Urteil des KG Berlin vom 14.03.2017

KG Berlin: gebühr, entstehung, abrechnung, prozesskosten, vergütung, aufwand, vertretung, schutzschrift, erfüllung, bischof

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Gericht:
KG Berlin 1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 W 395/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 91 ZPO, § 104 ZPO, § 2 Abs 2
S 1 Anl 1 Nr 2300 Vorbem 3
RVG, § 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Nr 2300
Vorbem 4 RVG, § 2 Abs 2 S 1 Anl
1 Nr 3100 Vorbem 3 RVG
Kostenfestsetzung: Anrechnung der Geschäftsgebühr bei
Festsetzung der Verfahrensgebühr im nachfolgenden
Rechtsstreit
Leitsatz
1. Die Entstehung einer Geschäftsgebühr nach RVG VV Nr. 2300 hat auf die Entstehung der
Verfahrensgebühr nach VV Nr. 3100 f. im nachfolgenden, denselben Gegenstand
betreffenden Rechtsstreit keinen Einfluss. Die im Rechtsstreit entstandene Verfahrensgebühr
gehört in vollem Umfang zu den Kosten des Rechtsstreits.
2. Die in VV Vorbem. 3 Abs. 4 vorgeschriebene Anrechnung der Geschäftsgebühr mindert
nicht die nach §§ 91, 104 ZPO festzusetzenden Kosten des Rechtsstreits. Sie betrifft den
Vergütungsanspruch des bereits außergerichtlich mandatierten und tätig gewordenen
Anwalts sowie einen hierauf bezogenen Erstattungsanspruch und kann gegenüber der
Festsetzung des prozessualen Erstattungsanspruchs nach § 91 ZPO nur eingewandt werden,
wenn wegen der Titulierung oder unstreitiger Erfüllung des materiellen Erstattungsanspruchs -
insoweit - kein Anspruch auf Festsetzung nach §§ 103 ff. ZPO besteht (im Anschluss an
Senat, Beschluss vom 17.7.2007 - 1 W 256/07 - und Beschluss vom 24.6.2008 - 1 W 111/08 -;
gegen BGH - 8. ZS -, Beschluss vom 22.1.2008 - VIII ZB 57/07 -, NJW 2008, 1323, sowie, den
8. ZS folgend, 1., 3., 4, 6. und 7. ZS).
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Antragstellerin nach einem Wert von
699,90 EUR zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin hat mit anwaltlichem Abmahnschreiben vom 24.4.2008 (Bl. 124 f. d.
A.), dem die Antragsgegnerin mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom
5.5.2008 (Bl. 128 f. d. A.) und 8.5.2008 (Bl. 28 f. d. A.) entgegengetreten ist, einen
Anspruch auf Unterlassung von unlauterem Wettbewerb geltend gemacht. Den Antrag
auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 8.5.2008 hat das Landgericht nach
Anhörung der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin mit Beschluss vom
27.5.2008 zurückgewiesen und der Antragstellerin die Kosten des Rechtsstreits
auferlegt.
Mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15.7.2008 hat das
Landgericht, wie beantragt, gegen die Antragstellerin u. a. eine 1,3 Verfahrensgebühr
gemäß Nr. 3100 VV nach dem vom Landgericht festgesetzten Verfahrenswert von
50.000,00 EUR festgesetzt. Die Antragstellerin macht geltend, unter Beachtung der
Rechtsprechung des BGH (NJW 2008, 1323) sei die den Verfahrensbevollmächtigten den
Antragsgegnerin für ihre prozessuale Tätigkeit entstandene Geschäftsgebühr nach
einem Streitwert von 50.000,00 EUR in Höhe von 0,65 auf die Verfahrensgebühr
anzurechnen und daher abzusetzen.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Der Senat folgt der zitierten Rechtsprechung des BGH nicht (s. bereits ER-Beschluss
vom 31.03.2008 - 1 W 111/08 -, AGS 08, 216 = OLGR 08, 560 = JurBüro 08, 304;
Beschluss vom 24.06.2008 - 1 W 111/08, OLGR 08, 844). Die Rechtsbeschwerde ist
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Beschluss vom 24.06.2008 - 1 W 111/08, OLGR 08, 844). Die Rechtsbeschwerde ist
daher zulassen.
