Urteil des KG Berlin vom 14.03.2017

KG Berlin: vergütung, aktiven, unternehmen, arbeitskraft, anpassung, verfügung, nebentätigkeit, nettolohn, reallohnentwicklung, dienstvertrag

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Gericht:
KG Berlin 6. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 U 176/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 16 Abs 1 BetrAVG, § 16 Abs 2
Nr 1 BetrAVG, § 16 Abs 2 Nr 2
BetrAVG
Betriebsrentenanpassung: Ruhegehalt eines vormaligen
Vorstandsmitglieds eines nach Ausscheiden teilprivatisierten
städtischen Versorgungsbetriebs
Leitsatz
Einem vormaligen Vorstandsmitglied eines nach seinem Ausscheiden teilprivatisierten
städtischen Versorgungsbetriebes steht gemäß § 16 Abs. 2 BetrAVG ein Anspruch auf
Anpassung seines Ruhegehaltes im Umfang des Anstieges des Verbraucherpreisindexes im
Anpassungszeitraum zu; der Nichtanstieg der Bezüge der aktiven Vorstände steht dem nicht
entgegen, wenn diese zugleich Vorstände der Holding des Versorgungsbetriebes sind und
dort höhere Bezüge erhalten, auf die die Bezüge des Versorgungsbetriebes angerechnet
werden.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 24. Juli 2007 verkündete Urteil des
Landgerichts Berlin - 13 O 293/06 - geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.172,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2007 und aus je 254,80 Euro
seit dem jeweiligen Monatsersten seit dem 1. Juli 2004 bis zum 30. Mai 2007 zu zahlen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 43 % und die Beklagte
57 % zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Beklagten zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt als ehemaliges Vorstandsmitglied der Beklagten eine Erhöhung
seines Ruhegehaltes für die Zeit vom 1. Juli 2004 bis zum 30. Juni 2007. Das Landgericht
hat seine Klage abgewiesen. Wegen des zugrunde liegenden Sachverhaltes und der
Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil vom 24. Juli 2007 verwiesen.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seinen Anspruch noch in Höhe des
Teuerungsausgleichs von 3,71 % weiter. Dies sind auf der Basis des dem Kläger
zustehenden Ruhegehaltes von monatlich 6.867,93 Euro monatlich 254,80 Euro, woraus
sich der mit der Berufungsbegründung weiterverfolgte Anspruch in Höhe von insgesamt
9.172,80 Euro (36 Monate mal 254,80 Euro) ergibt.
Hinsichtlich des Tatbestandes ergänzt der Kläger, dass er - was unstreitig ist - bereits
seit dem 1. Juli 1991 - zunächst als Geschäftsleiter - und sodann vom 10. Februar 1994
bis zum 4. August 1999 als Vorstand bei der Beklagten tätig war, dass er bereits Ende
September 1999 als Vorstand abberufen, der Dienstvertrag durch die
Aufhebungsvereinbarung vom 22. März 2000 jedoch zum 31. März 2000 beendet wurde.
Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen die Auffassung des Landgerichts,
dass bei der Ermittlung der sogenannten reallohnbezogenen Obergrenze gemäß § 16
Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur betrieblichen Altersversorgung - BetrAVG - die von der B.
H. AG (im Folgenden kurz: H. ) gezahlten Bezüge nicht zu berücksichtigen seien.
Er macht geltend, das vom Landgericht verwendete Argument, nach dem Wortlaut der
Vorschrift komme es auf die Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des
Unternehmens an, könne vorliegend wegen der bereits erstinstanzlich zitierten
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 30. August 2005 - 3 AZR 395/04 - nicht
herangezogen werden, weil danach auch eine konzernweit ermittelte Vergleichsgröße
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herangezogen werden, weil danach auch eine konzernweit ermittelte Vergleichsgröße
zulässig sei.
