Urteil des KG Berlin vom 14.03.2017

KG Berlin: abberufung, fristlose kündigung, verwaltung, vertretung, abstimmung, herausgabe, beendigung, anfechtungsfrist, ermessen, verwalter

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Gericht:
KG Berlin 24.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
24 W 45/04
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 23 Abs 2 WoEigG, § 24 Abs 6
WoEigG
Wohnungseigentum: Wirksamkeit des Mehrheitsbeschlusses
über Kündigung des Verwaltervertrages bei fehlender Angabe
des Beschlussgegenstandes in der Einladung und Fehlen eines
unterschriebenen Versammlungsprotokolls
Leitsatz
Weder die fehlende Angabe des Beschlussgegenstandes in der Einladung noch das Fehlen
eines unterschriebenen Versammlungsprotokolls steht der Annahme entgegen, dass in der
Wohnungseigentümerversammlung ein Mehrheitsbeschluss über die Kündigung des
Verwaltervertrages zustandegekommen ist, der im Zweifel auch die Abberufung des
Verwalters umfasst.
Rechtssatz: WEG §§ 23 II, 24 VI (Eigentümerbeschluss; Fehlen eines Versammlungsprotokolls;
Ladungsmangel)
Weder die fehlende Angabe des Beschlussgegenstandes in der Einladung noch das Fehlen
eines unterschriebenen Versammlungsprotokolls steht der Annahme entgegen, dass in der
Wohnungseigentümerversammlung ein Mehrheitsbeschluss über die Kündigung des
Verwaltervertrages zustandegekommen ist, der im Zweifel auch die Abberufung des
Verwalters umfasst.
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten dritter Instanz haben die Antragsteller als
Gesamtschuldner zu tragen. Sie haben den Antragsgegnern deren außergerichtliche
Kosten dritter Instanz zu erstatten.
Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 7.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller zu I.1. ist Eigentümer der Wohnungen Nr. 14 und Nr. 15 und bildet mit
den Antragsgegnern die Wohnungseigentümergemeinschaft der aus 18 Wohneinheiten
bestehenden Wohnanlage. Der Antragsteller zu I.1. ist Mehrheitsgesellschafter der
Antragstellerin zu I.2., einer GmbH und Co. KG, die am 26. Juli 1999 zur Verwalterin für
die Wohnanlage bestellt worden ist und deren Geschäftsführer der Komplementär-GmbH
den Beteiligten zu I.1. vertretungsweise mit Verwaltertätigkeiten betraut hat. Der am 27.
Januar 2000 von den Beteiligten geschlossene Verwaltervertrag regelt unter § 3 u.a.:
„1. Der Verwalter wird mit Wirkung vom 1. August 1999 ... bestellt.
2. Die Bestellung erfolgt bis zum 31. Juli 2000. Der Vertrag verlängert sich jeweils
um 1 Jahr, wird er nicht spätestens 3 Monate vor Ablauf gekündigt.“
In § 8 des Verwaltervertrages wurde eine jährliche Verwaltervergütung von 420,-- DM
(214,75 EUR) pro Wohneinheit festgelegt.
In Vertretung der Verwalterin lud der Antragsteller zu I.1. mit Schreiben vom 12. April
2002 zu der Eigentümerversammlung vom 24. April 2002 ein, in der zu TOP 12 die „Wahl
des Beirates“ angekündigt war.
Der Beteiligte zu I.1. leitete in Vertretung der Beteiligten zu I.2. die
Eigentümerversammlung am 24. April 2002 und ließ den Verlauf und die
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Eigentümerversammlung am 24. April 2002 und ließ den Verlauf und die
Beschlussfassungen durch eine Angestellte protokollieren. Mit Kurzbrief vom 31. Mai
2002 übersandte die Verwalterin dem Beiratsvorsitzenden einen nicht unterschriebenen
Entwurf des Versammlungsprotokolls vom 24. April 2002. Auf der Basis dieses Entwurfs
wurde vom Verwaltungsbeirat eine Neufassung hergestellt, die wiederum vom
Verwaltungsbeirat, nicht aber von dem Beteiligten zu I.1. unterschrieben worden ist.