1. Das Landgericht hat zutreffend die Verfahrensgebühr von 1,3 nach dem
Verfahrenswert von 50.000,00 EUR festgesetzt. Die Gebühr ist nach VV Nr. 3100
entstanden und nicht nach VV Nr. 3101 oder einem sonstigen Tatbestand des
Vergütungsverzeichnisses gemindert. Die in Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 VV vorgeschriebene
Anrechnung eines Teils der Geschäftsgebühr ist bei der Festsetzung der Gebühr nach VV
Nr. 3100 nicht zu berücksichtigen.
2. Die Anrechnung als solche bewirkt keine Minderung der Verfahrensgebühr.
a) Unstreitig ist den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin allerdings eine
Geschäftsgebühr nach VV Nr. 2300 entstanden, die nach Maßgabe der Vorbem. 3 Abs. 4
VV anzurechnen ist. Sie sind vorprozessual mit der Abwehr des Abmahnschreibens vom
24.4.2008 in der später zum Verfahrensgegenstand gewordenen Angelegenheit tätig
geworden. Der von der Antragstellerin angegebene Gegenstandswert von 50.000,00 EUR
und der Regelsatz von 1,3 werden nicht beanstandet. Der Auftrag umfasste die von den
Bevollmächtigten entfaltete außergerichtliche, auf Vermeidung des Gerichtsverfahrens
gerichtete Tätigkeit. Soweit sie im Schreiben vom 5.5.2008 mitgeteilt haben, dass sie für
den Fall der gerichtlichen Auseinandersetzung „zustellungsbevollmächtigt“ seien, geht
daraus allenfalls ein bedingter Prozessauftrag - für den Fall einer Anrufung des Gerichts
durch die Gegenseite - hervor. Soweit sie im Schreiben vom 8.5.2008 ausführten, im
Falle des Ablaufs der zum 15.5.2008 gesetzten Frist zur Abgabe einer Verzichtserklärung
würden sie der Mandantschaft „dringend zur Erhebung einer negativen
Feststellungsklage anraten“, ist ein unbedingter Prozessauftrag ebenfalls nicht
ersichtlich.
b) Die Anrechnungsvorschrift bewirkt jedoch nicht, dass die Verfahrensgebühr von
vornherein nur in um den Anrechnungsbetrag geminderter Höhe entstanden ist. Soweit
der BGH dies annimmt (BGH - 8. ZS -, NJW 07, 283 zum materiellen Anspruch; dem
folgend zum prozessualen Kostenerstattungsanspruch: 8. ZS, NJW 08, 1323, bestätigt
mit Beschluss vom 03.06.2008, VIII ZB 3/08; 3. ZS, Beschluss vom 30.04.2008 - III ZB
8/08; 6. ZS, Beschluss vom 03.06.2008 - VI ZB 55/07; 4. ZS., Beschluss vom 16.7.2008 -
IV ZB 24/07 -; 1. ZS. Beschluss vom 14.08.2008 - I ZB 103/07; Beschluss vom 2.10.2008
- I ZB 30/08 -; 7. ZS., Beschluss vom 25.9.2008 - VII ZB 93/07 -), folgt der Senat dem
nicht:
(1) Bestimmt das Gesetz die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr, so setzt
es die Entstehung - auch - der anderen Gebühr logisch voraus. Es müssen alle
gesetzlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sein, dass die Gebühr - in bestimmter Höhe -
entstanden ist. Wenn in manchen Anrechnungsbestimmungen die Entstehung der
anderen Gebühr im Wortlaut ausdrücklich gefordert wird (Nrn. 3101 Abs. 1, 3104 Abs. 2,
3201 Satz 2 VV RVG), in anderen dagegen nur eine Anrechnung „auf die
Verfahrensgebühr“ oder „auf eine Gebühr“ (§ 34 Abs. 2 RVG, Nr. 2100, 2102 VV RVG)
angeordnet wird, hat das sprachliche Gründe und begründet keinen sachlichen
Unterschied. Die Entstehung der Gebühren und deren Verminderung und Erhöhung wird
im Gesetz durch Bestimmung der tatbestandlichen Voraussetzungen, des
Gebührensatzes bzw. -rahmens und der zugrundezulegenden Werte (§ 2 Abs. 1 RVG)
geregelt. Die Anrechnungsvorschrift betrifft dagegen den Fall des Zusammentreffens