Das formale Argument, dass die Vorstandsmitglieder einen gesonderten Dienstvertrag
mit der H. geschlossen haben, greife schon deshalb nicht, weil die H. erst nach seinem
Ausscheiden aus der Beklagten gegründet wurde. Ansonsten könne jegliche Anpassung
im Rahmen des § 16 BetrAVG durch eine schlichte gesellschaftsrechtliche
Umstrukturierung ausgehebelt und umgangen werden. Entscheidend sei vielmehr, dass
sich der Tätigkeitsbereich des Konzernpersonalvorstandes mit seinem vormaligen
Tätigkeitsbereich decke, wie er erstinstanzlich im Einzelnen vorgetragen habe. Dies
zeige auch der zwischen dem L. B. als Anstalts- und Gewährträger der Beklagten und
den privaten Investoren, welche zum Zwecke der Beteiligung an der Teilprivatisierung
der Beklagten eine BWB-Beteiligungs-AG gegründet haben, am 14. Juni 1999
geschlossene Konsortialvertrag, in dem unter Ziffer II. §§ 3 - 5 die Geschäftsfelder der
Beklagten vor der Teilprivatisierung beschrieben werden, wonach die Beklagte schon
damals nicht nur ihr Kerngeschäft betrieb, sondern im Wege von Beteiligungen an in-
und ausländischen Unternehmen das sogenannte Umlandgeschäft, das
Wettbewerbsgeschäft und das sonstige Geschäft. Auch die Geschäfte der
Tochtergesellschaft B. W. AG, die später als B. H. AG umfunktioniert worden sei, seien
damals noch unter dem Dach der Beklagten zusammengefasst und damit von seinem
Tätigkeitsbereich umfasst gewesen. Aus dem Konsortialvertrag ergebe sich außerdem,
dass nach der ursprünglichen Planung eine Teilidentität hinsichtlich der
Vorstandsmitglieder der Beklagten und der H. vorgesehen gewesen sei.
Zusammenfassend lasse der Konsortialvertrag deutlich erkennen, dass der gesamte
Geschäftsbereich des ursprünglichen “Konzerns” B. W. in gesellschaftsrechtlich
umstrukturierter Form auf die nunmehr bestehende Beklagte sowie die B. H. AG
überführt werden sollte, jedoch die Tätigkeit sich nicht wesentlich unterscheide.
Soweit das Landgericht seine Entscheidung darauf gestützt hat, dass ein
karrierebedingter oder auf einem besonderen persönlichen Einsatz beruhender Teil
eingetretener Gehaltssteigerungen bei der im Rahmen des § 16 BetrAVG gebotenen
typisierenden Berechnungsweise nicht zu berücksichtigen sei, sei dies nicht
nachvollziehbar. Insbesondere habe die Beklagte schon gar nicht vorgetragen, dass
durch die zu Vorständen bestimmten Personen tatsächlich ein besonderer persönlicher
Einsatz erbracht werde.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des am 24. Juli 2007 verkündeten Urteil des
Landgerichts Berlin zu verurteilen, an ihn 9.172,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
aus 254,80 EUR seit dem 1. Juli 2004,
aus 509,60 EUR seit dem 1. August 2004,
aus 764,40 EUR seit dem 1. September 2004,
aus 1.019,20 EUR seit dem 1. Oktober 2004,
aus 1.274,-- EUR seit dem 1. November 2004,
aus 1.528,80 EUR seit dem 1. Dezember 2004,
aus 1.783,60 EUR seit dem 1. Januar 2005,
aus 2.038,40 EUR seit dem 1. Februar 2005,
aus 2.293,20 EUR seit dem 1. März 2005,
aus 2.548,-- EUR seit dem 1. April 2005,
aus 2.802,80 EUR seit dem 1. Mai 2005,
aus 3.057,60 EUR seit dem 1. Juni 2005,
aus 3.312,40 EUR seit dem 1. Juli 2005,
aus 3.567,20 EUR seit dem 1. August 2005,
aus 3.822,-- EUR seit dem 1. September 2005,
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aus 4.076,80 EUR seit dem 1. Oktober 2005,
aus 4.331,60 EUR seit dem 1. November 2005,
aus 4.586,40 EUR seit dem 1. Dezember 2005,
aus 4.841,20 EUR seit dem 1. Januar 2006,
aus 5.096,-- EUR seit dem 1. Februar 2006,
aus 5.350,80 EUR seit dem 1. März 2006,
aus 5.605,60 EUR seit dem 1. April 2006,
aus 5.860,40 EUR seit dem 1. Mai 2006,
aus 6.115,20 EUR seit dem 1. Juni 2006,
aus 6.370,-- EUR seit dem 1. Juli 2006,
aus 6.624,80 EUR seit dem 1. August 2006,
aus 6.879,60 EUR seit dem 1. September 2006,
aus 7.134,40 EUR seit dem 1. Oktober 2006,
aus 7.389,20 EUR seit dem 1. November 2006,
aus 7.644,-- EUR seit dem 1. Dezember 2006,
aus 7.898,80 EUR seit dem 1. Januar 2007,
aus 8.153,60 EUR seit dem 1. Februar 2007,
aus 8.408,40 EUR seit dem 1. März 2007,
aus 8.663,20 EUR seit dem 1. April 2007,
aus 8.918,-- EUR seit dem 1. Mai 2007,
aus 9.172,80 EUR seit dem 1. Juni 2007 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Auf den Hinweis des Senats vom 22.07.2008, dass Zweifel an der Geeignetheit der
Gruppe der Vorstandsmitglieder der Beklagten als Vergleichsgruppe im Hinblick auf
deren Doppeltätigkeit bestehen könnten, trägt die Beklagte vorsorglich ergänzend vor,
dass die Nettolöhne der bei der Beklagten beschäftigten Vollzeitarbeitnehmer ohne
Vorstände und AT(außertarifliche) -Angestellte im Prüfungszeitraum um durchschnittlich
10,14 %, diejenigen der AT-Angestellten um durchschnittlich 9,4 % und die der AT-
Angestellten einschließlich der Vorstandsmitglieder zusammen um durchschnittlich 2,66
% gestiegen sind.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II. Die zulässige Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg.
1. Gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der
laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach
billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die Belange des
Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu
berücksichtigen. Aufgrund dieser Bestimmung, die auf der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichtes - BAG - beruht, haben in entsprechender Anwendung des § 315
Abs. 1 und 3 BGB die Gerichte zu überprüfen, ob der Arbeitgeber bei seiner
Anpassungsentscheidung den ihm eingeräumten Ermessensspielraum überschritten hat
(BAG, Urteil vom 30.08.2005 - 3 AZR 395/04 Rdz 17 nach Juris).
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Da die Beklagte nicht geltend macht, dass ihre wirtschaftliche Lage einer Anpassung der
Versorgungsbezüge entgegenstünde, kommt es allein auf die Bestimmung des
Anpassungsbedarfs des Klägers als Versorgungsempfänger an. Dieser ergibt sich aus
dem seit Rentenbeginn eingetretenen Kaufkraftverlust. Gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 1
BetrAVG (eingeführt mit Wirkung vom 01.01.1999 in der Fassung vom 01.01.2003) gilt
die Anpassungsverpflichtung als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der
Anstieg des Verbraucherpreisindexes in Deutschland. Im dreijährigen Turnus ist jeweils
der volle nicht gedeckte Anpassungsbedarf seit Beginn der Rentenzahlung bis zum
Anpassungsstichtag zu ermitteln (BAG a. a. O. Rdnr. 22). Aufgrund des im
Prüfungszeitraum gestiegenen Verbraucherpreisindexes von 3,71 % besteht damit ein
entsprechender Anpassungsbedarf des Klägers.
Dieser Anpassungsbedarf wird nach ständiger Rechtsprechung des BAG durch die
Verdienstentwicklung bei den aktiven Arbeitnehmern begrenzt, sogenannte
reallohnbezogene Obergrenze. Danach widerspricht es der Billigkeit nicht, wenn der
Arbeitgeber die Betriebsrente nur bis zur durchschnittlichen Steigerung der Reallöhne
der aktiven Arbeitnehmer anpasst. Auch insoweit hat der Gesetzgeber in § 16 Abs. 2 Nr.
2 BetrAVG n. F. im Wesentlichen die Rechtsprechung des BAG übernommen. An der
systematischen Einordnung und dem Zweck der reallohnbezogenen Obergrenze auf der
Grundlage der Rechtsprechung des BAG hat sich durch die am 1. Januar 1999 in Kraft
getretene Neufassung des § 16 BetrAVG jedoch nichts geändert. Nach dieser
Rechtsprechung kommt es bei der reallohnbezogenen Obergrenze nicht darauf an, wie
sich die Nettovergütungen des einzelnen Versorgungsempfängers ohne Eintritt des
Versorgungsfalles und ohne Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis voraussichtlich
entwickelt hätten. Entscheidend ist vielmehr die Lohnentwicklung in einer bestimmten
Vergleichsgruppe aktiver Arbeitnehmer. Bei der Festlegung der maßgeblichen
Vergleichsgruppe haben die Arbeitgeber weiterhin einen weitgehenden
Gestaltungsspielraum. Sie dürfen u. a. die Gesamtkonzeption ihres Versorgungswerks,
die Praktikabilität der in Betracht kommenden Modelle und den mit ihnen jeweils
verbundenen Verwaltungsaufwand berücksichtigen, müssen jedoch den Interessen der
Versorgungsberechtigten und dem Anpassungszweck ausreichend Rechnung tragen.
