignet. Vielmehr liegt die Annahme nahe, dass der
Angeklagte seine Erkrankung lediglich als Vorwand nutzen will, um von einer selbst
verschuldeten Versäumung der Berufungshauptverhandlung abzulenken. Denn er hatte
am 14. Oktober 2004 auf der Geschäftsstelle des Landgerichts sein Ausbleiben am
Vortag zunächst damit begründet, dass er den Termin verwechselt habe. Soweit er mit
dem Beschwerdevorbringen eine derartige Verwechselung in Abrede stellt und den
diesbezüglichen Aktenvermerk der Geschäftsstellenangestellten auf „ein sprachlich
bedingtes Missverständnis“ zurückführt, ist das nicht glaubhaft. Der aus dem Iran
stammende Angeklagte ist deutscher Staatsbürger, hat hier als Taxifahrer gearbeitet
und vermag sich - wie die ohne Dolmetscher durchgeführte Hauptverhandlung vor dem
Amtsgericht und seine Eingaben zeigen - auf Deutsch in Wort und Schrift verständlich
auszudrücken. Gegen die Richtigkeit des Beschwerdevorbringens spricht zudem, dass
der Angeklagte das Landgericht ausgerechnet zu der für den Vortag angesetzten
Terminsstunde aufgesucht hat.
Der Senat sieht keine Veranlassung, vor seiner Entscheidung den Angeklagten - wie von
dem Verteidiger gewünscht - auf die unzureichende Glaubhaftmachung seines
Entschuldigungsvorbringens hinzuweisen und ihm insoweit die Möglichkeit einer
Nachbesserung einzuräumen. Denn dazu hatte der Angeklagte im Beschwerdeverfahren
bereits ausreichend Gelegenheit, da auch das Landgericht seine Entscheidung im
Wesentlichen auf die für den Senat maßgeblichen Gründe gestützt hat. Soweit der
Verteidiger angibt, dass der Angeklagte ihn über das Attest vom 15. Oktober 2004 nicht
informiert habe und er dessen Beweiswert deshalb nicht beurteilen könne, ist das
unverständlich, da der Verteidiger selbst es (in Ablichtung) bei der Anbringung des
Wiedereinsetzungsantrages eingereicht hat.
Die Kostenentscheidung des angefochtenen Beschlusses kann allerdings keinen
Bestand haben. Nach § 473 Abs. 7 StPO ist eine Kostenentscheidung nur bei Gewährung
der Wiedereinsetzung zu treffen. Im Falle der Ablehnung des Antrages gehören die durch
das Gesuch entstandenen Kosten zu den Verfahrenskosten, mit denen der Angeklagte
schon durch die Verwerfung seiner Berufung belastet ist (vgl. Senat, Beschluss vom 28.
Mai 2004 - 4 Ws 43/04 -).
Die Kosten der sofortigen Beschwerde hat der Angeklagte nach § 473 Abs. 1 Satz 1
StPO zu tragen.
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