mehrerer Gebührentatbestände (Konkurrenz). Die Anrechnung bewirkt dann, dass eine
doppelte Vergütung des Rechtsanwalts entfällt, indem sich der Anspruch des
Rechtsanwalts auf eine Gebühr um den Betrag der anzurechnenden - anderen - Gebühr
vermindert (BGH, Urteil vom 25.9.2008 - IX ZR 133/07 -). Letztere muss dem
Rechtsanwalt ebenfalls zustehen. Die Anrechnung erfordert demnach eine Abrechnung
über beide Gebühren und erfolgt nicht schon bei der Entstehung, sondern nach
Maßgabe des § 8 RVG erst zu dem Zeitpunkt, in dem eine zusammenfassende
Berechnung der von der Anrechnung betroffenen Gebühren möglich und nach dem Sinn
und Zweck der Anrechnungsvorschrift geboten ist. Die vom Gesetz bestimmte Richtung
der Anrechnung (Gebühr A auf Gebühr B) besagt, welche Gebühr durch die
vorgeschriebene Anrechnung gemindert wird. Das ist in der Regel - aber nicht stets, vgl.
VV Nr. 3101 Abs. 1, 3104 Abs. 2 - die in der Entstehung nachfolgende Gebühr, so dass
bei deren Abrechnung die Anrechnung zum Zuge kommt. Dennoch ist nach dem Gesetz
die tatbestandliche Entstehung der einen Gebühr von der einen besonderen
Rechenvorgang erfordernden Anrechnung der anderen Gebühr zu unterscheiden (s.
Enders, JurBüro 08, 281/284). Die klare Trennung beider Vorgänge ermöglicht es, die
Fälle mehrfacher Anrechnung, nachträglicher Anrechnung, der Anrechnung in
unterschiedlichen Abrechnungsverhältnissen und der Zulässigkeit von diesbezüglichen
Vergütungsvereinbarungen (vgl. Hansens, RVGreport 08, 321/324) sachgerecht, d.h.
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Vergütungsvereinbarungen (vgl. Hansens, RVGreport 08, 321/324) sachgerecht, d.h.
dem Zweck der Anrechnung entsprechend zu lösen.
(2) Für die in Vorbem. 3 Abs. 4 VV getroffene Anrechnungsbestimmung gilt nichts
anderes. Sie regelt - nicht anders als etwa die Bestimmungen in VV Nr. 2100, 2102,
2501 Abs. 2, 2503 Abs. 2, 3305, 3307 - den Fall, dass die Gebühr für eine
außergerichtliche Tätigkeit bzw. die Vertretung im Mahnverfahren auf die im streitigen
Verfahren über denselben Gegenstand entstandene Verfahrensgebühr anzurechnen ist.
Dass der Gesetzgeber des RVG die Bestimmung, anders als nach früherem Recht in §
118 Abs. 2 BRAGO, in der Vorbem. zu Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses, also im
Rahmen der Regelung der Höhe der Gebühren (§ 2 Abs. 2 RVG) für die Vertretung im
gerichtlichen Verfahren getroffen hat, begründet keine sachliche Unterscheidung. Der
Gesetzgeber hat nicht etwa eine ergänzende Bestimmung zur Entstehung der
Verfahrensgebühr nach Abs. 2 der Vorbem. 3 getroffen, sondern den Wortlaut von § 118
Abs. 2 BRAGO übernommen bzw. die mit VV Nrn. 2100 usw. übereinstimmende
Formulierung der Anrechnung der außerhalb des gerichtlichen Verfahrens entstandenen
(Geschäfts-) Gebühr auf die in Teil 3 VV geregelten Verfahrensgebühren gewählt. Allein
diese Form der Regelung ist systematisch richtig, um das Ziel des Gesetzgebers (s. BT
Drs. 15/1971 S. 209) zu erreichen, dass der Anwalt für seine denselben Gegenstand
betreffende Tätigkeit nicht eine zweifache Vergütung erhält, wenn es sich um
verschiedene Angelegenheiten (§ 15 Abs. 1 RVG) handelt, die aber sachlich aufeinander
bezogen sind und - jedenfalls teilweise - einen einheitlichen Aufwand erfordern. Das soll -
und kann erst - bei der Abrechnung über die Gebühren des gerichtlichen Verfahrens
durch die Anrechnung berücksichtigt werden.
