Urteil des KG Berlin vom 14.03.2017

KG Berlin: fahrstreifen, geschwindigkeit, mithaftung, quelle, sammlung, link, kreuzung, berufungskläger, rechtsverletzung, verkehrsunfall

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Gericht:
KG Berlin 12.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 U 2/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 254 Abs 1 BGB, § 823 Abs 1
BGB
Verkehrsunfall: Voraussetzung für eine Mithaftung des
Bevorrechtigten bei einer Vorfahrtsverletzung in "Lückenfällen"
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch
einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
2. Die Berufungskläger erhalten gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO Gelegenheit, hierzu
binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.
Gründe
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche
Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 Satz
1 ZPO.
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die
angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die
nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung
rechtfertigen.
Beides ist nicht der Fall.
Das Landgericht ist in der angefochtenen Entscheidung zu Recht davon ausgegangen,
dass der Beklagte zu 1. den streitgegenständlichen Verkehrsunfall allein verschuldet hat
und die Beklagten deshalb für die am Fahrzeug der Klägerin entstandenen Schäden in
vollem Umfang haften.
Der Senat schließt sich den zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen
Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet werden, an.
Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:
Die Berufung greift das Urteil des Landgerichts nunmehr nur noch insoweit an, als es
nicht von einer in den so genannten „Lückenfällen“ regelmäßigen Mithaftungsquote in
Höhe von ¼ ausgegangen ist. Dabei geht die Berufung davon aus, dass das
Vorhandensein einer Lücke unstreitig ist, nur deren Größe und Erkennbarkeit für den
Kläger vom Landgericht falsch bewertet wurde.
Mit dem Landgericht ist zutreffend davon auszugehen, dass gegen den Beklagten zu 1.
der Beweis des ersten Anscheins für eine schuldhafte Vorfahrtverletzung spricht, was
von der Berufung auch nicht in Zweifel gezogen wird.
Nicht zu beanstanden ist es auch, wenn das Landgericht auf Grund der durchgeführten
umfangreichen Beweisaufnahme eine für die „Lückenrechtsprechung“ erforderliche, für
den Kläger erkennbare Lückensituation, als von den Beklagten nicht bewiesen
angesehen hat.
Dabei ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass ein Eingreifen der
„Lückenrechtsprechung“ nur dann in Betracht kommt, wenn der Vorfahrtberechtigte
sich einer erkennbaren Verkehrslücke in Höhe einer Kreuzung oder Einmündung nähert
(vgl. KG, Urteil vom 13. Mai 1976 – 22 U 167/76 – VersR 1977, 157).
Will der Wartepflichtige eine Mithaftung des Bevorrechtigten damit begründen, dieser
hätte den Unfall durch rechtzeitige unfallverhütende Reaktion vermeiden können, so
muss er darlegen und beweisen, dass sich der Bevorrechtigte durch überhöhte
Geschwindigkeit außer Stande gesetzt hat, unfallverhütend zu reagieren oder sich im
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Geschwindigkeit außer Stande gesetzt hat, unfallverhütend zu reagieren oder sich im
Zeitpunkt der Erkennbarkeit der Vorfahrtsverletzung in einer solchen Entfernung vom
Kollisionsort befand, dass eine unfallverhütende Reaktion überhaupt möglich gewesen
wäre (vgl. Senat, Urteile vom 14. November 2002 – 12 U 140/01 – KGR 2003, 235 = VRS
105, 104 = NZV 2003, 575 und vom 22. Juli 2002 - 12 U 9728/00 - KGR 2003, 20 = VRS
103, 406 = NZV 2003, 378).
Hieran fehlt es vorliegend.
Wie auch die Berufung nicht verkennt, hat sich die erstinstanzliche Behauptung der
Beklagten, der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs sei mit überhöhter Geschwindigkeit an
die Unfallstelle herangefahren, nicht bestätigt.
Ebenfalls nicht festgestellt werden konnte nach der durchgeführten Beweisaufnahme,
dass der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs eine von den Fahrzeugen auf dem 1. und 2.
Fahrstreifen von links frei gelassene Lücke hätte rechtzeitig erkennen können und
müssen. Dabei ist das Landgericht in der rechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung
der Zeugenaussagen zu Recht davon ausgegangen, dass keiner der unbeteiligten
Zeugen eine Situation geschildert hat, in der dem Fahrer des Klägers eine größere frei
gelassene Lücke hätte auffallen müssen. Dies lässt sich entgegen den Ausführungen der
Berufung auch der Aussage des Zeugen W. nicht entnehmen. Dieser hatte zunächst
angegeben, dass die Lücke eher klein gewesen sei. Ob und wie groß eine Lücke auf dem
äußersten linken Fahrstreifen gewesen sei, vermochte er gar nicht mehr anzugeben.
Auch wenn der Zeuge auf Nachfrage angab, dass die gelassene Lücke im mittleren
Fahrstreifen auch größer als eine Fahrzeuglänge gewesen sein könnte, ergibt sich
daraus nicht, dass der Fahrer des klägerischen Fahrzeuges diese Lücke hätte erkennen
können und müsse, und zwar zu einem Zeitpunkt, als er noch unfallverhütend hätte
reagieren können.
Allein die Tatsache, dass sich an der Einmündung der Max-Dohrn-Straße ein
Mittelstreifendurchbruch befand, verpflichtete den Fahrer des klägerischen Fahrzeugs
nicht dazu, sich dieser Stelle grundsätzlich mit langsamerer Geschwindigkeit als der
verkehrsrechtlich zulässigen zu nähern und eine erhöhte Bremsbereitschaft einzuhalten
(vgl. hierzu Senat, Urteil vom 14. November 2002,aaO.).
Es wird anheim gestellt, die weitere Durchführung der Berufung zu überdenken.
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