Urteil des KG Berlin vom 14.03.2017

KG Berlin: befreiung, geschäftsführer, gesellschaftsvertrag, handelsregister, gesellschafterversammlung, priester, ermächtigung, vertretungsbefugnis, aufsichtsrat, link

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Gericht:
KG Berlin 1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 W 252/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 181 BGB, § 35 GmbHG, § 39
GmbHG, § 53 GmbHG, § 54
GmbHG
GmbH: Voraussetzung für die Befreiung des Geschäftsführers
vom Verbot des Selbstkontrahierens bzw. der
Mehrfachvertretung
Leitsatz
Die generelle Befreiung des Geschäftsführers einer GmbH von den Beschränkungen des §
181 BGB setzt eine entsprechende Satzungsregelung voraus. Fehlt im Gesellschaftsvertrag
eine solche Regelung, kann diese nur durch formgerechte Änderung des
Gesellschaftsvertrages geschaffen werden.
Tenor
Die weitere Beschwerde wird nach einem Wert von 3.000 EUR zurückgewiesen.
Gründe
A. Die Gesellschaft ist seit dem 27. Februar 1991 unter der HRB-Nr. 3… in das
Handelsregister des Amtsgerichts Charlottenburg eingetragen. Mit einer notariell
beglaubigten Anmeldung vom 2. Januar 2003, die am 24. April 2003 unter Vorlage des
der Anmeldung zugrunde liegenden Gesellschafterbeschlusses vom 12. Dezember 2002
beim Handelsregister eingereicht worden ist, hat die alleinvertretungsbefugte
Geschäftsführerin M. H. u.a. angemeldet, dass den weiteren Geschäftsführern P. H. jun.
und M. M. H. Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erteilt sei. Auf den
Hinweis des Amtsgerichts, dass der Gesellschaftsvertrag eine derartige
Befreiungsmöglichkeit nicht vorsehe, kündigte der Notar zunächst eine entsprechende
Satzungsänderung an. Mit Schreiben vom 29. Dezember 2004 teilte die anmeldende
Geschäftsführerin dann aber mit, dass ein einstimmiger Beschluss der
Gesellschafterversammlung, wie er am 12. Dezember 2002 gefasst worden sei,
ausreichen müsse, und bat um eine Entscheidung. Das Amtsgericht hat die Anmeldung
mit Beschluss vom 10. Januar 2005 hinsichtlich der Anmeldung der Befreiung von den
Beschränkungen des § 181 BGB zurückgewiesen. Die gegen diesen Beschluss gerichtete
Beschwerde vom 24. Januar 2005 hat das Landgericht Berlin mit einem Beschluss vom
17. Mai 2005 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde vom 17.
Juni 2005.
B. I. Die weitere Beschwerde der Gesellschaft ist zulässig, sie hat aber keinen Erfolg, weil
die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht, auf die
die weitere Beschwerde allein mit Erfolg gestützt werden kann, § 27 Absatz 1 Satz 2 FGG
in Verbindung mit §§ 546f. ZPO.
Die Auffassung der Vorinstanzen, dass die Eintragung der angemeldeten generellen
Befreiung der Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB nicht in das
Register eingetragen werden kann, weil der Gesellschaftsvertrag eine solche Befreiung
oder Befreiungsmöglichkeit nicht vorsieht, hält einer rechtlichen Überprüfung stand.
1. Die Eintragung der angemeldeten generellen Befreiung der Geschäftsführer P. und M.
H. von den Beschränkungen des § 181 BGB scheitert nicht an einer fehlenden
Eintragungsfähigkeit. Es ist anerkannt, dass die – einem oder allen Geschäftsführern –
generell erteilte Befreiung von dem Verbot des Selbstkontrahierens und der
Mehrfachvertretung als Regelung der Vertretungsbefugnis anzusehen ist und daher nach
§ 10 Absatz 1 Satz 2 GmbHG im Handelsregister wiedergegeben werden muss (vgl.
dazu grundlegend BGHZ 87, 59 = NJW 1983, 1676; sowie Scholz/Winter, GmbHG, 9.
Aufl., § 10 Rn. 13 mwN).
2. Die Eintragung der Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens und der
Mehrfachvertretung nach § 181 BGB scheitert auch nicht an § 112 AktG, der bei der
Bestellung eines Aufsichtsrates nach § 52 Absatz 1 GmbHG anzuwenden wäre. Denn
bisher ist kein Aufsichtsrat bestellt, so dass es nach § 9 Absatz 2 des
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bisher ist kein Aufsichtsrat bestellt, so dass es nach § 9 Absatz 2 des
Gesellschaftsvertrages bei einer Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung
verbleibt. Für diese gilt die Regelung des § 112 AktG aber nicht.