Weder Wortlaut und systematische Stellung noch die Gesetzesbegründung (dazu im
einzelnen Senat, Beschluss vom 31.03.2008 a.a.O. in Auseinandersetzung mit BGH NJW
2008, 1323) rechtfertigen daher eine Abkehr vom herkömmlichen und allgemeinen
Verständnis der Anrechnungsvorschriften (so auch die Gebührenreferenten der RAK, 56.
Tagung am 26.04.2008, Bericht in RVGreport 08, 210: „Auffassung des BGH ... falsch“).
3. Die Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV führt nicht zu einer Verkürzung der nach §
91 ZPO festzusetzenden Kosten des Rechtsstreits. Der Rechtsprechung, die dieses
annimmt (BGH 8. ZS a.a.O., ihm folgend 3., 6., 4., 1. und 7. ZS a.a.O.), vermag der
Senat sich nicht anzuschließen.
a) Die Kostenfestsetzung dient der Titulierung des prozessualen
Kostenerstattungsanspruchs und ist daher grundsätzlich auf die Kosten des
Rechtsstreits im Sinne des § 91 ZPO beschränkt. Gebühren für außergerichtliche
Tätigkeiten nach Teil 2 VV gehören nicht zu den Kosten des Rechtsstreits und sind - als
solche - nicht Gegenstand der Kostenfestsetzung (BGH, Beschluss vom 06.12.2007 - I
ZB 16/07; Beschluss vom 14.08.2008 - I ZB 103/07 -, m.w.N.). Auch die Anrechnung
dieser Gebühren auf die festzusetzende Verfahrensgebühr ist nicht Gegenstand der
Kostenfestsetzung. Denn sie vermindert die Verfahrensgebühr nicht bei der Entstehung,
sondern allein bei einer beide Gebühren umfassenden Abrechnung. Das folgt aus dem
Zweck der Anrechnung, das kumulative Gebührenaufkommen zu beschränken. Wenn -
und soweit - die anzurechnende Gebühr ebenfalls der Abrechnung unterliegt, ist sie bei
der Festsetzung daher in Abzug zu bringen. Das ist bei der Geschäftsgebühr nach den
Nrn. 2300 bis 2303 aber grundsätzlich nicht der Fall, denn sie gehört nicht zu den Kosten
des Rechtsstreits.
b) Aus der systematischen Stellung der Anrechnungsbestimmung in Teil 3 VV folgt
nichts anderes. Die Höhe der gesetzlichen Gebühren für die Tätigkeit des Anwalts im
gerichtlichen Verfahren bestimmt sich nach dem RVG unter Berücksichtigung einer
vorgeschriebenen Anrechnung, gleich an welcher Stelle des Gesetzes diese geregelt ist.
Wie ausgeführt, sind die Gebühren ungeachtet einer bei Abrechnung vorzunehmenden
Anrechnung in voller Höhe entstanden (vgl. BGH, Beschluss vom 13.03.2008 - I ZB
20/07 - Kosten der Schutzschrift III = AGS 08, 274). Vorbem. 3 Abs. 4 VV schreibt nicht
vor, bei der Kostenfestsetzung auch über eine außergerichtliche entstandene
Geschäftsgebühr nach VV 2300 bis 2303 abzurechnen. Ein anderes Verständnis der
Anrechnungsvorschrift führt im Übrigen zu keinem anderen Ergebnis. Denn wird die
Geschäftsgebühr - in der anzurechnenden Höhe - in die Abrechnung einbezogen, so ist
sie ebenfalls festzusetzen (Senat, Beschluss vom 24.06.2008, a.a.O.). Sie wird dadurch
als Teil der Kosten des Rechtsstreits qualifiziert (Riedel/Sußbauer/Keller, RVG 9. Aufl.