Insbesondere müssen klare, verdienstbezogene Abgrenzungskriterien die
Gruppenbildung als sachgerecht erscheinen lassen. Zwischen dem Kreis der
Versorgungsempfänger und der Vergleichsgruppe aktiver Arbeitnehmer muss ein
genügender Zusammenhang bestehen. Demzufolge verbietet auch § 16 Abs. 2 Nr. 2
BetrAVG n. F. nicht eine konzernweit ermittelte, einheitliche reallohnbezogene
Obergrenze. Diese Vorschrift zwingt die Arbeitgeber nicht zu einer
unternehmensbezogenen Bildung vergleichbarer Arbeitnehmergruppen, sondern
verschafft den Arbeitgebern erhöhte Rechtssicherheit, wenn sie den vom Gesetzgeber
ausdrücklich gebilligten Weg beschreiten. Die Formulierung „gilt als erfüllt” bringt zum
Ausdruck, dass es keiner weiteren Prüfung mehr bedarf, wenn die gesetzlichen Vorgaben
eingehalten werden. Entscheidet sich der Arbeitgeber hingegen für eine andere
Berechnungsart, so ist noch eine Billigkeitskontrolle erforderlich (BAG a. a. O. Rdnr. 32
ff.).
Die Begrenzung des Anpassungsbedarfs der Versorgungsempfänger auf die
Verdienstentwicklung bei den aktiven Arbeitnehmern ist nach ständiger Rechtsprechung
des BAG geboten, „weil der Arbeitgeber sonst Unverständnis und Unzufriedenheit der
aktiven Arbeitnehmer befürchten muss” (Urteil vom 14.02.1989 - 3 AZR 313/87 - Rdz 17
m. w. N.). Im Urteil vom 11.08.1981 - 3 AZR 395/80 - hat das BAG hierzu ausgeführt, es
erscheine durchaus sachgerecht, die Wertentwicklung der Betriebsrenten mit der
Reallohnentwicklung zu vergleichen, die sich für die aktive Belegschaft in dem
Unternehmen ergibt, das die Versorgung aufbringt. Die Reallohnentwicklung sei
aufschlussreich für die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers und kennzeichne den
sozialen Zusammenhang, in dem die Anpassungsprüfung stattfindet. Wenn sogar die
aktive Belegschaft, auf deren Arbeitskraft das Unternehmen dringend angewiesen ist,
keinen vollen Teuerungsausgleich erhalten könne, wenn also die Nettoverdienste im
Durchschnitt weniger anstiegen als der Preisindex für die Lebenshaltung, müssten sich
auch die Betriebsrentner mit einer entsprechend geringeren Anpassungsrate begnügen.
Eine Bevorzugung der Versorgungsberechtigten würde auf Unverständnis der aktiven
Belegschaft stoßen und wäre in der Regel mit der wirtschaftlichen Lage des
Unternehmens schwer vereinbar (BAG a. a. O. Rdz 32).
2. Die reallohnbezogene Obergrenze stellt damit nicht etwa eine alternative Methode zur
Ermittlung des Anpassungsbedarfs dar, sondern eine Begrenzung des anhand des
Verbraucherpreisindexes ermittelten Anpassungsbedarfs.
a) Auf der Grundlage des § 16 Abs. 2 Nr. 2 und des Urteils des BAG vom 30.08.2005 ist
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a) Auf der Grundlage des § 16 Abs. 2 Nr. 2 und des Urteils des BAG vom 30.08.2005 ist
insoweit zwar zutreffend, dass die Prüfungsverpflichtung des Arbeitgebers als erfüllt gilt,
wenn sich die Prüfung auf die Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des
Unternehmens beschränkt, ein Anspruch auf Durchführung eines konzernweiten
Vergleichs also nicht besteht. Denn auch wenn nach der oben dargestellten
Rechtsprechung des BAG eine konzernweite Ermittlung der Obergrenze nicht verboten
ist, bedeutet dies nur, dass als Vergleichsmaßstab nicht nur die Nettolohnentwicklung
vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens, sondern der weiteren
Unternehmen des Konzerns herangezogen werden darf, wenn es dafür sachliche Gründe
gibt, nicht aber herangezogen werden muss.
b) Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei der Gruppe der Vorstände der
Beklagten angesichts der Besonderheiten, die sich aus ihrer Doppelfunktion ergeben,
um keine geeignete Vergleichsgruppe im Sinne des § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG.
aa) Das folgt zum einen daraus, dass die Doppelvorstände nicht, wie es in § 2 Abs. 1 des
Dienstvertrages des Klägers vorgesehen war, ihre ganze Arbeitskraft der Beklagten
widmen können. Soweit die Beklagte dem entgegen hält, auch in den selbständigen
Dienstverträgen der Doppelvorstände mit ihr und mit der ihr übergeordneten H. sei
vorgesehen, dass die Vorstände beiden Gesellschaften jeweils ihre volle Arbeitskraft zur
Verfügung zu stellen haben, „lediglich unter Anerkennung der Tatsache, dass die
Tätigkeit bei der jeweils anderen Gesellschaft bekannt und geduldet sei“, zeigt dies, dass
die Doppelvorstände der Beklagten gerade nicht ihre ganze Arbeitskraft zur Verfügung
stellen können und müssen, es sich insoweit vielmehr um eine beiden Parteien des
Dienstvertrages bekannte Fiktion handelt. Daraus folgt zugleich, dass es sich bei der
Fortzahlung der Vergütungen durch die Beklagte in der bisherigen Höhe an die neuen
Doppelvorstände trotz deren Doppelfunktion der Sache nach um eine Erhöhung der
Vergütung handelt, weil die Doppelvorstände nicht ihre volle Arbeitskraft allein der
Beklagten zur Verfügung stellen. Dem steht nicht entgegen, dass nach dem Vorbringen
der Beklagten die Vorstände die Vergütung nicht für eine Tätigkeit innerhalb einer
bestimmten Arbeitszeit erhalten, sondern dafür, dass sie die Verantwortung tragen.
Denn aus dem Inhalt der mit dem Kläger abgeschlossenen Dienstverträge ergibt sich
jedenfalls, dass der Kläger die Vergütung für die Führung der Geschäfte der Beklagten
als Tätigkeitsvergütung erhielt und hierfür seine ganze Arbeitskraft und alle seine
fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen der Beklagten zu widmen hatte; die Übernahme
einer Nebentätigkeit bedurfte der Zustimmung des Aufsichtsrates (§§ 1 bis 3 des
Dienstvertrages vom 7.2.1996; Änderungsvertrag vom 2.12.1996).
Der vorliegende Fall ist nicht vergleichbar mit einer Gehaltssteigerung aufgrund eines
Karrieresprungs oder besonderen persönlichen Einsatzes. Die Beklagte trägt auch nicht
konkret vor, dass ihre Vorstände in der Art einer Nebentätigkeit eine „Mehrarbeit”, quasi
nach Feierabend, erbringen würden.
Die Ansicht des Senats hat auch nicht - wie die Beklagte geltend macht - zur Folge, dass
Teilzeitbeschäftigte nicht mehr in die Bildung von Vergleichsgruppen einbezogen werden
könnten, was noch niemand in Literatur und Rechtsprechung vertreten habe; denn bei
Teilzeitbeschäftigten ist für die Vergleichbarkeit der Nettolohn in einen Nettolohn eines
Vollzeitbeschäftigten umzurechnen. Soweit sie geltend macht, Nebentätigkeiten bei
einem anderen Unternehmen hätten keinen Einfluss auf die Vergleichbarkeit der
absoluten Höhe der Vergütung, steht dem entgegen, dass es sich bei der
Doppelfunktion der Vorstände für die Beklagte und zugleich die ihr übergeordnete H.
nicht um eine bloße Nebentätigkeit handelt. Vielmehr ist es so, dass die
Vorstandsfunktion innerhalb der Beklagten nun seit November 2002 von den Vorständen
der ihr übergeordneten H. miterledigt wird, die Beklagte also von einem Vorstand
geführt wird, der die Geschäfte der Beklagten und der H. einheitlich bestimmt.
bb) Das von der Beklagten an die Doppelvorstände gezahlte Gehalt kann auch deshalb
keine maßgebliche Obergrenze bilden, weil dieses Gehalt bzw. die Jahresfixvergütung
unstreitig auf die Jahresfixvergütung aus dem Vertrag mit der Holding angerechnet wird.