3. Eine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB kann aber nur dann
eingetragen werden, wenn sie dem Geschäftsführer wirksam durch das zuständige
Organ – hier mangels des im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Aufsichtsrates durch
die Gesellschafterversammlung nach § 46 Nr. 6 und 7 GmbHG – erteilt worden ist. Denn
die auf die Eintragung der Änderung der Vertretungsbefugnis entsprechend § 39 Absatz
1 GmbHG gerichtete Anmeldung ist durch das Registergericht nicht nur in formeller
Hinsicht, sondern auch in Bezug auf die Wirksamkeit des zugrunde liegenden
Beschlusses zu prüfen (vgl. Koller/Roth, HGB, 5. Aufl., § 8 Rn. 23; Baumbach/Hopt, HGB,
32. Aufl., § 8 Rn. 8; Jansen/Steder, FGG, 3. Aufl., § 125 Rn. 99; Keidel/Krafka/Willer,
Registerrecht, 6. Aufl., Rn. 162).
a) Eine wirksam erteilte generelle Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB
liegt hier aber nicht vor. Der Gesellschafterbeschluss vom 2. Dezember 2002 verstößt
gegen die Regelungen des Gesellschaftsvertrages und ist damit als nicht nur im
Einzelfall wirkende Satzungsdurchbrechung unwirksam (vgl. BGHZ 123, 15, 18/19 = NJW
1993, 2246; Scholz/Priester, GmbHG, 9. Aufl., § 53 Rn. 29). Denn in § 5 Absatz 3 heißt
es: „Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt er die Gesellschaft allein. Sind zwei
oder mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft durch zwei
Geschäftsführer (,) oder durch einen Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem
Prokuristen vertreten. Im Falle der Verhinderung des/der Geschäftsführer(s) wird die
Gesellschaft durch zwei Prokuristen vertreten. Der Aufsichtsrat kann einen oder mehrere
Geschäftsführer zur Alleinvertretung ermächtigen.“ Die Befreiung der bestellten
Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB oder eine entsprechende
Ermächtigung zur Befreiung ist weder an dieser Stelle noch an einer anderen Stelle des
Vertrages vorgesehen. Eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag ist aber
notwendig, wie auch allgemein in der Rechtsprechung angenommen wird (vgl.
BayObLGZ 1980, 209 = BB 1980, 1442; BayObLG DB 1984, 1517; BayObLG NJW-RR
1990, 420, 421; OLG Köln OLGZ 1993, 167 = NJW 1993, 1018; OLG Frankfurt OLGZ 1983,
182 = NJW 1983, 945); der Gegenauffassung in der Literatur (vgl. Bühler DNotZ 1983,
588; Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl., § 35 Rn. 66; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack,
GmbHG, 18. Aufl., § 35 Rn. 132 mwN) ist nicht zu folgen.
Nach der gesetzlichen Grundkonzeption vertreten die Geschäftsführer einer GmbH die
Gesellschaft nur gemeinschaftlich, wenn mehrere Geschäftsführer vorhanden sind, wenn
nur ein Geschäftsführer vorhanden ist, dieser allein, § 35 Absatz 2 Satz 2 GmbHG. Für
die Geschäftsführer gilt damit das Verbot des Selbstkontrahierens bzw. der
Mehrfachvertretung nach § 181 BGB. Denn dieses Verbot greift nach seinem Sinn und
Zweck nicht nur in den Fällen rechtsgeschäftlicher Vertretung, sondern auch und gerade
bei organschaftlicher Vertretung (vgl. BGHZ 33, 189, 198 = NJW 1960, 2285; 56, 97, 101
= NJW 1971, 1355; BayObLGZ 1980, 209 = BB 1980, 1442; Palandt/Heinrichs, BGB, 65.
Aufl., § 181 Rn. 3). Eine andere Gestaltung dieser Vertretungsregelung bedarf einer
entsprechenden Bestimmung im Gesellschaftsvertrag, wie sich ausdrücklich aus § 35
Absatz 2 Satz 1 und 2 GmbHG ergibt. Die Annahme der weiteren Beschwerde, nur die
das Innenverhältnis der Gesellschafter betreffenden Regelungen seien echte
Bestandteile des Gesellschaftsvertrages und unterlägen damit den formellen
Anforderungen an eine Satzungsänderung nach den §§ 53f. GmbHG, trifft daher nicht
zu. Als echte Satzungsbestandteile sind nämlich nicht nur die in § 3 Absatz 1 GmbHG
genannten Regelungen, sondern auch die nach § 35 Absatz 2 Satz 1 und 2 GmbHG im
Gesellschaftsvertrag zu treffenden, von den gesetzlichen Bestimmungen abweichenden
abstrakten Regelungen der Vertretungsverhältnisse anzusehen (vgl. BayObLGZ 1980,
209 = BB 1980, 1442; Scholz/Priester, GmbHG, 9. Aufl., § 53 Rn. 9;
Roth/Altmeppen/Roth, GmbHG, 5. Aufl., § 3 Rn. 1).