2005, VV Teil 3 Vorbem. 3 Rn. 66: angerechnete Geschäftsgebühr „als Teil der Kosten
des Rechtsstreits erstattbar“; zust. wohl Bischof in Bischof u.a., RVG, 2. Aufl., 2007,
Vorbem. 3 VV Rn. 108; s. bereits v. Eicken, Festschr. f. Herb. Schmidt 1981, S. 11 ff., 22
und 24 zu den anzurechnenden Gebühren nach § 118 Abs. 2 und 20 Abs. 1 S. 3 BRAGO:
„Zugehörigkeit zu den Prozesskosten nicht zweifelhaft“; ders. in v. Eicken u.a., Die
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„Zugehörigkeit zu den Prozesskosten nicht zweifelhaft“; ders. in v. Eicken u.a., Die
Kostenfestsetzung, 18. Aufl. 2003, B 566; and. wohl Mathias in 19. Aufl. 2006, B 579).
Deren Notwendigkeit im Sinne des § 91 ZPO folgt aus dem Sinn und Zweck der
Anrechnung, den außergerichtlichen Aufwand insoweit, als er in den Rechtsstreit
übergegangen ist, nicht doppelt zu vergüten. Dass die für diesen Aufwand geschuldete
Vergütung damit aus den Prozesskosten herausgenommen wird, ist der Regelung in
Vorbem. 3 Abs. 4 nicht zu entnehmen und entspricht nicht ihrem Zweck.
c) Die Festsetzung der vollen Verfahrensgebühr ungeachtet der Anrechnung der
Geschäftsgebühr führt nicht zur Festsetzung eines die Kosten der Partei nach § 91 ZPO
übersteigenden Erstattungsbetrages (so aber Ostermeier, JurBüro 08, 6/7; Streppel,
MDR 08, 421/422; dagegen zutr. Enders, JurBüro 08, 281/284). Die Festsetzung der
Kosten nach §§ 103 ff. ZPO soll die nach §§ 91 ff. ZPO getroffene
Kostengrundentscheidung ausfüllen. Diese umfasst sämtliche im Rechtsstreit - auch in
seiner Vorbereitung, soweit notwendig - entstandenen Kosten, während die (sonstigen)
außergerichtlichen Kosten der Parteien außer Betracht bleiben. Der im RVG geregelte
Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts umfasst dagegen sämtliche Angelegenheiten,
in denen dieser auftragsgemäß für den Mandanten tätig wird. Die hierauf bezogene
Anrechnungsvorschrift hat daher einen anderen Anwendungsbereich als die gesetzlichen
Bestimmungen, nach denen die Kostenfestsetzung erfolgt. Der prozessuale
Kostenerstattungsanspruch ist auch vom materiellen Erstattungsanspruch (§§ 249, 670
BGB) zu unterscheiden, der an den Vergütungsanspruch des Anwalts anknüpft und
insoweit eine Berücksichtigung der Anrechnungsvorschrift erfordert. Bei der
Kostenfestsetzung begründet die Anrechnung daher einen materiell-rechtlichen
Einwand, wenn der der Anrechnung unterliegende Teil der Verfahrensgebühr dadurch
bereits „verbraucht“ ist, dass der Anspruch auf Erstattung der Geschäftsgebühr
anderweitig tituliert oder - etwa durch Erfüllung - erloschen ist (Senat, Beschluss vom
17.07.2007 - 1 W 256/07, AGS 07, 439 = OLGRep. 07, 974 = JurBüro 07, 584; Beschluss
vom 07.05.2008 - 1 W 168/07, RVGreport 08, 313 (Hansens)). Bei Beachtung dieses
Einwands nach den verfahrensrechtlichen Grundsätzen des
Kostenfestsetzungsverfahrens wird der Zweck der Anrechnung in vollem Umfang
erreicht, ohne dass es zu einer Verkürzung des prozessualen
Kostenerstattungsanspruchs kommt.