Dabei mag es sich aus der Sicht der Beklagten und der H. um eine reine Frage der
technischen Vertragsgestaltung handeln, ob die von der Beklagten gezahlte niedrigere
Jahresfixvergütung auf die von der H. geschuldete höhere angerechnet wird und diese
daher nur noch die Differenz zahlen muss, oder ob mit der H. gleich eine Vergütung in
Höhe der Differenz vereinbart wird. Denn nach dem Sinn und Zweck des § 16 Abs. 2 Nr.
2 BetrAVG, der eine Besserstellung der Ruhegehaltsempfänger gegenüber den aktiven
Arbeitnehmern verhindern soll, die im Beurteilungszeitraum keine die Teuerungsrate
ausgleichende Nettolohnentwicklung verzeichnen können, kommt es maßgeblich auf die
Sichtweise und wirtschaftliche Stellung der aktiven Arbeitnehmer an, bei denen die
Erhöhung des Ruhegehalts kein Unverständnis und keine Unzufriedenheit hervorrufen
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Erhöhung des Ruhegehalts kein Unverständnis und keine Unzufriedenheit hervorrufen
soll. Wird dem aktiven Arbeitnehmer aber von der Konzernmutter seines Arbeitgebers
ein höheres Nettoeinkommen gezahlt, auf das das niedrigere der Konzerntochter
angerechnet wird, so ist aus seiner Sicht allein das höhere von der Konzernmutter
gezahlte maßgebend. Um dessen Erhöhung muss er kämpfen, um eine reale Erhöhung
seines Einkommens zu erzielen; welchen Anteil hieraus die Konzerntochter zahlt, ist aus
seiner Sicht vollkommen gleichgültig.
Die niedrigere und anzurechnende Vergütung, die die Beklagte zahlt, kann deshalb nicht
geeignet sein, den grundsätzlich gegebenen Anpassungsbedarf zu begrenzen und
vorliegend also auf Null zu reduzieren, solange die Vorstände der Beklagten als
Doppelvorstände fungieren und die niedrigere von der Beklagten geschuldete Vergütung
auf die höhere der H. angerechnet wird. Die konstante Höhe der von der Beklagten
gezahlten Vergütung kann aus der Sicht der aktuellen Vorstände berechtigterweise kein
Unverständnis gegenüber einem bloßen Kaufkraftausgleich der Versorgungsbezüge
vormaliger Vorstände der Beklagte rechtfertigen.
3. Da keine geeignete Vergleichsgruppe vorhanden ist, ist ersatzweise auf die
Nettolohnentwicklung aller im Unternehmen beschäftigter Aktiver abzustellen (vgl.
Langohr/Plato, Rechtshandbuch Betriebliche Altersversorgung, § 16 Rdnr. 910; anders
Höfer, BetrAVG, Kommentar, Arbeitsrecht, § 16 Rdnr. 5195 am Ende: hilfsweise
gesamtwirtschaftliche Nettoeinkommensentwicklung).
Die Nettolohnentwicklung aller im Unternehmen der Beklagten Beschäftigter übersteigt
unter Zugrundelegung des Vorbringens der Beklagten im Schriftsatz vom 25.08.08 S. 6
ff. den Prozentsatz von 3,71 %. Es trifft zwar zu, dass der Kläger dadurch an
Einkommenssteigerungen von Arbeitnehmern teilhat, die von einem ungleich
niedrigeren Niveau aus erzielt wurden, und der Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen
bei diesen Einkommen andere Auswirkungen hat als bei Vorständen, deren Vergütung
über den jeweiligen Beitragsbemessungsgrenzen liegen. Dieser Nachteil ist jedoch als
logische, unvermeidliche Konsequenz aus der Ersatzlösung, bei der eine vergleichbare
Arbeitnehmergruppe gerade nicht vorhanden ist, hinzunehmen. Dieser Nachteil wirkt
sich vorliegend nicht aus und die Anpassung führt auch nicht zu unbilligen Ergebnissen,
da die Nettolöhne aller im Betrieb der Beklagten Beschäftigter im Vergleichszeitraum
um 10,4 % gestiegen sind. Der Anstieg des Ruhegehaltes des Klägers um 3,71 % ist
demgegenüber moderat.
4. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 91 Abs. 1 708 Nr. 10 ZPO. Die
Voraussetzungen der Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO liegen nicht vor, da es
sich vorliegend um die Würdigung einer Sonderkonstellation handelt, der keine
grundsätzliche Bedeutung zukommt.
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