Dagegen kann auch nicht eingewandt werden, der gesetzlichen Regelung in § 181 BGB
sei die Möglichkeit der Befreiung immanent, so dass in ihrer Erteilung keine Abweichung
von der im Gesellschaftsvertrag getroffenen Regelung liege (so etwa Bühler, a.a.O. S.
597; Roth/Altmeppen, a.a.O. § 35 Rn. 66). Denn dies trifft nur für die auf konkrete
Rechtsgeschäfte bezogene Gestattung zu, nicht aber für eine dem Geschäftsführer
generell, d.h. für alle oder eine abstrakt bezeichnete Gruppe von Rechtsgeschäften
erteilte Befreiung. Denn eine solche generelle Befreiung tritt an die Stelle der
gesetzlichen Bestimmung, nicht anders als die vom dispositiven Gesetzesrecht (vgl. §
35 Abs. 2 Satz 2 GmbHG) abweichenden Regelungen des Gesellschaftsvertrages.
b) Die von der Beteiligten hiergegen erhobenen Bedenken greifen nicht durch. Aus der
Tatsache, dass das GmbHG vor dem BGB in Kraft getreten ist, ergibt sich ebensowenig
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Tatsache, dass das GmbHG vor dem BGB in Kraft getreten ist, ergibt sich ebensowenig
wie aus dem später eingefügten § 35 Absatz 4 GmbHG, dass die Regelung des § 181
BGB nicht auch auf den Geschäftsführer der mehrgliedrigen GmbH anzuwenden ist. Es
kann auch nicht dem Einwand gefolgt werden, die vom Senat im Einklang mit der Praxis
der Handelsregister und – soweit ersichtlich – der einhelligen obergerichtlichen
Rechtsprechung vertretene Auffassung führe zu einer nutzlosen und lediglich Kosten
verursachenden Förmelei. Demgegenüber ist zunächst darauf hinzuweisen, dass den
Bedürfnissen des Rechtsverkehrs, von der Befreiung des Geschäftsführers von § 181
BGB rasch und ohne hinderliche Förmlichkeiten Gebrauch zu machen, durch die
Möglichkeit der Gestattung durch einfachen Gesellschafterbeschluss im konkreten
Einzelfall und durch die weitere von der Rechtsprechung anerkannte Möglichkeit der
satzungsmäßigen Ermächtigung der Gesellschafterversammlung auch zur generellen
Erteilung der Befreiung hinreichend Rechnung getragen wird. Der Einwand berücksichtigt
aber auch den Schutzzweck des § 53 Absatz 2 GmbHG nicht hinreichend. Die Gefahren
der generellen Befreiung des Geschäftsführers von § 181 BGB sind, im Gegensatz zur
Gestattung im Einzelfall, nicht überschaubar, so dass es nicht unangemessen ist, hierfür
eine notariell beurkundete Beschlussfassung durch eine qualifizierte Mehrheit zu
verlangen.
Auch die von der Beteiligten geltend gemachten Verfahrensbedenken greifen nicht
durch. Durch die Notwendigkeit einer Satzungsregelung hinsichtlich der Befreiung vom
Selbstkontrahierungs- und Mehrfachvertretungsverbot ist nicht die Möglichkeit
genommen, sogleich mit dem Beschluss über die Satzungsänderung einen Beschluss
über die entsprechende Befreiung des Geschäftsführers zu fassen. Die
Satzungsänderung wird zwar erst mit der Eintragung im Register wirksam (§ 54 Absatz 3
GmbHG). Der zugleich gefasste Gesellschafterbeschluss ist aber, wenn dies nicht
ohnehin ausdrücklich angeordnet ist, durch Auslegung dahin zu verstehen, dass die
Befreiung erst mit der Eintragung der Satzungsänderung erteilt ist. Entsprechend wird
auch eine die Befreiungsmöglichkeit aufhebende Satzungsänderung zu behandeln sein.
Entgegen der Auffassung der Beteiligten ist eine zuvor erteilte Befreiung von den
Beschränkungen des § 181 BGB nach der Eintragung dieser Satzungsänderung nicht
von Amts wegen zu löschen. Der Beschluss über die Satzungsänderung wäre vielmehr
dahin zu verstehen, dass die erteilten Befreiungen widerrufen sind.
II. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, § 13a Absatz 1 KostO. Die Festsetzung
des Geschäftswertes ergibt sich aus den §§ 131 Absatz 2, 30 KostO.
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