4. Eine Verkürzung des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs durch Anrechnung
der Geschäftsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV hält der Senat für nicht hinnehmbar. Die
Partei auf den materiell-rechtlichen Erstattungsanspruch hinsichtlich der nicht
festsetzbaren Geschäftsgebühr zu verweisen (BGH NJW 07, 2049/2050), stellt keinen
angemessenen Ausgleich dar.
a) Zum einen wird die Ausgewogenheit der Kostengrundentscheidung beeinträchtigt,
wenn ein Teil der im und für den Prozess aufgewendeten Kosten einer Partei aufgrund
ihrer vorprozessualen Aufwendungen von der Kostenerstattung ausgenommen wird.
Denn eine Kostenersparnis durch die Beauftragung eines bereits vorprozessual tätig
gewesenen Anwalts ist bei der Kostenentscheidung nicht zu berücksichtigen, da diese
Kosten nicht in die Kostenausgleichung einbezogen werden (vgl. BGH, Beschluss vom
12.12.2002 - I ZB 29/02 -, NJW 03, 901).
b) Zum anderen ist der materielle Erstattungsanspruch dem prozessualen, nach §§ 103
ff. ZPO zu titulierenden Erstattungsanspruch nicht gleichwertig. Das gilt besonders für
die - hier vorliegende - Fallgruppe, dass der Beklagte oder Antragsgegner im
Rechtsstreit obsiegt, nachdem er bereits vorprozessual den Anspruch durch seinen
Verfahrensbevollmächtigten zurückgewiesen hat. Ein Erstattungsanspruch aus §§ 249,
670 BGB ist hier im Regelfall nicht gegeben (BGH, Urteil vom 12.12.2006 - VI ZR 224/05 -
, MDR 07, 654; s. auch Wolf JurBüro 08, 396 ff.). Der Anspruchsgegner kann auch nicht
durch Mandatsgestaltung (vgl. Hansens, RVGreport 08, 321 ff.) erreichen, dass eine
anzurechnende Geschäftsgebühr nicht entsteht. Denn der Auftrag zur Abwehr eines
vorprozessual - selbst unter Klagedrohung - gestellten Anspruchs betrifft die
außergerichtliche Vertretung (BGH, Beschluss vom 06.12.2007 - I ZB 16/07 -), ein
zugleich erteilter bedingter Prozessauftrag verdrängt diesen Auftrag erst mit Eintritt der
Bedingung, wenn also die Gegenseite Klage einreicht (vgl. Enders, JurBüro 08, 449/452).
Es muss dem Anspruchsgegner aber möglich sein, sich mit Hilfe eines Anwalts gegen
einen vorprozessual erhobenen Anspruch zur Wehr zu setzen, ohne hieraus Nachteile im
Falle eines dennoch gegen ihn geführten Rechtsstreits hinnehmen zu müssen. Die
Einreichung einer Schutzschrift (vgl. BGH, Beschluss vom 13.03.2008 - I ZB 20/07 -
a.a.O.) stellt keinen Ausweg dar, da sie die Anrechnung der durch das Abwehrschreiben
entstandenen Geschäftsgebühr nicht hindert.
c) Das Ergebnis kann nicht mit der Überlegung gerechtfertigt werden, der Gesetzgeber
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c) Das Ergebnis kann nicht mit der Überlegung gerechtfertigt werden, der Gesetzgeber
habe eine gebührenrechtliche Gleichbehandlung des Anwalts, der unmittelbar einen
Prozessauftrag erhält, mit dem Anwalt, der zunächst außergerichtlich tätig war (und
diese Tätigkeit gesondert vergütet erhält), vermeiden wollen. Diese Erwägung (vgl. BGH,
Urteil vom 25.9.2008 - IX ZR 133/07 -) betrifft den Vergütungsanspruch des Anwalts
gegen den Mandanten, während bei der Kostenfestsetzung über die Prozesskosten
abgerechnet wird. Eine Ungleichbehandlung mit der Wirkung, dass der Anspruch auf
Erstattung der Prozesskosten sich für die Partei reduziert, die ihren Anwalt bereits
vorprozessual mit der Anspruchsabwehr beauftragt hatte, ist vom Gesetzgeber nicht
beabsichtigt und auch nicht zu rechtfertigen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
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