Streitpunkt der Beteiligten sind die bei den Erörterungen zu TOP 12 vorgenommenen
Beratungen und Beschlussfassungen betreffend die Kündigung des Verwaltervertrages
mit der Beteiligten zu I.2. zum 31. Juli 2002. Nach den insoweit übereinstimmenden
Protokollentwürfen hat das Landgericht zu TOP 12 folgende Beschlussfassungen
festgestellt:
„Herr R... stellt den Antrag der HV M. die Kündigung des bestehenden
Verwaltervertrages lt. verlesener Kündigung vom 24.04.2002 per 31.07.2002
auszusprechen.
Die WEG beschließt somit die fristgerechte Kündigung des Verwaltervertrages vom
25./27.01.2000 zum 31. Juli 2002.
Die HV M. wird von allen Tätigkeiten und Aufgaben ab dem Zeitpunkt entbunden,
nachdem alle Unterlagen, Schlüssel und Gelder der WEG N. ... . dem Verwaltungsbeirat
vollständig übergeben und von diesem geprüft worden sind. ...
Für die Verwaltung von 18 Wohneinheiten wird für Frau B... eine Aufwandsentschädigung
von 250,-- EUR ab 01.08.02 beschlossen.
Herr R... stellt gleichzeitig den Antrag zum 01.08.02 die Selbstverwaltung der WEG N...
auszuüben und Frau S... B... mit der Ausführung der Arbeiten zu beauftragen.
Die WEG beschließt sich somit selbst ab Übergabe der Unterlagen und Gelder
spätestens aber zum 01.08.2002 zu verwalten. Diese Aufgabe wird von Frau S... B... im
Auftrag der WEG und in Zusammenarbeit und Abstimmung mit dem Verwaltungsbeirat
durchgeführt. ...
Die Herren H.. , R... und B... sind damit einstimmig zum Verwaltungsbeirat gewählt
worden.
Herr B.. erhält als Vertretung der HV M. und Frau B... das Kündigungsschreiben vom 24.
April 2002 der WEG N... ausgehändigt. Herr B.. zeichnet dieses als erhalten gegen.“
Die Beschlussfassungen zu TOP 12 der Eigentümerversammlung vom 24. April 2002
sind nicht angefochten worden.
Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war die Anfechtung von
Eigentümerbeschlüssen in der weiteren Eigentümerversammlung vom 17. Juni 2002, in
der eine fristlose Kündigung der Antragstellerin zu I.2. ausgesprochen worden ist. Im
Hinblick darauf, dass die Eigentümerversammlung am 17. Juni 2002 nicht von der
amtierenden Verwalterin einberufen worden ist, hat das Amtsgericht - inzwischen
rechtskräftig - diese Eigentümerbeschlüsse für ungültig erklärt. Gegenstand des
vorliegenden Verfahrens ist darüber hinaus der Widerantrag der Antragsgegner auf
Feststellung, dass die Verwaltertätigkeit der Beteiligten zu I.2. aufgrund der
fristgerechten Kündigung vom 24. April 2002 zum 31. Juli 2002 geendet hat sowie auf
Herausgabe der vollständigen Verwaltungsunterlagen.
Die Antragsteller haben vorgetragen, in der Eigentümerversammlung vom 24. April 2002
sei nur über die Kündigung, nicht aber über die Abberufung der Verwaltung abgestimmt
worden. Eine dahingehende Beschlussfassung wäre auch nicht wirksam gewesen, weil
weder die Kündigung des Verwaltervertrages noch die Abberufung der Verwaltung im
Einladungsschreiben vom 12. April 2002 als Tagesordnungspunkt angekündigt worden
sei.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 25. Februar 2003 die Beendigung des
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Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 25. Februar 2003 die Beendigung des
Verwalterverhältnisses zum 31. Juli 2002 festgestellt und die Beteiligte zu I.2. zur
Herausgabe der Verwaltungsunterlagen verpflichtet. Das Landgericht hat mit dem
angefochtenen Beschluss vom 20. Januar 2004 die Erstbeschwerde der Antragsteller
zurückgewiesen. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller bleibt erfolglos.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller ist gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG
zulässig, jedoch in der Sache nicht gerechtfertigt. Einen Rechtsfehler, auf den die
sofortige weitere Beschwerde mit Erfolg allein gestützt werden kann (§ 27 Abs. 1 FGG),
weist der angefochtene Beschluss nicht auf. Rechtsfehlerfrei haben die Vorinstanzen
festgestellt, dass die Verwaltertätigkeit der Antragsteller zu I.2. zum 31. Juli 2002
geendet hat und diese zur Herausgabe der vollständigen Verwaltungsunterlagen
verpflichtet ist.
1. Nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts ist im Rahmen der
Erörterungen zu TOP 12 das vorbereitete Kündigungsschreiben des Verwaltungsbeirats
vom 24. April 2002 per 31. Juli 2002 verlesen worden und darauf mit Stimmenmehrheit
bei Stimmenthaltung des Beteiligten zu I.1. die fristgerechte Kündigung des
Verwaltervertrages ausgesprochen und zugleich eine andere Wohnungseigentümerin mit
der Verwaltung vom 1. August 2002 an beauftragt worden. Auch nach dem von dem
Beteiligten zu I.1. gefertigten Protokollentwurf hat er selber protokolliert, dass ihm das
Kündigungsschreiben vom 24. April 2002 ausgehändigt worden ist.
2. Ohne Rechtsirrtum führt das Landgericht aus, dass nach den gesamten Umständen in
der auch schriftlich dokumentierten Kündigung zum 31. Juli 2002 zugleich auch die
Abberufung der Beteiligten zu I.2. liegt, was im Übrigen auch dadurch bestätigt wird,
dass die Beteiligten durch Mehrheitsbeschluss mit Wirkung vom 1. August 2002 eine
Wohnungseigentümerin als neue Verwalterin gewählt und auch die
Aufwandsentschädigung für sie festgelegt haben. Auch wenn von dem
wohnungseigentumsrechtlichen Akt der Abberufung des Verwalters grundsätzlich die
Kündigung des Verwaltervertrages zu unterscheiden ist, liegt in einem
Eigentümerbeschluss über die Kündigung des Verwaltervertrages regelmäßig auch die
Abberufung des Verwalters (vgl. BayObLG NJW-RR 1999, 1390 = NZM 1999, 844 = ZMR
1999, 575). Darüber hinaus enthält der Beschluss der Wohnungseigentümer, einen
neuen Verwalter zu bestellen, in der Regel die Abberufung des bisherigen Verwalters, der
mit dem Zugang der Abberufungserklärung auch seine Organstellung verliert (BayObLG
NJW-RR 2003, 517 = NZM 2003, 243 = ZMR 2003, 438).
3. Auch nach dem Protokollentwurf des Beteiligten zu I.1. hat dieser im Rahmen der
Erörterungen zu TOP 12 die Erklärung abgegeben, die Hausverwaltung sei bereit, die
Aufgaben an andere abzugeben, zumal die Beteiligten zu I.1. und I.2. sich ohnehin nicht
danach gedrängt hätten, die Verwaltung zu übernehmen. Demgemäß vermag der Senat
auch die Erstbeschwerdebegründung der Antragsteller nicht nachzuvollziehen, dass die
Kündigung des Verwaltervertrages von der Verwalterin auch am 24. April 2002 akzeptiert
worden sei, da die Konditionen dieses Verwaltervertrages nicht mehr marktgerecht und
kostendeckend waren, und sich die Verwalterin für Verhandlungen zum Abschluss eines
neuen Verwaltervertrages mit geänderten Konditionen zu Verfügung halte. Dasselbe gilt
für die rechtliche Argumentation der Antragsteller, ungeachtet der Kündigung bestehe
die Verwalterstellung fort und das Honorar bestimme sich nunmehr nach der üblichen
Vergütung. Angesichts des für die Beteiligte zu I.2. vertretungsberechtigten Beteiligten
zu I.1. würde sich aus den Erklärungen der Antragstellerseite in der
Eigentümerversammlung vom 24. April 2002 sogar ein Einverständnis mit der Auflösung
des Verwalterverhältnisses ergeben.
4. Rechtlich einwandfrei hat das Landgericht festgestellt, dass Nichtigkeitsgründe für den
Kündigungs- (und Abberufungs-)beschluss vom 24. April 2002 nicht vorliegen und dieser
Mehrheitsbeschluss mit der fristgerechten Beendigung des Verwalterverhältnisses zum
31. Juli 2002 somit bestandskräftig geworden ist. Rechtlich unerheblich ist der Einwand
der Antragsteller, die Ablösung der Verwaltung sei in dem Einladungsschreiben vom 12.
April 2002 nicht aufgeführt gewesen. Die Verletzung der Vorschrift des § 23 Abs. 2 WEG
führt nicht zur Nichtigkeit des Eigentümerbeschlusses, sondern allenfalls zu dessen
Anfechtbarkeit (Bärmann/Pick/Merle, WEG 9. Aufl., § 23 Rdnr. 88). Eine Anfechtung
dieses Eigentümerbeschlusses innerhalb der Anfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 WEG ist
jedoch nicht erfolgt. Rechtlich nicht haltbar sind auch die Ausführungen der
Rechtsbeschwerdebegründung, wegen des Fehlens eines unterschriebenen
Versammlungsprotokolls könne nicht von einem Kündigungs- (und Abberufungs-
)beschluss ausgegangen werden. Die Gültigkeit der in einer
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)beschluss ausgegangen werden. Die Gültigkeit der in einer
Wohnungseigentümerversammlung gefassten Beschlüsse wird grundsätzlich vom Fehlen
oder von Mängeln einer Niederschrift nicht berührt (KG ZMR 1993, 532;
Bärmann/Pick/Merle, WEG 9. Aufl., § 24 Rdnr. 115). Im Übrigen könnte es treuwidrig
erscheinen, wenn die Antragsteller sich auf die fehlende unterschriebene
Protokollfassung berufen, obwohl sie einen Entwurf erst mit einem Kurzbrief vom 31. Mai
2002, also nach Ablauf der einmonatigen Anfechtungsfrist, an den Beirat übersandt
haben. Dass die Eigentümerbeschlüsse zur Kündigung der Verwalterin und zur
Neubestellung einer Verwalterin in der Eigentümerversammlung vom 24. April 2002
ungeachtet der fehlenden unterschriebenen Protokollierung gefasst worden sind, haben
die Vorinstanzen verfahrensfehlerfrei festgestellt.
5. Mit der wirksamen Abberufung der Beteiligten zu I.2. mit Wirkung vom 1. August 2002
ist auch der Herausgabeanspruch betreffend die Verwalterunterlagen begründet. Nach
den verfahrensfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts sind diese jedenfalls nicht
vollständig an die Antragsgegner herausgegeben worden.
Es entspricht billigem Ermessen, dass die Antragsteller als Gesamtschuldner die
Gerichtskosten ihres erfolglosen Rechtsmittels tragen (§ 47 Satz 1 WEG). Angesichts der
überzeugenden Begründung des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts
entspricht es auch billigem Ermessen, dass die Antragsteller als Gesamtschuldner den
Antragsgegnern die notwendigen außergerichtlichen Kosten dritter Instanz erstatten (§
47 Satz 2 WEG).
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 WEG und entspricht der des
Landgerichts.
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